L 11 AS 242/11 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 375/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 242/11 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Keine Zulassung der Berufung mangels Vorliegens von Zulassungsgründen
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des
Sozialgerichts Würzburg vom 09.02.2011 - S 9 AS 375/10 - wird zurück-
gewiesen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.





Gründe:


I.
Streitig ist die Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.11.2009 bis 30.04.2010.

Die vier Kläger bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Für ihre 92,25 m² große Mietwohnung zahlten sie 464,47 EUR Kaltmiete, 121,00 EUR Nebenkosten- und 80,00 EUR Heizkostenvorschuss. Mit Schreiben vom 20.05.2009 wies die Beklagte sie darauf hin, dass "eine Miete in Höhe von 510,00 EUR" für angemessen erachtet werde und bis 31.10.2009 eine angemessene Wohnung gesucht oder die Unterkunftskosten auf andere Weise gesenkt werden sollten. Am 01.10.2009 teilten die Kläger mit, sie könnten keine andere Wohnung zu den genannten Bedingungen finden. Mit Bescheid vom 12.10.2009 - der Änderungsbescheid vom 26.03.2010 ist mangels Änderung der Unterkunfts- und Heizungskosten nicht Gegenstand des Verfahrens geworden - in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.04.2010 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 01.11.2009 bis 30.04.2010 Unterkunftskosten einschließlich kalter Nebenkosten in Höhe von 548,00 EUR zuzüglich der Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 80,00 EUR abzüglich des Warmwasseranteils in Höhe von 22,40 EUR.

Auf die dagegen erhobene Klage hin hat das Sozialgericht Würzburg (SG) am 09.02.2011 die Beklagte verurteilt, die tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 585,47 EUR für die Zeit vom 01.11.2009 bis 30.03.2010 zu zahlen. Die Aufforderung zur Senkung der Kosten auf 510,00 EUR sei aufgrund einer Änderung des Mietspiegels zum 01.07.2009 unzutreffend geworden und habe die Wohnungssuche der Kläger negativ beeinträchtigt. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Rechtsstreit habe grundsätzliche Bedeutung, der vorliegende Sachverhalt sei noch nicht höchstrichterlich entschieden worden. Die angegebene Mietobergrenze sei zunächst zutreffend gewesen. Einer neuen Kostensenkungsaufforderung habe es nicht bedurft. Auf die erhöhte Mietobergrenze seien die Kläger - unwidersprochen - hingewiesen worden. Die Kläger widersprechen diesen Ausführungen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die von der Beklagten fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG).

Nach § 144 Abs 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgericht abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 144 Rdnr 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne Weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4).

Vorliegend macht die Beklagte lediglich eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreites geltend, wobei sie zur Begründung allein anführt, dieser Sachverhalt sei höchstrichterlich noch nicht entschieden worden. Eine grundsätzliche Bedeutung ist jedoch nicht gegeben, auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) den vorliegenden konkreten Sachverhalt noch nicht entschieden hat, denn der bisherigen Rechtsprechung zur Unzumutbarkeit der Kostensenkung, im Rahmen derer die Frage der Kostensenkungsaufforderung anzusprechen ist, ist klar zu entnehmen, wie im vorliegenden Einzelfall zu entscheiden ist. Eine höchstrichterliche Klärung jedes einzelnen Sachverhalts ist nicht erforderlich, wenn sich die Antwort aus der bisherigen Rechtsprechung eindeutig ergibt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO § 144 Rdnr 28 - 29 iVm § 160 Rdnr 8/8a). Dies ist vorliegend der Fall. Das BSG geht von einer Warn- und Aufklärungsfunktion der Kostensenkungsaufforderung aus. Hernach sollen die Beteiligten ggf. in einen Dialog u.a. über die Frage der Angemessenheit treten (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - veröffentl. in Juris). Ein solcher Dialog fordert dann auch eine Aufklärung der Kläger über evtl. eingetretene Veränderungen. Somit ist von der Beklagten zu erwarten, dass sie die Kläger über die Veränderung bei der Angemessenheit der Miete aufklärt.
Eine solche Aufklärung ist durch die Beklagte bislang nicht nachgewiesen worden. Die Kläger haben dieser, im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde aufgestellten Behauptung widersprochen.

Nachdem im Rahmen der Kostensenkungsaufforderung auch der aus der Sicht der Beklagten angemessene Mietpreis - unter genauer Angabe ob es sich um Netto- oder Bruttokaltmiete handelt - anzugeben ist, hätte die Beklagte den Klägern mitteilen müssen, dass sie ab 01.07.2009 eine andere Mietobergrenze für angemessen halte, damit sich die Kläger bei ihren Bemühungen um eine Kostensenkung bzw. um anderweitigen Wohnraum danach hätten richten können (vgl. zu untreffenden Angaben: BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - veröffentl. in juris). Ein Erfordernis zur nochmaligen Information besteht nach der Rechtsprechung des BSG dann, wenn ein objektiver Betrachter aus dem Verkehrskreis der Kläger bei verständiger Würdigung des Sachverhaltes eine solche Information über einen neuen Sachverhalt erwarten durfte (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - veröffentl. in juris). Die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage ist daher nicht mehr klärungsbedürftig. Zudem darf vorliegend nicht übersehen werden, dass es bei der Frage der Zumutbarkeit einer Kostensenkung nach den bislang ergangenen Entscheidungen des BSG zu den allgemeinen Anforderungen an den Inhalt einer Kostensenkungsaufforderung letztendlich nur um die im jeweiligen Einzelfall vorzunehmende Würdigung des Sachverhalts geht, nicht aber um die Klärung einer Rechtsfrage im allgemeinen Interesse.

Nachdem die Beklagte keine weiteren Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung des vorliegenden Rechtsstreits gemacht hat und für den Senat keine anderweitigen Zulassungsgründe ersichtlich sind, war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG gemäß § 145 Abs 4 Satz 4 SGG rechtskräftig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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