Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 33 VH 1/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VH 1/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 VH 2/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1929 geborene Kläger begehrt Entschädigungsleis-tungen nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) für Schädigungsfolgen aufgrund seiner Gefangenschaft in der (ehemaligen) UdSSR vom 25.09.1945 bis 31.05.1952. Streitig ist zwischen den Beteiligten vor allem, ob die bei dem Kläger bestehenden Neuropathien schädigungsbedingt sind; gleiches gilt für vorgetragene psychische Folgen der Gefangenschaft.
Ausweislich der Bescheinigung der Regierung von Oberbayern gemäß § 10 Abs.4 HHG hat sich der Kläger vom 25.09.1945 bis 31.05.1952 in K./UdSSR in Gefangenschaft befunden. Der Kläger hat mit Antrag vom 06.06.2000 erhebliche Schmerzen in seinen Füßen bis über die Knie (Polyneuropathien) als Schädigungsfolgen geltend gemacht, ebenso Gleichgewichtsstörungen.
Der Beklagte hat ärztliche Unterlagen beigezogen. Unter anderem hat Dr.K. mit Arztbrief vom 27.03.2000 beschrieben, dass eine äthyl-toxische Polyneuropathie vordiagnostiziert worden sei. Die Beschwerden in den Beinen (Kribbeln) bestünden seit über zehn Jahren. Die Neurologische Klinik und Poliklinik der Technischen Universität M. hat mit Arztbericht vom 07.06.2000 eine axonal betonte, sensorische Polyneuropathie diagnostiziert. Anamnestisch habe der Patient über etwa seit 15 Jahren langsam progrediente Gleichgewichtsstörungen berichtet, ebenso über Temperaturmissempfindungen und Kribbelparästhesien der Füße. Seiner Ansicht nach seien die Beschwerden auf die siebenjährige Gefangenschaft in Sibirien nach dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen, wo er mehrfache Erfrierungen der Füße erlitten habe. Seit etwa einem Jahr habe er den Alkoholgenuss völlig eingestellt, dennoch sei eine weitere leichte Verschlechterung der Beschwerden eingetreten.
Dr.K. hat mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 15.03.2001 darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Befundbericht von Dr.K. vom 21.10.1975 um den ältesten vorliegenden ärztlichen Befundbericht handele. Danach habe eine Polyneuropathie damals nicht vorgelegen. Derartige Beschwerden seien von dem Kläger damals auch nicht angegeben worden. Er sei als "voll tropentauglich" angesehen worden. Nach den umfangreichen Unterlagen habe sich die Erkrankung erst ab 1990 (frühestens 1985) entwickelt, beginnend mit Gefühlsstörungen in den Beinen. Dabei sei übereinstimmend von den verschiedenen Untersuchern eine alkohol-toxische Genese der Neuropathie und gleichzeitig auch vorliegenden Enzephalopathie angenommen worden. So werde in dem Befundbericht von Dr.S. vom 18.10.1999 auch eine Besserung der Gehfähigkeit nach Alkoholkarenz aufgeführt.
Hierauf gestützt hat der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 03.04.2001 den Antrag vom 06.06.2000 auf Bewilligung von Leistungen nach dem HHG abgelehnt. Ein ursächlicher Zusammenhang der bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen mit der inzwischen fast 50 Jahre zurückliegenden Gefangenschaft lasse sich nicht entsprechend wahrscheinlich machen, sodass Versorgung nach dem HHG nicht gewährt werden könne.
Der hiergegen gerichtete Widerspruch vom 25.04.2001 ist mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 19.06.2002 zurückgewiesen worden.
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht München mit Beweisanordnung vom 16.08.2004 Dr.K. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser hat mit nervenärztlichem Gutachten vom 04.11.2004 ausgeführt, dass sich eine nervenärztliche Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nicht begründen lasse. Der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr.H. hat mit nervenfachärztlichem Gutachten vom 31.05.2005 die Auffassung vertreten, die chronisch-progrediente schwere sensomotorische Polyneuropathie samt andauernder Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung sei schädigungsbedingt. Die MdE betrage 50 bis 70 v.H ... Diesem Votum hat Dr.K. mit Stellungnahme vom 22.12.2005 widersprochen. Dr.H. hat mit weiterer Stellungnahme vom 14.03.2006 an seiner Auffassung festgehalten. Im Erörterungstermin vom 18.05.2006 sind die Unterlagen des Versorgungsamtes K. samt dem dort enthaltenen Gutachten von Dr.M. vom 05.03.1955 übergeben worden. Dementsprechend hat das Sozialgericht München mit Beweisanordnung vom 01.06.2006 Dr.P. zum weiteren Sachverständigen bestellt. Dieser ist mit neurologisch-psychiatrischem Gutachten vom 31.07.2006 zu dem Ergebnis gekommen, die zwischenzeitlich eingetroffene Akte des Versorgungsamtes K. belege mit einem ausführlichen Gutachten aus dem Jahre 1955 eindeutig, dass zu diesem Zeitpunkt keine Polyneuropathie vorgelegen habe. Es hätten sich auch keine Hinweise darauf ergeben, dass es durch den mehrjährigen Lageraufenthalt zu bleibenden psychischen Schäden gekommen sei. Ein Zusammenhang mit schädigenden Ereignissen im Sinne von § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) sei nicht anzunehmen. Im Folgenden hat das Sozialgericht München die Klage mit Urteil vom 19.10.2006 abgewiesen und sich vor allem auf die Gutachten von Dr.M. vom 15.03.1955, Dr.K. vom 04.11.2004 sowie Dr.P. vom 31.07.2006 gestützt. Die gegenteiligen Ausführungen von Dr.H. haben das Sozialgericht München nicht überzeugt.
Die Berufung des Klägers vom 21.11.2006 ging am 22.11.2006 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des BayLSG wurden die Versorgungs- und Schwerbehindertenakten des Beklagten beigezogen, ebenso die Unterlagen des Versorgungsamtes K. , die Pflege-Streitakten L 2 P 48/05 und die erstinstanzlichen Unterlagen.
Die Bevollmächtigten des Klägers verwiesen in der Berufungsbegründung vor allem auf die Ausführungen des erstinstanzlich nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr.H. und rügten im Übrigen, dass die psychische Situation des Klägers vollkommen außer Acht gelassen worden sei. Weiterhin sei die Ehefrau des Klägers zu befragen, die diesen schon bald nach der Gefangenschaft kennengelernt habe. Andere Erkenntnisquellen aus dieser Zeit lägen nicht vor.
Das BayLSG bestellte mit Beweisanordnung vom 11.09.2007 Dr.H. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen. Dieser hat mit nervenärztlich-sozialmedizinischem Gutachten die Auffassung des Beklagten und des Sozialgerichts München bestätigt, dass die erst 1974 beginnende und erst 1990 neurologisch nachgewiesene Polyneuropathie schädigungsunabhängig entstanden sei. Entsprechendes gelte für die im Jahr 2005 erstmals diskutierte "andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung". Die Bevollmächtigten des Klägers hoben mit Schriftsatz vom 11.01.2008 hervor, dass hier allein das Gutachten von Dr.H. überzeugen könne. Die stationäre Krankenhausbehandlung vom 08.12.1970 bis 10.12.1970 wegen Alkoholintoxikation habe die Ehefrau des Klägers betroffen und nicht diesen selbst. Der Kläger sei von 1945 bis 1952 in Kriegsgefangenschaft gewesen und habe dort sieben Jahre keinen Tropfen Alkohol bekommen, ebenso keine Zigaretten. Bis 1956 seien die finanziellen Verhältnisse des Klägers so beengt gewesen, dass für Bier und Zigaretten kein Geld übrig geblieben sei. Von 1972 an sei der Kläger 14 Jahre in arabischen Ländern eingesetzt gewesen, in welchen Alkohol streng verboten sei. Gegen einen Alkoholabusus spräche auch, dass bei dem Kläger kein Leberschaden vorliege. Abschließend werde angeregt, Prof.Dr.N. in E. als ausgewiesenen Polyneuropathieexperten zu hören. Dieser Anregung kam das BayLSG nicht nach.
In der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2008 stellt der Bevollmächtigte des Klägers den Antrag, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 19.10.2006 und des Bescheides vom 03.04.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2002 zu verurteilen, dem Kläger eine Entschädigung nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) für die in der Gefangenschaft in der damaligen UdSSR vom 25.09.1945 bis 31.05.1952 erlittenen Schädigungsfolgen (Polyneuropathie und andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung) ab Antragstellung zu gewähren.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.10.2006 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Akten des Versorgungsamtes K. Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 19.10.2006 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 03.04.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 19.06.2002 ist zutreffend ergangen.
Der Kläger hat sich vom 25.09.1945 bis 31.05.1952 in Gefangenschaft in K./ehemalige UdSSR befunden. Bleibende Schädigungsfolgen im Sinne von § 1 Abs.1 des Häftlingshilfegesetzes (HHG) i.V.m. § 1 Abs.1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) resultieren hieraus jedoch nicht. Vor allem sind die mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 16.07.2001 nach dem Schwerbehindertenrecht (nunmehr: SGB IX) in Ziffer 1 festgestellten Funktionsstörungen "organisches Nervenleiden bei Markscheidenläsion mit ataktischer Gangstörung und Polyneuropathie, Enzephalopathie", die mit einem Einzel-GdB von 90 berücksichtigt worden sind, nicht ursächlich auf die Gefangenschaft zurückzuführen.
Das Gesetz verlangt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer gesundheitlichen Schädigung und einer Gesundheitsstörung, den sog. medizinischen Ursachenzusammenhang. Für die Auslegung des Begriffs "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Es muss aber ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit bestehen, dass sich darauf vernünftigerweise die Überzeugung vom Kausalzusammenhang gründen kann. Andererseits genügt aber auch nicht nur die Möglichkeit eines Zusammenhanges oder ein nur zeitlicher Zusammenhang (Fehl in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Auflage, Rdnrn.64 und 65 zu § 1 BVG m.w.N.).
Wenn der Kläger vor allem die bei ihm bestehende Polyneuropathie auf die erlittene Gefangenschaft in den Jahren 1947 bis 1952 zurückführt, ist dies nur eine Möglichkeit von vielen. Denn entsprechend Pschyrembel (Klinisches Wörterbuch, 258. Auflage) sind multiple Ursachen für das Entstehen einer Polyneuropathie bekannt. Die Einteilung erfolgt nach ätiologischen Aspekten: genetisch bedingte Polyneuropathie bei Stoffwechselstörungen wie Diabetes oder Urämie, bei Malabsorption und Malnutrition, bei Infektionskrankheiten wie Borreliose oder HIV-Erkrankung, bei endokrinen Erkrankungen, exogen-toxisch bedingte Polyneuropathie (Alkohol, Medikamente, Bleivergiftung o.Ä.), als Polyneuritis bei Kollagenosen und immunologischen Erkrankungen wie z.B. Sarkoidose oder auch rheumatoide Arthritis usw.
Unabhängig davon, dass die Bevollmächtigten des Klägers zuletzt mit Schriftsatz vom 11.01.2008 nochmals einen Alkoholabusus in der Vergangenheit als mögliche Ursache ausdrücklich bestritten haben, ist es ist nicht Aufgabe des erkennenden Senats, die Ursache der bei dem Kläger bestehenden Polyneuropathie positiv festzustellen. Vielmehr geht es zu Lasten des Klägers, dass ein ursächlicher Zusammenhang mit den schädigenden Einflüssen der Gefangenschaft (Mangelernährung, Kälteeinwirkungen) nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit hat nachgewiesen werden können.
Für den erkennenden Senat sind vielmehr die versorgungsärztlichen Voten, die mit den eingeholten Gutachten Dr.K. vom 04.11.2004, Dr.P. vom 31.07.2006 und Dr.H. vom 22.10.2007 übereinstimmen, schlüssig und überzeugend. Denn Dr.M. hat den Kläger zeitnah am 05.03.1955 internistisch begutachtet. Wegen fehlendem Zusammenhang der Zuckerharnruhrkrankheit mit den Erlebnissen während der Gefangenschaft ist der Antrag auf Anerkennung des Zuckerleidens als WDB-Leiden abgelehnt worden. Der Bescheid des Versorgungsamtes K. vom 18.03.1955 ist bestandskräftig geworden. In kritischer Würdigung des Gutachtens Dr.M. vom 05.03.1955 hat Dr.P. mit neurologisch-psychiatrischem Gutachten vom 31.07.2006 darauf aufmerksam gemacht, dass sich zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Hinweise auf eine Polyneuropathie ergeben haben, wobei eine differenzierte Befunderhebung erfolgte, sodass mit diesem Gutachten eine Polyneuropathie (zum damaligen Zeitpunkt) definitiv auszuschließen war. Einziger auffälliger Befund war ein etwas erhöhter Zuckerwert im Harn.
Für den erkennenden Senat ist es somit schlüssig und überzeugend, dass mangels eines zeitnahen Auftretens erster Anzeichen einer Polyneuropathie mit der Gefangenschaft in den Jahren 1947 bis 1952 ein ursächlicher Zusammenhang mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht als nachgewiesen anzusehen ist. Die gegenteiligen Ausführungen von Dr.H. mit Gutachten vom 31.05.2005 und Stellungnahme vom 14.03.2006 stellen aus versorgungsrechtlicher Sicht lediglich eine Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs dar, der jedoch nicht anspruchsbegründend ist. Im Übrigen hat auch Dr.H. mit Gutachten vom 22.10.2007 hervorgehoben, dass das außerordentlich lange zeitliche Intervall und die Dynamik des Krankheitsbildes mit einer Progredienz ab 1990 gegen einen Zusammenhang der Polyneuropathie mit den Folgen der Gefangenschaft 1947 bis 1952 sprechen.
Entsprechendes gilt für die erst 2005 überhaupt erstmals diskutierte "andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelas-tung". Hinweise dafür lassen sich über 50 Jahre hinweg den verfügbaren Aktenunterlagen nicht entnehmen. Dr.H. steht mit seiner Ansicht alleine. Weder die Neurologen und Psychiater vorher noch nachher fanden dafür entsprechende Hinweise und auch der Befund im Gutachten Dr.H. vom 31.05.2005 korreliert nicht mit der Definition dieses Krankheitsbildes in der ICD-10 (F62.0). Schließlich spricht auch die weitere biografische Entwicklung des Klägers gegen eine schwerwiegende seelische Störung als Folge einer Lagerhaft, so überzeugend Dr.H. mit Gutachten vom 22.10.2007. Auch dies ist für den erkennenden Senat schlüssig und überzeugend. Denn die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 11.01.2008 nicht nur auf das Studium unter beengten finanziellen Verhältnissen hingewiesen, sondern auch auf die vierzehnjährige Tätigkeit des Klägers ab 1972 in arabischen Ländern. Dies belegt auch aus der Sicht des Senats eine stabile Persönlichkeit. Wenn der Kläger zwischenzeitlich pflegebedürftig ist, beruht dies auf den von Dr.S. mit Gutachten vom 30.12.2004 festgestellten Gesundheitsstörungen "fortschreitende Erkrankung der peripheren Nerven beider Beine sowie Arme und Hände linksbetont, Kleinhirnatrophie, Distanzminderung mit Einbußen der kognitiven Funktionen und Funktionsbehinderung der Wirbelsäule". Ein ursächlicher Zusammenhang der ausweislich der Pflege-Streitakten auf nervenärztlichem Fachgebiet ebenfalls aktenkundigen Funktionsstörungen mit den Einwirkungen der Gefangenschaft 1947 bis 1952 ist jedoch auch hieraus nicht ersichtlich.
Wenn die Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 15.03.2007 unter anderem eine nochmalige Befragung der Ehefrau angeregt haben, ist der erkennende Senat dieser Anregung gemäß § 103 SGG nicht gefolgt. Die Ehefrau des Klägers ist nämlich bereits anlässlich der Begutachtung durch Dr.H. umfassend befragt worden. Danach hat der Kläger seine Gattin Anfang 1960 kennen gelernt und nach sehr kurzer Zeit bereits im gleichen Jahr geheiratet. Auch wenn die Ehegattin des Klägers ihren Mann nach eigenen Angaben "mit Rheuma" kennen gelernt hat, liegt insoweit das wesentlich zeitnähere Gutachten von Dr.M. vom 05.03.1955 vor. Im Übrigen findet sich in den Unterlagen des Versorgungsamtes K. keinerlei Hinweis auf das Vorliegen einer schädigungsbedingten Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis als mögliche Ursache für die erst 1974 ansatzweise anzunehmende und 1990 gesicherte Polyneuropathie.
In Hinblick auf drei übereinstimmende und überzeugende Gutachten, die nach § 106 Abs.3 Nr.5 SGG eingeholt worden sind, ist die Einholung eines vierten Gutachtens auf Kosten der Staatskasse durch Prof. Dr.N. in E. nicht mehr erforderlich gewesen. Insoweit liegt auch lediglich eine Anregung seitens der Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 11.01.2008 vor, nicht jedoch eine Benennung gemäß § 109 SGG.
Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen das urteil des Sozialgerichts München vom 19.10.2006 zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1929 geborene Kläger begehrt Entschädigungsleis-tungen nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) für Schädigungsfolgen aufgrund seiner Gefangenschaft in der (ehemaligen) UdSSR vom 25.09.1945 bis 31.05.1952. Streitig ist zwischen den Beteiligten vor allem, ob die bei dem Kläger bestehenden Neuropathien schädigungsbedingt sind; gleiches gilt für vorgetragene psychische Folgen der Gefangenschaft.
Ausweislich der Bescheinigung der Regierung von Oberbayern gemäß § 10 Abs.4 HHG hat sich der Kläger vom 25.09.1945 bis 31.05.1952 in K./UdSSR in Gefangenschaft befunden. Der Kläger hat mit Antrag vom 06.06.2000 erhebliche Schmerzen in seinen Füßen bis über die Knie (Polyneuropathien) als Schädigungsfolgen geltend gemacht, ebenso Gleichgewichtsstörungen.
Der Beklagte hat ärztliche Unterlagen beigezogen. Unter anderem hat Dr.K. mit Arztbrief vom 27.03.2000 beschrieben, dass eine äthyl-toxische Polyneuropathie vordiagnostiziert worden sei. Die Beschwerden in den Beinen (Kribbeln) bestünden seit über zehn Jahren. Die Neurologische Klinik und Poliklinik der Technischen Universität M. hat mit Arztbericht vom 07.06.2000 eine axonal betonte, sensorische Polyneuropathie diagnostiziert. Anamnestisch habe der Patient über etwa seit 15 Jahren langsam progrediente Gleichgewichtsstörungen berichtet, ebenso über Temperaturmissempfindungen und Kribbelparästhesien der Füße. Seiner Ansicht nach seien die Beschwerden auf die siebenjährige Gefangenschaft in Sibirien nach dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen, wo er mehrfache Erfrierungen der Füße erlitten habe. Seit etwa einem Jahr habe er den Alkoholgenuss völlig eingestellt, dennoch sei eine weitere leichte Verschlechterung der Beschwerden eingetreten.
Dr.K. hat mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 15.03.2001 darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Befundbericht von Dr.K. vom 21.10.1975 um den ältesten vorliegenden ärztlichen Befundbericht handele. Danach habe eine Polyneuropathie damals nicht vorgelegen. Derartige Beschwerden seien von dem Kläger damals auch nicht angegeben worden. Er sei als "voll tropentauglich" angesehen worden. Nach den umfangreichen Unterlagen habe sich die Erkrankung erst ab 1990 (frühestens 1985) entwickelt, beginnend mit Gefühlsstörungen in den Beinen. Dabei sei übereinstimmend von den verschiedenen Untersuchern eine alkohol-toxische Genese der Neuropathie und gleichzeitig auch vorliegenden Enzephalopathie angenommen worden. So werde in dem Befundbericht von Dr.S. vom 18.10.1999 auch eine Besserung der Gehfähigkeit nach Alkoholkarenz aufgeführt.
Hierauf gestützt hat der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 03.04.2001 den Antrag vom 06.06.2000 auf Bewilligung von Leistungen nach dem HHG abgelehnt. Ein ursächlicher Zusammenhang der bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen mit der inzwischen fast 50 Jahre zurückliegenden Gefangenschaft lasse sich nicht entsprechend wahrscheinlich machen, sodass Versorgung nach dem HHG nicht gewährt werden könne.
Der hiergegen gerichtete Widerspruch vom 25.04.2001 ist mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 19.06.2002 zurückgewiesen worden.
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht München mit Beweisanordnung vom 16.08.2004 Dr.K. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser hat mit nervenärztlichem Gutachten vom 04.11.2004 ausgeführt, dass sich eine nervenärztliche Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nicht begründen lasse. Der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr.H. hat mit nervenfachärztlichem Gutachten vom 31.05.2005 die Auffassung vertreten, die chronisch-progrediente schwere sensomotorische Polyneuropathie samt andauernder Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung sei schädigungsbedingt. Die MdE betrage 50 bis 70 v.H ... Diesem Votum hat Dr.K. mit Stellungnahme vom 22.12.2005 widersprochen. Dr.H. hat mit weiterer Stellungnahme vom 14.03.2006 an seiner Auffassung festgehalten. Im Erörterungstermin vom 18.05.2006 sind die Unterlagen des Versorgungsamtes K. samt dem dort enthaltenen Gutachten von Dr.M. vom 05.03.1955 übergeben worden. Dementsprechend hat das Sozialgericht München mit Beweisanordnung vom 01.06.2006 Dr.P. zum weiteren Sachverständigen bestellt. Dieser ist mit neurologisch-psychiatrischem Gutachten vom 31.07.2006 zu dem Ergebnis gekommen, die zwischenzeitlich eingetroffene Akte des Versorgungsamtes K. belege mit einem ausführlichen Gutachten aus dem Jahre 1955 eindeutig, dass zu diesem Zeitpunkt keine Polyneuropathie vorgelegen habe. Es hätten sich auch keine Hinweise darauf ergeben, dass es durch den mehrjährigen Lageraufenthalt zu bleibenden psychischen Schäden gekommen sei. Ein Zusammenhang mit schädigenden Ereignissen im Sinne von § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) sei nicht anzunehmen. Im Folgenden hat das Sozialgericht München die Klage mit Urteil vom 19.10.2006 abgewiesen und sich vor allem auf die Gutachten von Dr.M. vom 15.03.1955, Dr.K. vom 04.11.2004 sowie Dr.P. vom 31.07.2006 gestützt. Die gegenteiligen Ausführungen von Dr.H. haben das Sozialgericht München nicht überzeugt.
Die Berufung des Klägers vom 21.11.2006 ging am 22.11.2006 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des BayLSG wurden die Versorgungs- und Schwerbehindertenakten des Beklagten beigezogen, ebenso die Unterlagen des Versorgungsamtes K. , die Pflege-Streitakten L 2 P 48/05 und die erstinstanzlichen Unterlagen.
Die Bevollmächtigten des Klägers verwiesen in der Berufungsbegründung vor allem auf die Ausführungen des erstinstanzlich nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr.H. und rügten im Übrigen, dass die psychische Situation des Klägers vollkommen außer Acht gelassen worden sei. Weiterhin sei die Ehefrau des Klägers zu befragen, die diesen schon bald nach der Gefangenschaft kennengelernt habe. Andere Erkenntnisquellen aus dieser Zeit lägen nicht vor.
Das BayLSG bestellte mit Beweisanordnung vom 11.09.2007 Dr.H. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen. Dieser hat mit nervenärztlich-sozialmedizinischem Gutachten die Auffassung des Beklagten und des Sozialgerichts München bestätigt, dass die erst 1974 beginnende und erst 1990 neurologisch nachgewiesene Polyneuropathie schädigungsunabhängig entstanden sei. Entsprechendes gelte für die im Jahr 2005 erstmals diskutierte "andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung". Die Bevollmächtigten des Klägers hoben mit Schriftsatz vom 11.01.2008 hervor, dass hier allein das Gutachten von Dr.H. überzeugen könne. Die stationäre Krankenhausbehandlung vom 08.12.1970 bis 10.12.1970 wegen Alkoholintoxikation habe die Ehefrau des Klägers betroffen und nicht diesen selbst. Der Kläger sei von 1945 bis 1952 in Kriegsgefangenschaft gewesen und habe dort sieben Jahre keinen Tropfen Alkohol bekommen, ebenso keine Zigaretten. Bis 1956 seien die finanziellen Verhältnisse des Klägers so beengt gewesen, dass für Bier und Zigaretten kein Geld übrig geblieben sei. Von 1972 an sei der Kläger 14 Jahre in arabischen Ländern eingesetzt gewesen, in welchen Alkohol streng verboten sei. Gegen einen Alkoholabusus spräche auch, dass bei dem Kläger kein Leberschaden vorliege. Abschließend werde angeregt, Prof.Dr.N. in E. als ausgewiesenen Polyneuropathieexperten zu hören. Dieser Anregung kam das BayLSG nicht nach.
In der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2008 stellt der Bevollmächtigte des Klägers den Antrag, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 19.10.2006 und des Bescheides vom 03.04.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2002 zu verurteilen, dem Kläger eine Entschädigung nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) für die in der Gefangenschaft in der damaligen UdSSR vom 25.09.1945 bis 31.05.1952 erlittenen Schädigungsfolgen (Polyneuropathie und andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung) ab Antragstellung zu gewähren.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.10.2006 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Akten des Versorgungsamtes K. Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 19.10.2006 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 03.04.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 19.06.2002 ist zutreffend ergangen.
Der Kläger hat sich vom 25.09.1945 bis 31.05.1952 in Gefangenschaft in K./ehemalige UdSSR befunden. Bleibende Schädigungsfolgen im Sinne von § 1 Abs.1 des Häftlingshilfegesetzes (HHG) i.V.m. § 1 Abs.1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) resultieren hieraus jedoch nicht. Vor allem sind die mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 16.07.2001 nach dem Schwerbehindertenrecht (nunmehr: SGB IX) in Ziffer 1 festgestellten Funktionsstörungen "organisches Nervenleiden bei Markscheidenläsion mit ataktischer Gangstörung und Polyneuropathie, Enzephalopathie", die mit einem Einzel-GdB von 90 berücksichtigt worden sind, nicht ursächlich auf die Gefangenschaft zurückzuführen.
Das Gesetz verlangt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer gesundheitlichen Schädigung und einer Gesundheitsstörung, den sog. medizinischen Ursachenzusammenhang. Für die Auslegung des Begriffs "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Es muss aber ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit bestehen, dass sich darauf vernünftigerweise die Überzeugung vom Kausalzusammenhang gründen kann. Andererseits genügt aber auch nicht nur die Möglichkeit eines Zusammenhanges oder ein nur zeitlicher Zusammenhang (Fehl in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Auflage, Rdnrn.64 und 65 zu § 1 BVG m.w.N.).
Wenn der Kläger vor allem die bei ihm bestehende Polyneuropathie auf die erlittene Gefangenschaft in den Jahren 1947 bis 1952 zurückführt, ist dies nur eine Möglichkeit von vielen. Denn entsprechend Pschyrembel (Klinisches Wörterbuch, 258. Auflage) sind multiple Ursachen für das Entstehen einer Polyneuropathie bekannt. Die Einteilung erfolgt nach ätiologischen Aspekten: genetisch bedingte Polyneuropathie bei Stoffwechselstörungen wie Diabetes oder Urämie, bei Malabsorption und Malnutrition, bei Infektionskrankheiten wie Borreliose oder HIV-Erkrankung, bei endokrinen Erkrankungen, exogen-toxisch bedingte Polyneuropathie (Alkohol, Medikamente, Bleivergiftung o.Ä.), als Polyneuritis bei Kollagenosen und immunologischen Erkrankungen wie z.B. Sarkoidose oder auch rheumatoide Arthritis usw.
Unabhängig davon, dass die Bevollmächtigten des Klägers zuletzt mit Schriftsatz vom 11.01.2008 nochmals einen Alkoholabusus in der Vergangenheit als mögliche Ursache ausdrücklich bestritten haben, ist es ist nicht Aufgabe des erkennenden Senats, die Ursache der bei dem Kläger bestehenden Polyneuropathie positiv festzustellen. Vielmehr geht es zu Lasten des Klägers, dass ein ursächlicher Zusammenhang mit den schädigenden Einflüssen der Gefangenschaft (Mangelernährung, Kälteeinwirkungen) nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit hat nachgewiesen werden können.
Für den erkennenden Senat sind vielmehr die versorgungsärztlichen Voten, die mit den eingeholten Gutachten Dr.K. vom 04.11.2004, Dr.P. vom 31.07.2006 und Dr.H. vom 22.10.2007 übereinstimmen, schlüssig und überzeugend. Denn Dr.M. hat den Kläger zeitnah am 05.03.1955 internistisch begutachtet. Wegen fehlendem Zusammenhang der Zuckerharnruhrkrankheit mit den Erlebnissen während der Gefangenschaft ist der Antrag auf Anerkennung des Zuckerleidens als WDB-Leiden abgelehnt worden. Der Bescheid des Versorgungsamtes K. vom 18.03.1955 ist bestandskräftig geworden. In kritischer Würdigung des Gutachtens Dr.M. vom 05.03.1955 hat Dr.P. mit neurologisch-psychiatrischem Gutachten vom 31.07.2006 darauf aufmerksam gemacht, dass sich zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Hinweise auf eine Polyneuropathie ergeben haben, wobei eine differenzierte Befunderhebung erfolgte, sodass mit diesem Gutachten eine Polyneuropathie (zum damaligen Zeitpunkt) definitiv auszuschließen war. Einziger auffälliger Befund war ein etwas erhöhter Zuckerwert im Harn.
Für den erkennenden Senat ist es somit schlüssig und überzeugend, dass mangels eines zeitnahen Auftretens erster Anzeichen einer Polyneuropathie mit der Gefangenschaft in den Jahren 1947 bis 1952 ein ursächlicher Zusammenhang mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht als nachgewiesen anzusehen ist. Die gegenteiligen Ausführungen von Dr.H. mit Gutachten vom 31.05.2005 und Stellungnahme vom 14.03.2006 stellen aus versorgungsrechtlicher Sicht lediglich eine Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs dar, der jedoch nicht anspruchsbegründend ist. Im Übrigen hat auch Dr.H. mit Gutachten vom 22.10.2007 hervorgehoben, dass das außerordentlich lange zeitliche Intervall und die Dynamik des Krankheitsbildes mit einer Progredienz ab 1990 gegen einen Zusammenhang der Polyneuropathie mit den Folgen der Gefangenschaft 1947 bis 1952 sprechen.
Entsprechendes gilt für die erst 2005 überhaupt erstmals diskutierte "andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelas-tung". Hinweise dafür lassen sich über 50 Jahre hinweg den verfügbaren Aktenunterlagen nicht entnehmen. Dr.H. steht mit seiner Ansicht alleine. Weder die Neurologen und Psychiater vorher noch nachher fanden dafür entsprechende Hinweise und auch der Befund im Gutachten Dr.H. vom 31.05.2005 korreliert nicht mit der Definition dieses Krankheitsbildes in der ICD-10 (F62.0). Schließlich spricht auch die weitere biografische Entwicklung des Klägers gegen eine schwerwiegende seelische Störung als Folge einer Lagerhaft, so überzeugend Dr.H. mit Gutachten vom 22.10.2007. Auch dies ist für den erkennenden Senat schlüssig und überzeugend. Denn die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 11.01.2008 nicht nur auf das Studium unter beengten finanziellen Verhältnissen hingewiesen, sondern auch auf die vierzehnjährige Tätigkeit des Klägers ab 1972 in arabischen Ländern. Dies belegt auch aus der Sicht des Senats eine stabile Persönlichkeit. Wenn der Kläger zwischenzeitlich pflegebedürftig ist, beruht dies auf den von Dr.S. mit Gutachten vom 30.12.2004 festgestellten Gesundheitsstörungen "fortschreitende Erkrankung der peripheren Nerven beider Beine sowie Arme und Hände linksbetont, Kleinhirnatrophie, Distanzminderung mit Einbußen der kognitiven Funktionen und Funktionsbehinderung der Wirbelsäule". Ein ursächlicher Zusammenhang der ausweislich der Pflege-Streitakten auf nervenärztlichem Fachgebiet ebenfalls aktenkundigen Funktionsstörungen mit den Einwirkungen der Gefangenschaft 1947 bis 1952 ist jedoch auch hieraus nicht ersichtlich.
Wenn die Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 15.03.2007 unter anderem eine nochmalige Befragung der Ehefrau angeregt haben, ist der erkennende Senat dieser Anregung gemäß § 103 SGG nicht gefolgt. Die Ehefrau des Klägers ist nämlich bereits anlässlich der Begutachtung durch Dr.H. umfassend befragt worden. Danach hat der Kläger seine Gattin Anfang 1960 kennen gelernt und nach sehr kurzer Zeit bereits im gleichen Jahr geheiratet. Auch wenn die Ehegattin des Klägers ihren Mann nach eigenen Angaben "mit Rheuma" kennen gelernt hat, liegt insoweit das wesentlich zeitnähere Gutachten von Dr.M. vom 05.03.1955 vor. Im Übrigen findet sich in den Unterlagen des Versorgungsamtes K. keinerlei Hinweis auf das Vorliegen einer schädigungsbedingten Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis als mögliche Ursache für die erst 1974 ansatzweise anzunehmende und 1990 gesicherte Polyneuropathie.
In Hinblick auf drei übereinstimmende und überzeugende Gutachten, die nach § 106 Abs.3 Nr.5 SGG eingeholt worden sind, ist die Einholung eines vierten Gutachtens auf Kosten der Staatskasse durch Prof. Dr.N. in E. nicht mehr erforderlich gewesen. Insoweit liegt auch lediglich eine Anregung seitens der Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 11.01.2008 vor, nicht jedoch eine Benennung gemäß § 109 SGG.
Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen das urteil des Sozialgerichts München vom 19.10.2006 zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
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