L 1 LW 8/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 LW 7/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 LW 8/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der nach §§ 57, 58 SGB II idF vom 20.07.2006 gezahlte Gründungszuschuss stellt eine einem Erwerbsersatzeinkommen vergleichbare Leistung dar, die die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte begründen kann.
2. Dabei ist auch der Anteil von 300 € zur sozialen Sicherung als Einkommen iSd § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG zu berücksichtigen
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 04.08.2016 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 17.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2015 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.09.2010 von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte zu befreien.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte für die Zeit von 01.01.2010 bis 30.09.2010.

Die Klägerin ist 1981 geboren und seit 2009 mit dem Landwirt M. A. verheiratet. 2010 wurde das gemeinsame Kind N. geboren. Dies teilte ihr Ehemann der Beklagten im Rahmen einer Prüfung des Familienstandes mit einem am 15.11.2012 bei der Beklagten eingegangenen Formblatt mit.

Mit Bescheid vom 06.12.2012 stellte die Beklagte fest, dass für die Klägerin als Ehegattin eines landwirtschaftlichen Unternehmers seit 05.12.2009 Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse bestehe, da das bewirtschaftete Unternehmen die für die Versicherungspflicht erforderliche Mindestgröße erreiche. Mit ihrem Widerspruch vom 20.12.2012 legte die Klägerin einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht vom 18.12.2012 vor und gab an, bereits im Jahr 2009 nicht nur die Verheiratung mitgeteilt, sondern auch Antrag auf Befreiung von der Beitragszahlung gestellt zu haben.

Mit Bescheid vom 21.01.2013 befreite die Beklagte die Klägerin ab 01.01.2013 von der Versicherungspflicht zu landwirtschaftlichen Alterskasse, da für sie Zeiten wegen Kindererziehung in der deutschen Rentenversicherung oder in vergleichbaren Systemen angerechnet würden. Eine frühere Befreiung sei wegen der Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 1 und 4 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) nicht möglich, da danach eine rückwirkende Befreiung nur möglich sei, wenn der Antrag innerhalb von 3 Monaten ab dem Zeitpunkt der Eheschließung gestellt werde. Der im Dezember 2012 eingegangene Befreiungsantrag könne seine Wirkung daher erst ab 01.01.2013 entfalten. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin anschließend Widerspruch mit dem Ziel einer früheren Befreiung von der Versicherungspflicht ein. 2013 wurde das zweite Kind der Klägerin geboren. Auf ihren Befreiungsantrag vom 23.09.2013 befreite die Beklagte die Klägerin daraufhin bis 30.09.2016 weiter von der Versicherungspflicht.

Mit Schreiben vom 07.11.2013 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass die Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG mittlerweile rückwirkend durch Art. 16b des Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze - BUK - Neuorganisation - BUK-NOG) aufgehoben worden sei und die rückwirkende Überprüfung der Befreiung nunmehr möglich sei. Allerdings müsse die Klägerin für diese Zeit das Vorliegen eines Befreiungs-tatbestandes nachweisen. Nach den bisher vorliegenden Unterlagen sei dies erst ab 01.10.2010 möglich.

Die Klägerin übersandte daraufhin verschiedene Unterlagen. Nach dem Einkommensteuerbescheid für 2009 hatte die Klägerin im Jahr 2009 Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit in Höhe von 3.609 EUR. Vom 17.05.2009 bis 09.01.2010 erhielt sie Arbeitslosen-geld I in Höhe von 3.955,05 EUR, davon 3.838,50 EUR vom 17.05.2009 bis 31.12.2009 und 116,55 EUR vom 01.01.2010 bis 09.01.2010 (Bestätigung der Agentur für Arbeit W.). Vom 10.01.2010 bis 09.10.2010 erhielt sie einen Gründungszuschuss von monatlich 688,50 EUR als Zuschuss, darin enthalten eine Pauschale von 300 EUR zur sozialen Sicherung (Bewilligungsbescheid der Agentur für Arbeit B-Stadt vom 22.02.2010).

Mit dem streitigen Bescheid vom 17.03.2014 befreite die Beklagte die Klägerin für die Zeit vom 05.12.2009 bis 31.12.2009 und für die Zeit von 01.10.2010 bis 31.12.2012 von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte. Bis 31.12.2009 habe sie außerlandwirtschaftliches Einkommen in ausreichender Höhe erzielt. Ab 01.10.2010 könne die Befreiung wegen der Kindererziehung ausgesprochen werden. Vom 01.01.2010 bis 30.09.2010 könne allerdings von dem gezahlten Gründungszuschuss von 688,50 EUR monatlich nur ein Betrag von 388,50 EUR monatlich als Erwerbsersatzeinkommen angerechnet werde, nicht aber die Pauschale von 300 EUR monatlich zur sozialen Sicherung. Damit werde der Grenzwert für die Befreiung von 400 EUR monatlich nicht überschritten und eine Befreiung sei nicht möglich.

Die Klägerin legte auch gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Beteiligten vereinbarten, das Widerspruchsverfahren bis zu dem beim Landessozialgericht anhängigen Verfahren mit dem Aktenzeichen L 1 LW 3/14 ruhend zu stellen.

Nachdem dieses Verfahren vergleichsweise beendet worden war, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2015 zurück. Aus der Gesetzesbegründung zu § 58 Sozialgesetzbuch III (SGB III) ergebe sich, dass der Betrag von 300 EUR der sozialen Absicherung diene (Bundestagsdrucksache 16/1696, S. 31, zu § 58). Dieser Betrag ersetze also kein Einkommen, sondern sei vielmehr mit den während des Bezugs von Arbeitslosengeld von der Agentur für Arbeit zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträgen vergleichbar, die ebenfalls kein Erwerbsersatzeinkommen darstellten. Aufgrund seiner besonderen Zweckbestimmung bleibe dieser Betrag auch bei der Ermittlung der beitragspflichtigen Einnahmen freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherter oder im Rahmen der Einkommensanrechnung nach § 18a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sowie bei der Deutschen Rentenversicherung unberücksichtigt. Lediglich der nach § 58 Abs. 1 SGB III (jetzt § 94 Abs. 1 SGB III) in den ersten sechs Monaten den Betrag von 300 EUR übersteigende Teil des Gründungszuschusses, der der Höhe nach dem Betrag entspreche, den der Anspruchsberechtigte als Arbeitslosengeld zuletzt bezogen habe, sei Erwerbsersatzeinkommen. Daher könne in der Zeit von 10.01.2010 bis 30.09.2010 lediglich ein Betrag von monatlich 388,50 EUR angesetzt werden, der hochgerechnet auf ein Jahr mit 4.662 EUR die Einkommensgrenze von 4.800 EUR nicht übersteige. Auch das von 01.01.2010 bis 09.01.2010 bezogene Arbeitslosengeld von täglich 12,95 EUR bzw. monatlich 388,50 EUR monatlich oder 4.662 EUR jährlich führe nicht zu einer Befreiung von der Versicherungspflicht. Zum Arbeitslosengeld habe das BSG bereits mit Urteil vom 30.06.1999 (B 10 LW 17/98) entschieden, dass nur der reine Leistungsbetrag anzusetzen sei, der nicht um die von der Bundesagentur für Arbeit zu tragenden Sozialbeiträge zu erhöhen sei. Es wäre auch unschlüssig, würde man beim Bezug von Arbeitslosengeld zunächst einen Betrag von monatlich 388,50 EUR anzusetzen, um beim Wechsel auf den Gründungszuschuss dann zum monatlichen Betrag von 388 EUR den Betrag von 300 EUR zur sozialen Absicherung hinzuzuzählen.

Mit ihrer Klage zum Sozialgericht München hat die Klägerin argumentiert, dass der Gründungszuschuss, der im Anschluss an das Arbeitslosengeld ohne Bedürftigkeitsprüfung gezahlt worden sei, insgesamt als Erwerbseinkommen zu berücksichtigen sei. Nach § 58 SGB III a.F. werde der Gründungszuschuss in Höhe des bisherigen Arbeitslosengeldes zuzüglich 300 EUR ohne weitere Staffelung bezahlt. Ob er tatsächlich zur sozialen Absicherung verwendet werde, werde nicht überprüft, weswegen auch dieser Betrag seine Eigenschaft als Arbeitslosenentgelt oder Arbeitseinkommen gerade nicht verliere. Da sie die streitigen Beträge inzwischen bezahlt habe, beantrage sie nun deren Rückerstattung.

Mit Urteil vom 04.08.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Was als Erwerbseinkommen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG anzusehen sei, ergebe sich aus der darin enthaltenen Aufzählung, in der der Gründungszuschuss nicht enthalten sei. Die Aufzählung der mit Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung verbundenen Lohnersatzleistungen beschränke sich auf die typischen Versicherungsleistungen wie Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder Pflegeunterstützung. Ein Gründungszuschuss sei jedoch von seiner Zweckbestimmung her nicht ein mit Blick auf die Beschäftigung in der Vergangenheit gewährter zeitweiliger Ersatz für das frühere Erwerbseinkommen, sondern eine auf die berufliche Zukunft orientierte Subvention und stelle daher schon begrifflich kein Erwerbsersatzeinkommen dar. Der Gründungszuschuss enthalte zwar auch einen die Lebensgrundlage sichernden Anteil, der vorliegend aber nicht die Höhe erreiche, die nach § 3 ALG als Minimum eines Erwerbsersatzeinkommens ausreiche. Dabei sei zum Rechtscharakter der Vorschrift auch anzumerken, dass sie mit der Definition einer Gruppe von Ausnahmetatbeständen zur Versicherungspflicht nicht einer erweiternden Auslegung zugänglich sein solle.

Mit ihrer Berufung hat die Klägerin an ihrem Antrag festgehalten. Die Auffassung des Sozialgerichts, wonach es sich beim Gründungszuschuss um eine in die Zukunft gerichtete Investition handle, widerspreche der Rechtsprechung des BSG, das mit Urteil vom 10.05.2007 (B 10 LW 7/05 R) zum früheren Überbrückungsgeld klargestellt habe, dass dieses Erwerbsersatzeinkommen darstelle, da eine Bedürftigkeitsprüfung nicht erfolge. Für einen Abzug der Pauschale von 300 EUR fehle es an einer Rechtsgrundlage.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 04.08.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2015 zu verurteilen, die Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis 30.09.2010 von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte zu befreien.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie hat auf ihre Arbeitsanweisung verwiesen. Danach könne auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG der zweckgebundene und fürsorgliche Charakter der Pauschale von 300 EUR nicht unberücksichtigt bleiben. Schließlich würde die Auffassung der Klägerin dazu führen, dass diese nun für einen Zeitraum von 9 Monaten in ihrem Versicherungsverlauf ein Lücke habe, was mit den Regelungen über die Befreiung gerade nicht beabsichtigt gewesen sei. Es wäre auch widersprüchlich, wenn ein Betrag, der ausdrücklich zu dem Zweck gezahlt werde, sich sozial abzusichern, dann dazu verwendet werden dürfe, um sich von einer sozialen Absicherung zu befreien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist gemäß §§ 143,151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist in der Sache auch begründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 17.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2015 und damit die Frage, ob die Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2010 bis 30.09.2010 von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte zu befreien ist. Gegenstand der Berufung ist dagegen nicht der Antrag auf Rückerstattung der von der Klägerin nach ihrer Auffassung zu Unrecht entrichteten Beiträge, da die Beklagte hierüber noch gar keine Entscheidung getroffen hat. Hierüber ist nach Abschluss des Verfahrens gesondert zu entscheiden, wobei auch zu prüfen ist, inwieweit Zinsen zu erstatten sind (vgl. §§ 26, 27 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV - und zu einer ähnlichen Konstellation Urteil vom 07.09.2017 - B 10 LW 1/16 R -).

1. Die Klägerin ist als Ehegattin eines Landwirts, dessen Unternehmen die Mindestgröße des § 1 Abs. 5 ALG erreicht, auch im streitigen Zeitraum selbst versicherungspflichtig in der Alterssicherung der Landwirte (§ 1 Abs. 2 ALG). Sie ist aber auf ihren Antrag vom Dezember 2012 auch für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.09.2010 von der Versicherungspflicht zu befreien.

2. Gemäß § 3 Abs. 1 ALG i.d. maßgebenden Fassung vom 19.12.2007 sind Landwirte und mitarbeitende Familienangehörige auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, solange sie 1. regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen (Absatz 4) beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft jährlich 4.800 Euro überschreitet, 1a. Arbeitslosengeld II beziehen und während der Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld II weiterhin versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung bleiben, wenn sie im letzten Kalendermonat vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II nicht versichert waren, 2. wegen Erziehung eines Kindes in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind oder nur deshalb nicht versicherungspflichtig sind, weil sie nach § 56 Abs. 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten ausgeschlossen sind, 3. wegen der Pflege eines Pflegebedürftigen in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind oder nur deshalb nicht versicherungspflichtig sind, weil sie von der Versicherungspflicht befreit sind, oder 4. wegen der Ableistung von Wehr- und Zivildienst in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind oder nur deshalb nicht versicherungspflichtig sind, weil sie versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind.

Die Befreiung wirkt nach § 3 Abs. 2 ALG vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an.

Erwerbsersatzeinkommen sind gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 ALG Leistungen, die auf Grund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Hierzu zählen insbesondere 1. Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung, einer berufsständischen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder Versorgungsbezüge nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen und vergleichbare Bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis oder aus der Versorgung der Abgeordneten, 2. Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, soweit es nicht nach § 55a Absatz 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch gewährt wird, oder Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem SGB III und vergleichbare Leistungen von einem Sozialleistungsträger.

Erwerbsersatzeinkommen sind auch den in Satz 2 genannten Leistungen vergleichbare Leistungen, die von einer Stelle außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes erbracht werden, sowie die Renten einer Einrichtung der betrieblichen oder überbetrieblichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung, wobei Kinderzuschuss, Kinderzulage und vergleichbare kindbezogene Leistungen außer Betracht bleiben. Bei der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bleibt ein der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz entsprechender Betrag unberücksichtigt; bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vom Hundert bleiben zwei Drittel der Mindestgrundrente, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 vom Hundert bleibt ein Drittel der Mindestgrundrente unberücksichtigt (§ 3 Abs. 4 Satz 3 ALG).

Maßgebend für die Frage, ob Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen in ausreichender Höhe erzielt wird, ist dabei das regelmäßige, also mit einer gewissen Stetigkeit, Dauer und Gesetzesmäßigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 16.10.2002, Az. B 10 LW 5/01 R, in juris Rn. 20) erzielte Einkommen, das grundsätzlich durch eine vorausschauende Betrachtung angelehnt an die Verfahrensweise zur Feststellung der Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zu ermitteln ist. Die Feststellung von Versicherungspflicht in der Sozialversicherung muss dabei im Blick auf die Interessen der Betroffenen sowie des Versicherungsträgers materiell-rechtlich notwendig auf der Grundlage einer prognostischen Einschätzung am Beginn des jeweils zu beurteilenden Lebenssachverhalts auf der Basis des damals vorhandenen Erkenntnisstandes erfolgen. Diese Prognose bleibt so lange maßgebend, bis in rechtlich relevantem Umfang geänderte Umstände Anlass für eine Korrektur und für eine Ersetzung durch eine neue Prognose geben, die dann wiederum den versicherungsrechtlichen Status für die Zukunft bestimmt (vgl. zu den Einzelheiten Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. März 2017 - L 1 LW 2/14 -, juris; Revision anhängig - B 10 LW 1/17 R -).

2.1. Der beantragten Befreiung steht nicht die verspätete Antragstellung entgegen. Nach der durch Art. 16 Abs. 17 Nr. 1 des BUK-Neuorganisationsgesetzes (BUK-NOG) vom 19.10.2013 (BGBl I S. 3836) rückwirkend zum 11.08.2010 geltenden Fassung in § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 3 ALG kann die Befreiung wie nach der bis 10.08.2010 geltenden Rechtslage noch innerhalb von 3 Monaten nach der Feststellung der Versicherungspflicht durch die Beklagte erfolgen, die hier erstmals mit Bescheid vom 06.12.2012 erfolgt ist. Der Befreiungsantrag der Klägerin ist mit dem am 20.12.2012 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch und damit noch rechtzeitig gestellt worden. Auf die Umstände der von der Klägerin behaupteten früheren Antragstellung im Jahr 2010 kommt es daher nicht entscheidend an. Aufgrund der danach rückwirkend erfolgten Fortsetzung der bis 10.08.2010 geltenden Rechtslage durch den Gesetzgeber kommt es auch auf die danach nur vorübergehend geltende Regelung, wonach der Antrag nach Eheschließung mit einem Landwirt innerhalb von 3 Monaten zu stellen war, nicht mehr an (BSG, Urteil vom 07.09.2017, a.a.O.). Dem hat die Beklagte vorliegend mit dem streitigen Bescheid vom 17.03.2014 auch Rechnung getragen und die Klägerin für die Zeit bis 31.12.2009 und ab 01.10.2010 auf ihren Antrag von der Versicherungspflicht befreit.

2.2. Die Befreiungsvoraussetzungen haben auch im streitigen Zeitraum vom 01.01.2010 bis 30.09.2010 vorgelegen. Maßgebend sind, da der Befreiungsantrag erst nach Ablauf des streitigen Zeitraums gestellt worden ist, die zu diesem Zeitpunkt bereits abschließend feststehenden von der Klägerin übermittelten Einkommensverhältnisse.

Danach steht fest, dass die Klägerin im Jahr 2009 noch über außerlandwirtschaftliches Einkommen in ausreichender Höhe verfügte. Auch das bis 31.12.2009 gezahlte Arbeitslosengeld I in Höhe von 17,95 EUR war noch ausreichend hoch, um bezogen auf ein Jahr, die maßgebende Einkommensgrenze von 4.800 EUR zu überschreiten. Ab 01.10. 2010 war die Klägerin gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 ALG i.V.m. § 56 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI) erneut von der Versicherungspflicht befreit.

Es ist aber entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und der Beklagten zum 01.01.2010 keine für die Frage der Befreiung von der Versicherungspflicht relevante Änderung in den Einkommensverhältnissen eingetreten. Zwar hat die Klägerin vom 01.01.2010 bis 09.01.2010 Arbeitslosengeld nur noch in einer Höhe von 12,95 EUR täglich gegenüber 17,95 EUR täglich bis 31.12.2009 erhalten, womit bezogen auf ein Jahr die Einkommensgrenze nicht mehr überschritten würde. Allerdings hat die Klägerin bereits ab 09.01.2010 wieder Einkommen in ausreichender Höhe, nämlich in Höhe von 688,50 EUR erzielt, weil ihr ab diesem Zeitpunkt Gründungszuschuss gezahlt worden ist, in dem neben einem Grundbetrag in Höhe des bisher gezahlten Arbeitslosengeldes ein zusätzlicher Betrag von 300 EUR enthalten war. Es ist daher unerheblich, ob die Klägerin daneben noch Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt hat oder nicht oder ob prognostisch mit der Erzielung von Einkommen zu rechnen war. Die Klägerin hat hierzu auch auf Nachfrage keine Angaben gemacht. Nach dem vorgelegten Einkommensteuerbescheid für 2010 ist jedenfalls kein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt worden.

2.2.1. Der im streitigen Zeitraum auf der Grundlage von §§ 57, 58 SGB III i.d.F. vom 20.07.2006 gezahlte Gründungszuschuss stellt zur Überzeugung des Senats eine einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 ALG genannten Erwerbsersatzeinkommen vergleichbare Leistung dar (so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. März 2015 - L 22 LW 3/13 -, juris, zum früheren Existenzgründungszuschuss nach § 421 l Abs. 1 SGB III und BSG, Urteil vom 10. Mai 2007 - B 10 LW 7/05 R -, SozR 4-5868 § 3 Nr. 2 zum früheren Überbrückungsgeld).

Der Gründungszuschuss gemäß § 57 SGB III i.d.F. vom 20.07.2006 wird an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bezahlt, die ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit beenden, wenn sie u.a. die Tragfähigkeit der selbstständigen Tätigkeit und entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten nachgewiesen haben. Er wird für die Dauer von 9 Monaten in Höhe des zuletzt gezahlten Arbeitslosengeldes gezahlt zuzüglich monatlich 300 EUR (§ 58 Abs. 1 SGB III). Der Gründungszuschuss dient wie das zuletzt gezahlte Arbeitslosengeld der Sicherung des Lebensunterhalts. Seiner Berücksichtigung als Einkommen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG steht auch nicht entgegen, dass er - anders als das Arbeitslosengeld oder das Krankengeld - nicht nachgehend anstelle eines früheren Arbeitsentgelts gezahlt wird, sondern seiner Zielsetzung nach der Förderung einer künftig den Lebensunterhalt sichernden Tätigkeit dient. Zum einen wird er in Höhe des zuletzt gezahlten Arbeitslosengeldes gezahlt, dessen Höhe sich wiederum am letzten Entgelt bemisst. Zum anderen ist der erforderliche Zusammenhang zwischen dem Einkommen und einer Erwerbstätigkeit ist insofern gegeben, als der Gründungszuschuss dazu dient, den Lebensunterhalt bis zu einer Tragfähigkeit der selbstständigen Tätigkeit jedenfalls in Höhe des zuvor gezahlten Arbeitslosengeldes sicher zu stellen (anders einem Stipendium, das ungeachtet seiner Höhe nicht geeignet ist, eine Befreiung von der Versicherungspflicht zu begründen - BSG, Urteil vom 23.01.2008 - B 10 LW 1/07 R). Auch handelt es sich weder um eine Leistung mit fürsorgerechtlichem Charakter wie die frühere Arbeitslosenhilfe oder das an deren Stelle getretene Arbeitslosengeld II, die deswegen weder Erwerbsersatzeinkommen noch eine vergleichbare Leistung im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 3 ALG darstellen (BSG, Urteil vom 02.12.1999 - B 10 LW 6/99 R). Dies hat für das als Vorläufer des Gründungszuschusses in § 57 Abs. 3 SGB III i.d.F. vom 10.12.2001 geregelte Überbrückungsgeld das BSG mit Urteil vom 10.05.2007 (B 10 LW 7/05 R) ausdrücklich entschieden, obwohl dieses nach der damals geltenden Regelung noch als Ermessensleistung ausgestaltet war. Die vom BSG genannten Argumente treffen ausnahmslos bzw. im Wege eines Erst-Recht-Schlusses auch auf den ab 01.08.2006 als Rechtsanspruch ausgestalteten Gründungszuschuss zu.

Der Gründungszuschuss stellt wie die in § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 ALG ausdrücklich aufgeführten Erwerbsersatzeinkommensleistungen (Übergangsgeld, Arbeitslosengeld und Unterhaltsgeld) eine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts dar und setzt nach § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB III voraus, dass eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen worden ist oder ein Anspruch darauf besteht. Auch hinsichtlich der Höhe ist der Gründungszuschuss am zuvor gezahlten Arbeitslosengeld orientiert. Diese mehrfache Verknüpfung des Gründungszuschusses mit den Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III schließt es aus, umstandslos auf einen fürsorgerechtlichen Charakter zu schließen und damit die Vergleichbarkeit zu negieren. Auch die Zweckbestimmung des Gründungszuschusses als Leistung der aktiven Arbeitsförderung (Förderung zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit) schließt eine Vergleichbarkeit mit den in § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 ALG aufgeführten Erwerbsersatzeinkommensleistungen nicht aus, da dies jedenfalls für die meisten Entgeltersatzleistungen des SGB III gilt (Argument aus § 3 Abs. 4 SGB III). Wie die ausdrücklich bezeichneten Entgeltersatzleistungen hat der Gründungszuschuss Entgeltersatzcharakter und verliert diesen auch dann nicht, wenn während des Bezugs bereits Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt wird. Dies macht den Charakter der "Anschubfinanzierung" aus, die bei für die Lebensstandardsicherung noch ungenügendem Arbeitseinkommen eingreifen soll.

Auch soweit das BSG im Urteil vom 10.05.2007 geprüft hat, ob gegen die Einordnung des Überbrückungsgeldes in den § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 ALG dessen Charakter als Ermessensleistung angeführt werden kann, weil in diesem Fall - anders als bei den Katalog-Entgeltersatzleistungen gemäß § 116 SGB III - eben kein Rechtsanspruch bestand, treffen diese Bedenken auf den streitigen Gründungszuschuss nicht zu. Das BSG hatte seinerzeit die insoweit geäußerten Bedenken hintangestellt, weil jedenfalls dann, wenn das Überbrückungsgeld im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld gezahlt würde, im Rahmen der Ermessensausübung nach der Verwaltungsanweisung tatsächlich keine Bedürftigkeitsprüfung vorzunehmen war. Auch dieser Aspekt spielt im streitigen Zeitraum, in dem der Gründungszuschuss als Rechtsanspruch ausgestaltet war, keine Rolle mehr.

Danach steht zur Überzeugung des Senats bereits nach dem Urteil des BSG vom 10.05.2007 fest, dass jedenfalls der "Sockelbetrag" des Gründungszuschusses, der im streitigen Zeitraum 388,50 EUR monatlich betragen hat, ein nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 ALG zu berücksichtigendes außerlandwirtschaftliches Einkommen darstellt.

2.2.2 Dies würde selbst dann gelten, wenn der Gründungszuschuss, wie die Beklagte vermutet, im Zusammenhang mit einer Ausweitung der landwirtschaftlichen Tätigkeit gewährt worden wäre. Denn der Gründungszuschuss stellt auch dann kein Einkommen aus der Landwirtschaft dar, sondern wird auch in diesem Fall - wie die übrigen in § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 ALG genannten Einkünfte - neben einem etwaigen Einkommen aus der Landwirtschaft erzielt (vgl. auch BSG, a.a.O., Rn. 23).

2.2.3. Nichts anderes gilt für die Pauschale von 300 EUR. Für diese Auslegung sprechen neben dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte sowohl systematische Überlegungen als auch die bisher zu § 3 ALG ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung. Die von der Beklagten angestellten Erwägungen zu Sinn und Zweck der Pauschale von 300 EUR, die bei dieser Auslegung gerade nicht zur sozialen Sicherung verwendet würde, sondern im Gegenteil dazu, sich eine Versicherungsfreiheit und - wie im Fall der Klägerin - eine Lücke im Versicherungsverlauf "zu erkaufen", sind nachvollziehbar, vermögen im Ergebnis aber keine andere Auslegung zu rechtfertigen.

Bei Vorliegen der Voraussetzungen für den Gründungszuschuss wird zu dem Betrag, der der Höhe nach dem zuletzt gezahlten Arbeitslosengeld entspricht, ein Betrag von 300 EUR gezahlt, ohne dass hinsichtlich dieses Betrages eine gesonderte Prüfung im Sinne einer Bedürftigkeitsprüfung oder einer Ermessensprüfung anzustellen gewesen wäre. Schließlich stand der Betrag der Klägerin auch in voller Höhe zur Sicherung des Lebensunterhalts zur Verfügung, wobei das Gesetz selbst keinerlei Einschränkung im Sinne einer besonderen Zweckbestimmung vorgenommen hat. Auch wird nach dem Wortlaut der Betrag von 300 EUR als Bestandteil des Gründungszuschusses gezahlt und nicht als zusätzliche Leistung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Zweck des Gründungszuschusses, den Lebensunterhalt jedenfalls in bisheriger Höhe weiterhin sicherzustellen, dann nicht gewahrt werden könnte, müssten aus dem Gründungszuschuss noch die Beiträge zur Sozialversicherung geleistet werden, nachdem diese zuvor zusätzlich zum Arbeitslosengeld von der Bundesagentur getragen worden sind.

Allerdings ergibt sich zumindest aus der Gesetzesentwicklung und der Gesetzesbegründung, dass dieser Betrag der sozialen Absicherung dient. So war bis 31.07.2006 in § 57 Abs. 5 SGB III zum damaligen Überbrückungsgeld eine Regelung dahingehend enthalten, dass es sich aus einem Betrag, den der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld zuletzt bezogen hat oder bei Arbeitslosigkeit hätte beziehen können, und den darauf entfallenden pauschalierten Sozialversicherungsbeiträgen zusammensetzte. Die pauschalierten Sozialversicherungsbeiträge wurden als prozentualer Zuschlag ermittelt, dem der jeweils im ersten Halbjahr des Vorjahres für Bezieher von Arbeitslosengeld insgesamt geleistete durchschnittliche Gesamtsozialversicherungsbeitrag zugrunde zu legen war (so zuletzt § 57 SGB III in der Fassung vom 22.12.2005). Ab dem 01.08.2006 ist an die Stelle des pauschalierten Sozialversicherungsbeitrages der Betrag von 300 EUR getreten (§ 58 Abs. 1 SGB III in der Fassung vom 20.7.2006, ohne nähere Begründung eingeführt durch Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende). Lediglich aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass dieser Betrag "zur sozialen Absicherung" dient (vgl. BT-Drs. 16/1696, S. 31 zu § 58). So kann er dafür eingesetzt werden, sich vor den Risiken der Arbeitslosigkeit, Krankheit und Pflegebedürftigkeit freiwillig zu versichern. In der gesetzlichen Rentenversicherung besteht die Wahlmöglichkeit zwischen der freiwilligen Versicherung (§ 7 SGB VI) oder der Versicherungspflicht auf Antrag (§ 4 Abs. 2 SGB VI). Das Gesetz schreibt aber ausdrücklich nicht vor, dass der Gründungszuschuss für den Lebensunterhalt und die weiteren 300 EUR zur sozialen Sicherheit einzusetzen sind; dies ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung (Kuhnke in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGB III, 1. Aufl. 2014, § 94 SGB III, Rn. 5).

Zur Frage, in welcher Höhe eine Sozialleistung als Einkommen i.S.d. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 ALG zu berücksichtigen ist, enthält § 3 Abs. 2 ALG zwar eine Regelung dahingehend, dass kindbezogene Leistungen oder Leistungen, die wie der Grundrentenbetrag nach dem Bundesversorgungsgesetz Entschädigungscharakter haben, außen vor bleiben. Das könnte grundsätzlich dafür sprechen, auch den zur sozialen Sicherung vorgesehenen Betrag von 300 EUR nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Allerdings hat das BSG hinsichtlich der Frage, inwieweit Beiträge zur Sozialversicherung im Zusammenhang mit Entgeltersatzeinkommen nach § 3 ALG zu berücksichtigen sind, gerade nicht festgestellt, dass diese von vornherein unberücksichtigt bleiben müssten. Ausführungen hierzu enthält vor allem die Entscheidung vom 30.06.1999 (Az.: B 10 LW 17/98 R), wobei das BSG darin als Grundsatz aufgestellt hat, dass der tatsächlich verfügbare Betrag (brutto) zu berücksichtigen ist. Ein Nettoprinzip hat es nur insofern postuliert, als Beiträge, die - wie beim Arbeitslosengeld - von einem Sozialleistungsträger an die gesetzliche Rentenversicherung abgeführt werden, nicht zur Höhe der die Rentenversicherungspflicht begründenden Sozialleistung hinzuzurechnen seien und auch eine Orientierung an dem der Lohnersatzleistung zugrundeliegenden Einkommen nicht in Betracht komme. Schließlich hat es weiter dargelegt, dass jedenfalls bei Renten, die nach Abzug der Beiträge zur Arbeitslosen- und Pflegeversicherung ausbezahlt würden, auf den Bruttobetrag vor Abzug der Beiträge abzustellen ist. Dies spricht zweifellos dafür, auch pauschale Beträge, die lediglich die Möglichkeit geben sollen, sie zur sozialen Sicherung zu verwenden, als Einkommensbestandteile zu berücksichtigen.

Auch im Urteil vom 10.05.2007 (a.a.O.) hat das BSG, ohne dass es im streitigen Fall hierauf entscheidend angekommen wäre und ohne dass hieraus zwingende Schlussfolgerungen für den vorliegenden Fall gezogen werden könnten, an mehreren Stellen darauf hingewiesen, dass auch die damals noch ausdrücklich als pauschalierte Sozialversicherungsbeiträge bezahlten Anteile Teil des als Einkommen zu berücksichtigenden Überbrückungsgeldes seien. So hat es im Tatbestand darauf hingewiesen, dass der Kläger ein "Überbrückungsgeld in Höhe von 3.097,70 Euro monatlich als Zuschuss einschließlich einer Pauschale für die Kranken-, Alters- und Pflegeversicherung" erhalten hat, wobei es offensichtlich davon ausgegangen ist, dass auch der Beitragszuschuss im Überbrückungsgeld enthalten und nicht zusätzlich geleistet wird. Schließlich hat es in Rn. 21 darauf hingewiesen, dass der Einordnung des Überbrückungsgeldes als Entgeltersatzleistung nicht entgegenstehe, dass dessen Zweck neben der Sicherung des Lebensunterhalts auch darin besteht, zur sozialen Sicherung in der Zeit nach einer Existenzgründung als Selbstständiger zu dienen.

Für diese Auslegung spricht auch, dass bei der Prüfung, ob aufgrund einer selbstständigen außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit Arbeitseinkommen in ausreichender Höhe erzielt wird, nach § 15 SGB I das Arbeitseinkommen herangezogen wird, wie es sich vor Abzug von direkten Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung und vergleichbarer Abzüge ergibt, also ebenfalls brutto (Fischer in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 15 SGB IV, Rn. 41). Das bedeutet, dass dann, wenn sich eine selbstständige Tätigkeit, die mithilfe eines Gründungszuschusses unterstützt wird, als tragfähig erweist, auf den Bruttoverdienst abzustellen wäre, in dem die aus dem erzielten Einkommen zu zahlenden Beiträge zur Sozialversicherung ebenfalls enthalten wären.

In den Hintergrund tritt zur Überzeugung des Senats demgegenüber, dass bei der Frage, in welcher Höhe bei einer freiwilligen Krankenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Einkommen der Beitragsberechnung zugrunde zu legen ist, der Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB III und der zur sozialen Sicherung vorgesehene Teil des Gründungszuschusses in Höhe von monatlich 300 EUR nicht zu berücksichtigen waren (§ 240 SGB V in der Fassung vom 17.7.2009). Dies ist sicherlich ein Indiz für die Auslegung der Beklagten. Allerdings sind die Überlegungen, die den Gesetzgeber dazu bewogen haben, bestimmte Leistungsanteile von der Beitragspflicht auszunehmen, nicht zwingend auf andere Rechtsgrundlagen (hier die Regelungen über die Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte) zu übertragen.

Dass die vom Senat vorgenommene Auslegung dazu führt, dass es der Klägerin im Ergebnis möglich war, den Betrag von 300 EUR, den sie zur sozialen Absicherung erhalten hat, dazu zu verwenden, sich von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte zu befreien, ohne sich damit in der gesetzlichen Rentenversicherung zu versichern, ist im Ergebnis unbefriedigend, rechtfertigt aber kein anderes Ergebnis. Der Gesetzgeber hat es den Beziehern von Gründungszuschuss ausdrücklich freigestellt, wofür sie diesen Betrag verwenden. Schließlich darf nicht verkannt werden, dass der Fall rechtlich nicht anders beurteilt werden könnte, hätte die Klägerin den Betrag tatsächlich dazu verwendet, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu bezahlen und sich - wie es § 3 ALG letztlich auch vorsieht - anderweitig abzusichern. In diesem Fall würde lediglich der - mangels Rechtsgrundlage - rechtlich nicht fassbare Vorwurf der "Zweckentfremdung" nicht im Raum stehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben. Die Frage, ob der weiterhin als Teil des Gründungszuschusses bezahlte Betrag von 300 EUR (vgl. jetzt § 94 Abs. 1 SGB III) bei der Prüfung der Befreiung von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte zu berücksichtigen ist, bedarf auch keiner grundsätzlichen Klärung i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG mehr. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass die streitigen Regelungen in §§ 57, 58 SGB III bereits zum 01.01.2012 grundlegend neu gefasst und in §§ 93, 94 SGB III erneut als Ermessensleistung ausgestaltet worden sind, was vom BSG im Urteil vom 10.05.2007 (a.a.O., Rn. 28) auch als beachtlich angesehen worden ist, sodass eine fortwirkende allgemeine Bedeutung nicht gegeben ist. Auch Anhaltspunkte dafür, dass bezogen auf den streitigen Zeitraum noch eine erhebliche Anzahl von Fällen zu entscheiden sein wird, liegen nicht vor (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 160 Rn. 8a).
Rechtskraft
Aus
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