L 19 R 671/18

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 R 107/18
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 671/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.09.2018 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger aufgrund seines Antrags vom 13.07.2017 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente hat.

Der 1960 geborene Kläger hat nach seinen eigenen Angaben in der Zeit vom 1976 - 1979 eine Berufsausbildung als Werkzeugmacher absolviert. Ob diese Ausbildung abgeschlossen wurde, ist unklar. Der Kläger hat diesbezüglich unterschiedliche Angaben gemacht. Seit 1983 war er als Maschinenarbeiter in einer Kunststofffabrik in Vollzeit versicherungspflichtig beschäftigt. Am 01.11.2015 erlitt der Kläger einen privaten Verkehrsunfall, der zu einer massiven Schultergelenkverletzung des linken Armes führte, die operativ versorgt werden musste. Eine weitere Operation der Schulter erfolgte im November 2016. Aufgrund der mit dem Unfall vom 01.11.2015 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit bezog der Kläger bis 28.04.2017 Krankengeld, anschließend bis zum 28.10.2018 Arbeitslosengeld.

Am 13.07.2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Erwerbsminderungsrente und gab hierbei an, sich seit Februar 2015 für erwerbsgemindert zu halten. Durch den Verkehrsunfall 2015 sei das Eckgelenk der linken Schulter gebrochen worden mit Sehnen- und Muskelabriss. Dadurch hätten sich erhebliche Einschränkungen beim Heben, Tragen, Überkopfarbeiten und fehlender Kraftschluss ergeben. Außerdem habe er zweimal einen Leistenbruch erlitten, mehrmalige Operationen mit dauerhafter Einnahme von starken Schmerzmitteln seien erforderlich geworden. Das linke Bein schwelle durch Venenstripping verstärkt an.

Nach Beiziehung der ärztlichen Unterlagen holte die Beklagte ein chirurgisches Gutachten von Dr. G. ein, der am 06.09.2017 zu dem Ergebnis gelangte, dass der Kläger aufgrund der unfallbedingten Verletzungen eine Tätigkeit als Fabrikarbeiter nur noch unter drei Stunden täglich verrichten könne. Für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestehe jedoch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.09.2017 eine Rentengewährung ab.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruches wurde mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 15.12.2017 vorgetragen, dass der Kläger unter massiven Schulterschmerzen, einem chronischen HWS- und LWS-Syndrom sowie unter ständigen Kopfschmerzen leide. Ferner unter Beinschwellungen und in Folge des erlittenen Verkehrsunfalles über Angstzustände beim Autofahren. Vorgelegt wurde hierzu ein Gutachten der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F-Stadt vom 31.08.2017, das für die H. zur Frage der bleibenden Folgen des Unfalls vom 01.11.2015 erstellt wurde und eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 feststellte. Nach Einholung einer prüfärztlichen Stellungnahme von Dr. S. vom 22.12.2017 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.09.2017 mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2018 als unbegründet zurück. Für den allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen des Klägers.

Zur Begründung der hiergegen am 25.01.2018 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 20.02.2018 vorgetragen, dass der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mehr in der Lage sei, eine Tätigkeit zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei bzw. sechs Stunden täglich zu verrichten.

Nach Beiziehung eines Befundberichtes des behandelnden Hausarztes Dr. G. (mit Fremdbefunden) hat das SG ein orthopädisches Gutachten von Dr. B. eingeholt, der am 12.07.2018 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:

1. Diabetes mellitus, derzeit medikamentös behandelt. Sekundärschäden seien bisher nicht bekannt.
2. Extrapulmonale restriktive Ventilationsstörung im Sinne von Atembeschwerden bei Belastung. Es werde deshalb öfters Cortison-Spray zum Einsatz gebracht. Eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit sei dadurch gegeben.
3. Bluthochdruck, der medikamentös eingestellt sei. Sekundärschäden seien bislang nicht bekannt.
4. Herzrhythmusstörungen, ebenfalls medikamentös eingestellt, derzeit keine höhergradigen Schädigungen.
5. Venöse Insuffizienz linkes Bein mit Schmerzen. Längeres Stehen sei dadurch eingeschränkt.
6. Zustand nach Apoplex 2013 mit einer vorübergehenden Handlähmung links. Geblieben seien Greifstörungen bei festerem Zupacken und feinmotorischen Aktivitäten. Nachweisbar sei auch eine Dysdiadochokinese.
7. Schultereckgelenksprengung links, operativ versorgt 01.11.2015 mit Hakenplatte, 01/2016 Entfernung der Hakenplatte mit mäßiger Instabilität des linken Schultereckgelenkes. Geblieben sei eine hochgradige Funktionseinschränkung des linken Schultergelenkes mit weitgehender Aufhebung der seitlichen Hebung. Schürzengriff und Nackengriff könnten nicht durchgeführt werden. Möglich seien Rotationen mit angelegtem Oberarm. Das Zustandsbild habe sich trotz einer nochmaligen arthroskopischen AC-Gelenksresektion und Bursektomie 11/2016 nicht wesentlich gebessert. Es bestehe ein chronischer Schmerzzustand des gesamten linken Armes im Sinne eines Schulterarmsyndroms, das derzeit mit Pregabalin, Novaminsulfon und einem Opiat behandelt werde. Insgesamt sei die Funktionsfähigkeit des linken Armes für körperliche Tätigkeiten damit weitgehend aufgehoben
8. Lokales HWS-Syndrom bei geringen Bandscheibendegenerationen und Protrusionen C3-C6, eine Nervenwurzelreizsymptomatik liege nicht vor
9. Chronisches LWS-Syndrom bei im Kernspintomogramm nachgewiesenen geringen Bandscheibenprotrusionen L4/L5 und L5/S1 und Bandscheibendegenerationen in diesem Bereich. Es bestehe deshalb eine verminderte Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule, besonders für die Vorneige, und chronische Schmerzen an den Wirbelgelenken L4-S1. Eine Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule für häufiges Bücken, sowie längeres Stehen, Heben und Tragen von Lasten sei gegeben.
10. Initiale Hüftarthrose Grad II rechts und initiale Hüftarthrose Grad I-II links. Wesentliche Funktionseinschränkungen lägen allerdings noch nicht vor.
11. Chronisches Schmerzsyndrom bei Zustand nach Leistenbruch-OP rechts 2013, Revision der Leiste 2017 mit Einbau eines Netzes mit chronischem Schmerzzustand im Bereich der Leiste mit Ausstrahlung an den Hoden, hervorgerufen durch eine lokale Nervenreizung. Ein Leistenbruchrezidiv sei derzeit nicht nachweisbar.
12. Reflux mit saurem Aufstoßen, Stressbelastungen müssten deshalb vermieden werden.
13. Schwerhörigkeit rechts.
14. Alterssichtigkeit, korrigiert mit Lesebrille.
15. Verdacht auf Panikattacken, angegeben vom Kläger seit dem Unfall mit Schulterverletzung links, nächtliche Panikattacken und Angstzustände beim Fahren als Beifahrer in einem Pkw, sobald eine etwas höhere Geschwindigkeit gefahren werde. Das Rollerfahren sei seit dem Unfall im Jahr 2015 nicht mehr möglich.

Aufgrund der genannten Funktionseinschränkungen sei dem Kläger nur noch eine weniger als 3-stündige Tätigkeit möglich. Die Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule und vor allem des linken Schultergelenkes sowie die chronischen Schmerzsyndrome im Bereich des linken Armes und der rechten Leiste, die einer medikamentösen Behandlung mit einem peripheren Schmerzmittel (Novaminsulfon), einem zentral wirksamen Opiat und einem adjuvanten Medikament (Pregabalin) bedürften, sowie der Diabetes mellitus, die Hypertonie und die Herzrhythmusstörungen sowie eine verminderte Leistungsfähigkeit der Atmung würden letztendlich keine länger andauernde Arbeitsbelastung mehr zulassen, da mit zunehmender Dauer die Schmerzen immer stärken würden. Ausgeübt werden könnten innerhalb dieses zeitlichen Rahmens nur noch leichte Arbeiten in wechselnder Stellung im Sitzen und nur bedingt im Stehen oder Gehen. Vermieden werden müssten alle Arbeiten, bei denen beidhändiges Arbeiten notwendig sei. Nur der rechte Arm sei noch einsetzbar. Wegen der LWS-Beschwerden sei längeres Stehen und Gehen nicht möglich. Wegen des chronischen Schmerzzustandes seien Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung nicht möglich. Unregelmäßiges Arbeiten könne wegen des chronischen Refluxes, der Hypertonie, der Herzrhythmusstörungen und des Diabetes mellitus nicht mehr ausgeübt werden. Wegen der Schwerhörigkeit seien vor allem lärmbelastende Tätigkeiten zu vermeiden. Im Vergleich zu dem Vorgutachten sei bezüglich des orthopädischen Hauptbefundes der linken Schulter keine wesentliche Veränderung eingetreten, ebenso keine Veränderung bei den Befunden an der LWS, HWS und an den Hüften. Neu aufgetreten sei auf internistischem Fachgebiet ein Diabetes mellitus, nicht erfasst gewesen sei eine chronische Refluxkrankheit und der Zustand nach Apoplex mit Bewegungsstörung am linken Arm. Es bestehe auch der dringende Verdacht auf eine Angststörung. Eine Diagnostik und Behandlung stehe allerdings noch aus. Die Funktionseinschränkung des linken Armes werde im Unterschied zum Vorgutachten als höhergradig eingeschätzt, da ein chronisches Schulterarmschmerzsyndrom vorliege und auch eine Bewegungsstörung direkt im Bereich der linken Hand bei Zustand nach Apoplex. Damit werde die Gebrauchsfähigkeit des linken Armes als weitestgehend aufgehoben bewertet. Einsetzbar sei im Prinzip nur noch der rechte Arm. Des Weiteren bestehe ein chronisches LWS-Syndrom, das in Verbindung mit dem chronischen Schmerzsyndrom an der rechten Leiste nach zweimaliger Leistenbruch-OP und bestehendem Nervenschaden eine Minderbelastbarkeit der LWS und der unteren Extremität bedinge. Die seit Jahren nachweisbaren Coxarthrosen könnten bei schwerer Belastung zu Beschwerden führen, seien aber derzeit nicht dominierend. Die venöse Insuffizienz des linken Unterschenkels führe bei längerem Stehen zu Schwellneigung und Spannungsgefühlen. Zusätzlich bestehe wegen des chronifizierten Schmerzsyndroms mit Opiatpflichtigkeit eine erhebliche Einschränkung bei Arbeiten, die eine besondere Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit bedürften. Inwieweit die Angststörung zu einer weiteren Einschränkung der Erwerbsfähigkeit führe, könne erst nach exakter Diagnosestellung und gegebenenfalls Einleitung einer Therapie beurteilt werden. Die geminderte Erwerbsfähigkeit bestehe seit dem 12.07.2018, dem Tag der Untersuchung. Es handle sich um einen Dauerzustand. Eine stationäre Reha-Maßnahme werde keine wesentliche Besserung mehr bringen. Aufklärungsbedürftig sei der Verdacht auf eine Angststörung mit eventuell neuer Bewertung der Erwerbsfähigkeit.

Zu dem Gutachten von Dr. B. hat die Beklagte durch Dr. G. vom 03.08.2018 dahingehend Stellung genommen, dass die Leistungseinschätzung von Dr. B. nicht nachvollzogen werden könne. Eine Gebrauchseinschränkung des linken Armes führe bei einem Rechtshänder wie dem Kläger nicht zu einer erheblichen Leistungseinschränkung, zumal Ellbogen- und Handgelenke frei beweglich und nicht eingeschränkt seien und die Greifformen auch links hätten demonstriert werden können. Dies bedinge lediglich qualitative Leistungseinschränkungen. HWS und LWS seien ohne gravierenden Befund. Die internistischen Erkrankungen würden medikamentös behandelt. Es werde angeregt, ein Zusatzgutachten auf internistisch-pneumologischem Fachgebiet einzuholen. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Angststörung werde darauf hingewiesen, dass bislang keinerlei Behandlung dieser Erkrankung stattfinde.

Das SG hat daraufhin ein sozialmedizinisches Terminsgutachten von Dr. R. eingeholt, der am 26.09.2018 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:

1. Schmerzhaft eingeschränkte Funktion des linken Schultergelenkes nach operativ versorgter Schultereckgelenkssprengung 11/2015.
2. Chronisches HWS-Syndrom mit end- bis mittelgradiger Funktionseinschränkung.
3. Chronisches LWS-Syndrom mit end- bis mittelgradiger Funktionseinschränkung mit linksseitigen Lumboischialgien.
4. Z. n. zweimaliger Leistenhernieoperation rechts ohne Rezidiv mit angegebenen fortbestehenden Schmerzen mit Bereich Nervus genito femoralis.
5. Diabetes mellitus Typ II.
6. Bluthochdruck, Übergewicht.
7. Vorbekanntes medikamentös behandeltes Asthma bronchiale.
8. Rezidivierende Angstzustände, Schlafstörungen, bei V. a. posttraumatische Belastungsstörung.
9. Hörminderung rechtsbetont.
10. Venöse Insuffizienz des linken Unterschenkels mit Schwellneigung.

Unter Berücksichtigung der genannten Gesundheitsstörungen sei dem Kläger zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch eine mindestens 6-stündige Tätigkeit zumutbar. Es müsse sich um leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, auch überwiegend im Sitzen handeln. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkord- und Fließbandarbeit und Nachtschicht, Lärm ohne ausreichenden Gehörschutz, Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen wie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr, Arbeiten an laufenden Maschinen, Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems wie häufiges Bücken, mit Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, monotone Belastungen des Schultergürtels, häufige Arbeiten in Zwangshaltungen oder Überkopf, überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Klettern oder Steigen sowie Tätigkeiten unter ungünstigen äußeren Bedingungen mit häufigen Einflüssen von Kälte, Nässe, Zugluft und starken Temperaturschwankungen. Gegenüber den in den Vorgutachten beschriebenen Befunden seien inzwischen zusätzlich ein Diabetes mellitus Typ II, eine rechtsbetonte Hörminderung sowie eine seelische Beeinträchtigung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung anzuführen. Auf die Einschätzung der Erwerbsfähigkeit des Klägers habe dies aber keinen wesentlichen Einfluss. Er schließe sich den Ausführungen im Rentengutachten von Dr. G. an. Auch in ihrem Zusammenwirken seien die beim Kläger bestehenden Funktionsstörungen nicht so gravierend, dass nicht zumindest eine über 6-stündige Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Tätigkeiten gegeben wäre. Die Einschränkungen des Leistungsbildes bestünden seit Antragstellung und bestünden auf Dauer.

Das SG hat sodann aufgrund der mündlichen Verhandlung am 26.09.2018 die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 08.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2018 mit Urteil vom gleichen Tag als unbegründet abgewiesen. Aufgrund der vorliegenden Gutachten von Dr. G. und Dr. R. sei von einem mindestens 6-stündigen Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen auszugehen. Dem Gutachten von Dr. B. werde hingegen nicht gefolgt, da er keine tragfähige Begründung für das von ihm angenommene unter 3-stündige Leistungsvermögen des Klägers gebe. Dr. B. habe auch gegenüber dem Gutachten von Dr. G. keine wesentlichen Veränderungen festgestellt. Ein Berufsschutz des Klägers bestehe nicht, so dass auch eine Rentengewährung auf der Grundlage des § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht in Betracht käme. Nach dem beruflichen Werdegang sei der Kläger auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.

Zur Begründung der hiergegen am 08.11.2018 beim Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 14.12.2018 vor, dass das SG die Leistungsfähigkeit des Klägers falsch eingeschätzt habe. Dr. B. sei in seinem Gutachten zu einem unter 3-stündigen Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gelangt. Nachdem Dr. R. die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung von mehr als sechs Stunden angenommen habe, hätte sich das SG gedrängt fühlen müssen, eine ergänzende Stellungnahme von Dr. B. hierzu einzuholen. Das Gutachten des Dr. B. vom 12.07.2018 sei in sich schlüssig und nachvollziehbar. Bei der Leistungsbeurteilung durch Dr. R. handle es sich um ein halbstündiges Terminsgutachten. Demgegenüber sei Dr. B. nach mehrstündiger Untersuchung des Klägers zu dem unter 3-stündigen Leistungsvermögen gekommen und habe dies auch nachvollziehbar begründet. Die Funktionseinschränkungen des linken Schultergelenkes, der Lendenwirbelsäule sowie die chronischen Schmerzsyndrome im Bereich des linken Armes und der rechten Leiste, die einer medikamentösen intensiven Behandlung bedürften, sowie die internistischen Erkrankungen würden keine über 3-stündige Tätigkeit mehr zulassen. Es werde ein Medikationsplan des Klägers vorgelegt. Auf die nervenärztlichen Erkrankungen sei das SG überhaupt nicht eingegangen. Der Kläger befinde sich seit dem 04.12.2018 bei Herrn E. in psychotherapeutischer Behandlung.

Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt, nämlich von der Fachärztin für Neurologie Dr. D. vom 13.09.2019, vom HNO-Arzt Dr. C. vom 13.03.2019, von der Internistin Dr. F. vom 26.03.2019, vom Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. E. vom 11.03.2019 und vom 11.06.2019 sowie vom Hausarzt Dr. G. vom 07.05.2019. Hierzu haben der Prozessbevollmächtigte des Klägers sowie die Beklagte schriftsätzlich Stellung genommen.

Der Senat hat ein nervenärztliches Gutachten von Dr. H. eingeholt, der am 05.12.2019 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:

1. Mittelgradige depressive Episode, weitgehend unbehandelt.
2. Panikstörung, medikamentös unbehandelt.
3. Wurzelreizsyndrom und leichtes sensibles Wurzelkompressionssyndrom S1 links.
4. Diskrete Residuen einer rechtshemisphärischen cerebralen Ischämie 2013.
5. Fraktur des linken Acromioclaviculargelenks 11/15 mit Zustand nach operativer Sanierung.
6. Diabetes mellitus ohne Polyneuropathie.
7. Zustand nach OP eines Leistenbruchs rechts 12/2014 mit Revision eines Rezidivs 1/2017 und stattgehabtes Schmerzsyndrom im Versorgungsbereich des Nervus genitofemoralis rechts, weitestgehend remittiert.

Bei den Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet handele es sich um echte psychische Krankheitsbilder mit Krankheitswert, die der Kläger allerdings unter eigener zumutbarer Willensanstrengung und mit ärztlicher und psychotherapeutischer Hilfe in absehbarer Zeit überwinden könne. Die zumutbaren Behandlungsmöglichkeiten seien noch nicht ausgeschöpft worden. Es bestehe noch erfolgsversprechendes Behandlungspotential, insbesondere mit Psychopharmakotherapie. Unter Berücksichtigung der Gesundheitsstörungen sei zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch eine mindestens 6-stündige Tätigkeit zumutbar. Zu beachten seien qualitative Einschränkungen: Es müsse sich um leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, vorübergehend im Stehen, mit der Möglichkeit zum Positionswechsel nach zwei Stunden handeln. Zusätzlich sei zu beachten, dass der Kläger wegen des lumbalen Schmerzsyndroms keine Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen, insbesondere auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr, verrichten könne. Arbeiten an laufenden Maschinen könnten aber erbracht werden. Wegen des Schmerzsyndroms könne der Kläger auch keine Tätigkeiten unter ungünstigen äußeren Bedingungen erbringen. Tätigkeiten Überkopf und Überschulter könnten nicht geleistet werden wegen der stattgehabten Fraktur des linken AC-Gelenks. Es bestünden keine Einschränkungen hinsichtlich der Leistungsmotivation, Merk- und Konzentrationsfähigkeit, dem Verantwortungsbewusstsein und der Gewissenhaftigkeit, der Selbständigkeit des Denkens und Handelns, des Unterscheidungs- und Beurteilungsvermögens, des Reaktionsvermögens und der Umstellungsfähigkeit, der praktischen Anstelligkeit und Findigkeit, der Ausdauer und der Anpassungsfähigkeit an den technischen Wandel. Der Kläger könne sich noch auf Tätigkeiten umstellen, die nicht von einfachster Art seien, sondern eine Einarbeitung bzw. betriebliche Anleitung erfordern und durchschnittliche Anforderungen an die geistige und psychische Belastbarkeit stellen würden. Der beschriebene Zustand bestehe seit Antragstellung. Das Leistungsvermögen habe sich im Laufe des Verfahrens nicht wesentlich geändert. Die geminderte Erwerbsfähigkeit sei dauernd. Die Wegefähigkeit des Klägers sei gegeben. Der Kläger besitze keinen Führerschein, könne aber zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln den Weg zur Arbeitsstätte zurücklegen. Weitere Fachgutachten seien nicht erforderlich.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.09.2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf seinen Antrag vom 13.07.2017 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.09.2018 zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Sie ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI. Das Urteil des SG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat zu Recht mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2018 einen Anspruch des Klägers auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt. Der Nachweis, dass das Leistungsvermögen des Klägers dauerhaft auf unter sechs Stunden täglich eingeschränkt ist, ist nicht geführt worden. Insbesondere ergeben sich auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet erhebliche und aussichtsreiche Behandlungsoptionen.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen nicht dauerhaft auf unter sechs Stunden täglich eingeschränkt ist. Vielmehr ist der Kläger noch in der Lage leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Es muss sich um leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, vorübergehend im Stehen mit der Möglichkeit zum Positionswechsel handeln. Zu vermeiden sind Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen, auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr, unter ungünstigen äußeren Bedingungen sowie Tätigkeiten in Zwangshaltungen und Überkopf bzw. Überschulter.

Der Kläger leidet unter gesundheitlichen Einschränkungen insbesondere auf orthopädischem, internistischem und neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet. Gleichwohl sind die daraus folgenden Leistungseinschränkungen nur qualitativer Art, eine zeitliche Einschränkung auf unter 6 bzw. sogar auf unter 3 Stunden täglich liegt nicht vor.

Auf internistischem Fachgebiet leidet der Kläger unter Reflux, Asthma, Bluthochdruck und Diabetes mellitus. Diese Erkrankungen werden aber nach den insoweit übereinstimmenden Ergebnissen der medizinischen Sachverständigen gegenwärtig ausreichend medikamentös behandelt. Spätfolgen dieser Erkrankungen liegen gegenwärtig noch nicht vor. Aufgrund der internistischen Erkrankungen sind als qualitative Einschränkungen zu beachten, dass der Kläger nur noch Tätigkeiten mit einer gewissen Regelmäßigkeit verrichten kann, insbesondere also keine Tätigkeiten in Schicht- oder Akkordarbeit bzw. unter ungünstigen äußeren Bedingungen.

Die vom behandelnden HNO-Arzt festgestellte Innenohrschwerhörigkeit rechts mehr als links schränkt den Kläger im Alltag nicht entscheidend ein. Zudem ist eine Hörgeräteversorgung in Betracht zu ziehen, aber noch nicht erfolgt. Eine Sehminderung wird durch eine Lesebrille ausgeglichen.

Stärkere Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des Klägers haben die bestehenden Erkrankungen auf orthopädischem und neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet und die daraus folgenden Funktionseinschränkungen. Auch diese bedingen zur Überzeugung des Senats gegenwärtig nur qualitative Leistungseinschränkungen.

Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet bestehen in der HWS, LWS, Hüfte, Kniegelenke und insbesondere an der linken Schulter. Dabei bestehen nur endgradige Bewegungseinschränkungen bei Knie- und Hüftgelenken, ebenso haben die Sachverständigen übereinstimmend bei HWS und LWS nur geringgradige Einschränkungen festgestellt, denen im Rahmen qualitativer Anforderungen Rechnung getragen werden kann. Es muss sich um leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus, überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Positionswechsel handeln. Weitere, insbesondere zeitliche Einschränkungen des Leistungsvermögens können hieraus gegenwärtig nicht gefolgert werden.

Zur Überzeugung des Senats folgen aus den bestehenden Einschränkungen des linken Armes durch die erlittene Schulterverletzung ebenfalls nur qualitative Leistungseinschränkungen.

Der Sachverständige Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 12.07.2018 die Funktionseinschränkungen des linken Armes als so gravierend einschätzt, dass er zusammen mit dem vom Kläger geschilderten Schmerzgeschehen zu einem nur noch unter dreistündigen Leistungsvermögen auf Dauer ab dem Zeitpunkt seiner Untersuchung gekommen war. Er begründet dies mit der Schwere der Verletzung, der nur teilweise gelungenen operativen Behandlung und den zusätzlich gegebenen Koordinationseinschränkungen der linken Hand durch einen im Jahr 2013 vom Kläger erlittenen ischämischen Insult.

Demgegenüber ist Dr. R. in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 26.09.2018 zur Feststellung gelangt, dass die Unterarmbeweglichkeit beidseits regelrecht war, die Ellenbogen- und Handgelenke sowie die Gelenke aller Finger ungestört beweglich sind der Faustschluss und die Fingerfeingriffe sind möglich gewesen. Die Beweglichkeit im rechten Schultergelenk war nur endgradig eingeschränkt, dafür aber das linke Schultergelenk konzentrisch schmerzhaft eingeschränkt, die Elevation war bis 85 Grad, die Abduktion bis 70 Grad möglich. Die grobe Kraft war linksseitig deutlich abschwächt, der Nacken- und Schürzengriff waren linksseitig nicht möglich. Er kam trotzdem zu einem mindestens 6stündigen Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Einschränkungen und schloss sich der Leistungseinschätzung von Dr. G. an.

Dr. H. ist in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 05.12.2019 ebenfalls nur qualitativen Leistungseinschränkungen wegen des linken Schultergelenkes gekommen und hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Leistungseinschätzung von Dr. B. bezüglich der Funktionseinschränkungen der linken Schulter nicht nachvollziehbar sei. Er weist darauf hin, dass sich durchaus akzeptable Bewegungswerte feststellen lassen, die durchaus vergleichbar seien mit den von Dr. B. erhobenen Werten und dass deshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass dem linken Arm lediglich eine Beihandfunktion zukommen würde. Ellenbogen- und Handgelenke sind frei beweglich, die Greiffunktion der linken Hand ist nahezu uneingeschränkt, es findet sich nur noch eine leichte Beeinträchtigung der Koordinationsfähigkeit der linken Hand, eine leichte Bradydiadochokinese und es wurde vom Kläger eine Gefühlsstörung der Fingerspitzen links angegeben. Insoweit ist die von Dr. B. zur Begründung der quantitativen Leistungsminderung auf unter 3 Stunden gegebene Erläuterung, dass die Beeinträchtigungen durch den im Jahr 2013 erlittenen Insult faktisch zu einer aufgehobenen Gebrauchsfähigkeit des linken Armes führten, nicht nachzuvollziehen und widerspricht auch den eigenen Angaben des Klägers gegenüber Dr. H ... Der Kläger hatte hier angegeben, dass sich die Einschränkungen der Gebrauchsfähigkeit der linken Hand weitgehend zurückgebildet hätten, was sich auch in der Untersuchungssituation so bestätigt hatte.

Dr. G. hatte in seiner Stellungnahme vom 03.08.2018 zum Gutachten von Dr. B. zudem darauf hingewiesen, dass es sich hier um Beeinträchtigungen des linken Armes handele, die bei einem Rechtshänder grundsätzlich keine so gravierenden Auswirkungen zeitigen könnten, dass daraus allein ein zeitlich gemindertes Leistungsvermögen abgeleitet werden könnte. Die Einsatzmöglichkeiten des linken Armes gehen über eine bloße Beihandfunktion hinaus. Dr. H. spricht in seinem Gutachten allerdings davon, dass der Kläger "anamnestisch Linkshänder" sei. Wenn er dadurch zum Ausdruck bringen wollte, dass der Kläger von Geburt an Linkshänder gewesen wäre, aber im Laufe seines Lebens auf Rechtshänder "umgeschult" worden wäre, wäre die Funktionseinschränkung des linken Armes ebenfalls nicht so schwerwiegend zu beurteilen wie bei einem (aktiven) Linkshänder. Dr. H. hat aber in Kenntnis des Umstandes, dass der Kläger "anamnestisch Linkshänders" sei, aber ebenfalls keine zeitliche Leistungseinschränkung gefolgert, sondern nur qualitative Einschränkungen bezüglich der Schwere der Arbeit und bezüglich Zwangshaltungen, Überkopf- und Überschulterarbeiten.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, durch den im Jahr 2015 erlittenen Verkehrsunfall unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen zu leiden, dass dies von Dr. B. und Dr. R. mit den Diagnosen Rezidivierende Angstzustände, Schlafstörungen und Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung gesehen worden sei, vom SG aber nicht weiter aufgeklärt worden sei, führt auch dies nicht zur Annahme eines zeitlich geminderten Leistungsvermögens.

Der Senat hat die Einholung des nervenärztlichen Gutachtens von Dr. H. zur Frage des Ausmaßes der psychischen Erkrankung des Klägers für erforderlich gehalten. Aufgrund des Gutachtens von Dr. H. ist der Senat der Überzeugung, dass gegenwärtig noch nicht von einem rentenrechtlich relevanten Sachverhalt auszugehen, der eine Rente wegen Erwerbsminderung zu begründen vermag, sondern von einem Behandlungsfall im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Dr. H. kommt in seinem Gutachten vom 05.12.2019 auf nervenärztlichem Fachgebiet zu einem mindestens 6-stündigen Leistungsvermögen des Klägers unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen und weist ausdrücklich darauf hin, dass Behandlungsoptionen in ausreichendem Maße vorhanden seien bzw. dass eine adäquate Behandlung noch in keiner Weise erfolgt ist.

Zwar sind gewisse Einschränkungen des Klägers im Hinblick auf seine Lebensgestaltung festzustellen wie etwa der kleiner gewordene Freundeskreis, Verlust von Interessen. Gleichwohl verfolgt der Kläger weiter einige Hobbies, er kocht gerne, hört gerne Musik aus den 70ger und 80ger Jahren und empfindet Freude und Stolz im Kreis seiner Familie. Er hilft seiner Ehefrau im Haushalt, unternimmt Spaziergänge mit der Ehefrau, bereitet warme Mahlzeiten zu, sieht gerne fern. Seine Stimmungslage während der Untersuchung und Testung war nicht durchgehend abgesunken, sondern insbesondere bei der Thematik der Familie ausgeglichen. Dr. H. weist darauf hin, dass dem Kläger weitere sehr aussichtsreiche Behandlungsoptionen zur Verfügung stünden, nämlich die Weiterführung der ambulanten Psychotherapie, eine Änderung der Medikation, auch der Opiatbehandlung im Hinblick auf die Schmerzerkrankung. Hier sei die Medikation seit zwei Jahren unverändert, obwohl der Kläger dauerhafte Schmerzen auf der Schmerzskala in Stärke 7 angebe, auch wenn sich dieses Schmerzgeschehen in der Untersuchungssituation nicht hat objektivieren lassen. Das Medikament Pregabalin sei - so Dr. H. - in der Dosis langsam zu steigern, um eine bessere angstlösende und von neuropathischen Schmerzen distanzierende Wirkung zu erreichen.

Eine Angsterkrankung des Klägers liegt nach Ansicht von Dr. H. nicht vor, da es für eine soziale Phobie nicht typisch und auch nicht zu der Diagnosestellung passend sei, dass sie lediglich an 2 bis 3 Tagen in der Woche auftrete. Der Kläger hatte bei Dr. H. angegeben, an ca. 2 Tagen pro Woche nicht aus dem Haus gehen zu können. Er empfinde dann, dass an der Wohnungstür eine rote, nicht zu überwindende Linie gezogen sei. Panikstörung und mittelgradige depressive Episoden sind aber erfolgversprechend in absehbarer Zeit behandelbar. Bislang hat keine leitliniengerechte Behandlung der psychischen Erkrankung des Klägers stattgefunden. Der behandelnde Nervenarzt Dr. E. hatte angegeben, den Kläger nur einmal im Dezember 2018 behandelt zu haben und hat dies auch auf nochmalige Nachfrage des Senats bestätigt.

Auch aus den weiteren vom Senat beigezogenen ärztlichen Befundberichten ergeben sich keine weiterreichenden Leistungseinschränkungen des Klägers, die eine zeitliche Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf unter 6 Stunden täglich begründen könnten.

Zwar beschreibt die Fachärztin für Neurologie Dr. D. beim Kläger das Vorliegen einer schweren Somatisierungsstörung und eine posttraumatische Belastungsstörung, empfiehlt aber die Durchführung einer ambulanten Psychotherapie. Sie kommt nicht zu der Feststellung, dass bereits eine dauerhafte, nicht überwindbare gesundheitliche Einschränkung auf dem nervenärztlichen Fachgebiet vorliegt. Der Kläger hatte bei der Begutachtung von Dr. H. angegeben, dass er nach dem Unfall nachts Alpträume gehabt habe und auch teilweise tagsüber den Unfall wieder erlebt habe. Jetzt habe er nur noch selten im Abstand von wenigen Wochen nachts Alpträume vom Unfallgeschehen. Ein Wiedererleben tagsüber trete nicht mehr auf. Bestehende Ängste im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr könnten Gegenstand der psychotherapeutischen Behandlung sein.

Der HNO-Arzt Dr. C. hat im Rahmen einer einmaligen Vorstellung des Klägers am 01.03.2018 eine Innenohrschwerhörigkeit rechts mehr als links festgestellt. Eine Hörgeräteversorgung ist aber noch nicht erfolgt. Die Internistin Dr. F. gibt eine einmalige Behandlung des Klägers am 05.06.2018 an und stellt die Diagnose einer Lumboischialgie. Der Hausarzt Dr. G. hat angegeben, dass sich das Befinden des Klägers nicht wesentlich verschlimmert hat. Allerdings gibt er eine Schultersteife rechts an. Dr. H. hat in seinem Gutachten insoweit jedoch keine weiteren erheblichen Einschränkungen der rechten Schulter feststellen können, sondern nur eine endgradige Bewegungseinschränkung.

Der Senat sieht aufgrund der Befundlage keine Veranlassung, ein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen.

Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI kommt vorliegend ebenfalls nicht in Betracht. Zwar ist diese Vorschrift aufgrund des Alters des Klägers grundsätzlich auf ihn anwendbar. Der Kläger verfügt aber über keinen besonderen Berufsschutz im Sinne dieser Vorschrift. Ein besonderer Berufsschutz im Sinne des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts (BSG BSGE 55,45) kommt dem Kläger nicht zu. Der Kläger hat zwar nach seinen eigenen Angaben in der Zeit von 1976 bis 1979 eine Ausbildung zum Werkzeugmacher absolviert, wobei in den Akten unterschiedliche Angaben zum Abschluss dieser Ausbildung gemacht wurden. Ein Abschlusszeugnis wurde vom Kläger nicht vorgelegt. Selbst wenn der Kläger aufgrund einer abgeschlossenen Ausbildung als Werkzeugmacher einen besonderen Berufsschutz als Facharbeiter erworben gehabt hätte, hat er sich von diesem Beruf schon lange gelöst. Aus den Akten ist nachvollziehbar - und entsprechend den eigenen Angaben des Klägers bei den gerichtlichen Sachverständigen belegt -, dass er seit dem Jahr 1983 durchgehend als Maschinenarbeiter in einem Kunststoff verarbeitenden Betrieb in Vollzeit versicherungspflichtig beschäftigt gewesen war. Auf die zuletzt versicherungspflichtig verrichtete Tätigkeit ist aber für die Beurteilung des besonderen Berufsschutzes nach § 240 SGB VI abzustellen. Da die zuletzt ausgeübte Tätigkeit allenfalls dem Bereich der angelernten Tätigkeiten zuzuordnen ist, kann der Kläger auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, die nicht einfachster Natur sind. Hierfür besteht aber noch ein mindestens 6stündiges Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Die Umstellungsfähigkeit des Klägers ist hierfür nicht eingeschränkt.

Nach alledem war die Berufung gegen das Urteil des SG Würzburg vom 26.09.2018 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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