L 7 AS 91/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 111/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 91/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 17. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Arbeitslosengeldes II (Alg II) und die Gewährung weiterer Beihilfen für einmalige Bedarfe streitig.

Mit Bescheid vom 15.11.2004 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.01. bis 30.04.2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von monatlich 907,79 EUR.

Mit dem Widerspruch machten die Kläger geltend, der angefochtene Bescheid sei mangels Rechtsgrundlage nichtig, zumindest rechtsunwirksam. Rechtsgrundlage dieses Bescheides solle angeblich das SGB II sein. Dieses sei erst zum 01.01.2005 in Kraft getreten. Die angebliche Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides solle also eine Rechtsvorschrift sein, die zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses rechtlich noch nicht existent gewesen sei. Darüber hinaus verstoße der Bescheid gegen das Grundgesetz (GG). Die Menschenwürde des Art.1 GG sei verletzt. Darüber hinaus würde der Bescheid in multipler Weise gegen das Sozialstaatsgebot des Art.20 GG verstoßen. Die Regelleistung sei zu niedrig bemessen. Im Übrigen läge ein Verstoß gegen Art.20 Abs.1 GG wegen der Zusammenführung von Regelsatz und einmaligen Leistungen vor. Schon die Höhe der Ausgangsregelleistung entspreche nicht der tatsächlichen Entwicklung der Lebenshaltungskosten und decke nicht das Existenzminimum. Zudem läge ein Verstoß gegen Art.3 Abs.2 GG vor. Die zu niedrig bemessene Regelleistung benachteilige vor allem und in erster Linie die Frauen in den Bedarfsgemeinschaften und würde deshalb gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Auch werde die "Angemessenheit des Wohnraumes" angegriffen. Durch die "Eingliederungsvereinbarung" würde die durch Art.2 GG geschützte Vertragsfreiheit eingeschränkt. Zusätzliche Leistungen wie Winterbekleidung, Übernahme der Kosten des Jahresbeitrags für die private Haftpflichtversicherung, Übernahme der Kosten eines Haarschnitts, Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines Elektroherdes, die Übernahme der Kosten für die Anschaffung einer Bratpfanne und die Übernahme der Kosten für eine Abstandszahlung zur Befreiung von Medikamentenzuzahlung für die Klägerin wurde beantragt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Lage und der grundgesetzlich institutionalisierten Gewaltenteilung sei die Verwaltung als vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasse gemäß § 20 Abs.1 SGB II insbesondere die Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretenem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und einer Teilnahme am kulturellen Leben. Nicht umfasst seien die in § 5 Abs.2 Satz 2 SGB II genannten Leistungen nach dem SGB II. Die Regelleistung umfasse also u.a. auch Kosten für Winterbekleidung, Haarschnitte, Elektroherd und Bratpfanne. Die Hausratversicherung könne nur dadurch berücksichtigt werden, dass ein Abzug beim Einkommen im Rahmen des Pauschbetrages vorgenommen werden könne.

Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhobenen Klage haben die Kläger ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Im Übrigen haben sie die Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. R. M. vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in B. zur Höhe des monatlichen Existenzminimums in der Bundesrepublik Deutschland und zur Angemessenheit der Höhe der Regelleistung nach dem SGB II beantragt.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.10.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Kläger hätten keinen Anspruch darauf, höhere als die ihnen bewilligten Leistungen nach dem SGB II sowie Beihilfen für einmalige Bedarfe zu erhalten. Zur Entscheidung der von den Klägern aufgeworfenen Frage der Verfassungsmäßigkeit der die Leistungsgewährung zugrunde liegenden Bestimmungen des SGB II bedürfe es nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die von den Klägern in Bezug genommenen kritischen Äußerungen zur Gestaltung der Regelleistungen seien dem Gericht zugänglich. Streitig sei die Frage, welche Schlussfolgerungen hieraus zu ziehen seien, diese Rechtsfrage müsse das Gericht in eigener Zuständigkeit beantworten. Das Gericht halte das Leistungssystem des SGB II angesichts der weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Sozialrechts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.10.1987 in BVerfGE 77, 84 ff. m.w.N.) nicht für verfassungswidrig. Die Rüge hinsichtlich der Reduzierung der Regelleistungen gemäß § 20 Abs.3 SGB II auf je 311,00 EUR entspreche dem Mischregelsatz des bis zum 31.12.2004 geltenden Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Die bedarfsmindernde Berücksichtigung des Kindergeldes folge aus § 11 Abs.1 Satz 2 und 3 SGB II. Mit ihren übrigen Rügen würden die Kläger zum einen verkennen, dass das Rechtsschutzsystem im Verwaltungs- und Sozialrecht keine Popularklage kenne, vielmehr an die konkrete und unmittelbare Betroffenheit des Rechtsuchenden anknüpfe. Zielführend seien zum anderen nur Gesichtspunkte, die dem konkreten Klagebegehren zum Erfolg verhelfen könnten. Daher sei die Kritik der Kläger an der nach ihrer Meinung unzulänglichen Gesetzgebung nicht entscheidenserheblich.

Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger. Sie halten die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils aufgrund ihres bisherigen Vorbringens für unzutreffend.

Die Kläger beantragen, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 17.10.2005 und den Bescheid vom 15.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen höheres Arbeitslosengeld II sowie weitere Beihilfen für einmalige Bedarfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte schließt sich der Auffassung des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides an.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG Regensburg mit Gerichtsbescheid vom 17.10.2005 die Klage abgewiesen, da der Bescheid vom 15.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2005 nicht zu beanstanden ist.

Denn den Klägern stehen weder höheres Alg II noch weitere Beihilfen für einmalige Bedarfe zu.

Der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts findet ihre rechtliche Grundlage in § 20 SGB II. Nach der Begründung zum ersten Gesetzentwurf zu § 20 SGB II soll die Regelleistung das "soziokulturelle Existenzminimum" abdecken. Bei den Regelleistungen handelt es sich um Pauschalen, die vom Gesetzgeber in § 20 Abs.2 SGB II fixiert und gemäß dem in Abs.4 beschriebenen Anpassungsverfahren verändert werden. Waren die Pauschalen früher gerichtlicher Kontrolle geöffnet (vgl. BVerwGE 69, 146), ergibt sich nach dem SGB II ein differenziertes Bild. Wie nicht zuletzt Art.100 Abs.1 GG zeigt, endet die auf die Höhe bezogene gerichtliche Kontrolle an den im Gesetz genannten Beträgen. Qualifiziert demnach ein Gericht die durch § 20 Abs.2 SGB II fixierten Regelleistungen als verfassungswidrig und damit unangemessen niedrig, fehlt ihm eine darauf bezogene Verwerfungskompetenz (vgl. Eicher/Spelbrink SGB II, Grundsicherung für Arbeitssuchende, Kommentar, § 20 Rdnr.7). Nach dem Gesetzesentwurf soll durch die Fixierung in Regelleistungen die Eigenständigkeit und Eigenverantwortung des Leistungsempfängers gestärkt werden. Insgesamt ist somit ein Abweichen von der gesetzlich fixierten Höhe der Regelleistung nicht möglich.

Dem steht auch nicht das Sozialstaatsprinzip gemäß Art.20 Abs.1 GG entgegen. Denn der Gesetzgeber hat bei der Erfüllung seiner aus dem Sozialstaatsprinzip folgenden Verpflichtung, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen, einen weiten Gestaltungsspielraum. Grundsätzlich fällt es in seine Entscheidungsbefugnis, in welchem Umfang soziale Hilfe unter Berücksichtigung der vorhandenen Mittel und anderer gleichrangiger Staatsaufgaben gewährt werden kann und soll. In diesem Zusammenhang verweist das SG zutreffend darauf, dass gemäß dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.10.1987 dieses die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Sozialrechts nicht für verfassungswidrig hielt.

Entsprechend § 11 Abs.1 Satz 2 und 3 SGB II wurde auch bedarfsmindernd das Kindergeld berücksichtigt. Nicht zu beanstanden sind auch die Ausführungen des SG bezüglich der Übernahme zu erwartender Kosten eines Umzugs. Denn entsprechend ihrer Verpflichtung zur Kostensenkung obliegt es den Klägern, eine geeignete Wohnung zu suchen und entsprechend § 22 Abs.2 SGB II vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einzuholen. Erst dann wird zu klären sein, welche anfallenden Kosten hinsichtlich des konkreten Umzugs von der Beklagten zu übernehmen sind.

Zu den einzelnen Anträgen der Kläger auf Gewährung weiterer Beihilfen für einmalige Bedarfe bleibt festzuhalten, dass Regelleistungen gemäß § 20 SGB II unter anderem die Kosten für Winterbekleidung, Haarschnitte, Elektroherd, Bratpfanne umfassen. Denn insoweit heißt es in § 20 SGB II, dass die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere die Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch die Beziehung zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben umfasst. Im Übrigen müssten die Kläger die geltend gemachten weiteren Beihilfen für einmalige Bedarfe zunächst bei der Beklagten geltend machen, um dieser die Möglichkeit zu geben, zu prüfen, ob im Einzelfall eine darlehensweise Übernahme möglich wäre. Bezüglich der geltend gemachten Abstandszahlung an die AOK Bayern in Höhe von EUR 81,94 für die Befreiung von der Zuzahlungspflicht für Medikamente, müssten sich die Kläger selbst unmittelbar an die AOK wenden.

Somit war die Berufung der Kläger gegen Gerichtsbescheid des SG Regensburg vom 17.10.2005 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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