Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 AS 1725/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 961/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Behörde kann in geeigneten Fällen anlässlich einer Einladung zu einem Untersuchungstermin nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III den Betroffenen darauf hinweisen, dass eine schlichte Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit im Falle eines Terminversäumnisses nicht als ausreichende Entschuldigung angesehen wird.
Dieser Hinweis ist erforderlich, um die subjektive Vorwerfbarkeit des Terminversäumnisses für eine Sanktion nach § 32 SGB II zu begründen.
Dieser Hinweis ist erforderlich, um die subjektive Vorwerfbarkeit des Terminversäumnisses für eine Sanktion nach § 32 SGB II zu begründen.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München, S 52 AS 1725/11, vom 21. November 2011 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beklagte im Rahmen einer Einladung zu einer ärztlichen Untersuchung für den Fall, dass der Kläger den Termin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnimmt, ein qualifiziertes ärztliches Attest verlangen darf.
Der 1960 geborene Kläger bezieht nach einem Umzug seit November 2010 zusammen mit seiner Ehefrau und der 1995 geborenen Tochter fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Beklagten. Für Unterkunft und Heizung (Mietwohnung) fallen monatlich 652,50 Euro an. Für die Tochter erhält er Kindergeld in gesetzlicher Höhe. Die Ehefrau erzielt seit 01.01.2012 ein Einkommen aus Beschäftigung in Höhe von monatlich 800,- Euro netto.
Im Beratungsgespräch am 11.03.2011 besprachen der Kläger und ein Mitarbeiter des Beklagten die Notwendigkeit einer ärztlichen Untersuchung. Eine Teilnahme an einem Informationstag für Bewerber ab 50 Jahre lehnte der Kläger ab, weil er ein Hörgerät und eine Brille benötige sowie einen Behindertentransport.
Einen Termin zu ärztlichen Untersuchung am 30.03.2011 in E. sagte der Kläger am 29.03.2011 unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) ab. Am 01.04.2011 bewarb sich der Kläger außerhalb seines Wohnortes um eine Arbeit.
Einen Termin zu ärztlichen Untersuchung am 07.04.2011 in E. sagte der Kläger am 06.04.2011 ebenfalls unter Vorlage einer AU-Bescheinigung ab. Am selben Tag suchte er das Landratsamt in E. wegen einer Führerscheinangelegenheit auf.
Für eine zum 04.05.2011 anberaumte ärztliche Untersuchung wurde mündlich darauf hingewiesen, dass bei krankheitsbedingter Versäumnis ein besonderes Attest nötig sei, wonach der Kläger an der Untersuchung nicht teilnehmen könne. Der Kläger drohte dem ärztlichen Dienst daraufhin mit einer Strafanzeige wegen schwerer Körperverletzung und Beihilfe zu einer Straftat.
Der Kläger wurde mit Schreiben vom 05.07.2011 für den 18.07.2011 zu einer ärztlichen Untersuchung eingeladen. Es gehe um die Abklärung der Erwerbsfähigkeit des Klägers. Eine Rechtsfolgenbelehrung zu einer Sanktion lag bei. Das Schreiben enthielt folgende Formulierung:
"Eine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit ist grundsätzlich keine hinreichende Begründung für das Nichterscheinen zu einer Meldung beim Jobcenter oder beim ärztlichen Dienst. Bei der Teilnahme an einem Termin beim ärztlichen Dienst handelt es sich um keine Arbeitstätigkeit. Es ist daher bei Nichterscheinen ein gesondertes Attest des Arztes erforderlich, das wörtlich besagt, dass Ihnen die Teilnahme am Termin des ärztlichen Dienstes bei der Arbeitsagentur in F. aufgrund der aktuellen Erkrankung nicht möglich ist."
Der Kläger erhob gegen die Notwendigkeit eines qualifizierten Attestes Widerspruch und bereits am 11.07.2011 beim Sozialgericht München eine "Feststellungs- und Überprüfungsklage". Es sei festzustellen und zu überprüfen, ob die Zusatzformulierung wie "es ist bei Nichterscheinen ein gesondertes Attest des Arztes erforderlich" bei einem Einladungsschreiben des Jobcenters verwendet werden dürfe. Es sei zu überprüfen, inwieweit vom Beklagten hier Rechtsmissbrauch und Rechtsbeugung betrieben werde.
Das Sozialgericht teilte dem Beklagten mit, dass es der Ansicht sei, dass ein qualifiziertes ärztliches Attest nicht erforderlich sei; ausreichend sei die Glaubhaftmachung eines wichtigen Grundes aufgrund anderer Beweismittel, wie zum Beispiel Zeugen etc. Der Kläger trage allerdings die Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Falle einer Sanktion. Mit Schreiben vom 06.09.2011 teilte der Beklagte daraufhin dem Sozialgericht mit, dass er die Auffassung des Gerichts teile und dem Widerspruch stattgegeben worden sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.11.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die erhobene Feststellungsklage sei statthaft, weil es um die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG gehe. Die Feststellung beziehe sich auch auf einen konkreten Sachverhalt. Es fehle jedoch an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil der Beklagte mit Schreiben vom 06.09.2011 dem Widerspruch des Klägers stattgegeben habe. Das ursprüngliche Rechtsschutzbedürfnis sei nicht mehr gegeben.
Am 02.12.2011 hat der Kläger Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise er auf die Klage.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 21. November 2011, S 52 AS 1725/11, aufzuheben und festzustellen, dass der Hinweis rechtswidrig ist, dass der Kläger im Falle des Nichterscheinens zu einem Untersuchungstermin aus gesundheitlichen Gründen statt einer AU-Bescheinigung ein Attest vorzulegen habe, wonach er den Termin aufgrund einer Erkrankung nicht wahrnehmen könne.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten des Beklagten, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Berufungsgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die zulässige, insbesondere statthafte Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht begründet. Die Feststellung, die der Kläger begehrt, kann er nicht erhalten, weil der strittige Hinweis rechtmäßig ist.
Streitgegenstand ist die Frage, ob der Beklagte den Kläger darauf hinweisen darf, dass der Kläger im Falle des Nichterscheinens zu einem Untersuchungstermin aus gesundheitlichen Gründen statt einer AU-Bescheinigung ein Attest vorzulegen hat, wonach er den Termin aufgrund einer Erkrankung nicht wahrnehmen konnte.
Der Kläger wendet sich nicht gegen die Einladung zur Untersuchung selbst, die ein - mittlerweile durch sanktionslosen Zeitablauf nach § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf andere Weise erledigter - Verwaltungsakt wäre. Er wendet sich ausschließlich gegen die Vorgabe, ein besonderes Attest vorlegen zu müssen, wenn er den bzw. einen Untersuchungstermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen sollte.
Von den im Schreiben vom 05.07.2011 verwendeten Formulierungen mit wörtlichen Vorgaben für das Attest hat der Beklagte bereits im Klageverfahren ausdrücklich Abstand genommen. Das Feststellungsinteresse des Klägers kann deshalb nur der Frage gelten, ob eine normale AU-Bescheinigung wie bisher genügt, um eine Nichtteilnahme an einem Untersuchungstermin zu rechtfertigen oder ob hierfür ein besonderes Attest erforderlich ist. Weil bei Nichtteilnahme an der Untersuchung nach der dem Schreiben vom 05.07.2011 beigefügten Rechtsfolgenbelehrung eine Sanktion nach § 32 SGB II drohte, geht es konkret um die Frage, ob durch Vorlage einer AU-Bescheinigung ein wichtiger Grund im Sinn von § 32 Abs. 1 Satz 2 SGB II nachgewiesen ist oder nicht.
In Anlehnung an die Rechtsprechung zur Vorlage von Kontoauszügen ist eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zur Klärung einer Handlungspflicht in einem konkreten Rechtsverhältnis, dem fortdauernden Leistungsverhältnis, zum Beklagten statthaft (BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 10/08 R, Rn. 10, vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 55 Rn. 6).
Der Kläger ist - zusammen mit seiner Familie, mit der er gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1, 3a und 4 SGB II in Bedarfsgemeinschaft lebt - leistungsberechtigt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Mangels gegenteiliger Feststellung ist er auch als Erwerbsfähiger zu betrachten. Er unterliegt damit als Leistungsberechtigter den Meldepflichten nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III und damit der Möglichkeit, bei Nichtbefolgung dieser Pflichten gemäß § 32 SGB II sanktioniert zu werden. Angesichts der fortdauernden Hilfebedürftigkeit und der bislang nicht erfolgten Untersuchung besteht auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse des Klägers gegenüber dem Beklagten, weil eine Wiederholungsgefahr besteht (Keller, a.a.O., § 55 Rn. 15b).
Nach dem Urteil des BSG vom 09.11.2010, B 4 AS 27/10 R, Rn. 32, ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht in jedem Einzelfall gleichbedeutend mit einer krankheitsbedingten Unfähigkeit, zu einem Meldetermin zu erscheinen. Der Hinweis, dass eine ärztliche Bescheinigung notwendig ist, aus der ersichtlich ist, dass der Eingeladene krankheitsbedingt nicht zu Meldetermin erscheinen kann, ist sogar eine Voraussetzung dafür, dass das Nichterscheinen in Zusammenhang mit einer Sanktion subjektiv vorwerfbar ist (BSG a.a.O., Rn. 27). Umgekehrt betrachtet: Hätte der Beklagte den Kläger erst nach dem Termin darauf hingewiesen, hätte der Kläger vorbringen können, dass er davon ausgehen durfte, dass eine einfache AU-Bescheinigung das Terminversäumnis rechtfertige. Mit dem Hinweis wird der Betroffene lediglich informiert und Bösgläubigkeit im Sinn der subjektiven Vorwerfbarkeit für eine in der Zukunft liegende Sanktion begründet. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass ein wichtiger Grund später anderweitig nachgewiesen wird. Dem Betroffenen wird lediglich der einfache Weg der Vorlage einer schlichten AU-Bescheinigung verwehrt.
Hieraus ergibt sich, dass ein derartiger Hinweis in Fällen mit einschlägiger Vorgeschichte nicht rechtswidrig sein kann. Der Kläger hat durch sein Verhalten gezeigt, dass er sich regelmäßig Einladungen mittels Vorlage schlichter AU-Bescheinigungen entzieht. Dabei gab nicht nur die Regelmäßigkeit zu Zweifeln an dem Beweiswert der AU-Bescheinigungen Anlass, sondern auch die sonstigen Aktivitäten, die der Kläger in engem Zusammenhang mit den Krankschreibungen entfaltete. Der Kläger kann deshalb nicht die Feststellung begehren, dass der Hinweis rechtswidrig ist, dass er im Falle des Nichterscheinens zu einem Untersuchungstermin aus gesundheitlichen Gründen statt einer AU-Bescheinigung ein Attest vorzulegen habe, wonach er den Termin aufgrund einer Erkrankung nicht wahrnehmen konnte. Die Feststellungsklage ist unbegründet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. AU-Bescheinigungen werden in einer Vielzahl von Fällen missbraucht, um sich Pflichten zu entziehen, deren Nichterfüllung zu Sanktionen führen könnten.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beklagte im Rahmen einer Einladung zu einer ärztlichen Untersuchung für den Fall, dass der Kläger den Termin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnimmt, ein qualifiziertes ärztliches Attest verlangen darf.
Der 1960 geborene Kläger bezieht nach einem Umzug seit November 2010 zusammen mit seiner Ehefrau und der 1995 geborenen Tochter fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Beklagten. Für Unterkunft und Heizung (Mietwohnung) fallen monatlich 652,50 Euro an. Für die Tochter erhält er Kindergeld in gesetzlicher Höhe. Die Ehefrau erzielt seit 01.01.2012 ein Einkommen aus Beschäftigung in Höhe von monatlich 800,- Euro netto.
Im Beratungsgespräch am 11.03.2011 besprachen der Kläger und ein Mitarbeiter des Beklagten die Notwendigkeit einer ärztlichen Untersuchung. Eine Teilnahme an einem Informationstag für Bewerber ab 50 Jahre lehnte der Kläger ab, weil er ein Hörgerät und eine Brille benötige sowie einen Behindertentransport.
Einen Termin zu ärztlichen Untersuchung am 30.03.2011 in E. sagte der Kläger am 29.03.2011 unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) ab. Am 01.04.2011 bewarb sich der Kläger außerhalb seines Wohnortes um eine Arbeit.
Einen Termin zu ärztlichen Untersuchung am 07.04.2011 in E. sagte der Kläger am 06.04.2011 ebenfalls unter Vorlage einer AU-Bescheinigung ab. Am selben Tag suchte er das Landratsamt in E. wegen einer Führerscheinangelegenheit auf.
Für eine zum 04.05.2011 anberaumte ärztliche Untersuchung wurde mündlich darauf hingewiesen, dass bei krankheitsbedingter Versäumnis ein besonderes Attest nötig sei, wonach der Kläger an der Untersuchung nicht teilnehmen könne. Der Kläger drohte dem ärztlichen Dienst daraufhin mit einer Strafanzeige wegen schwerer Körperverletzung und Beihilfe zu einer Straftat.
Der Kläger wurde mit Schreiben vom 05.07.2011 für den 18.07.2011 zu einer ärztlichen Untersuchung eingeladen. Es gehe um die Abklärung der Erwerbsfähigkeit des Klägers. Eine Rechtsfolgenbelehrung zu einer Sanktion lag bei. Das Schreiben enthielt folgende Formulierung:
"Eine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit ist grundsätzlich keine hinreichende Begründung für das Nichterscheinen zu einer Meldung beim Jobcenter oder beim ärztlichen Dienst. Bei der Teilnahme an einem Termin beim ärztlichen Dienst handelt es sich um keine Arbeitstätigkeit. Es ist daher bei Nichterscheinen ein gesondertes Attest des Arztes erforderlich, das wörtlich besagt, dass Ihnen die Teilnahme am Termin des ärztlichen Dienstes bei der Arbeitsagentur in F. aufgrund der aktuellen Erkrankung nicht möglich ist."
Der Kläger erhob gegen die Notwendigkeit eines qualifizierten Attestes Widerspruch und bereits am 11.07.2011 beim Sozialgericht München eine "Feststellungs- und Überprüfungsklage". Es sei festzustellen und zu überprüfen, ob die Zusatzformulierung wie "es ist bei Nichterscheinen ein gesondertes Attest des Arztes erforderlich" bei einem Einladungsschreiben des Jobcenters verwendet werden dürfe. Es sei zu überprüfen, inwieweit vom Beklagten hier Rechtsmissbrauch und Rechtsbeugung betrieben werde.
Das Sozialgericht teilte dem Beklagten mit, dass es der Ansicht sei, dass ein qualifiziertes ärztliches Attest nicht erforderlich sei; ausreichend sei die Glaubhaftmachung eines wichtigen Grundes aufgrund anderer Beweismittel, wie zum Beispiel Zeugen etc. Der Kläger trage allerdings die Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Falle einer Sanktion. Mit Schreiben vom 06.09.2011 teilte der Beklagte daraufhin dem Sozialgericht mit, dass er die Auffassung des Gerichts teile und dem Widerspruch stattgegeben worden sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.11.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die erhobene Feststellungsklage sei statthaft, weil es um die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG gehe. Die Feststellung beziehe sich auch auf einen konkreten Sachverhalt. Es fehle jedoch an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil der Beklagte mit Schreiben vom 06.09.2011 dem Widerspruch des Klägers stattgegeben habe. Das ursprüngliche Rechtsschutzbedürfnis sei nicht mehr gegeben.
Am 02.12.2011 hat der Kläger Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise er auf die Klage.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 21. November 2011, S 52 AS 1725/11, aufzuheben und festzustellen, dass der Hinweis rechtswidrig ist, dass der Kläger im Falle des Nichterscheinens zu einem Untersuchungstermin aus gesundheitlichen Gründen statt einer AU-Bescheinigung ein Attest vorzulegen habe, wonach er den Termin aufgrund einer Erkrankung nicht wahrnehmen könne.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten des Beklagten, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Berufungsgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die zulässige, insbesondere statthafte Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht begründet. Die Feststellung, die der Kläger begehrt, kann er nicht erhalten, weil der strittige Hinweis rechtmäßig ist.
Streitgegenstand ist die Frage, ob der Beklagte den Kläger darauf hinweisen darf, dass der Kläger im Falle des Nichterscheinens zu einem Untersuchungstermin aus gesundheitlichen Gründen statt einer AU-Bescheinigung ein Attest vorzulegen hat, wonach er den Termin aufgrund einer Erkrankung nicht wahrnehmen konnte.
Der Kläger wendet sich nicht gegen die Einladung zur Untersuchung selbst, die ein - mittlerweile durch sanktionslosen Zeitablauf nach § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf andere Weise erledigter - Verwaltungsakt wäre. Er wendet sich ausschließlich gegen die Vorgabe, ein besonderes Attest vorlegen zu müssen, wenn er den bzw. einen Untersuchungstermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen sollte.
Von den im Schreiben vom 05.07.2011 verwendeten Formulierungen mit wörtlichen Vorgaben für das Attest hat der Beklagte bereits im Klageverfahren ausdrücklich Abstand genommen. Das Feststellungsinteresse des Klägers kann deshalb nur der Frage gelten, ob eine normale AU-Bescheinigung wie bisher genügt, um eine Nichtteilnahme an einem Untersuchungstermin zu rechtfertigen oder ob hierfür ein besonderes Attest erforderlich ist. Weil bei Nichtteilnahme an der Untersuchung nach der dem Schreiben vom 05.07.2011 beigefügten Rechtsfolgenbelehrung eine Sanktion nach § 32 SGB II drohte, geht es konkret um die Frage, ob durch Vorlage einer AU-Bescheinigung ein wichtiger Grund im Sinn von § 32 Abs. 1 Satz 2 SGB II nachgewiesen ist oder nicht.
In Anlehnung an die Rechtsprechung zur Vorlage von Kontoauszügen ist eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zur Klärung einer Handlungspflicht in einem konkreten Rechtsverhältnis, dem fortdauernden Leistungsverhältnis, zum Beklagten statthaft (BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 10/08 R, Rn. 10, vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 55 Rn. 6).
Der Kläger ist - zusammen mit seiner Familie, mit der er gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1, 3a und 4 SGB II in Bedarfsgemeinschaft lebt - leistungsberechtigt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Mangels gegenteiliger Feststellung ist er auch als Erwerbsfähiger zu betrachten. Er unterliegt damit als Leistungsberechtigter den Meldepflichten nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III und damit der Möglichkeit, bei Nichtbefolgung dieser Pflichten gemäß § 32 SGB II sanktioniert zu werden. Angesichts der fortdauernden Hilfebedürftigkeit und der bislang nicht erfolgten Untersuchung besteht auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse des Klägers gegenüber dem Beklagten, weil eine Wiederholungsgefahr besteht (Keller, a.a.O., § 55 Rn. 15b).
Nach dem Urteil des BSG vom 09.11.2010, B 4 AS 27/10 R, Rn. 32, ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht in jedem Einzelfall gleichbedeutend mit einer krankheitsbedingten Unfähigkeit, zu einem Meldetermin zu erscheinen. Der Hinweis, dass eine ärztliche Bescheinigung notwendig ist, aus der ersichtlich ist, dass der Eingeladene krankheitsbedingt nicht zu Meldetermin erscheinen kann, ist sogar eine Voraussetzung dafür, dass das Nichterscheinen in Zusammenhang mit einer Sanktion subjektiv vorwerfbar ist (BSG a.a.O., Rn. 27). Umgekehrt betrachtet: Hätte der Beklagte den Kläger erst nach dem Termin darauf hingewiesen, hätte der Kläger vorbringen können, dass er davon ausgehen durfte, dass eine einfache AU-Bescheinigung das Terminversäumnis rechtfertige. Mit dem Hinweis wird der Betroffene lediglich informiert und Bösgläubigkeit im Sinn der subjektiven Vorwerfbarkeit für eine in der Zukunft liegende Sanktion begründet. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass ein wichtiger Grund später anderweitig nachgewiesen wird. Dem Betroffenen wird lediglich der einfache Weg der Vorlage einer schlichten AU-Bescheinigung verwehrt.
Hieraus ergibt sich, dass ein derartiger Hinweis in Fällen mit einschlägiger Vorgeschichte nicht rechtswidrig sein kann. Der Kläger hat durch sein Verhalten gezeigt, dass er sich regelmäßig Einladungen mittels Vorlage schlichter AU-Bescheinigungen entzieht. Dabei gab nicht nur die Regelmäßigkeit zu Zweifeln an dem Beweiswert der AU-Bescheinigungen Anlass, sondern auch die sonstigen Aktivitäten, die der Kläger in engem Zusammenhang mit den Krankschreibungen entfaltete. Der Kläger kann deshalb nicht die Feststellung begehren, dass der Hinweis rechtswidrig ist, dass er im Falle des Nichterscheinens zu einem Untersuchungstermin aus gesundheitlichen Gründen statt einer AU-Bescheinigung ein Attest vorzulegen habe, wonach er den Termin aufgrund einer Erkrankung nicht wahrnehmen konnte. Die Feststellungsklage ist unbegründet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. AU-Bescheinigungen werden in einer Vielzahl von Fällen missbraucht, um sich Pflichten zu entziehen, deren Nichterfüllung zu Sanktionen führen könnten.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved