L 11 AL 227/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 708/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 227/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.04.2005 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 16.03.1998 bis 25.08.1998, 11.09.1998 bis 11.04.1999 und 05.01.2000 bis 19.03.2000 sowie die Erstattung der in diesen Zeiträumen bezogenen Leistungen und entrichteter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 15.651,82 DM (8.002,65 EUR).

Die 1963 geborene Klägerin bezog seit 01.12.1993 mit Unterbrechungen von der Beklagten Alhi (Bemessungsentgelt bis 04.01.2000 630,- DM). In den Anträgen auf Fortzahlung der Alhi für die Zeit ab 01.12.1997, 11.09.1998 und 05.01.2000 verneinte sie für sich und ihren Ehemann die Fragen nach dem Vorhandensein von Vermögen, insbesondere den Besitz von Wertpapieren oder sonstigen Vermögenswerten. Im Zuge von Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes W. zu Finanzierungsquellen terroristischer Netzwerke wurde festgestellt, dass die Klägerin und ihr Ehemann Anteile an der türkischen Handelsgesellschaft K. (K) über 82.500,- DM (Ehemann) und 9.450,- DM (Klägerin) besaßen. Anteils-Verkaufsbescheinigungen vom 16.03.1998/02.12.1999, unterzeichnet von der Klägerin bzw ihrem Ehemann und E. K. , Beauftragter der Firma K im Raum A. , bestätigen Bareinzahlungen von 82.500,- DM am 16.03.1998 für 1.500 Anteile zum Nennwert von je 55,- DM durch den Ehemann der Klägerin und am 02.12.1999 in Höhe von 9.450,- DM (140 Anteile zu je 67,50 DM) durch die Klägerin. Der Ehemann der Klägerin gab hierzu an, die Anteile hätten sie durch Übertragung türkischen Vermögens an die Firma K erworben. Diese Anteile seien jedoch ohne Wert. Einem Auszahlungsverlangen sei die Firma K nicht nachgekommen. Die Anteile stellten daher lediglich einen Anspruch an K dar, der nicht zu realisieren sei.

Mit Bescheid vom 19.06.2002 hob die Beklagte die Alhi-Bewilligung für die Zeiträume 16.03.1998 bis 25.08.1998, 11.09.1998 bis 11.04.1999 und 05.01.2000 bis 19.03.2000 auf, weil Bedürftigkeit nicht vorgelegen habe und forderte von der Klägerin die Erstattung einer Alhi-Überzahlung in Höhe von 10.946,13 DM sowie mit Bescheid vom 29.07.2002 zu Unrecht entrichteter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 4.705,69 DM, zusammen 15.651,82 DM (8.002,65 EUR).

Den Widerspruch der Klägerin - das Vermögen, sofern solches überhaupt vorgelegen habe, sei nicht verwertbar gewesen - wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 26.11.2002 zurück. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten am 16.03.1998 ein Barvermögen in Höhe von 82.500,- DM besessen, das bei der Bedürftigkeitsprüfung in Höhe von 66.500,- DM habe berücksichtigt werden müssen. Unter Beachtung des wöchentlichen Bemessungsentgeltes von 630,- DM habe somit für 105 Wochen keine Bedürftigkeit bestanden. Auf die Verwertbarkeit des in Anteilen der K angelegten Vermögens komme es nicht an; entscheidend sei die freie Verfügbarkeit vor der Geldanlage am 16.03.1998.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und vorgetragen: Der Stiefvater ihres Ehemannes habe durch Verwertung von Grundstücksanteilen u.a. eine Taxi-Lizenz für I. erworben, die - da dieser keinen Führerschein besessen habe - auf den Namen ihres Mannes eingetragen worden sei. Im Innenverhältnis hätten jedoch sämtliche Rechte und Vermögenswerte dem Stiefvater zugestanden. Schriftliche Unterlagen gebe es hierüber jedoch nicht. Nach dem Tod des Stiefvaters (1992) habe ihr Ehemann im März 1998 die Taxi-Lizenz gegen Vermögensanteile an der Firma K im Wert von 82.500,- DM verkauft. Diese Anteile habe man trotz größter Bemühungen im Jahr 2000 nicht veräußern bzw auch von K keine Zahlungen erlangen können. Die Originalinhaberscheine seien einem Vertreter der Firma K ausgehändigt worden. Der Kontakt zu diesem sei völlig abgebrochen; sein Aufenthalt unbekannt. Es sei somit unmöglich gewesen, an den Inhaberanteilen einen geldwerten Vorteil zu erlangen. Den in den Akten befindlichen Bescheinigungen über den Erwerb der Anteile komme ein Vermögenswert nicht zu.

Das SG hat E. K. (E.K.) als Zeugen uneidlich vernommen. Dieser hat angegeben, der Klägerin und ihrem Ehemann außer den Bescheinigungen (H. vom 16.03.1998/02.12.1999) keine weiteren Schriftstücke als Beleg für die Einzahlungen gegeben zu haben. Nach seiner Erinnerung habe er kein Bargeld erhalten. Die an die Klägerin und an den Ehemann ausgegebenen Anteilscheine habe er an die Firma K zurückgegeben. Bis zum Jahr 2000 habe die Firma K den Wert der ausgegebenen Anteilscheine einschließlich etwaiger Gewinne zurückgezahlt. So habe er seine eigenen Einlagen von K zurückerhalten. Auf die Einvernahme des Ehemanns der Klägerin als Zeugen verzichteten die Beteiligten.

Mit Urteil vom 04.04.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Entscheidend sei, dass durch die Veräußerung der Taxi-Lizenz ein wirtschaftlicher Gegenwert erzielt wurde. So sei der auf der Bescheinigung vom 16.03.1998 bestätigte Wert (82.500,- DM) an diesem Tag vorhanden und der Betrag grundsätzlich verwertbar gewesen. Die Schwierigkeiten bei der Verwertung der Anteilscheine könnten nicht zur Bedürftigkeit führen, denn das wirtschaftliche Risiko einer Vermögensanlage dürfe nicht auf die Versichertengemeinschaft übertragen werden.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Eine Rückforderung könne nur erfolgen, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig Angaben zu den Vermögensverhältnissen unterlassen habe. Die Taxi-Lizenz des Stiefvaters ihres Ehemannes habe aber keinerlei verwertbares Vermögen für sie dargestellt. Die Anteilscheine seien an die Firma K zurückgegeben worden. Mit den vom Zeugen E. K. ausgestellten Bescheinigungen lasse sich eine Forderung gegenüber der Firma K ohnehin nicht begründen. Im Übrigen stellten auch "richtige" Aktien kein verwertbares Vermögen dar, wenn ihnen zum Zeitpunkt der Antragstellung kein Börsenwert zukomme. Dem SG sei es nicht gelungen, einen Zeitpunkt aufzuzeigen, zu dem sie und ihr Ehemann über verwertbares Vermögen hätten verfügen können.

Die Klägerin beantragte, ihren Ehemann H. C. zu folgenden Beweisthemen als Zeugen zu vernehmen: 1. Die türkische Taxi-Lizenz habe im Innenverhältnis aus schließlich dem Stiefvater (Onkel der Klägerin) zugestanden. 2. Ihr Ehemann sei bzgl. der Taxi-Lizenz für die Ehefrau des verstorbenen Stiefvaters (Tante der Klägerin) tätig gewor den. 3. Die Anteile hätten im Innenverhältnis ausschließlich der Ehefrau des verstorbenen Stiefvaters zugestanden. 4. Aktien der Firma K. habe es nie gegeben. 5. Es sei zu keinem Zeitpunkt Geld geflossen, sondern lediglich ein Tausch für eine Taxi-Lizenz vorgenommen worden.

Diesen Antrag lehnte der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2005 ab.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.04.2005 sowie den Bescheid vom 19.06.2002 und den Änderungsbescheid vom 31.07.2002 idG des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin und ihr Ehemann hätten am 16.03.1998 über ein Vermögen in Höhe von 82.500,- DM verfügen können. Der Versuch, den Aktienwert im Jahr 2000 einzulösen, zeige, dass die Klägerin und ihr Ehemann selbst von einem tatsächlichen Wert für die geleistete Einlage ausgegangen seien.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die Beklagte durfte die Alhi-Bewilligung ab 16.03.1998 aufheben und zu Unrecht gezahlte Leistungen sowie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zurückfordern.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alhi-Bewilligung ist § 48 Abs 1 SGB X. Nach dieser Bestimmung ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (Satz 1). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Satz 2 Nr 3).

Nach § 190 Abs 1 Nr 5 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III - haben Anspruch auf Alhi nur Arbeitnehmer, die u.a. bedürftig sind. Bedürftig ist nach § 193 Abs 1 SGB III ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Nicht bedürftig ist nach § 193 Abs 2 SGB III ein Arbeitsloser, so lange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Wie lange und mit Rücksicht auf welches Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist, hat das SGB III der Regelung durch Rechtsverordnung überlassen. Insofern finden die Regelungen der § 6 ff Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) vom 07.08.1974 idF vom 24.06.1996 weiterhin Anwendung.

Nach § 6 Abs 1 AlhiV ist das Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000,- DM übersteigt. Vermögen ist insbesondere verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Es ist nicht verwertbar, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann (§ 6 Abs 2 AlhiV). Die Verwertung ist zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann (§ 6 Abs 3 Satz 1 AlhiV).

Bei dem am 16.03.1998 verhandenen Vermögen handelt es sich um Vermögen, das dem Ehemann der Klägerin zurechenbar ist, denn dieser erwarb am 16.03.1998 unter Einsatz dieses Vermögens Anteilscheine im eigenen Namen (vgl. Anteils-Verkaufsbescheinigung vom 16.03.1998, die vom Ehemann eigenhändig unterzeichnet wurde). Ein etwaiges Treuhandverhältnis zur Tante der Klägerin ist hieraus nicht ersichtlich.

Grundsätzlich trägt zwar die Beklagte bei einer auf § 48 SGB X gestützten Rücknahme die volle Beweislast für die eingetretene Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. Diesen Beweis hat die Beklagte unter Hinweis auf das Vermögen des Ehemannes der Klägerin auf der Grundlage des vorhandenen Schriftstücks vom 16.03.1998 erbracht. Der Klägerin trifft nunmehr im Wege der Umkehr der Beweislast die objektive Beweislast dafür, dass sie trotz des Vermögens des Ehemannes ab 16.03.1998 bedürftig war mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 48 SGB X nicht vorlagen (vgl hierzu BayLSG, Urteile vom 09.12.2004/ 31.05.2005 - L 11 AL 435/03; L 10 AL 442/04 -, LSG Brandenburg, Urteil vom 28.08.1997 - E LSG AL 165). Nach der Rechtsprechung des BSG ist Vermögen nicht verwertbar, das der Inhaber an den Eigentümer herauszugeben hat. So hat das BSG Geldmittel, die von Anfang an mit einer Rückzahlungspflicht verbunden sind, vom Einkommensbegriff ausgenommen, weil sie dem Arbeitslosen nicht endgültig zur Verfügung stehen und deshalb nicht zum Bestreiten des Lebensunterhalts herangezogen werden können (BSG SozR 4100 § 138 Nr 11; BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 12; BSG SozR 3-4200 § 6 Nr 8; BayLSG, Urteile vom 09.12.2004/ 31.05.2005 - L 11 AL 435/03 und L 10 442/04).

Diesen Nachweis hat die Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht erbracht. Ein Treuhandverhältnis zwischen dem Ehemann der Klägerin und ihrer Tante (lt. Klägerin Erbin des 1992 verstorbenen Schwiegervaters) ist nicht belegt. Insbesondere ist die Tante wirtschaftlich nicht Inhaberin des Vermögens geblieben (Palandt/Basenge, 63.Aufl, § 993 RdNr 33; Schramm, Münchener Kommentar, 3.Aufl, vor § 164 RdNr 27; BayLSG, Beschluss vom 11.08.2004 - L 10 B 213/04 AL ER). Dies ergibt sich bereits aus der fehlenden Kennzeichnung der Treuhand und der Verletzung des Offenkundigkeitsprinzips (BayLSG, Urteile vom 09.12.2004 und 31.05.2005 - L 11 AL 435/03 und L 10 AL 442/04; Hessisches LSG, Urteil vom 09.05.2001 - L 6 AL 432/00 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.08.2002 - L 12 AL 247/01).

Spätestens seit der Veräußerung der Taxi-Lizenz und eines PKW durch den Ehemann der Klägerin im März 1998 steht auch deren Wert fest. Er entspricht dem Wert der dafür erhaltenen Anteilscheine der Firma K nach dem Stand vom 16.03.1998 (82.500,- DM). Dieses Vermögen war grundsätzlich verwertbar iS § 6 Abs 2 Satz 1 AlhiV, denn der Ehemann der Klägerin verwertete es am 16.03.1998 selbst durch den Erwerb von Anteilscheinen. Nach Abzug von Freibeträgen in Höhe von 16.000,- DM (§ 6 Abs 1 AlhiV) war die Verwertung des Vermögens in Höhe von 66.500,- DM zumutbar. Es standen der Verwertung Tatbestände des § 6 Abs 3 AlhiV nicht entgegen. Die Verwertung des Vermögens war auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich oder unbillig. Dies zeigt bereits die Verwertung vom 16.03.1998 durch den Ehemann selbst.

Unabhängig davon könnte von einer Unverwertbarkeit der Anteilscheine ohnehin nicht ausgegangen werden. Zwar stellt auch nach Ansicht des Senats die vom Zeugen E.K. am 16.03.1998 ausgestellte und vom Ehemann der Klägerin unterzeichnete Verkaufsbescheinigung kein Wertpapier dar. An den Ehemann waren jedoch vom Zeugen "Anteilscheine" ausgegeben worden, die die Staatanwaltschaft W. später bei diesem beschlagnahmte. Diese haben am 16.03.1998 den in der Verkaufsbescheinigung zum Ausdruck gekommenen Wert gehabt. Keinesfalls kann davon ausgegangen werden, dass die Anteilscheine bereits am 16.03.1998 keinen oder einen nur wesentlich geringeren Wert hatten. Es ist nämlich kein Grund ersichtlich, warum der Ehemann der Klägerin am 16.03.1998 PKW und Taxi-Lizenz für eine wertlose Gegenleistung erworben haben sollte. Zudem hat die Klägerin selbst zu einem späteren Zeitpunkt solche Anteilsscheine erworben.

Ein etwaiger späterer Wertverfall der Anteilsscheine berührt dem zum 16.03.1998 festgestellten und vorliegend entscheidungserheblichen Wert nicht. Im Übrigen ist ohnehin nicht belegt, dass ab 16.03.1998 bis zum Jahr 2000 ein wesentlicher Wertverlust der Anteilsscheine eingetreten ist. Die Anteilsscheine der K haben im Gegenteil eine Wertsteigerung erfahren, denn der Nennwert betrug am 02.12.1999 (Kauf durch Klägerin) 67,50 DM (Wert am 16.03.1998: 55,- DM). Ferner hat der Zeuge E.K. angegeben, dass die Firma K nach seiner Kenntnis bis zum Jahr 2000 an den Inhaber - so auch an ihn - Anteile wertentsprechend zurückgezahlt hat.

Den im diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2005 gestellten Beweisanträgen der Klägerin, die lediglich Anregungen an das Gericht darstellen (Leitherer in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 103 RdNr 12c), ihren Ehemann als Zeugen zu hören, musste der Senat nicht entsprechen.

Ob die türkische Taxi-Lizenz im Innenverhältnis ursprünglich dem 1992 verstorbenen Onkel der Klägerin zustand, ist nicht entscheidungserheblich, denn es ist für die Frage der Bedürftigkeit der Klägerin auf den Vermögensstand der Ehegatten am 16.03.1998 abzustellen. Auf die im Innenverhältnis gegebenenfalls bestehende und von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erstmals geltend gemachte Verpflichtung ihrer Tante gegenüber kommt es angesichts des klaren Wortlauts der vom Ehemann der Klägerin als Einzahler selbst unterzeichneten Anteils-Verkaufsbescheinigung vom 16.03.1998 ebenfalls nicht an. Selbst wenn der Ehemann - entgegen dem Wortlaut der Bescheinigung - die Anteile nicht für sich selbst gekauft haben sollte, wäre dieser Umstand nicht offenkundig geworden. Auf die obigen Ausführungen zum Offenkundigkeitsprinzip wird hierzu verwiesen.

Ferner ist es nicht entscheidungserheblich, ob es die Firma K - in den Anteilsverkaufsbescheinigungen vom 16.03.1998 und 02.12.1999 als Anonyme Handelsgesellschaft K. (AG), Bau-, Landwirtschafts- und Industrieunternehmen bezeichnet - und Aktien bzw. Anteilsscheine dieser Firma tatsächlich gegeben hat. Entscheidungserheblich ist vielmehr lediglich, dass am 16.03.1998 verwertbares Vermögen vorhanden war. Davon ist auszugehen, denn der Ehemann der Klägerin bestätigte unterschriftlich eine Bareinzahlung über 82.500,- DM für den Erwerb der Anteilsscheine.

Im Übrigen hat die Klägerin am 23.02.2005 vor dem SG selbst versichert, dass sie und ihr Ehemann mit Nummern versehene Aktien erhalten haben. Auch der Zeuge bestätigte am Anteilsscheine die an die Klägerin und ihren Ehemann erfolgte Ausgabe von Anteilscheinen, die von der Staatsanwaltschaft W. zunächst beschlagnahmt und später wieder freigegeben worden seien. Sollte der Ehemann der Klägerin entgegen den Angaben in der Anteilsverkaufsbescheinigung vom 16.03.1998 den Gegenwert der Anteile nicht in bar einbezahlt haben - die Klägerin trägt davon abweichend vor, es sei lediglich ein Tausch vorgenommen worden - wäre dies für die Entscheidung ebenfalls ohne Belang, denn es würde dadurch das Vorhandensein verwertbaren Vermögens am 16.03.1998 nicht berührt.

In den der Alhi-Bewilligung zugrunde liegenden Verhältnissen ist mithin ab 16.03.1998 eine wesentliche Änderung eingetreten, denn der Verwaltungsakt hätte unter den nunmehr vorliegenden objektiven Verhältnissen von der Beklagten so nicht erlassen werden dürfen (BSG SozR 1300 § 48 Nr 19). Der Ehemann der Klägerin hat nach Erlass des Verwaltungsaktes Vermögen erzielt, das bei der Klägerin vorübergehend zum Wegfall des Alhi-Anspruchs gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X geführt hat. Bei einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 630,- DM hat die Beklagte zutreffend für 105 Wochen (66.500,-: 630 = 105,- DM) Bedürftigkeit verneint (§ 9 AlhiV).

Auf Bösgläubigkeit oder Verschulden des Leistungsbeziehers kommt es bei § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X nicht an. Das Vermögen muss auch nicht durch den Leistungsberechtigten erzielt worden sein. Es reicht die Erzielung durch einen Dritten mit Auswirkung auf die Leistung (BSG SozR 1300 § 48 Nr 53 S 148; Steinwedel in Kasseler Komm. § 48 RdNr 51).

Gemäß § 330 Abs 3 Satz 1 SGB X hatte die Beklagte bei der Aufhebung des Verwaltungsaktes - selbst beim Vorliegen eines atypischen Falls vorgelegen hätte - kein Ermessen auszuüben, sondern eine gebundene Entscheidung zu treffen (Niesel SGB III § 330 RdNr 50).

Der Anspruch auf Erstattung der überzahlten Alhi beruht auf § 50 Abs 1 SGB X, der zu Unrecht entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf § 335 Abs 1 Satz 1, Abs 5 SGB III idF vom 19.06.2001 (gültig ab 01.07.2001 bis 31.12.2003).

Die Fristen des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 SGB X sind eingehalten.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.04.2005 ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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