L 1 R 4230/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 45 RA 1179/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 4230/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 141/07 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 6. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Krankengeld für die Zeit vom 6. Juli 2000 bis 23. Januar 2001 in Höhe von 3.114,43 Euro.

Die 1964 geborene Versicherte war ab 6. Januar 2000 arbeitsunfähig erkrankt und beantragte im Anschluss an eine stationäre neurochirurgische Behandlung vom 11. bis 17. Januar 2000 bei der Beklagten am 27. Januar 2000 (Antragseingang) stationäre medizinische Leistungen zur Rehabilitation.

Nachdem die Klägerin von diesem Antrag Kenntnis erlangt hatte, teilte sie der Versicherten mit, nach ärztlichem Gutachten sei deren Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet oder gemindert. Aus diesem Grunde sei die Klägerin verpflichtet, medizinische Gesundheitsmaßnahmen im Zusammenwirken mit den Rentenversicherungsträger einzuleiten. Dieser prüfe dann, ob ein Reha- oder Rentenverfahren einzuleiten sei. Einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation habe die Versicherte bereits am 28. Januar 2000 gestellt. Die Klägerin mache Sie darauf aufmerksam, dass sie diesen Antrag ohne die Zustimmung der Klägerin nicht zurücknehmen könne. Dies gelte auch für den Fall, dass ihr Antrag auf medizinische Rehabilitation vom Rentenversicherungsträger eventuell in einen Rentenantrag umgedeutet werde (Schreiben vom 17. Februar 2000).

Im Anschluss an eine Entgeltfortzahlung bezog die Versicherte von der Klägerin für die Zeit vom 6. Juli 2000 bis 23. Januar 2001 Krankengeld in Höhe von brutto 15,64 Euro täglich.

Die Beklagte lehnte den Antrag vom 27. Januar 2000 zunächst mit der Begründung ab, eine ambulante nervenärztliche Weiterbehandlung sei ausreichend (Bescheid vom 18. Mai 2000), bewilligte der Versicherten im Widerspruchsverfahren aber eine stationäre Maßnahme (Bescheid vom 27. Dezember), die vom 24. Januar bis 21. Februar 2001 durchgeführt wurde.

Am 28. Februar 2001 beantragte die Versicherte bei der Beklagten eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte lehnte diesen Antrag zunächst wegen fehlender Erwerbsminderung ab (Bescheid vom 24 Juli 2001). Im anschließenden Wider-spruchsverfahren wies die Klägerin die Beklagte am 6. Februar 2001 unter Vorlage ihres Schreibens vom 17. Februar 2000 darauf hin, die Dispositionsbefugnis der Versicherten sei eingeschränkt. Daraufhin teilte die Beklagte der Versicherten mit, die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung seien seit 6. Januar 2000 (Beginn der Arbeitsunfähigkeit) erfüllt und es komme gemäß § 116 Abs. 2 Nr. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine Umdeutung des Reha-Antrags vom 27. Januar 2000 in einen Rentenantrag in Betracht. Unabhängig von einer solchen Umdeutung beginne die Rente (erst) nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme am 22. Februar 2001. Im Falle einer Umdeutung könne bereits ab 1. Februar 2000, ohne Umdeutung (erst) ab 1. Februar 2001 ein Anspruch auf Übergangsgeld vor Maßnahmen bestehen. Durch eine Rentengewährung könnten sich Nachteile auf anderen Rechtsgebieten ergeben. So könne die Rentengewährung in bestimmten Fällen zur Beendigung eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses führen. Der frühere Rentenbeginn könne auch den Anspruch auf andere Leistungen (z.B. Betriebsrenten, Zusatzrenten) dem Grunde oder der Höhe nach beeinflussen oder den Anspruch auf Krankengeld betreffen. Um sich vor diesen Nachteilen zu schützen, könne die Versicherte bestimmen, dass ihr Antrag auf Rehabilitationsmaßnahmen nicht als Rentenantrag gelten solle. Dieses Gestaltungsrecht stehe ihr jedoch nicht zu, wenn sie von der Krankenkasse oder vom Arbeitsamt dazu aufgefordert worden sei, den Rehabilitationsantrag zu stellen. Eine verspätete Einschränkung des Gestaltungsrechts sei - wie in ihrem Fall geschehen - dabei unbeachtlich (Schreiben vom 21. Februar 2002).

Die Versicherte teilte der Beklagten daraufhin mit, die Rente solle im Februar 2001 beginnen. Dementsprechend bewilligte die Beklagte ihr aufgrund eines Versicherungsfalls am 6. Januar 2000 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab 1. Februar 2001 (Bescheid vom 14. Mai 2002).

Mit Schreiben vom 24. Mai und 27. Juni 2002 meldete die Klägerin bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 103 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) an. Da die Rehabilitationsmaßnahme nicht erfolgreich gewesen sei, müsse der Reha-Antrag vom 27. Januar 2000 in einen Rentenantrag umgedeutet und ein früherer Rentenbeginn festgestellt werden.

Die Beklagte vertrat die Ansicht, bei einer nachträglichen Einschränkung des Gestaltungsrechts (§ 51 Abs. 1, 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - SGB V -) habe die Versicherte ein uneingeschränktes Wahlrecht, ob sie einer Umdeutung des Reha-Antrags zustimmen oder einen späteren Rentenantrag stellen wolle.

Die Klägerin widersprach dem unter Berufung auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. August 1995, Az.: 13 RJ 43/94 (= BSGE 76, 218). Auch wenn ein Versicherter bereits einen Reha- oder Rentenantrag gestellt habe, könne die Krankenkasse die künftige Dispositionsfreiheit ihres Versicherten durch eine nachträgliche Aufforderung nach § 51 Abs. 1 oder 2 SGB V einschränken. Dies sei im Falle der Klägerin erfolgt.

Am 21. August 2003 (Eingang bei Gericht) hat die Klägerin beim Sozialgericht München (SG) Klage erhoben. Die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin das für die Zeit vom 6. Juli 2000 bis 23. Januar 2001 gezahlte Krankengeld einschließlich der hierauf entrichteten Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 3.114,43 Euro zu erstatten. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2002 sei offensichtlich fehlerhaft, da die Beklagte den Rentenbeginn nicht unter Umdeutung des Reha-Antrags vom 27. Januar 2000 auf den 1. Februar 2000 festgesetzt habe, obwohl ihr die Einschränkung der Dispositionsbefugnis der Versicherten durch die Klägerin bekannt gewesen sei.

Das SG hat die Versicherte beigeladen (Beschluss vom 12. August 2004) und die Beklagte zur Erstattung des geltend gemachten Betrages verurteilt (Urteil vom 6. Oktober 2004, der Beklagten zugestellt am 28. Oktober 2004). Es hat in der Begründung unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG ausführlich dargelegt, dass die Voraussetzungen für den geltend gemachten Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X vorliegen. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, der Rentenbewilligung anstelle des (umgedeuteten) Reha-Antrags vom 27. Januar 2000 den (späteren) Rentenantrag vom 28. Februar 2001 zu Grunde zu legen und den Rentenbeginn auf den 1. Februar 2001 festzulegen. Ihr sei bei Erlass des Bescheides vom 14. Mai 2002 bekannt gewesen, dass die Klägerin die Dispositionsbefugnis der Beigeladenen hinsichtlich des Reha-Antrags gemäß § 51 SGB V eingeschränkt habe. Dies sei nach der Rechtsprechung des BSG auch nachträglich möglich, wenn der Versicherte den Antrag bereits ohne Aufforderung der Krankenkasse gestellt habe. In diesem Falle trete die Einschränkung der Dispositionsbefugnis mit Zugang der Aufforderung beim Versicherten ein. Zwar sei die Klägerin grundsätzlich an die Entscheidung der Beklagten über den Rentenanspruch der Versicherten gebunden, doch könne sich die Beklagte gemäß § 86 SGB X ausnahmsweise nicht auf die Bestandskraft des Bescheides vom 14. Mai 2002 berufen, weil dieser hinsichtlich des Rentenbeginns offensichtlich fehlerhaft sei. Die Höhe des Erstattungsanspruchs sei von der Klägerin zutreffend ermittelt und von der Beklagten nicht bestritten worden.

Dagegen hat die Beklagte am 23. November 2004 (Eingang bei Gericht) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) die vom SG zugelassene Berufung eingelegt.

Sie vertritt weiterhin die Ansicht, der Wortlaut und der Sinn des § 51 SGB V ließen eine nachträgliche Einschränkung des Gestaltungsrechts eines Versicherten hinsichtlich eines bereits ohne Aufforderung der Krankenkasse gestellten Reha-Antrags nicht zu. Eine Aufforderung zur Antragstellung könne immer nur das zukünftige Verhalten des Versicherten betreffen, sonst sei die mit der Nichtbefolgung verbundene Sanktion (Wegfall des Krankengeldes, § 51 Abs. 3 SGB V) unverständlich. Auch in § 66 Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) heiße es, Sozialleistungen dürften wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge hingewiesen worden und seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.

Die Krankenkassen hätten bei der Ermessensentscheidung, ob eine Aufforderung nach § 51 SGB V erfolge, außerdem die berechtigten Interessen des Versicherten zu berücksichtigen. Dazu gehöre auch die durch eine bereits erfolgte Antragstellung entstandene Rechtsposition der Dispositionsfreiheit. Schließlich dürfe der Versicherte, der den Antrag erst auf Aufforderung stelle, die entstandene Rechtsposition der Krankenkasse auch nicht nachträglich beeinträchtigen. Eine solche Ermessensentscheidung habe die Klägerin aber nicht getroffen.

Im Übrigen gestehe § 51 SGB V den Versicherten für die Antragstellung eine Frist von zehn Wochen zu. Wenn die nachgeschobene Aufforderung der Krankenkasse aber die Rücknahme eines bereits gestellten Antrag sofort beschränke, werde ein Versicherter, der den Antrag ohne Aufforderung der Krankenkasse gestellt habe, gegenüber anderen Versicherten unbillig benachteiligt.

Zudem könne eine Aufforderung und Fristsetzung nach § 51 Abs. 1 S. 1 SGB V erst ab Beginn des Krankengeldbezuges erfolgen, nicht bereits - wie hier - während der Entgeltfortzahlung. Zu diesem Zeitpunkt könne ein Reha-Antrag noch keinen Einfluss auf den (späteren) Krankengeldanspruch des Versicherten haben.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 6. Oktober 2004 aufzuheben und die Klage auf Erstattung des für die Zeit vom 6. Juli 2000 bis 23. Januar 2001 gezahlten Krankengeldes einschließlich hierauf entrichteter Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 3.114,43 Euro abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Sie hat zur Begründung vorgetragen, § 51 SGB V solle es den Krankenkassen ermöglichen, sich im Falle eines Rentenanspruchs von der Leistungspflicht zu befreien. Zwar sehe die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur die Aufforderung zur Antragstellung vor, doch umfasse sie in zweckorientierter, erweiternder Auslegung auch eine nachträgliche Beschränkung der Dispositionsbefugnis, sofern der Versicherte seinen Antrag nicht bereits zurückgenommen habe. Auch stelle § 51 SGB V nicht auf einen tatsächlichen Krankengeldbezug ab. Erforderlich sei lediglich, dass der Versicherte einen Anspruch auf Krankengeld habe. Ein solcher Anspruch besteht dem Grunde nach bereits während der Entgeltfortzahlung. Es ruhe lediglich der Auszahlungsanspruch. Gründe, die im vorliegenden Fall einer Einschränkung der Dispositionsbefugnis der Versicherten entgegenstehen könnten, lägen nicht vor.

Der Senat hat die Akten der Klägerin, der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin das für die Zeit vom 6. Juli 2000 bis 23. Januar 2001 an die Versicherte gezahlte Krankengeld sowie die hierauf entrichteten Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 3.114,63 Euro zu erstatten.

Zur Begründung wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass bei einer Umdeutung des Reha-Antrags vom 27. Januar 2000 die Rente der Versicherten bereits am 1. Februar 2000 beginnt, der Anspruch der Versicherten auf Krankengeld (Zahlungsanspruch) für die Zeit vom 6. Juli 2000 bis 23. Januar 2001 gemäß § 50 Abs. 2 Nr. 1 SGB V i.H.d. für denselben Zeitraum (rückwirkend) zu zahlenden Rente wegen Er-werbsminderung (rückwirkend) entfällt und die Klägerin gemäß § 103 SGB X gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung in Höhe des entfallenden Krankengeldzahlbetrages und der darauf entrichteten Sozialversicherungsbeiträge in der zutreffend ermittelten und von der Beklagten nicht beanstandeten Höhe hat, weil sich die Beklagte gemäß § 86 SGB X im Verhältnis zur Klägerin nicht auf den bindend gewordenen Rentenbescheid vom 14. Mai 2002 berufen kann.

Zu der zwischen den Beteiligten allein streitigen Frage, ob die Versicherte durch eine wirksame Beschränkung ihrer Dispositionsbefugnis nach § 51 Abs. 1 SGB V gehindert war, der gesetzlichen Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI (Umdeutung des Reha-Antrags in einen Rentenantrag) zu widersprechen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 86 Nr. 3), ist im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren ergänzend folgendes auszuführen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen eingewandt, § 51 Abs. 1 SGB V finde nach Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck der Vorschrift keine Anwendung, wenn der Reha-Antrag - wie hier - bereits ohne Aufforderung der Krankenkasse gestellt worden sei. Der Wortlaut erlaube nur eine Aufforderung zur Antragstellung und damit eine Verpflichtung zu einem zukünftigen Verhalten des Versicherten. In eine bereits bestehende Dispositionsbefugnis des Versicherten dürfe dagegen nicht eingegriffen werden. Anderenfalls liefe die Sanktion des § 51 Abs. 3 (Wegfall des Krankengeldes bei fehlender Antragstellung) ins Leere. Außerdem würde ein Versicherter, der bereits einen Antrag ohne Aufforderung gestellt habe, gegenüber Versicherten, denen hierzu eine Frist von zehn Wochen einzuräumen sei, unbillig benachteiligt, wobei die Beklagte die Benachteiligung nicht näher bezeichnet hat. Auch könne eine Aufforderung nach § 51 Abs. 1 SGB V nicht vor Beginn der Krankengeldzahlung erfolgen, weil bis dahin keine Leistungsbeziehung zwischen der Krankenkasse und dem Versicherten bestehe und die Sanktionsmöglichkeit des § 51 Abs. 3 SGB V wiederum ins Leere liefe. Im Übrigen habe die Klägerin bei ihrer Aufforderung an die Versicherte kein Ermessen ausgeübt, insbesondere keine erkennbare Abwägung mit rentenrechtlichen, arbeitsrechtlichen oder sonstigen berechtigten Interessen der Versicherten vorgenommen.

Dazu ist festzustellen, dass der insoweit unklare Wortlaut des § 51 SGB V einer nachträglichen Beschränkung der Dispositionsbefugnis nach der Rechtsprechung des BSG (BSGE 76, 218) nicht entgegensteht. Den inhaltlichen Anforderungen des BSG (a.a.O.) an eine "nachgeschobene" Aufforderung hat die Klägerin entsprochen. Sie hat im Bescheid vom 17. Februar 2000 darauf hingewiesen, dass die Versicherte bereits einen Reha-Antrag gestellt habe und diesen auch im Falle der Umdeutung in einen Rentenan-trag zukünftig nur noch mit Zustimmung der Klägerin zurücknehmen könne. Für die Versicherte war damit zweifelsfrei erkennbar, dass ihre Dispositionsbefugnis über den Reha-Antrag vom 27. Januar 2000 eingeschränkt war.

Eine solche nachträgliche Einschränkung der Dispositionsbefugnis entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 51 SGB V. Die Vorschrift soll es der Krankenkasse u.a. ermöglichen, ihre Verpflichtung zur Krankengeldzahlung zeitlich zu begrenzen (vgl. BSGE 52, 26), und zwar bei fehlender Antragstellung durch den Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld mit Ablauf der Antragsfrist (§ 51 Abs. 3 SGB V), bei erfolgter Antragstellung durch das Ruhen (während des Bezuges von Übergangsgeld, § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) bzw. den Wegfall (bei Bewilligung einer Rente, § 50 Abs. 1, 2 SGB V) des Anspruchs auf Krankengeld. Die Entstehung eines Erstattungsanspruchs nach § 103 SGB X bei rückwirkender Bewilligung des Übergangsgeldes/der Rente ist dagegen nicht Ziel, sondern lediglich mittelbare Folge der Regelung.

Aufgrund dieser Zielsetzung beschränkt sich die Bedeutung des § 51 SGB V nicht auf die Herbeiführung eines Reha- oder Rentenantrags (dazu unten), sondern schränkt auch das Recht des Versicherten ein, den Zeitpunkt des Rentenbeginns zu bestimmen (vgl. BSGE 52, 26; zur Fortgeltung dieser zu § 183 Abs. 7, 8 Reichsversicherungsordnung - RVO - entwickelten Rechtsprechung nach Inkrafttreten des § 116 Abs. 2 SGB VI vgl. BSGE 94, 26), wie dies im vorliegenden Fall durch die Bestimmung des späteren Rentenantrags als für den Rentenbeginn maßgebenden Antragszeitpunkt (§ 99 Abs. 1 S. 2 SGB VI) geschehen ist.

Davon ausgehend steht die Möglichkeit einer nachträglichen Beschränkung der Dispositionsbefugnis des Versicherten nicht in Widerspruch zur Zielsetzung des § 51 SGB V, sondern entspricht gerade dem vom Gesetzgeber gewollten Interessenausgleich (auch) für den - im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten - Fall, dass der Versicherte den erforderlichen Antrag bereits ohne Aufforderung der Krankenkasse gestellt hat.

Eine am Wortlaut haftende Auslegung wird diesem angestrebten Interessenausgleich dagegen nicht gerecht. Für die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen (zukunftsgerichteter) Aufforderung zur Antragstellung und (ebenfalls nur zu-kunftsbezogener) nachträglicher Beschränkung der Dispositionsbefugnis ist kein sachlicher Grund ersichtlich. Der Zeitpunkt der Antragstellung hat keinen Einfluss auf die Schutzwürdigkeit der Interessen der beteiligten Sozialleistungsträger. Mit der Antragstellung - gleich ob diese mit oder ohne Aufforderung der Krankenkasse erfolgte - macht der Versicherte Leistungsansprüche gegenüber dem Rentenversicherungsträger geltend, die aufgrund ihres gesetzlichen Konkurrenzverhältnisses zum Krankengeldanspruch eines Ausgleichs bedürfen. Dass die Interessen der Krankenkasse in diesem Spannungsverhältnis bei einer Antragstellung ohne Aufforderung der Krankenkasse weniger schutzwürdig sein sollen, als bei einer Antragstellung nach Aufforderung der Krankenkasse, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und von der Beklagten nicht begründet worden.

Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, worin die unbillige Benachteiligung des Versicherten bei einer "nachgeschobenen" Aufforderung besteht. Auch diesem Versicherten steht - unter der auflösenden Bedingung, dass er den Reha- oder Rentenantrag auf-rechterhält - bis zur Bewilligung von Übergangsgeld oder Rente durch den Rentenversicherungsträger weiterhin ein Anspruch auf Zahlung des Krankengeldes gegen die Krankenkasse zu.

Dass damit nachträglich in die Dispositionsbefugnis des Versicherten eingegriffen wird, steht der Ausübung des Gestaltungsrechts der Krankenkasse nicht entgegen. Die mit einer Aufforderung nach § 51 SGB V regelmäßig eintretende Beschränkung der Dispositionsbefugnis über einen Reha- oder Rentenantrag ist vom Gesetzgeber gerade gewollt. Soweit berechtigte Interessen des Versicherten an der Ausübung der Dispositionsbefugnis bestehen, ist die Krankenkasse unabhängig davon, wann die Dispositionsbefugnis beschränkt wurde, auf Antrag des Versicherten verpflichtet, im Rahmen einer Ermessensentscheidung über die Aufrechterhaltung der Beschränkung zu entscheiden. Damit greift eine "nachgeschobene" Aufforderung, die keine Rückwirkung entfalten kann, aber nicht stärker in die Dispositionsbefugnis des Versicherten ein, als eine Aufforderung vor Antragstellung.

Die Ansicht der Beklagten, die Dispositionsbefugnis des Versicherten könne erst nach Beginn der Krankengeldzahlung eingeschränkt werden, steht ebenfalls im Widerspruch zum Sinn und Zweck des § 51 SGB V. Müsste die Krankenkasse bei bestehendem - hier nur wegen der tatsächlichen Entgeltfortzahlung ruhendem (§ 49 Abs. 1 Nr. 1) - Anspruch auf Krankengeld den Beginn des Krankengeldbezuges abwarten, wäre stets für mindestens zehn Wochen (Antragsfrist nach § 51 Abs. 1 und 2 SGB V) Krankengeld zu zahlen, der Krankenkasse also die Möglichkeit genommen, bei erkennbarer Rehabilitationsbedürftigkeit oder erkennbarem Rentenanspruch eine Krankengeldzahlung zu vermeiden. Insbesondere könnte die Krankenkasse bis dahin aber selbst bei erkennbarer Rehabilitationsbedürftigkeit nicht darauf hinwirken, dass alsbald Leistungen zur Besserung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten erbracht werden.

Ziel des § 51 SGB V ist jedoch nicht nur die Vermeidung von Krankengeldzahlungen für Zeiträume, in denen bei rechtzeitiger Antragstellung ein Anspruch auf andere, vorrangige Sozialleistungen (Übergangsgeld oder Rente) bestehen würde, sondern auch die rechtzeitige Einleitung notwendiger Rehabilitationsmaßnahmen. Beide Ziele setzen nicht den Beginn des Krankengeldbezuges voraus, sondern knüpfen an den im Rahmen der bestehenden Arbeitsunfähigkeit gutachtlich festgestellten Rehabilitationsbedarf an.

Dagegen ist der Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld nach § 51 Abs. 3 SGB V lediglich eine Sanktion zur Durchsetzung der Aufforderung zur Antragstellung und - wie die Entstehung des hier streitigen Erstattungsanspruchs - kein eigenständiges Ziel der in § 51 SGB V getroffenen Regelung. Ist eine Antragstellung bereits erfolgt, bedarf es einer solchen Sanktion nicht. Da der Anspruch gemäß § 51 Abs. 3 S. 2 SGB V erst am Tag der Antragstellung wieder auflebt, geht die Sanktionen auch bei noch ruhendem Zahlungsanspruch im Übrigen allenfalls für die Dauer des Ruhens wirtschaftlich "ins Leere".

Im Übrigen ist die Aufforderung zur Antragstellung ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der allein im Verhältnis der Klägerin zur Versicherten ergangen, mangels Widerspruchs bindend geworden (§ 77 SGG) und von der Beklagten nicht anfechtbar ist. Die Klägerin könnte sich nur im Falle einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit dieses Bescheides nicht auf dessen Bestandskraft berufen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Selbst wenn die Klägerin bei Erlass des Bescheides vom 17. Februar 2000 noch nicht berechtigt gewesen sein sollte, ihr Gestaltungsrecht gegenüber der Versicherten auszuüben, wäre die insoweit vorliegende Rechtswidrigkeit des Bescheides ab Beginn des Krankengeldbezuges am 6. Juli 2000 entfallen. Nachdem die Klägerin ihren Willen, die Dispositionsbefugnis der Versicherten einzuschränken, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hatte, bedurfte es auch keiner Wiederholung dieser Erklärung. Da die Versicherte von ihrer Dispositionsbefugnis über den Reha-Antrag erst nach Beginn des Krankengeldbezuges Gebrauch gemacht hat, läge somit bei Erlass des Rentenbescheides vom 14. Mai 2002 eine wirksame Einschränkung der Dispositionsbefug-nis selbst dann vor, wenn man der Rechtsansicht der Beklagten folgen würde.

Auf eine fehlende Ermessensausübung der Klägerin im Bescheid vom 17. Februar 2000 kann sich die Beklagte ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Zwar lässt der Bescheid keine Ermessensentscheidung erkennen, obwohl die Klägerin gesetzlich verpflichtet war, bei ihrer Entscheidung über die Beschränkung der Dispositionsbefugnis der Versicherten deren berechtigte Interessen zu berücksichtigen. Allerdings haben weder die Beklagte noch die Versicherte auch nur ansatzweise berechtigte Interessen der Versicherten dargetan, die eine andere Entscheidung der Klägerin rechtfertigen könnten und somit bei einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen gewesen wären. Bei dieser Sachlage widerspricht es dem § 86 SGB X, wenn sich die Beklagte auf eine fehlende Ermessensausübung beruft, obwohl keine gegen die getroffene Entscheidung sprechenden Ermessensgesichtspunkte vorliegen und somit eine andere Sachentscheidung ausgeschlossen wäre.

Es ist nicht ersichtlich, dass tatsächlich berechtigte Interessen der Versicherten verletzt sein könnten. Die Umdeutung des Reha-Antrags hat keinen Einfluss auf die Höhe der ihr für den streitigen Zeitraum zuerkannten Sozialleistungen, denn der ihr zuerkannte Anspruch auf Krankengeld wird gemäß § 50 Abs. 2 SGB V lediglich um den Zahlbetrag der Rente reduziert. Ebenso bleibt der Umfang der Beitragsleistung für eine spätere Rente unberührt, da die auf das Krankengeld gezahlten Beiträge zur Rentenversicherung weiterhin als zu Recht entrichtet gelten (vgl. BSG SozR 2400 § 26 Nr. 6). Auch die Höhe der Erwerbsminderungsrente wird nicht beeinflusst, da der bisherigen Rentenbewilligung bereits ein Versicherungsfall vom 6. Januar 2000 - Beginn der Arbeitsunfähigkeit - zu Grunde liegt und somit die auf das Krankengeld entrichteten Rentenversicherungsbeiträge in der bisher bewilligten Erwerbsminderungsrente nicht rentensteigernd berücksichtigt worden sind (§ 75 Abs. 2 SGB VI).

Gegen die Zulässigkeit der nachträglichen Beschränkung der Dispositionsbefugnis bestehen danach keine Bedenken (so auch Zweng/Scherer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, § 116 Rdnr. 53; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 9. Januar 2004, Az.: L 4 RA 57/02). Sie bewirkt, dass die Versicherte nach Zugang des Bescheides vom 17. Februar 2000 einer Umdeutung ihres Reha-Antrags von 27. Januar 2000 nur noch mit Zustimmung der Klägerin wirksam widersprechen konnte (vgl. BSGE 94, 26). Eine solche Zustimmung hat die Versicherte nicht beantragt und die Klägerin nicht erteilt. Die Erklärung der Versicherten, der Reha-Antrag solle nicht umgedeutet werden, war daher im Verhältnis zur Beklagten unwirksam, so dass die Beklagte aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI verpflichtet war, der Rentenbewilligung einen Rentenantrag von 27. Januar 2000 zu Grunde zu legen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach hat die Beklagte die Kosten der von ihr ohne Erfolg eingelegten Berufung zu tragen. Der Beigeladenen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, da sie weder einen Antrag gestellt, noch das Verfahren wesentlich gefördert hat.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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