L 15 AS 177/18

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
15
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 AS 519/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 AS 177/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
st in einem Folgeverfahren strittig, ob ein Klageverfahren durch die Klagerücknahmefiktion gemäß
§ 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz wirksam beendet ist, kommt es bei der Beurteilung der Zulassungsbedürftigkeit der Berufung auf die Verhältnisse des ursprünglichen Klageverfahrens an.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 2. Januar 2018 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob das Verfahren mit dem Az. S 3 AS 7/17 vor dem Sozialgericht Regensburg (SG) durch die Fiktion der Klagerücknahme erledigt ist, sowie um höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II).

Mit Antrag vom 5. Juli 2016 begehrte der Berufungskläger und Kläger (Kläger) die weitere Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom Berufungsbeklagten und Beklagten (Beklagter). Als Kosten der Unterkunft (KdU) machte er dabei 363,67 Euro (Grundmiete 242,15 Euro, Nebenkosten 58,22 Euro, Heizkosten 63,30 Euro) geltend.

Mit Bescheid vom 16. September 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Monate Juli 2016 und August 2016 in Höhe von monatlich 597,10 Euro (Regelbedarf 404.- Euro, KdU 314,30 Euro, davon Grundmiete 192,78 Euro, abzüglich Sanktion in Höhe von 121,20 Euro) und für die Monate September 2016 bis Dezember 2016 in Höhe von monatlich 744,30 Euro (Regelbedarf 404.- Euro, KdU 340,30 Euro, davon Grundmiete 218,78 Euro). Die Bewilligung erfolgte gemäß § 41a Abs. 1 SGB II vorläufig. Die Einnahmen bzw. Ausgaben aus selbstständiger Tätigkeit seien im Bewilligungszeitraum aufgrund der Angaben des Klägers zum voraussichtlichen Einkommen zunächst vorläufig festgesetzt worden. Eine endgültige Entscheidung erfolgte ausweislich eines Vermerks in den Akten nicht.

Gegen den Bescheid vom 16. September 2016 erhob der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Widerspruch mit der Begründung, die KdU seien auch vor dem September 2016 in voller Höhe zu berücksichtigen. Sie seien angemessen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2016 zurückgewiesen. Der Widerspruch richte sich gegen die Absenkung der KdU für die Zeit ab September 2016. Auf der Basis von der Firma A., H-Stadt, erhobenen Daten betrage die angemessene Bruttokaltmiete ab September 2016 277.- Euro pro Monat, die vom Kläger geltend gemachte Bruttokaltmiete belaufen sich hingegen auf 300,37 Euro. Am 28. Januar 2014 sei eine Kostensenkungsaufforderung ergangen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Kostensenkung nicht möglich bzw. unzumutbar sei. Daher seien bereits seit August 2014 nur noch die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft als monatlicher Bedarf anzuerkennen. Diese beliefen sich ab September 2016 auf 277.- Euro.

Hiergegen erhob der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, Klage zum SG unter dem Az. S 3 AS 7/17 mit der Begründung, die KdU seien in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen, soweit diese angemessen seien. Die Bestimmung der angemessenen Mietobergrenze habe auf der Grundlage eines Konzeptes zu erfolgen, welches den Anforderungen des BSG in Bezug auf ein sog. "schlüssiges Konzept" entspreche. Diesen Anforderungen werde die vom Beklagten zu Grunde gelegte Richtlinie nicht gerecht. Es sei auf die um 10 % erhöhten Mietobergrenzen des Wohngeldgesetzes abzustellen. Danach sei die streitige Gesamtmiete jedenfalls angemessen und in voller Höhe zu berücksichtigen.

Bereits im Rahmen der Klageeingangsbestätigung vom 9. Januar 2017 forderte das SG den Kläger auf, konkret darzulegen, was seiner Ansicht nach dazu führe, dass das Konzept des Beklagten nicht schlüssig im Sinne der Rechtsprechung des BSG sei. Eine Antwort ging auch nach Erinnerung vom 31. März 2017 nicht ein.

Mit vom Richter am SG unterzeichnetem Schreiben vom 9. Mai 2017, zugestellt am 12. Mai 2017, wurde der Kläger nochmals aufgefordert, konkret darzulegen, an welcher Stelle er am Konzept des Beklagten zur Ermittlung der angemessenen Kosten für Unterkunft Defizite hinsichtlich der Schlüssigkeit im Sinne der Rechtsprechung des BSG sehe und welche rechnerischen Auswirkungen seiner Ansicht nach diese Defizite im Hinblick auf das vom Beklagten gefundene Ergebnis zu den angemessenen Unterkunftskosten habe. Der Kläger solle unter Vorlage entsprechender Unterlagen darstellen, welche konkreten Bemühungen er zur Senkung seiner Unterkunftskosten seit der entsprechenden Aufforderung des Beklagten vom 28. Januar 2014 entfaltet habe. Die Klage gelte als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz dieser gerichtlichen Aufforderung länger als 3 Monate nicht betreibe. Die (auch fiktive) Klagerücknahme erledige den Rechtsstreit in der Hauptsache.

Mit weiterem gerichtlichem Schreiben vom 9. Mai 2017 forderte das SG den Beklagten auf, ein Exemplar des schlüssigen Konzepts vorzulegen und darzulegen, ob im streitgegenständlichen Zeitraum Wohnraum zu den geltend gemachten Mietobergrenzen im maßgebenden Bezugsumfeld des Klägers tatsächlich zur Verfügung gestanden habe. Der Beklagte übermittelte daraufhin diverse Wohnungsangebote u.a. des Bauvereins zu A-Stadt (mit Datum 2016) sowie die Fortschreibung des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft im Landkreis A. vom Mai 2016. Mit Schreiben vom 10. Juli 2017 erklärte der Kläger, das KdU-Konzept des Beklagten möge vorgelegt werden. Im Übrigen möge mitgeteilt werden, wie der angebliche Vermieter auf eine Anfrage des Beklagten vom 17. Mai 2017 bereits mit Schreiben aus dem Jahr 2016 erwidern könne. Er gehe von einer Gefälligkeitsauskunft des Bauvereins zu A-Stadt aus. Insofern werde er im Termin zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich beantragen, den Vorstand des Vereins zu laden.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 11. Juli 2017 forderte das SG den Beklagten zur Stellungnahme hierzu auf und bat ihn zugleich, dem Kläger ein Exemplar "KdU-Konzept" zur Verfügung zu stellen. Der Beklagte wies daraufhin mit Schreiben vom 20. Juli 2017 den Vorwurf einer Gefälligkeitsauskunft zurück. Es handele sich um Wohnungsangebote aus dem Jahr 2016. Der Bevollmächtigte des Klägers müsse den Endbericht bzw. die Fortschreibung zum schlüssigen Konzept direkt beim Auftraggeber (Landratsamt A-Stadt, Sozialamt) anfordern.

Mit Abschlussverfügung vom 29. August 2017 wurde den Beteiligten mitgeteilt, dass die Klage als zurückgenommen gelte, weil der Bevollmächtigte des Klägers trotz Aufforderung des Gerichts das Verfahren länger als 3 Monate nicht betrieben habe. Die Betreibensaufforderung vom 9. Mai 2017 sei dem Klägervertreter am 12. Mai 2017 zugegangen. Die angeforderte Mitwirkung sei bis heute nicht erfolgt. Die fiktive Klagerücknahme erledige den Rechtsstreit in der Hauptsache. Mit Telefax vom 2. Oktober 2017 beantragte der Kläger die Wiederaufnahme und Fortführung des Verfahrens. Er habe auf die gerichtliche Anfrage vom 9. Mai 2017 mit Schreiben vom 10. Juli 2017 erwidert. Dadurch sei hinreichend deutlich geworden, dass das Interesse an der Klage nicht abhandengekommen sei. Rechtsfindung sei Sache des Gerichts. Es obliege nicht dem Bevollmächtigten, das KdU-Konzept des Beklagten zu analysieren. Das Verfahren wurde sodann unter dem Az. S 3 AS 519/17 fortgesetzt. Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 2. Januar 2018 festgestellt, dass das Verfahren S 3 AS 7/17 erledigt sei. Der Kläger habe das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betrieben. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Betreibensaufforderung habe ausreichend Anlass zu der Annahme vorgelegen, von einem Wegfall des Rechtsschutzinteresses bzw. von mangelndem Interesse der Klägerseite an der Fortführung des eigenen Klageverfahrens auszugehen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klage bereits etwa 4 Monate anhängig gewesen. Zwei Anfragen des Gerichts mit der Bitte um Darlegung, warum konkret das Konzept des Beklagten zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten unschlüssig sei, seien unbeantwortet geblieben. Das vom Kläger angeführte Schreiben vom 10. Juli 2017 lege im Hinblick auf die gerichtlichen Fragen nichts dar, stelle nur seinerseits Fragen und unsubstantiierte Behauptungen auf. Eine Verletzung der prozessualen Mitwirkungspflichten liefere in der Regel Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses. Hier habe die Klägerseite keinerlei Anknüpfungstatsachen für die Einlassung vorgebracht, dass das Konzept des Beklagten zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten nicht schlüssig sei. Der Vortrag sei so unspezifisch gewesen, dass nach Lage der Sache weitere Ermittlungen des Gerichts nicht erforderlich gewesen seien, zumal der Beklagte verfügbare Wohnungsangebote vorgelegt habe. Der Klägerbevollmächtigte habe eingeräumt, dass er das Konzept des Beklagten überhaupt nicht kenne.

Ferner ist ausgeführt, dass die Berufung im Verfahren S 3 AS 519/17 nicht ausgeschlossen sei, selbst wenn sie im Verfahren S 3 AS 7/17 nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht möglich gewesen wäre. Streitgegenständlich sei im Verfahren S 3 AS 519/17 die Frage, ob sich das Verfahren S 3 AS 7/17 durch Klagerücknahme erledigt habe. Dies stelle keinen bezifferbaren Wert des Beschwerdegegenstandes im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG dar. Dementsprechend verweist der Gerichtsbescheid in der Rechtsmittelbelehrung auf das Rechtsmittel der Berufung. Der Gerichtsbescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 22. Januar 2018 zugestellt.

Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 1. Februar 2018, beim SG eingegangen am 5. Februar 2018, Berufung eingelegt und durch seinen damaligen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 21. Februar 2017 beantragt, den Gerichtsbescheid abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum Juli 2016 bis Dezember 2016 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu bewilligen. Das Verfahren S 3 AS 519/17 sei entgegen der Auffassung des SG nicht durch fiktive Klagerücknahme beendet. Das SG habe zwar mit Schreiben vom 9. Mai 2017 konkrete Handlungen aufgegeben und auf die Rechtsfolge des § 102 Abs. 2 SGG hingewiesen. Die konkret vom Gericht verlangte Mitwirkungshandlung sei aber weder vom Kläger noch vom früheren Prozessbevollmächtigten geschuldet gewesen. Die Berechtigung des Gerichts zur Heranziehung der Beteiligten sei beschränkt auf die Ermittlung des Sachverhalts, nicht aber auf die Rechtsfindung. Das SG habe mit Schreiben vom 9. Mai 2017 nicht zur Sachverhaltsermittlung aufgefordert, sondern zu Rechtsausführungen. Insbesondere sollte der Kläger darlegen, warum er das KdU-Konzept des Beklagten als rechtswidrig ansehe. Zu solchen Rechtsausführungen sei der Kläger auch im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten nicht verpflichtet. Die Rechtsfindung sei originäre Aufgabe des Gerichts. Auch habe der frühere Prozessbevollmächtigte auf die gerichtliche Anfrage vom 9. Mai 2017 noch innerhalb der gesetzten Dreimonatsfrist reagiert. Aus diesem Schreiben könne nicht geschlussfolgert werden, der Kläger hätte kein Interesse mehr an dem Verfahren. In der Sache selbst werde an dem erstinstanzlichen Vortrag festgehalten.

Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass sich der Gegenstandswert auf 192,22 Euro belaufe.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 11. April 2018 ist der neue Prozessbevollmächtigte des Klägers auf die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 28. Dezember 2016 (Az. L 14 AS 745/16) aufmerksam gemacht worden, wonach sich bei Verfahren, die auf die Fortsetzung eines infolge einer Klagerücknahmefiktion beendeten Verfahrens gerichtet sind, der Gegenstandswert nach dem Streitgegenstand des beendeten Verfahrens bestimme. Dieser belaufe sich auf 192,22 Euro. Folge man dieser Rechtsprechung, sei die Berufung unzulässig. Da das Verfahren des LSG Berlin-Brandenburg derzeit beim Bundessozialgericht anhängig sei, werde angefragt, ob einem Ruhen des Verfahrens zugestimmt werde. Es ist anheimgestellt worden, ob vorsorglich Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde.

Mit Schreiben vom 30. April 2018 an das Bayer. Landessozialgericht hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten vorsorglich mündliche Verhandlung beantragt. Für eine Nichtzulassungsbeschwerde sehe er keine Veranlassung. Auch ein Ruhensantrag erscheine nicht notwendig.

Nach richterlichem Hinweis hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt, er habe einen Antrag auf mündliche Verhandlung beim SG gestellt. Der Antrag auf mündliche Verhandlung beim Bayerischen Landessozialgericht werde nicht aufrechterhalten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 2. Januar 2018 aufzuheben, festzustellen, dass das Verfahren vor dem Sozialgericht Regensburg mit dem Az. S 3 AS 7/17 nicht durch Klagerücknahme erledigt ist, und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum Juli 2016 bis Dezember 2016 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Akten des SG und des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nach Auffassung des Senats unzulässig. Sie war daher zu verwerfen.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750.- Euro nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung ist unzulässig, da sie der Zulassung in dem Gerichtsbescheid des SG in dem Verfahren S 3 AS 519/17 oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts bedurft hätte, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes in dem Verfahren S 3 AS 7/17 750.- Euro nicht übersteigt und auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind, eine Zulassung der Berufung durch das SG in dem Verfahren S3 AS 519/17 oder durch das LSG jedoch nicht erfolgt ist.

In dem hier vorliegenden Berufungsverfahren zu Grunde liegenden erstinstanzlichen Verfahren mit dem Az. S 3 AS 519/17 begehrt der Kläger in der Sache zunächst die Fortsetzung eines infolge einer Klagerücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG beendeten Verfahrens (S 3 AS 7/17). In dem Klageverfahren S 3 AS 7/17 hätte die Berufung der Zulassung bedurft (dazu 1.). Für die Frage, ob die Berufung zulassungsbedürftig ist, kommt es auf die Verhältnisse des beendeten Verfahrens (S 3 AS 7/17) und nicht des Fortsetzungsverfahrens mit dem Az. S 3 AS 519/17 an (dazu 2.). Eine Zulassung der Berufung durch das SG in dem Verfahren S 3 AS 519/17 oder durch das LSG ist nicht erfolgt (dazu 3.).

1. In dem Verfahren S 3 A S 7/17, um dessen Fortführung gestritten wird, bedarf die Berufung für ihre Zulässigkeit der Zulassung durch das SG oder auf Beschwerde durch das LSG, weil eine Klage vorliegt, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, der Wert des Beschwerdegegenstandes 750.- Euro nicht übersteigt und die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage den Erlass eines Verwaltungsaktes, der eine Geldleistung in Form höherer Leistungen nach dem SGB II betrifft. Er hat seinen Anspruch nicht zahlenmäßig beziffert. Bei der Berechnung des Wertes der Beschwer ist in einem solchen Fall von den Gesamtumständen des erstinstanzlichen Vorbringens und des Berufungsvorbringens auszugehen, es sei denn, das Begehren ist als missbräuchlich in dem Sinne zu werten, dass hiermit lediglich die Berufungsfähigkeit erreicht werden soll (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 144 Rn 20).

Als maximaler Gegenstandswert des Verfahrens S 3 AS 7/17 ist die Differenz zwischen der Gesamtsumme der von dem Beklagten für den Zeitraum Juli bis Dezember 2016 anerkannten Kosten der Unterkunft und den vom Kläger in diesem Zeitraum geltend gemachten Kosten der Unterkunft anzusehen. Geltend gemacht hat der Kläger in seinem Weiterbewilligungsantrag vom 5. Juli 2016 monatliche Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 363,67 Euro, für 6 Monate mithin insgesamt 2.182,02 Euro. Gewährt wurden ihm für die Monate Juli und August 2016 monatlich 314,30 Euro, für die Monate September bis Dezember 2016 monatlich 340,30 Euro, für 6 Monate damit insgesamt 1.989,80 Euro. Die Differenz beläuft sich auf 192,22 Euro. Der Gegenstandswert des Verfahrens S 3 AS 7/17 und damit zugleich der Wert des Beschwerdegegenstandes liegen damit deutlich unter der Grenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG für eine zulassungsfreie Berufung in Höhe von 750.- Euro. Da nur der Zeitraum Juli bis Dezember 2016 streitbefangen ist, sind auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen. In dem Verfahren S 3 AS 7/17 hätte die Berufung für ihre Zulässigkeit also der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts bedurft.

2. Für die Zulassungsbedürftigkeit der Berufung kommt es auf die Verhältnisse des Verfahrens S 3 AS 7/17 und nicht auf die des Verfahrens S 3 AS 519/17 an.

Auch in dem Verfahren S 3 519/17 ist im Kern das Begehren des Klägers auf Gewährung weiterer SGB II-Leistungen in einem Umfang von 192,22 Euro und damit auf einen geringen Wert gerichtet. Es ist nach Auffassung des Senats auch nicht so, dass - wie das SG in Übereinstimmung mit Urteilen des LSG Baden-Württemberg vom 17. April 2013, L 5 KR 605/12 und des LSG Sachsen Anhalt vom 30. August 2012, Az. L2 AS 132/12 (beide in juris) ausgeführt hat - die in dem Verfahren S 3 AS 519/17 streitgegenständliche Frage, ob sich der Rechtsstreit S 3 AS 7/17 durch (fiktive) Klagerücknahme erledigt hat, keinen bezifferbaren Wert des Beschwerdegegenstandes im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG darstellt.

Streitgegenstand des Verfahrens S 3 AS 519/17 ist nicht nur die isolierte Entscheidung, ob das Verfahren durch fiktive Klagerücknahme erledigt worden ist oder nicht. Denn in dem Verfahren über die Wirksamkeit der (fiktiven) Klagerücknahme lebt die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Verfahrens wieder auf. Falls das SG von der Unwirksamkeit einer (fiktiven) Klagerücknahme ausgeht, hat es das ursprüngliche Verfahren fortzusetzen. Der Streit in dem Verfahren mit dem Az. S 3 AS 529/17, ob das Verfahren durch die Fiktion der Klagerücknahme erledigt ist, stellt also nur einen Zwischenstreit dar, der den Charakter der Streitigkeit zwischen dem Kläger und dem Beklagten als vermögensrechtliche Streitigkeit mit einem bezifferbaren Streitwert, der sich hier aus dem Verfahren S 3 AS 7/17 ergibt, nicht beseitigen kann.

Entscheidend ist, dass die Berufung einen Rechtsstreit von geringem Wert betrifft, wobei es bei der Anwendung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht auf die Klageart ankommt (vgl. BSG, Beschlüsse vom 28. November 2018, Az. B 4 AS 406/17 B, vom 26. Juni 2018, Az. B 14 AS 434/17 B und vom 6. Oktober 2011, Az. B 9 SB 45/11 B zur Untätigkeitsklage, alle in juris). Sinn und Zweck des § 144 Abs. 1 SGG ist es, die Berufungsgerichte von Streitigkeiten, bei denen nur ein geringer Wert im Streit steht, zu entlasten. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn man bei Streitigkeiten über die Wirksamkeit einer (fiktiven) Klagerücknahme eine Berufungsfähigkeit annehmen würde ohne Rückgriff auf das, worüber von den Beteiligten eigentlich gestritten wird (wie hier ebenso LSG Baden-Württemberg vom 25. Juli 2017, Az. L 9 AS 1068/17, LSG Berlin-Potsdam vom 28. Dezember 2016, Az. L 14 AS 745/16, LSG Rheinland-Pfalz vom 13. Oktober 2015, Az. L 6 AS 432/14, LSG Niedersachsen-Bremen vom 7. August 2012, Az. L 11 AL 170/09, alle in juris).

Für die Auffassung, wonach der für die Prüfung der Zulassungsbedürftigkeit der Berufung maßgebliche Streitgegenstand des fortgesetzten Verfahrens das ursprünglich mit der Klage verfolgte Begehren ist, spricht zudem, dass es andernfalls von der jeweiligen Vorgehensweise bzw. Entscheidung des SG abhängig wäre, ob die Berufung zulässig ist oder nicht. Schlägt das SG in einer Streitsache, bei der die Berufung zulassungsbedürftig ist, den Weg des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG ein, kann das Berufungsgericht bei einer ablehnenden Fortsetzungsentscheidung des SG mit einer zulassungsfreien Berufung konfrontiert werden, setzt das SG hingegen das Verfahren fort oder entscheidet von vorneherein durch Urteil, hingegen mit einer Nichtzulassungsbeschwerde. Es ist dem SGG jedoch fremd, dass die Ausgestaltung des Rechtsmittelzugs von der Vorgehensweise der Gerichte abhängt (vgl. in diesem Sinn auch BSG, Urteil vom 10. Oktober 2017, Az. B 12 KR 3/16 R, in juris Rn. 12).

Soweit die abweichende Auffassung, wonach in derartigen Fällen eine zulassungsfreie Berufung zulässig ist, damit begründet wird, es stünden Verfahrensrechte im Streit, die eine Entscheidung über den eigentlichen Streitgegenstand erst eröffnen und damit sei der Schutzbereich des Grundrechtes auf Gewährung effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes berührt (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. August 2012, Az. L 3 AS 133/12, in juris Rn. 22), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes wird auch bei der Annahme der Zulassungsbedürftigkeit der Berufung in derartigen Fällen nicht verletzt:

Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz wird beeinträchtigt, wenn der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten nicht eröffnet oder der Zugang zu den Gerichten ausgeschlossen bzw. in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht gerechtfertigter Weise erschwert wird. Darüber hinaus garantiert Art. 19 Abs. 4 GG einen effektiven Rechtsschutz, d.h. eine tatsächlich wirksame Kontrolle durch die Gerichte (vgl. u.a. BVerfGE 40, 272/274; 60, 253/269; 93, 1/13; 117, 244/268, alle in juris).

Der Rechtsweg stand dem Kläger zunächst in Form des Klagerechts gegen den angefochtenen Bescheid vom 16. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Dezember 2016 uneingeschränkt offen. Soweit der Gesetzgeber mit der Regelung des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen eine Fiktion der Klagerücknahme anordnet, so ist dies mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes grundsätzlich vereinbar, soweit beachtet wird, dass die Annahme einer Fiktion der Klagerücknahme nur in eindeutigen Fällen weggefallenen Rechtsschutzinteresses in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2012, Az. 1 BvR 2254/11, in juris). Ob das SG bei seiner Annahme, das Verfahren habe sich durch fiktive Klagerücknahme erledigt, die einfachgesetzlichen Voraussetzungen des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG im Lichte der verfassungsrechtlichen Anforderungen beachtet hat, unterliegt erneut der Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung. Diese steht dem Kläger in Form des Antrags auf Fortsetzung des beim SG als durch fiktive Klagerücknahme beendet angesehenen Verfahrens offen. Gegen die von ihm getroffene ablehnende Entscheidung - hier durch Gerichtsbescheid - kann sich der Kläger mit einem Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem SG bzw. mit der Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht zur Wehr setzen. Damit ist eine tatsächlich wirksame Kontrolle durch die Gerichte hinreichend eröffnet. Ein Anspruch auf mehr als eine gerichtliche Instanz und damit - als Minus hierzu - auf eine zulassungsfreie Berufung lässt sich generell und damit auch in Fällen wie den vorliegenden aus den Verbürgungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht herleiten (vgl. BVerfGE 87,48/61; 92, 365/410, in juris).

Zwar gilt, dass der Zugang zu mehreren Instanzen nicht unzumutbar erschwert werden darf, wenn durch Gesetz mehrere Instanzen geschaffen worden sind (BVerfGE 96, 27/39; 104, 220/231, in juris). Die Beschränkung eines Klägers auf das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde auch in Fällen der Anfechtung einer fiktiven Rücknahme einer Klage, bei der der Beschwerdewert nicht die maßgebliche Grenze von 750.- Euro erreicht, stellt wie in allen Fällen, in denen nur um einen geringen Wert gestritten wird, jedoch keine unzumutbare Erschwerung der Rechtsverfolgung dar. Dies gilt umso mehr deshalb, als bei Verkennung der Voraussetzungen für eine fiktive Klagerücknahme nach § 102 Abs. 2, 3 SGG regelmäßig ein Verfahrensfehler im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG vorliegt (vgl. insoweit LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Juli 2017, L 9 AS 1068/17, in juris).

Damit ist in dem hier anhängigen Berufungsverfahren von einer zugrunde liegenden Klage auszugehen, die einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt betrifft, wobei der Wert des Beschwerdegegenstandes 750.- Euro nicht übersteigt. Dies hat zur Folge, dass die Berufung nur dann zulässig ist, wenn die Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts in dem Verfahren S 3 AS 519/17 oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts zugelassen worden ist.

3. Eine Zulassung der Berufung ist hingegen weder durch das SG in dem Gerichtsbescheid vom 2. Januar 2018 noch auf Beschwerde durch Beschluss des LSG erfolgt.

Eine positive Entscheidung des SG über die Zulassung der Berufung im angefochtenen Gerichtsbescheid liegt nicht vor. Weder im Tenor noch in den Urteilsgründen ist eine solche ausgesprochen worden. Das SG hat ausweislich der Urteilsgründe vielmehr angenommen, die Berufung sei ohne Zulassung statthaft und hat deshalb - konsequent - die Zulassung der Berufung weder unter Anwendung der Norm des § 144 Abs. 2 SGG geprüft noch hierüber entschieden. Die für die zulassungsfreie Berufung übliche und hier vom SG auch verwendete Rechtsmittelbelehrung ist ebenfalls keine Entscheidung über die Zulassung, sondern eine falsche Belehrung (BSG SozR 3-1500 § 158 Nr. 1, 3). Eine falsche Belehrung kann jedoch nicht zur Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs führen, der gesetzlich nicht vorgesehen ist. Eine positive Zulassungsentscheidung des LSG liegt ebenfalls nicht vor. Mangels Zulassung der Berufung ist die Berufung daher unzulässig.

Abschließend weist der Senat den Kläger darauf hin, dass die Bewilligung von höheren Leistungen für den Zeitraum Juli 2016 bis Dezember 2016 durch den Senat in diesem Verfahren ohnehin nicht in Betracht kommt. Hierüber könnte der Senat zulässigerweise nicht entscheiden, da im Falle der Aufhebung des Gerichtsbescheids des SG der Rechtsstreit wieder beim SG anhängig wäre. Das SG und nicht der Senat wäre dann zu einer Entscheidung über die dem Kläger zustehenden Leistungen für den Zeitraum Juli 2016 bis Dezember 2016 berufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Die Revision war angesichts widersprüchlicher Entscheidungen auf LSG-Ebene aufgrund der damit bestehenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (vgl. 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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