L 13 R 552/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 16 R 5285/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 552/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 30. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Beklagten auf Säumniszuschlag bei einer Nachversicherung und hierbei insbesondere die Frage der Verjährung.

Der 1954 geborene Versicherte Dr. H. P. wurde vom Kläger mit Urkunde vom 4. Juli 1988 für die Dauer vom 1. August 1988 bis 31. Juli 1991 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit zum Akademischen Rat an der L.-Universität M. (L.) berufen. Das Beamtenverhältnis wurde mit Schreiben vom 22. März 1991 über den 31. Juli 1991 hinaus bis zum 31. Juli 1994 verlängert. Mit Ablauf des 31. Juli 1994 schied der Versicherte ohne Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung aus dem Beamtenverhältnis aus. Vom 1. August 1994 bis 31. Oktober 1994 übte er keine Beschäftigung aus. Vom 1. November 1994 bis 30. Juni 1995 war er als wissenschaftlicher Angestellter bei der L. sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend arbeitete er nach eigenen Angaben bis 30. September 1997 ohne Beschäftigungsverhältnis als selbstständiger Linguist, Stipendiat und Gastwissenschaftler. Vom 1. Oktober 1997 bis 31. März 1998 war er erneut rentenversicherungspflichtig beschäftigt.

Mit einem Antrag des Versicherten auf Kontenklärung vom 4. März 2004 erlangte die Beklagte erstmals Kenntnis davon, dass er von August 1988 bis Juli 1994 in einem Beamtenverhältnis auf Zeit beschäftigt worden war. Sie teilte daraufhin der Bezirksfinanzdirektion M. (BFD) - jetzt Landesamt für Finanzen (LfF) - mit, der Versicherte sei am 31. Juli 1994 unversorgt aus der vom 1. August 1988 bis 31. Juli 1994 ausgeübten versicherungsfreien Beschäftigung als Akademischer Rat bei der L. ausgeschieden und forderte sie unter Hinweis auf § 185 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) auf, die Nachversicherungsbeiträge für diesen Zeitraum zu errechnen, diese an die Beklagte zu überweisen sowie dem Versicherten und der Beklagten eine Nachversicherungsbescheinigung zu übersenden (Schreiben vom 1. April 2004).

Die BFD errechnete für den Beschäftigungszeitraum Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 101.713,45 DM (52.005,26 Euro), übersandte der Beklagten hierüber eine Nachversicherungsbescheinigung vom 1. April 2004 und überwies den Betrag in Höhe von 52.005,26 Euro mit Wertstellung vom 15. April 2004 an die Beklagte.

Die Beklagte errechnete dagegen Nachversicherungsbeträge in Höhe von 85.500,86 DM (43.715,79 Euro) und teilte der BFD mit Bescheid vom 6. August 2004 mit, dieser Nachversicherungsbeitrag sei (erst) am 1. Januar 1995 fällig geworden, da nach einem Rundschreiben des Bundesministers des Innern (BMI) vom 27. April 1999 der Nachversicherungsschuldner spätestens drei Monate nach dem Ausscheiden aus der Beschäftigung über den Aufschub oder die Durchführung der Nachversicherung entscheiden solle. Sie setzte für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis zur Wertstellung der überwiesenen Nachversicherungsbeiträge am 15. April 2004 (112 Monate) einen Säumniszuschlag in Höhe von 48.944 Euro fest und forderte die BFD auf, diesen Säumniszuschlag zu überweisen.

Dagegen hat der Kläger - vertreten durch die BFD - am 8. August 2004 (Eingang bei Gericht) beim Sozialgericht München (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, der Anspruch auf die Nachversicherungsbeiträge sei gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien, bei einer Fälligkeit am 1. August 1994 also mit Ablauf des 31. Dezember 1998, verjährt. Die Verjährung umfasse auch die von der Beitragsforderung abhängigen Nebenleistungen wie Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV, auch wenn die für den Anspruch auf Säumniszuschläge geltende besondere Verjährung noch nicht eingetreten sei.

Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, der Anspruch auf den Säumniszuschlag verjähre erst nach 30 Jahren, weil der Kläger die zu Grunde liegenden Nachversicherungsbeiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten habe. Liege kein Aufschubgrund im Sinn des § 184 Abs. 2 SGB VI vor, sei bei öffentlich-rechtlichen Nachversicherungsschuldnern generell die dreißigjährige Verjährungsfrist anwendbar, weil diese Arbeitgeber stets Kenntnis von ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Nachversicherungsbeiträge hätten und ihnen eine erhöhte eigene Verantwortung für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen zukomme. Sowohl die Bediensteten des Klägers als auch die in der Nachversicherungsangelegenheit in den Organisationsablauf eingeschalteten Dienststellen seien zu entsprechender Sorgfalt verpflichtet. Etwaige Pflichtverletzungen müsse sich der Kläger zurechnen lassen. Auch liege möglicherweise ein Organisationsverschulden vor.

Dem ist der Kläger mit der Begründung entgegengetreten, die Nachversicherung sei nur versehentlich unterblieben. Der Versicherte habe in einem Erhebungsbogen zur Durchführung der Nachversicherung am 10. März 1994 angegeben, falls sein Habilitationsverfahren rechtzeitig abgeschlossen sei, werde er gegebenenfalls im Frühjahr 1995 erneut in eine versicherungsfreie Beschäftigung bei der L. eintreten. Nach einer Auskunft der L. sei die Personalakte des Versicherten deshalb vom dort zuständigen Referat für den 1. März 1995 auf Wiedervorlage gelegt worden, die Wiedervorlage jedoch aus nicht mehr festzustellenden Gründen unterblieben. Erst durch ein Schreiben des Versicherten vom 23. Februar 2004 sei die L. auf die unterbliebene Nachversicherung aufmerksam gemacht worden. Insoweit liege möglicherweise ein auch grob fahrlässiges Organisationsverschulden seitens der L. vor, jedoch kein mindestens bedingter Vorsatz, der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als subjektives Tatbestandsmerkmal festgestellt werden müsse.

Das SG hat der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 6. August 2004 aufgehoben (Urteil vom 30. Juni 2006, der Beklagten zugestellt am 14. Juli 2006). Rechtsgrundlage für die Erhebung von Säumniszuschlägen sei die bis zum 31. Dezember 1994 geltende Fassung des § 24 SGB IV (a.F.), wonach die Erhebung von Säumniszuschlägen im Ermessen des Versicherungsträgers gestanden habe. Die ab 1. Januar 1995 geltende Neufassung des § 24 SGB IV (n.F.), wonach die Erhebung von Säumniszuschlägen grundsätzlich zu erfolgen habe, sei nicht auf vor dem 1. Januar 1995 fällig gewordene Nachversicherungsbeiträge anwendbar. Dem stehe das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot entgegen. Die Beklagte habe jedoch erkennbar kein Ermessen ausgeübt, so dass der angefochtene Bescheid schon deshalb rechtswidrig sei. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege nicht vor. Die Beklagte habe in entsprechenden Fällen bis zur Rechtsänderung am 1. Januar 1995 gerade keine Säumniszuschläge erhoben. Der Kläger habe die Nachversicherungsbeiträge aber auch nicht vorsätzlich vorenthalten, so dass der Anspruch auf Säumniszuschlag gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem er fällig geworden sei, verjährt sei. Dass die Nachversicherung unterblieben sei, beruhe weder auf einem vorsätzlichen Handeln des zuständigen Sachbearbeiters der L. noch auf einem Organisationsverschulden des Klägers. Die Personalakte sei 1994 geschlossen worden, ohne die Nachversicherung durchzuführen. Es gebe jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Nachversicherung wissentlich unterblieben sei. Fahrlässigkeit des zuständigen Sachbearbeiters genüge auch in Form der groben oder der bewussten Fahrlässigkeit nicht, um den Lauf der dreißigjährigen Verjährungsfrist auszulösen.

Dagegen hat die Beklagte am 11. August 2006 (Eingang bei Gericht) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und insbesondere vorgetragen, der Anwendung des § 24 SGB IV n.F. stehe kein Rückwirkungsverbot entgegen. Zwar knüpfe der Anspruch auf Säumniszuschlag an die Entstehung einer Beitragsforderung als einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt an, doch handele es sich dabei nur um eine zulässige unechte Rückwirkung. Dass der Gesetzgeber die zwingende Erhebung von Säumniszuschlägen ab 1. Januar 1995 auch für Beitragsforderungen aus der Vergangenheit für zulässig gehalten habe, zeige die Tatsache, dass er - anders als bei dem erstmaligen Inkrafttreten des § 24 SGB IV am 1. Juli 1977 - keine Überleitungsvorschrift erlassen habe. Der Kläger habe die Nachversicherungsbeiträge auch bedingt vorsätzlich vorenthalten, denn die unterlassene Nachversicherung beruhe auf einem ihm zuzurechnenden Organisationsverschulden. Im sei die Verpflichtung zur Nachversicherung bekannt gewesen. Er habe es jedoch unterlassen, seinen Geschäftsbereich so zu organisieren, dass die ordnungsgemäße Nachversicherung gewährleistet sei. Offensichtlich sei keine Form der Kontrolle dafür geschaffen worden, dass die Nachversicherung in allen Fällen auch tatsächlich durchgeführt worden sei. Dabei handele es sich nicht um einen Einzelfall, denn es seien weitere Verfahren anhängig, in denen der Kläger die Nachversicherung schlicht "vergessen" habe. Dann stelle sich aber die Frage, ob nicht aus der versäumten Nachversicherung in mehreren Fällen regelmäßig auf ein Organisationsverschulden geschlossen werden könne, so dass sich in diesen Fällen die Feststellungslast umkehre und der Beitragsschuldner im Einzelfall nachweisen müsse, dass die versäumte oder verspätete Zahlung lediglich auf Fahrlässigkeit beruhe.

Demgegenüber hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Übergangsregelung des Art. 2 § 14 SGB IV sei durch das 2. SGB-ÄndG nicht aufgehoben worden und gelte daher sinngemäß auch für die Anwendung des § 24 SGB IV n.F ... Sie finde deshalb auch für die über den 31. Dezember 1994 hinaus bestehende Säumnis Anwendung. Auch gelte der Grundsatz, dass stets das zur Zeit des anspruchsbegründenden Ereignisses - hier der Fälligkeit und Nichtabführung der Nachversicherungsbeiträge - geltende Recht anzuwenden sei. Im Übrigen führe das Vorliegen eines Organisationsverschuldens allein nicht zur Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV, vielmehr müsse dieses Organisationsverschulden auf einem vorsätzlichen oder bedingt vorsätzlichen Verhalten beruhen. Hierbei sei auf das Verhalten des für die Organisation der Bearbeitung zuständigen Bediensteten der Behörde beziehungsweise des Behördenleiters oder seines Vertreters abzustellen. Für ein vorsätzliches Verhalten dieser Personen ergäben sich im vorliegenden Fall aber keinerlei Anhaltspunkte. Die Aufbewahrung der Personalakte des Versicherten sei in der Registratur des zuständigen Referats der L. erfolgt. Die Akte sei in einem Karteikartensystem registriert und für Wiedervorlagen zur Durchführung der Nachversicherung von der zuständigen Sachbearbeiterin eine eigene Terminliste geführt worden. Dass dieses System fehleranfällig bzw. nicht perfekt gewesen sei, rechtfertige nicht bereits den Vorwurf des bedingten Vorsatzes.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 30. Juni 2006 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2004 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten, des Klägers und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 6. August 2004, mit dem die Beklagte gegenüber dem Kläger einen Säumniszuschlag i.H.v. 48.944 Euro festgesetzt und die Zahlung dieses Betrages verlangt hat. Das SG hat diesen Bescheid mit Urteil vom 30. Juni 2006 zu Recht aufgehoben. Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger keinen Anspruch auf Zahlung eines Säumniszuschlags für die zugunsten des Versicherten gezahlten Nachversicherungsbeiträge.

1. Der Bescheid ist allerdings nicht wegen fehlender Ermessensausübung rechtswidrig. Entgegen der Ansicht des SG findet im vorliegenden Fall § 24 SGB VI a.F. keine Anwendung.

Gemäß § 24 SGB IV n.F. ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen (Abs. 1 S. 1). Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (Abs. 2).

Gemäß § 24 SGB IV a.F. kann der für die Einziehung zuständige Versicherungsträger für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige eine Woche nach Fälligkeit noch nicht entrichtet hat, einen einmaligen Säumniszuschlag bis zur Höhe von zwei vom Hundert der rückständigen Beiträge erheben (Abs. 1). Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die länger als drei Monate fällig sind, kann der für die Einziehung zuständige Versicherungsträger für jeden angefangenen Monat einen Säumniszuschlag in Höhe von eins vom Hundert der rückständigen Beiträge erheben; ein Säumniszuschlag nach Abs. 1 kann angerechnet werden (Abs. 2).

Maßgebend für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts ist bei der Erhebung von Säumniszuschlägen nicht der Zeitpunkt der Fälligkeit der zu Grunde liegenden Beitragsforderung (hier gemäß § 184 Abs. 1 SGB VI mangels Gründen für einen Aufschub der Beitragszahlung im Sinne des § 184 Abs. 2 SGB VI der 1. August 1994 als Tag nach dem unversorgten Ausscheiden - die Annahme der Beklagten, die gesetzlich bestimmte Fälligkeit werde durch Handlungsanweisungen in Rundschreiben des BMI hinausgeschoben, findet im Gesetz keine Stütze). Zwar beginnt die Säumnis nach § 24 SBG IV a.F. wie n.F. mit der Fälligkeit des Beitragsanspruchs, doch entsteht mit jedem Monat der Säumnis ein neuer Teilanspruch auf (weiteren) Säumniszuschlag. Für Säumniszeiträume ab 1. Januar 1995 - und nur für solche begehrt die Beklagte einen Säumniszuschlag - findet daher § 24 SGB IV n.F. Anwendung, sofern dessen Voraussetzungen ab 1. Januar erfüllt sind (so bereits zur Einführung der Verzinsungspflicht durch § 397a Reichsversicherungsordnung - RVO - BSGE 17, 78, 79; vgl. auch BSG SozR 4-2400 § 14 Nr. 7). Die von Udsching in Hauck/ Noftz, Sozialgesetzbuch IV, § 24 Rn 14, vertretene gegenteilige Auffassung wird dort nicht näher begründet und findet in der weiteren Kommentarliteratur, soweit ersichtlich, keine Bestätigung. Die vom Kläger im SG-Verfahren vorgelegte Kommentierung von Seewald in Kasseler Kommentar, Stand März 1995, § 24 Rn. 12, bezieht sich nur auf die Anwendung des Abs. 2 in der Unfallversicherung und enthält keine darüber hinausgehende generelle Aussage.

Es bestehen auch keine sachlichen Gründe dafür, den als Überleitungsvorschrift zur Einführung des § 24 SGB VI geschaffenen Artikel II § 14 SGB IV auf spätere Änderungen dieser Norm entsprechend anzuwenden. § 24 SGB IV ersetzte zum 1. Juli 1977 § 397a RVO, der für den Fall verspäteter Beitragszahlung neben einem einmaligen Säumniszuschlag die Erhebung von Verzugszinsen vorsah. An ihre Stelle trat mit Inkrafttreten des § 24 SGB IV der Anspruch des Versicherungsträgers auf einen monatlichen Säumniszuschlag. Damit sollte nach der Begründung des Gesetzentwurfs das Verfahren vereinfacht werden. Gleichzeitig wurde die Entscheidung über die Erhebung laufender Säumniszuschläge in das Ermessen des Versicherungsträgers gestellt, um den Bedürfnissen des Einzelfalles besser gerecht zu werden (BT-Drs. 7/4122 zu § 25 des Entwurfs = § 24 des Gesetzes). Aufgrund dieser grundlegenden Rechtsänderung bestimmte Artikel II § 14 SGB IV, dass § 24 SGB IV auf vor seinem Inkrafttreten fällig gewordene Beitragsansprüche keine Anwendung findet. Demgegenüber führte die Neufassung des § 24 SGB IV zum 1. Januar 1995 zu keiner vergleichbar grundlegenden Änderung der Pflichten des säumigen Beitragsschuldners. Die Neufassung beseitigte lediglich die Befugnis des Sozialversicherungsträgers, über die Erhebung laufender Säumniszuschläge im Wege pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Dadurch hat sich die Rechtsstellung des Beitragsschuldners aber nicht so wesentlich geändert, dass eine Anwendung der Neufassung auf bereits vor dem 1. Januar 1995 fällig gewordene Beiträge ausgeschlossen werden müsste. Zum einen schützt der gleichzeitig in § 24 SGB IV eingefügte Abs. 2 S. 1 Beitragsschuldner in Fällen unverschuldeter Säumnis (vgl. BSG SozR 4-2400 § 24 Nr. 2), zum anderen sind Gründe, die für eine Unbilligkeit der Erhebung von Säumniszuschlägen sprechen, im Rahmen der Stundung und des Erlasses (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 und 3 SGB IV) zu berücksichtigen.

Der Neufassung kommt entgegen der Ansicht des SG auch keine echte Rückwirkung zu, da die Regelung zwar hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzung der Säumnis an eine in der Vergangenheit eingetretene Fälligkeit der dem Anspruch auf Säumniszuschlag zu Grunde liegenden Beitragsforderung anknüpft, jedoch auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte (fortgesetzte Säumnis) einwirkt und die Rechtslage nur zukunftsgerichtet zu Ungunsten des Beitragsschuldners ändert, ohne in seine bereits bestehenden Rechte einzugreifen (vgl. zu § 397a RVO BSGE 35, 78, 80 ff.). Ein schützenswertes Vertrauen der Beitragsschuldner darin, der Sozialversicherungsträger werde auch zukünftig nicht zur Erhebung von Säumniszuschlägen verpflichtet sein, sondern hierüber im Wege pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden haben, ist nicht erkennbar. Den Billigkeitsgesichtspunkten, die den Gesetzgeber zur ursprünglichen Ermessensregelung veranlasst haben, wird durch den Schutz bei unverschuldeter Säumnis (§ 24 Abs. 2 S. 1 SGB IV n.F.) und durch § 76 Abs. 2 SGB IV hinreichend Rechnung getragen.

2. Allerdings war der Anspruch der Beklagten auf einen Säumniszuschlag nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB IV n.F. bei Erlass des Bescheides am 6. August 2004 bereits verjährt.

Gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (S. 1). Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (S. 2). Die auf die Beiträge zu erhebenden Säumniszuschläge verjähren mit der Beitragsforderung (vgl. BSG SozR 3-2400 § 25 Nr. 4).

Nachversicherungsbeiträge sind gemäß § 184 Abs. 1 SGB VI zu zahlen, wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind, insbesondere Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung nicht gegeben sind. Im vorliegenden Fall lagen nach der zutreffenden Ansicht der Beteiligten keine Aufschubgründe vor. Zwar hat der Versicherte der L. im März 1994 auf Anfrage mitgeteilt, er werde gegebenenfalls im Frühjahr 1995 erneut eine versicherungsfreie Beschäftigung bei der L. aufnehmen, falls sein Habilitationsverfahren bis dahin abgeschlossen sei. Damit lag jedoch keine hinreichend sichere Aussicht auf eine erneute versicherungsfrei Beschäftigung vor, die nach § 184 Abs. 2 SGB VI einen Aufschub der Beitragszahlung gerechtfertigt hätte. Die Nachversicherungsbeiträge waren somit am Tag nach dem unversorgtem Ausscheiden, dem 1. August 1994, zur Zahlung fällig (vgl. BSG SozR 3-2600 § 8 Nr 4; SozR 4-2400 § 24 Nr. 2). Eine Wertstellung (§ 3 Abs. 1 S. 2 Beitragszahlungsverordnung i.d.F.d. Bekanntmachung vom 28. Juni 1997, BGBl. I S. 1927) ist bei der Beklagten jedoch erst am 15. April 2003 erfolgt. Dass ein Säumniszuschlag auch auf Nachversicherungsbeiträge zu erheben ist (vgl. BSG SozR 4-2400 § 24 Nr. 2), ist zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht streitig. Der Kläger wendet sich auch nicht gegen die Höhe des geltend gemachten Säumniszuschlags, sondern erhebt lediglich die Einrede der Verjährung.

Im vorliegenden Fall richtet sich die Verjährung nach § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Danach verjährte der am 1. August 1994 fällig gewordene Anspruch der Beklagten auf die Nachversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1. August 1988 bis 31. Juli 1994 mit Ablauf des 31. Dezember 1998. Zwar hat der Kläger die Nachversicherungsbeiträge geleistet, ohne sich auf die eingetretene Verjährung dieser (Haupt)Forderung zu berufen. Die Leistung auf die Hauptforderung hindert den Kläger jedoch rechtlich nicht daran, bezüglich geltend gemachter Nebenforderungen die Einrede der Verjährung zu erheben.

Eine Anwendung des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV kommt dagegen nicht in Betracht. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger die Nachversicherungsbeiträge vorsätzlich vorenthalten hat, mit der Folge, dass sowohl der Anspruch auf die Nachversicherungsbeiträge als auch der Anspruch auf Säumniszuschlag erst mit Ablauf des 31. Dezember 2024 verjähren würde. Zwar muss der Vorsatz nicht bereits bei Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge vorgelegen haben. Tritt er vor Ablauf der kurzen Verjährung des § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV ein, gilt vielmehr (rückwirkend) die dreißigjährige Verjährungsfrist (vgl. BSG SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Ein Vorsatz i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV liegt aber nur vor, wenn der Beitragsschuldner die Beiträge im Bewusstsein seiner Zahlungsverpflichtung willentlich nicht abgeführt hat (Vorsatz) oder eine Zahlungspflicht zwar für möglich gehalten, die Nichtabführung der geschuldeten Beiträge jedoch billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz). Dagegen reicht bloße Fahrlässigkeit, auch in der Form der bewussten oder groben Fahrlässigkeit, nicht aus (vgl. BSG SozR 4-2400 § 14 Nr. 7; SozR 3-2400 § 25 Nr. 7).

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für ein zumindest bedingt vorsätzliches Verhalten auf Seiten des Klägers vorliegen. Wie aus der beim Kläger geführten Personalakte des Versicherten hervorgeht, wurde dieser bereits mit Schreiben vom 14. Januar 1994 - sieben Monate vor seinem unversorgtem Ausscheiden - aufgefordert, zur Prüfung einer Nachversicherung einen Erhebungsbogen auszufüllen. Zwar konnte die L. aufgrund der Angaben des Versicherten, bei rechtzeitigem Abschluss seines Habilitationsverfahrens gegebenenfalls im Frühjahr 1995 wieder eine versicherungsfrei Beschäftigung bei der L. aufzunehmen, nicht davon ausgehen, dass die Beitragszahlung im Sinn des § 184 Abs. 2 SGB VI aufgeschoben wurde. Deshalb hätte anstelle der Wiedervorlage zum 10. Februar 1995, die wohl der Prüfung einer erneuten versicherungsfreien Beschäftigung des Versicherten dienen sollte, die Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge eingeleitet werden müssen (vgl. BSG SozR 4-2400 § 24 Nr. 2). Ob der zuständige Sachbearbeiter der L. irrtümlich davon ausging, die von Versicherten angegebene Möglichkeit einer alsbaldigen erneuten versicherungsfreien Beschäftigung reiche als Aufschubgrund aus oder über den Aufschub der Beitragszahlung müsse erst entschieden werden, wenn Klarheit über eine solche erneute versicherungsfreie Beschäftigung bestehe, kann dahinstehen. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass dem Sachbearbeiter die Rechtswidrigkeit seines Handelns bewusst war oder er zumindest billigend in Kauf genommen hat, mit der Wiedervorlage des Vorgangs gegen die Pflicht des Beitragsschuldners zur unverzüglichen Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge zu verstoßen. Auch die Tatsache, dass die verfügte Wiedervorlage unterblieben ist, rechtfertigt den Vorwurf eines zumindest bedingt vorsätzlichen Verhaltens nicht. Wie die L. mitgeteilt hat, kann nicht mehr festgestellt werden, warum die Wiedervorlage nicht erfolgte. Dies erscheint aufgrund des Zeitablaufs und der Tatsache, dass es sich bei diesem Nachversicherungsvorgang um einen häufig vorkommenden Routinefall handelte, glaubhaft. Der Personalakte des Versicherten sind ebenfalls keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Damit ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Wiedervorlage und damit die weitere Bearbeitung des Nachversicherungsvorgangs lediglich fahrlässig unterblieben ist. Es bedarf auch keiner näheren Prüfung, ob das Karteikartensystem der Personalaktenregistratur der L. und das Führen von Wiedervorlagelisten durch die Sachbearbeiter des Personalreferats fehleranfällig waren, denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die zuständigen Mitarbeiter der L. oder des Klägers selbst eine derartige Fehlerhaftigkeit oder sonstige Organisationsmängel erkannt und auf dieser Grundlage billigend in Kauf genommen haben, dass Nachversicherungsvorgänge unbearbeitet bleiben und der Beklagten dadurch Nachversicherungsbeiträge vorenthalten werden. Nur dann könnte ein den Tatbestand des (bedingten) Vorsatzes erfüllendes Organisationsverschulden vorliegen. Fahrlässigkeit reicht dagegen auch im Rahmen des Organisationsverschuldens nicht aus, da § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV für derartige Fälle keinen anderen Verschuldensmaßstab als den des Vorsatzes ausreichen lässt. Somit ist der für den Vorwurf der (bedingt) vorsätzlichen Vorenthaltung von Beiträgen erforderliche subjektive Tatbestand nicht nachgewiesen, mit der Folge, dass sich die Beklagte nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 103 Rn. 19a) nicht mit Erfolg auf das Bestehen einer 30-jährigen Verjährungsfrist berufen kann (vgl. BSG SozR 3-2400 § 25 Nr. 7).

Die Entscheidung des Senats steht auch in Einklang mit den von den Beteiligten in Bezug genommenen Urteilen des LSG Saarland vom 11. November 2004, Az.: L 1 RA 64/02, und des LSG Rheinland-Pfalz vom 16. Oktober 2006, Az.: L 2 R 129/05. Das LSG Saarland hatte über die Nachversicherung eines aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ausgeschiedenen Gerichtsreferendars zu entscheiden, bei dem nach dem Ausscheiden noch die Anrechnung von Nebeneinkünften auf die Dienstbezüge zu prüfen war und die anschließende Bearbeitung der Nachversicherung, die nach Feststellung des LSG Saarland bei der dortigen Besoldungsstelle nicht der Regelfall war, versehentlich unterblieb. Das LSG hat in diesem Fall kein vorsätzliches Verhalten angenommen. Das LSG Rheinland-Pfalz hat dagegen bei der Nachversicherung einer Rechtsreferendarin festgestellt, das zuständige Oberlandesgericht habe regelmäßig lediglich ein Informationsschreiben an die Referendare versandt, die Nachversicherung darin von einem Antrag des Referendars abhängig gemacht, die Antragstellung vor Ablauf eines Jahres für unzulässig erklärt und die Akten anschließend ohne Wiedervorlage weggelegt und sei sich bewusst gewesen, damit gegen geltendes Recht zu verstoßen. Auf dieser Grundlage hat das Gericht zutreffend eine vorsätzliche Vorenthaltung der Beiträge angenommen. Vergleichbare Umstände sind im hier vorliegenden Verfahren jedoch nicht festzustellen.

Gemäß § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung hat die unterlegene Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor. Zur Anwendbarkeit des § 24 SGB IV auf Nachversicherungsfälle, zur Verjährung von Säumniszuschlägen nach § 25 SGB IV und zu den Kriterien für die Feststellung des (bedingten) Vorsatzes i.S.d. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV liegt bereits eine gefestigte Rechtsprechung des BSG vor.
Rechtskraft
Aus
Saved