L 7 AS 846/14 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AS 475/14 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 846/14 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Wenn durch eine rückwirkende Bewilligung Arbeitslosengeld II für mehrere Monate auf ein Pfändungsschutzkonto nach § 850k ZPO gemäß § 42 SGB II überwiesen wird, kann gegen den Zugriff von Gläubigern Pfändungsschutz beim Vollstreckungsgericht am Amtsgericht gesucht werden. Der Sozialrechtsweg ist hierfür nicht gegeben.
Ein Anspruch auf nochmalige Auszahlung von Arbeitslosengeld II in bar, weil Gläubiger die Leistung vom Pfändungsschutzkonto weggepfändet haben, besteht nicht.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 13. November 2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.

Der Antragsteller bezieht seit Juli 2013 Arbeitslosengeld II vom Antragsgegner. Er bewohnt in A-Stadt eine Mietwohnung von 76 qm Wohnfläche bei einer Kaltmiete von 500,- Euro zuzüglich 150,- Euro für Betriebskosten pro Monat. Mit Schreiben vom 30.07.2013 wurde er auf die Mietobergrenze von 344,- Euro Bruttokaltmiete zuzüglich 60,- Euro Heizkosten hingewiesen. Ab 01.01.2014 wurden nur mehr 404,- Euro als Unterkunftsbedarf anerkannt. Nach Widerspruch wurden die Unterkunftskosten erst ab 01.03.2014 auf monatlich 413,- Euro abgesenkt (Heizkosten nunmehr monatlich 69,- Euro; Änderungsbescheid vom 31.01.2014, Widerspruchsbescheid vom 08.04.2014, Klageschrift vom 08.05.2014). Im Mai 2014 wurde der Antragsteller aufgefordert, sich amtsärztlich auf Erwerbsfähigkeit untersuchen zu lassen.

Mit weiterem Bescheid vom 11.07.2014 wurde für Juli und August 2014 Arbeitslosengeld II bewilligt und dabei jeweils Unterkunftskosten von 413,- Euro anerkannt. Dabei wurde der Antragsteller erneut aufgefordert sich gemäß §§ 62, 66 SGB I amtsärztlich auf Erwerbsfähigkeit untersuchen zu lassen.

Mit Schreiben vom 06.09.2014 erhob der Antragsteller "rein vorsorglich Widerspruch", weil er ab September 2014 keine Leistungen mehr erhalten habe. Im Übrigen seien Sanktionen verfassungswidrig.

Bereits am 05.09.2014 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht Landshut einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wegen der Gewährung von Arbeitslosengeld II für die Zeit ab 01.09.2014.

Mit Beschluss vom 13.11.2014 lehnte das Sozialgericht Landshut den Eilantrag ab. Es fehle an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsteller weitere Leistungen über den 31.08.2014 hinaus beim Antragsgegner gar nicht beantragt habe. Außerdem sei dem Gericht völlig unverständlich, weshalb der Antragsteller sich gegen eine Untersuchung und Begutachtung sperre.

Der Antragsteller hat am 11.12.2014 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut eingelegt.

Der Antragsgegner hat mitgeteilt, dass die geforderte ärztliche Untersuchung des Antragstellers bereits am 10.12.2014 erfolgt sei und dem Antragsteller mit Bescheid vom 18.12.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit von 01.09.2014 bis 28.02.2015 in Höhe von monatlich 804,- bzw. 812,- Euro monatlich bewilligt worden seien.

Der Antragsteller hat mitgeteilt, dass sich das Eilverfahren durch die Leistungsgewährung nicht erledigt habe. Im Dezember 2014 seien auf sein Konto die Leistungen für die Monate September bis Dezember 2014 und auch die Leistung für Januar 2015 überwiesen worden. Daraufhin sei von Seiten der gesetzlichen Krankenversicherung eine nach seiner Meinung unberechtigte Zwangsvollstreckung erfolgt und 3.200,- Euro seien wegen der hohen Einmalzahlung trotz Pfändungsschutz von seinem Konto weggepfändet worden. Das habe der Antragsgegner zu vertreten, weil er diesem zuvor viermal gebeten habe, auf sein Konto keine Leistungen zu überweisen. Die anerkannten Unterkunftskosten seien viel zu niedrig. In A-Stadt müsse laut Internetangebot durchschnittlich 8,25 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete bezahlt werden.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 13.11.2014 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, die tatsächlichen Kosten der Wohnung als Unterkunftsbedarf zu berücksichtigen und den Antragsgegner zu verpflichten, die 3.200,- Euro zu erstatten, die die Krankenkasse gepfändet habe.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist unbegründet, weil nach der inzwischen erfolgten Bewilligung und Auszahlung der laufenden Leistungen im Eilverfahren im Sozialrechtsweg keine weiteren Ansprüche bestehen.

Für die begehrte Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft. Der Antrag muss zulässig sein und die Anordnung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Es muss glaubhaft sein, dass ein materielles Recht besteht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird (Anordnungsanspruch), und es muss glaubhaft sein, dass eine vorläufige Regelung notwendig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund).

Zunächst ist anzumerken, dass das Schreiben des Antragstellers vom 06.09.2014 einen Antrag auf Weitergewährung von Arbeitslosengeld II für die Zeit ab 01.09.2014 enthält. Insoweit kann dem Beschluss des Sozialgerichts nicht gefolgt werden. Auch die Frage, ob eine Verweigerung einer ärztlichen Untersuchung eine vollständige Versagung existenzsichernder Leistungen rechtfertigt, wäre im erstinstanzlichen Eilverfahren zu prüfen gewesen. Beide Fragen haben sich jedoch durch die spätere Leistungsgewährung erledigt.

Ein Anordnungsanspruch auf höheres Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten ist nicht glaubhaft. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es nicht um die Frage geht, was in A-Stadt für eine durchschnittliche Wohnung gezahlt wird (laut Antragsteller 8,25 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter), sondern um die Frage, was für eine Wohnung, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnisses entspricht, zu zahlen ist (vgl. Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 76). Es geht also um die Miete von Wohnungen aus dem unteren Segment. Gegen die Angemessenheit der derzeitigen Miete spricht auch die Wohnfläche von 76 qm laut Mietvertrag (Balkonfläche zählt entgegen der Auffassung des Antragstellers anteilig mit), weil lediglich 50 qm als angemessen gelten. Ob der vom Antragsgegner vertretenen Mietobergrenze ein schlüssiges Konzept zugrunde liegt, kann im Eilverfahren nicht überprüft werden. Die Größenordnung von 344,- Euro plus 69,- Euro Heizkosten entspricht aber der vom BSG zugestandenen "Notlösung" der Tabellenwerte von § 12 WoGG plus 10 % Zuschlag plus Heizkosten. A-Stadt befindet sich in der Mietstufe II, so dass nach §12 WoGG für die Bruttokaltmiete monatlich 308,- Euro anzusetzen sind, plus 10 % gleich 338,80 Euro.

Ein Anspruch auf nochmalige Zahlung der bereits überwiesenen Leistungen ist nicht ersichtlich. Der Antragsgegner ist gemäß § 42 SGB II berechtigt, die Geldleistungen auf das Konto des Leistungsberechtigten zu überweisen. Damit ist der Leistungsanspruch erfüllt. Eine Direktüberweisung an den Vermieter kann der Antragsteller für die Zukunft gemäß § 22 Abs. 7 SGB II beantragen.

Soweit der Antragsteller in der Zahlung auf sein Konto ein schuldhaftes Fehlverhalten des Antragstellers sieht und an einen Anspruch aus Amtspflichtverletzung (Amtshaftung) nach § 839 BGB und Art. 34 GG denkt, ist hierfür der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht gegeben. Eine derartige Klage wäre mittels Rechtsanwalt beim Landgericht zu erheben. Hier wird lediglich angemerkt, dass es wohl nicht zu den Amtspflichten des Antragsgegners gehört, die Pfändungs- und Pfändungsschutzvorschriften durch Abweichung von § 42 SGB II zu umgehen. Pfändungsschutz hat der Antragsteller selbst bzw. über das Vollstreckungsgericht am Amtsgericht zu bewirken.

Die Frage, in welchem Umfang Gläubiger auf das in § 850k ZPO geregelte Pfändungsschutzkonto des Antragstellers zugreifen können bzw. inwieweit Pfändungsschutz besteht, ist nicht von den Sozialgerichten zu beantworten. Zuständig sind hierfür gemäß § 828 ZPO die Vollstreckungsgerichte bei den Amtsgerichten.

Ob sich der Antragsteller daneben mit der gesetzlichen Krankenkasse in Verbindung setzt und dieser den unglücklichen Hergang der Auszahlung der aufgelaufenen existenzsichernden Leistungen darlegt, ohne dabei die die angeblich unrechtmäßige Forderungen der Krankenkasse in den Vordergrund zu stellen, ist seine Sache. Soweit die Forderungen der Krankenkasse aus den Monaten September bis Dezember 2014 stammen, müssten sich diese durch die rückwirkende Bewilligung von Arbeitslosengeld II erledigen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 a, § 251 Abs. 4 SGB V).

Zuletzt ist ein weiterer Irrtum des Antragstellers richtig zu stellen: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 09.02.2010 nicht über Sanktionen nach §§ 31 ff SGB II entschieden. Es hat über die Höhe des Regelbedarfs entschieden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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