L 19 R 365/05 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 266/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 365/05 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Antrag der Beklagten auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem mit der Berufung angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 18.01.2005 - Az.: S 12 R 266/02 - wird abgelehnt.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung zu erstatten.

Gründe:

Das Sozialgericht Bayreuth (SG) hat mit Urteil vom 18.01.2005 die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer ab 01.02.2002 und wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.08.2002 bis 31.07.2005 zu gewähren. Das SG stützt seine Entscheidung auf ein von ihm gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei dem Neurologen und Psychiater Dr.B. eingeholtes Gutachten sowie auf die abschließende Beurteilung in dem Heilverfahrens-Entlassungsbericht der Fachklinik A. vom 09.07.2004. Sowohl Dr.B. als auch die Fachklinik A. gingen von einem zeitlichen Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden aus.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil am 17.03.2005 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie in ihrem Schriftsatz vom 06.05.2005 auf die abweichende Beurteilung des Leistungsvermögens durch den Medizinaldirektor Dr.H. und die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizin, Medizinaldirektorin Dr.B. verweist. Der erhobene psychopathologische Befund sei nicht so ausgeprägt, als dass die somatoforme Schmerzstörung mit einer zeitlichen Leistungsminderung verbunden wäre.

Mit der Berufungsbegründung vom 06.05.2005 beantragt die Beklagte auch, die Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil zur Vermeidung einer Überzahlung auszusetzen. Das Urteil sei wegen der unzutreffenden Leistungsbeurteilung der Klägerin fehlerhaft.

Nach § 154 Abs 2 SGG bewirkt die Berufung eines Versicherungsträgers Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Keine aufschiebende Wirkung tritt dagegen kraft Gesetzes für die Zeit nach Erlass des Urteils ein, wenn ein Versicherungsträger verurteilt wurde, dem Kläger eine Rente zu zahlen. Der Versicherungsträger ist daher verpflichtet, die sog. "Urteilsrente" einzuweisen, die der Kläger aber wieder zu erstatten hat, wenn das Urteil des Erstgerichts auf die Berufung hin oder in einem eventuellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.

Auf Antrag oder von Amts wegen kann jedoch der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats des Landessozialgerichts gemäß § 199 Abs 2 SGG durch einstweilie Anordnung die Voll- streckung aus dem Urteil aussetzen - soweit die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG keine aufschiebende Wirkung hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) soll eine Aussetzung allerdings nur dann erfolgen, wenn das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat (BSG 12, 138; 33, 118, 121). Nach der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist der Auffassung des BSG nicht uneingeschränkt zu folgen und eine Aussetzung der Vollstreckung auch dann anzuordnen, wenn es nur überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Leistungsträger mit seinem Rechtsmittel jedenfalls in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird (s. Niesel, der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl, Rdnr 400; Meyer-Ladewig, SGG, 7.Auflage, § 199, Rdnrn 8 und 8a mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob in der Zwischenzeit geleistete Beträge nach Aufhebung des Urteils dann eingetrieben werden können. Das Interesse des Leistungsträgers an der Rüccerstattung der Leistung ist umso höher zu bewerten, je größer die Erfolgsaussichten der Berufung des Leistungsträgers einzuschätzen sind. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass insbesondere dann, wenn in absehbarer Zeit ein Anspruch auf Altersrente entsteht, der Versicherungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I aufrechnen kann bzw. sonst nach § 52 SGB I ebentuell einen anderen Leistungsträger mit der Verrechnung beauftragen kann.

Vorliegend lässt sich die Erfolgsaussicht der Berufung nur schwer beurteilen, da vom Senat noch weitere Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts in medizinischer Hinsicht durchzuführen sind. Das Erstgericht stützt seine Entscheidung in nachvollziehbarer Weise auf das Ergebnis der Begutachtung durch Dr.B. und die Feststellungen im Reha-Entlassungsbericht. Es führt in den Entscheidungsgründen auch ausführlich aus, warum es diesen Beurteilungen und nicht der Auffassung von Dr.B. folgt. Dass die Beklagte und Berufungsklägerin ihre Berufung auf eine andere medizinische Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin stützt, macht es aus objektiver Sicht noch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sie mit ihrer Berufung jedenfalls in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird.

Unter diesen Umständen besteht unter Abwägung einerseits des Interesses der Klägerin an der Vollstreckung des Urteils und andererseits des Interesses der Beklagten daran, vor endgültiger Klarstellung der Rechtslage nicht leisten zu müssen, kein Anlass, von der im Gesetz vorgesehenen Regelung, dass die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG für die Zeit ab Erlass des angefochtenen Urteils keine aufschiebende Wirkung hat, abzuweichen.

Die Entscheidung über die Kosten (siehe BayLSG NZS 97, 96) beruht auf der Erwägung, dass der Antrag der Beklagten abgelehnt wurde.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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