L 11 B 309/05 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 SO 21/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 309/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 08.04.2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für dieses Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von laufenden Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Mit seinem beim Sozialgericht Regensburg (SG) am 29.03.2005 eingegangenen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz begehrt der Antragsteller (ASt), den Antragsgegner (Ag) im Wege der einstweiligen Anordnung zur laufenden Zahlung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu verpflichten.

Er beziehe seit 1998 von dem Ag Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Bestimmungen des früheren Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Der Antrag auf Weiterzahlung der Hilfe zum Lebensunterhalt über den 31.12.2004 hinaus sei unter Hinweis auf die möglicherweise bestehende Erwerbsfähigkeit des ASt abgelehnt worden. Auch die zuständige Arbeitsgemeinschaft habe Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) abgelehnt, weil die Leistungsvoraussetzungen in Zweifel stünden.

Der Ag beantragte, den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.

Der ASt habe zwischenzeitlich mit Schriftsatz vom 24.03.2005 Antrag auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei der zuständigen Arbeitsgemeinschaft für den Landkreis Regensburg gestellt. Diese Leistungen seien vorrangig zu erbringen.

Mit Beschluss vom 08.05.2005 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ab.

Das Recht der Sozialhilfe sei seit dem 01.01.2005 neu geregelt. Für die Empfänger bisheriger Leistungen nach dem BSHG kämen nunmehr Leistungen nach dem SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende - oder aber nach dem SGB XII - Sozialhilfe - in Frage. Vorliegend sei noch nicht geklärt, ob der ASt ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Sinne des SGB II sei, so dass sich die Leistungsverpflichtung aus § 44a Satz 3 SGB II ergebe. Sozialhilfeleistungen kämen mithin nicht in Betracht.

Hiergegen wendet sich der ASt mit seiner beim Bayer. Landessozialgericht am 22.06.2005 eingegangenen Beschwerde.

Ohne einen ausdrücklichen Beschwerdeantrag zu stellen, begehrt der ASt hier weiterhin Leistungen nach dem SGB XII. Er sehe sich durch dieses Behördengebahren in seinen Grundrechten verletzt.

Der Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Arbeitsgemeinschaft habe zwischenzeitlich dem ASt Leistungen nach dem SGB II mit Wirkung ab dem 01.07.2005 bewilligt.

Die Arbeitsgemeinschaft des Landkreises Regensburg und der Agentur für Arbeit Regensburg ist zum Verfahren beigeladen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die vorliegende Behördenakte Bezug genommen.

II.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Die Beschwerde des ASt ist jedoch unbegründet, weil es das SG zu Recht abgelehnt hat, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zur Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII zu verpflichten.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl. 2005, Rdnr 643).

Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass der ASt Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung -ZPO-; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl. 2005, § 86b Rdnr 41).

Bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. dazu im Einzelnen BVerfGE vom 12.05.2005 Az: 1 BvR 569/05) zeigt sich, dass dem ASt zum Teil kein Anordnungsgrund und im Übrigen kein Anordnungsanspruch zur Seite steht.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens eines Anordnungsgrundes, also der Eilbedürftigkeit der Sache, ist in jeder Lage des Verfahrens, insbesondere also auch noch im Beschwerdeverfahren, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Soweit der ASt für vor Juli 2005 liegende Zeiträume Leistungen der Sozialhilfe von dem Ag bewilligt erhalten will, ist die Sache nicht mehr eilbedürftig. Es entspricht, wie das SG zutreffend ausgeführt hat und auch der Senat dem ASt mitgeteilt hat, der ständigen Rechtsprechung auch im Sozialhilferecht, dass vorläufige Regelungen von Leistungsansprüchen, die abgelaufene Zeiträume betreffen, regelmäßig nicht mehr nötig sind, um wesentliche Nachteile abzuwenden.

Soweit der ASt darüber hinaus Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII ab Juli 2005 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen will, steht ihm kein Anordnungsgrund mehr zur Seite.

Wie der ASt im Schreiben vom 20.07.2005 selbst eingesteht, hat die Beigeladene zwischenzeitlich Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII für den Zeitraum ab dem 01.07.2005 bewilligt.

Gemäß § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II schließt der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II die vom ASt geltend gemachten Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII aus. Der ASt kann mithin für den Zeitraum ab dem 01.07.2005 solche Leistungen vom Ag nicht mehr verlangen.

Soweit der ASt darüber hinaus nunmehr die Übernahme seiner Mietschulden gemäß § 34 SGB XII begehrt, trifft es zu, dass ein Anspruch nach § 34 SGB XII, soweit die beanspruchten Leistungen nicht nach § 22 Abs 5 SGB II übernommen werden, zu den Leistungen nach dem SGB II hinzutreten kann. Gleichwohl kann der ASt Leistungen nach § 34 SGB XII im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht erstreiten, weil es ihm nicht zusteht, den Ag mit einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschuztes für Leistungen zu überziehen, die er bislang bei dem Ag noch nicht geltend gemacht hat. Ausweislich seines eigenen Schreibens vom 20.07.2005 hat er einen Antrag auf Übernahme seiner Mietschulden gemäß § 34 SGB XII erstmals am 02.07.2005 gestellt, während sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG bereits am 24.03.2005 eingegangen ist. Der ASt muss hier differenzieren zwischen Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 29 SGB XII und der Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen gemäß § 34 SGB XII. Kosten für Unterkunft und Heizung hat er beantragt. Sie bestimmen sich jetzt aber nach § 22 SGB II, so dass der Ag für die laufenden Kosten von Unterkunft und Heizung nicht mehr zuständig ist. Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen gemäß § 34 SGB XII, dazu gehören ggf. auch Mietschulden, hat er - wie oben ausgeführt - erstmals am 02.07.2005 beantragt, so dass diese Leistungen nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen sind und, wie ebenfalls bereits ausgeführt, bereits deshalb nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zugesprochen werden können, weil es der ASt versäumt hat, diese Leistungen erst einmal bei dem Ag auch zu beantragen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ergibt auch eine Güter- und Folgenabwägung kein anderes Ergebnis. Insbesondere ist es dem ASt zuzumuten, hinsichtlich seiner Mietschulden die Entscheidung des Ag abzuwarten.

War mithin die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das SG rechtsfehlerfrei, so hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH ebenfalls rechtsfehlerfrei abgelehnt.

Mithin kann die Beschwerde insgesamt keinen Erfolg haben.

2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für dieses Beschwerdeverfahren ist ebenfalls abzulehnen.

Aus den oben unter Nr 1. angeführten Gründen ergibt sich, dass das Beschwerdeverfahren, für das der ASt PKH beantragt hat, von Anfang an keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 73a SGG iVm §§ 114 ff ZPO hatte. Auf die Frage der Mutwilligkeit und der subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen für die PKH kommt es nach alledem nicht mehr an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Verfahren der PKH ist kostenfrei.

4. Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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