L 11 SF 263/20 AB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 14 AS 158/20 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 SF 263/20 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein Befangenheitsantrag, der sich auf ein unstatthaftes Verfahren bezieht, ist unzulässig.
2. Nach Abschluss der Instanz ist ein Befangenheitsantrag unzulässig, da er prozessual überholt ist
3. Ein Befangenheitsantrag im Rahmen eines Verfahrens der Anhörungsrüge ist grundsätzlich nicht statthaft und daher unzulässig.
Die von den Beschwerdeführern gestellten Ablehnungsgesuche wegen Besorgnis der Befangenheit gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht A., den Richter am Landessozialgericht B., die Richterin am Landessozialgericht C. und den Richter am Landessozialgericht D. werden als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Zu entscheiden ist vorliegend über Befangenheitsgesuche für ein (bereits entschiedenes) Beschwerdeverfahren gegen einen im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen Beschluss des Sozialgerichts, in einem Verfahren einer Anhörungsrüge und in einem Verfahren einer (sofortigen) Beschwerde, beide gegen einen im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts (LSG).

Mit Beschluss vom 06.08.2020, L 11 AS 354/20 B ER, hat der 11. Senat des Bayer. LSG die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 28.05.2020 verworfen.

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) haben anschließend mit Schreiben vom 21.08.2020 u.a. Folgendes vorgetragen: Es sei für sie nicht zu erklären, dass das Gericht immer wieder Partei für den Beschwerdegegner ergreife. Bereits das Verhalten und die Vorgehensweise im Termin vom 13.03.2019 würden den Antrag auf Befangenheit gegen den Vorsitzenden Richter am LSG A., den Richter am LSG B. und den Richter am LSG D., am 04.08.2020 auch gegen die Richterin am LSG C. begründen. Bereits am 04.08.2020 seien Befangenheitsanträge gegen die Richter gestellt worden; folglich seien alle seither trotzdem ergangenen Beschlüsse rechtswidrig. Gegen den Beschluss vom 06.08.2020 ergehe daher "Beschwerde", "hilfsweise ... auch ... Anhörungsrüge, sofortige Beschwerde und Bekräftigung unseres Antrages wegen Befangenheit!"

Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens verwiesen.

II.

Das LSG entscheidet über die Ablehnungsgesuche der Beschwerdeführer im Schreiben vom 21.08.2020, die dadurch zum Ausdruck kommen, dass die Beschwerdeführer die "Bekräftigung unseres Antrages wegen Befangenheit" (Seite 2 des Schreibens vom 21.08.2020) erklären, gegen die vier in diesem Schreiben genannten Richter durch Beschluss (§ 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 46 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -), wobei die Entscheidung vorliegend ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter ergeht (§ 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO).

Eine Einholung von dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter war wegen der Unzulässigkeit (s. unten) der Befangenheitsanträge nicht erforderlich. Eine dienstliche Stellungnahme ist nämlich nur dann einzuholen, "soweit das für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch notwendig und zweckmäßig ist" (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 23.10.2007, 9 A 50/07, 9 VR 19/07, 9 VR 21/07). Sind - wie hier - Befangenheitsanträge bereits unzulässig, ist die Einholung dienstlicher Stellungnahmen daher verzichtbar.

Die Ablehnungsgesuche sind allesamt und in allen denkbaren Ausprägungen unzulässig.

1. Auslegung des Schreibens vom 21.08.2020

Das Schreiben enthält Befangenheitsanträge gegen die vier in diesem Schreiben genannten Richter, den Vorsitzenden Richter am LSG A., den Richter am LSG B., den Richter am LSG D. und die Richterin am LSG C., sowohl für das mit Beschluss vom 06.08.2020 entschiedene Beschwerdeverfahren als auch für alle von den Beschwerdeführern geltend gemachten und gegen den Beschluss vom 06.08.2020 gerichteten Rechtsbehelfe im weitesten Sinne (Anhörungsrüge, [sofortige] Beschwerde).

Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen und des sich daraus ergebenden Begehrens vor Gericht ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 17/13). In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch ist der wirkliche Wille des Beteiligten zu erforschen. Dabei sind nicht nur der Wortlaut, sondern auch die sonstigen Umstände des Falls, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind, zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteile vom 22.03.1988, 8/5a RKn 11/87, und vom 14.06.2018, B 9 SB 2/16 R).

Zu berücksichtigen ist der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 29.11.1995, X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist im Sinne des Meistbegünstigungsprinzips (vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 22.02.1985, 8 C 107/83; BSG, Beschlüsse 16.02.2012, B 9 SB 48/11 B, und vom 05.06.2014, B 10 ÜG 29/13 B, Urteil vom 14.06.2018, B 9 SB 2/16 R) von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30.04.2003, 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, 1 BvR 461/03).

Wie bei der Auslegung gesetzlicher Regelungen auch (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18.02.2003, 2 BvR 369/01, 2 BvR 372/01, und vom 02.05.2016, 2 BvR 1137/14) ist die Auslegung einer Prozesserklärung durch die Wortlautgrenze (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2016, 2 BvR 1137/14) begrenzt, wobei im Sinn der gebotenen klägerfreundlichen Auslegung vom Gericht im Rahmen der Auslegung alles zu unternehmen ist, der von einem Beteiligten gewählten Formulierung einen Erklärungsinhalt beizumessen, der ihm größtmöglichen Rechtsschutz eröffnet.

Dies zugrunde gelegt sind die Befangenheitsanträge im Schreiben vom 21.08.2020 wie folgt auszulegen:

* Aufgrund des Vorbringens auf Seite 1 des Schreibens ist davon auszugehen, dass sich der Befangenheitsantrag gegen alle vier dort genannten Richter richtet. Dass auf Seite 2 des Schreibens der Richter am LSG D. nicht mehr genannt ist, weckt zwar gewisse Zweifel daran, dass die Ablehnung des genannten Richters weiterhin begehrt wird. Im Sinne der Eröffnung möglichst umfassenden Rechtsschutzes ist gleichwohl davon auszugehen, dass auch dieser Richter von den Beschwerdeführern als befangen betrachtet wird, zumal keine explizite Distanzierung von dem auf Seite 1 des Schreibens gestellten Befangenheitsantrag gegen den Richter am LSG D. erfolgt ist.

* Unzweifelhaft ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer die vorgenannten vier Richter für die jetzt von ihnen beantragten Verfahren einer "Beschwerde", "sofortigen Beschwerde" und "Anhörungsrüge" als befangen ablehnen.

* Da die Beschwerdeführer die Richtigkeit des Beschlusses vom 06.08.2020 angreifen und diesen Beschluss - so auf Seite 2 ihres Schreibens vom 21.08.2020 - auch deshalb als rechtswidrig erachten, da sie bereits am 04.08.2020 (in einem anderen Verfahren) einen Befangenheitsantrag gestellt hätten, wird, um den allem Anschein nach nicht rechtskundigen Beschwerdeführern möglichst umfassenden Rechtsschutz zu gewähren, zudem davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführer die Befangenheit der vorgenannten Richter auch für das mit Beschluss vom 06.08.2020 entschiedene Verfahren geltend machen wollen.

2. Unzulässigkeit der Befangenheitsanträge

Die Ablehnungsgesuche sind in allen Ausgestaltungen, wie sie sich aus den unter Ziff. 1 (s. oben) ermittelten Zielrichtungen ergeben, unzulässig.

2.1. Befangenheitsanträge für das mit Beschluss vom 06.08.2020 entschiedene Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes

Die Befangenheitsanträge sind unzulässig, weil das Verfahren vor Stellung der Befangenheitsanträge bereits mit Beschluss vom 06.08.2020 entschieden worden ist.

Nach Abschluss der Instanz ist ein Befangenheitsantrag, unabhängig davon, wann der potentielle Befangenheitsgrund bekannt geworden ist, unzulässig. Ihm fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, da die in der Hauptsache ergangene Entscheidung unabhängig davon, ob ein Befangenheitsgrund vorgelegen hat oder nicht, nicht mehr durch das angegangene Gericht abänderbar ist und das Ablehnungsgesuch daher prozessual überholt ist (ständige Rspr., vgl. z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 02.05.2007, 2 BvR 2655/06, und vom 28.04.2011, 1 BvR 2411/10; BSG, Urteil vom 27.01.1993, 6 RKa 2/91, und Beschluss vom 06.06.2007, B 8 KN 8/07 B; BVerwG, Urteil vom 30.10.1969, VIII CB 129, 130.67, VIII CB 129.67, VIII CB 130.67; BFH, Beschluss vom 17.08.1989, VII B 70/89; Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 08.02.2001, III ZR 45/00, sowie Beschlüsse vom 11.07.2007, IV ZB 38/06, und vom 13.02.2007, 3 StR 425/06). Abgeschlossen ist die Instanz dann, wenn die die Instanz beendende Entscheidung verkündet (vgl. BGH, Beschluss vom 11.07.2007, IV ZB 38/06) worden oder zumindest die Urteilsfällung (§ 309 ZPO) einschließlich der Unterzeichnung (§ 315 Abs. 1 Satz 1 ZPO) erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2001, III ZR 45/00; Bayer. LSG, Beschluss vom 20.08.2015, L 15 SF 238/15 AB). Dem (vollständigen) Abschluss einer Instanz steht es dabei nicht entgegen, dass gegen die gerichtliche Entscheidung noch eine Anhörungsrüge erhoben werden kann (vgl. Flint, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. Stand: 28.08.2020, § 60, Rdnr. 93).

Dies zugrunde gelegt ist das am 21.08.2020 eingegangene Ablehnungsgesuch für das mit Beschluss vom 06.08.2020 entschiedene Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verspätet, prozessual überholt und somit "offensichtlich unzulässig" (BVerfG, Beschluss vom 22.08.2018 2 BvC 1/18). Befangenheitsanträge in anderen Verfahren, die bis zum 06.08.2020 und in anderen Verfahren gestellt worden sind, sind für das Verfahren L 11 AS 354/20 B ER, in dem der Beschluss vom 06.08.2020 ergangen ist, unbeachtlich; ein Befangenheitsgesuch gilt, was sich schon aus dem Grundsatz der Prozessklarheit (vgl. BFH, Beschlüsse vom 12.08.1998, III B 23/98, und vom 22.07.2013, I B 189/12) ergibt, nur für das Verfahren, für das es konkret gestellt worden ist.

2.2. Befangenheitsanträge für das Verfahren der (sofortigen) Beschwerde gegen den Beschluss vom 06.08.2020

Die Befangenheitsanträge sind unzulässig, da sie sich auf ein unstatthaftes Verfahren beziehen.

Eine (sofortige) Beschwerde gegen den Beschluss vom 06.08.2020 ist nicht statthaft; ein solches Rechtsmittel sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor (vgl. § 177 SGG). Eine inhaltliche Entscheidung kann in dem vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen (sofortigen) Beschwerdeverfahren wegen der Unstatthaftigkeit der (sofortigen) Beschwerde nicht mehr ergehen. Damit entfällt, wie dies auch bei einem verspäteten Befangenheitsgesuch der Fall ist, vorliegend das Rechtsschutzbedürfnis für die Befangenheitsgesuche, da diese keinerlei Bedeutung für die zu ergehende Entscheidung des Gerichts mehr haben können (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 30.08.2016, I ZB 10/15, und vom 17.05.2018, I ZR 195/15).

2.3. Befangenheitsanträge für das Verfahren der Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 06.08.2020

Ein Befangenheitsantrag für ein Verfahren der Anhörungsrüge nach § 178a SGG ist grundsätzlich - und so auch hier - nicht statthaft und daher unzulässig.

Nach verbreiteter Rspr. (vgl. z.B. Verwaltungsgerichtshof - VGH - Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.06.2016, 1 S 783/16; Bayer. VGH, Beschluss vom 07.11.2016, 10 BV 16.962; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.06.2017 3 SO 79/17; Bayer. LSG, Beschlüsse vom 20.08.2015, L 15 SF 238/15 AB, und vom 01.04.2020, L 7 SF 15/20 AB; BGH, Beschlüsse vom 22.11.2006, 1 StR 180/06, vom 13.02.2007, 3 StR 425/06, vom 24.01.2012, 4 StR 469/11, vom 11.04.2013, 2 StR 525/11, und vom 24.04.2014, 4 StR 479/13; zur Gegenvorstellung: vgl. BFH, Beschluss vom 01.01.2002, VII B 193/02) und Kommentarliteratur (vgl. Flint, a.a.O., § 60, Rdnr. 160; Stuhlfauth in: Bader/Funke-Kaiser/ders./von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 152a, Rdnr. 11; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier/ders, VwGO, Stand Januar 2020, § 152a, Rdnr. 28; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 54, Rdnr. 22, anders als noch in der Vorauflage, wie sie im unten zitierten Beschluss des Bayer. VGH vom 07.11.2016, 10 BV 16.962, angeführt worden ist. Wegen fehlender Entscheidungsrelevanz offengelassen: BVerfG, Beschluss vom 20.06.2007, 2 BvR 746/07; BSG, 19.01.2010, B 11 AL 13/09 C; BVerwG, Beschluss 28.05.2009, 5 PKH 6/09, 5 PKH 6/09 (5 PKH 1/09)) ist für einen Befangenheitsantrag in einem Verfahren der Anhörungsrüge kein Raum. Der Bayer. VGH hat dies im Beschluss vom 07.11.2016, 10 BV 16.962, ausführlich wie folgt begründet:

"Letztmöglicher Zeitpunkt für die Geltendmachung eines Ablehnungsgesuchs ist grundsätzlich derjenige vor vollständigem Abschluss der Instanz, denn die Beteiligten haben während des gesamten Verfahrens, jedenfalls solange richterliche Streitentscheidung gefordert ist, einen verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch auf den unvoreingenommenen gesetzlichen Richter (BVerfG, a.a.O., Rn. 23). Der Grundsatz, dass Ablehnungsgesuche in allen Verfahrensabschnitten gestellt werden können, bedarf allerdings für solche Ablehnungsgesuche, die erstmals im Verfahren der Anhörungsrüge und damit nach einer den Rechtsstreit abschließenden richterlichen Entscheidung gestellt werden, einer Einschränkung (VGH BW, B.v. 8.6.2016 - 1 S 783/16 - juris: Richterablehnung im Anhörungsrügeverfahren nach rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Februar 2016, § 152a Rn. 28; Kaufmann in Posser/Wolf, VwGO, 2. Aufl. 2014, § 152a Rn. 15; Stuhlfauth in Bader u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 152a Rn. 11; BGH, B.v. 24.1.2012 - 4 StR 469/11 - juris; a.A. Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 321a Rn. 4, § 42 Rn. 4 für nachträglich bekannt gewordene Ablehnungsgründe; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 152a Rn. 28; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 152a Rn. 10; offengelassen: BVerfG, B.v. 20.6.2007 - 2 BvR 746/07 - juris Rn. 5; BVerwG, B. v. 28.05.2009 - 5 PKH 6/09 - NVwZ-&8203;RR 2009, 662; BVerwG, B.v. 7.4.2011 - 3 B 10.11 u.a. - juris Rn. 2; noch in BayVGH, B.v. 2.9.2016 - 10 C 16.1214 - juris Rn. 10; B.v. 12.1.2015 - 10 ZB 14.1874 - juris Rn. 20). Der Senat schließt sich nunmehr der überzeugenden Argumentation des Verwaltungsgerichtshofs Baden-&8203;Württemberg (a.a.O.) an, zumal die zitierten Gegenmeinungen in der Kommentarliteratur keine substanziierte Auseinandersetzung mit der vorliegenden Problematik bieten.

Der Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs steht in der vorliegenden Konstellation bereits der Umstand entgegen, dass das Klageverfahren durch den formell rechtskräftigen Einstellungsbeschluss vom 25. April 2016 mit der Folge beendet worden ist, dass eine weitere richterliche Streitentscheidung nicht mehr erforderlich war. Hieran vermochte auch die als außerordentlicher Rechtsbehelf ausgestaltete, den Eintritt der (hier: formellen) Rechtskraft nicht hemmende Anhörungsrüge nichts zu ändern (VGH BW, a.a.O., Rn. 5 m.w.N.).

Für die Unzulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs in der vorliegenden Konstellation spricht aber in erster Linie der Zweck des Anhörungsrügeverfahrens. Es soll die Möglichkeit zur Selbstkorrektur unanfechtbarer Entscheidungen im Falle der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör eröffnen und dient damit der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 152a Rn. 4 m. zahlreichen Nachweisen). Über die Anhörungsrüge hat nach der Konzeption von § 152a VwGO daher das für die Ausgangsentscheidung zuständige Gericht und zwar ausschließlich im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG zu entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-&8203;Württemberg führt in seinem Beschluss vom 8. Juni 2016 (a.a.O., Rn. 6) hierzu weiter aus:

"Eine fachgerichtliche Entscheidung, eine Anhörungsrüge zurückzuweisen, schafft daher verfassungsrechtlich im Verhältnis zur mit der Anhörungsrüge angegriffenen Entscheidung keine eigenständige Beschwer. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch für die Rüge, einem im Anhörungsrügeverfahren gestellten Ablehnungsgesuch sei stattzugeben gewesen. Selbst wenn man - so das Bundesverfassungsgericht - ein Ablehnungsrecht im Gehörsrügeverfahren anerkannte, führte eine unberechtigte Zurückweisung allenfalls dazu, dass die Entscheidung über die Anhörungsrüge nicht vom gesetzlichen Richter erlassen wäre. Auch dies hätte lediglich zur Folge, dass die durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Gehörsverletzung unkorrigiert bliebe, weil nach der Wertung des Grundgesetzes richterliche Entscheidungen ausnahmslos vom gesetzlichen Richter zu treffen sind (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und deshalb nur dieser zur Entscheidung über die Anhörungsrüge berufen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 20.06.2007 - 2 BvR 746/07 - juris Rn. 2ff.). Aus diesem Zweck des Anhörungsrügeverfahrens folgt die Unzulässigkeit von mit der Anhörungsrüge gestellten Ablehnungsgesuchen, wenn die Anhörungsrüge unzulässig oder unbegründet ist und daher die Rechtsfolge des § 152a Abs. 5 Satz 2 VwGO - oder vergleichbarer Vorschriften in anderen Verfahrensordnungen - nicht eintritt. Der Grundsatz, dass ein Ablehnungsgesuch nur so lange statthaft vorgebracht werden kann, bis die Entscheidung ergangen und die Instanz rechtskräftig abgeschlossen ist, gilt nämlich auch dann, wenn die Ablehnung mit einer Anhörungsrüge verbunden wird, die sich deswegen als unbegründet erweist, weil die gerügte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vorliegt, so dass insoweit nicht mehr in eine erneute Sachprüfung einzutreten ist. Denn der Rechtsbehelf dient nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG doch noch Geltung zu verschaffen (so BGH, Beschl. v. 24.01.2012 - 4 StR 469/11- juris)."

Im Anhörungsrügeverfahren kann demnach eine Richterablehnung erst dann in zulässiger Weise geltend gemacht werden, wenn das Verfahren mit dem Eintritt der Rechtsfolge des § 152a Abs. 5 Satz 2 VwGO - also nach einem Erfolg der Anhörungsrüge - in die frühere Lage zurückversetzt wird, im vorliegenden Fall also in die prozessuale Situation vor Erlass der mit der Anhörungsrüge beanstandeten Kostenentscheidung und der Streitwertfestsetzung im die Instanz abschließenden Einstellungsbeschluss. Denn erst dann wäre eine erneute richterliche Streitentscheidung in materieller Hinsicht gefordert und demgemäß das Verfahren noch nicht unanfechtbar in vollem Umfang abgeschlossen. Letztlich versucht die Klägerin mit dem erstmals im Verlaufe des Verfahrens der Anhörungsrüge gestellten Befangenheitsantrag eine Korrektur der von ihr für falsch erachteten richterlichen Entscheidungen durch einen dem Zweck des Anhörungsrügeverfahrens als Instrument der Selbstkontrolle nicht entsprechenden neuen Spruchkörper zu erreichen. Dabei scheint die Klägerin zu verkennen, dass selbst eine begangene Gehörsverletzung noch keine Anhaltspunkte für die Befangenheit eines an der Entscheidung beteiligten Richters liefert (BVerwG, B.v. 6.7.2015 - 9 B 31.15 - juris Rn. 3); ein Richter tritt grundsätzlich auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Rechtssache heran, wenn er bereits zuvor mit ihr befasst war (BVerwG, B.v. 28.5.2009, a.a.O. mit Hinweis auf die abschließende Ausnahmeregelung in § 41 Nr. 6 ZPO)."

Der dargestellten und überzeugend begründeten Rechtsansicht, wonach im Verfahren der Anhörungsrüge ein Befangenheitsgesuch grundsätzlich unstatthaft ist und erst dann wieder möglich wird, wenn das von der Anhörungsrüge betroffene Verfahren selbst in der Sache fortgesetzt wird, weil die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs erfolgreich war, schließt sich der Senat an. Es würde Sinn und Zweck der Anhörungsrüge als subsidiären außerordentlichen Rechtsbehelfs, der allein den Zweck hat, im Rahmen der richterlichen Selbstkontrolle eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör zu korrigieren, nicht aber zu einer Überprüfung in der Sache durch ein Rechtsmittelgericht im weitesten Sinne zu führen, zuwiderlaufen. Die mit der Anhörungsrüge eröffnete "Möglichkeit der Selbstkorrektur" (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör [Anhörungsrügengesetz] - Bundestagsdrucksache 15/3706, S. 15) setzt voraus, dass die Überprüfung möglichst in identischer berufsrichterlicher Besetzung erfolgt, wie die mit der Anhörungsrüge angegriffene Entscheidung getroffen worden ist. So hat auch das BVerfG im Plenarbeschluss vom 30.04.2003, 1 PBvU 1/02, auf den die Einführung der Anhörungsrüge in die verschiedenen Verfahrensordnungen im Wesentlichen zurückgeht (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Anhörungsrügengesetzes, a.a.O., S. 13), den Gesetzgeber dazu aufgefordert, einen "Rechtsbehelf zum iudex a quo" (BVerfG, a.a.O.) zu eröffnen und damit eine "Überprüfung durch die mit der Sache schon vertraute Instanz" (BVerfG, a.a.O.) zu ermöglichen, wobei davon nur "die Prüfung einer behaupteten Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG" (BVerfG, a.a.O.), also des rechtlichen Gehörs, umfasst ist. Diesem Auftrag ist der Gesetzgeber mit § 178a SGG nachgekommen. Würde die Möglichkeit eröffnet, über Befangenheitsgesuche diese vom Gesetzgeber erwünschte richterliche Besetzung mit dem iudex a quo zu verändern, würde dies dem Zweck der Selbstkorrektur, wie er der Anhörungsrüge innewohnt, widersprechen und über einen Befangenheitsantrag eine Fremdkorrektur der nur der richterlichen Selbstkorrektur unterliegenden Entscheidung darüber, ob das rechtliche Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden ist, ermöglichen. In gleicher Weise würde damit der Weg geebnet, Befangenheitsanträge, die in dem Verfahren, das mit dem mit der Anhörungsrüge angegriffenen Beschluss beendet worden ist, hätten vorgebracht werden müssen, trotz Verspätung, weil sie erst nach dem Erlass der mit der Anhörungsrüge angegriffenen Entscheidung vorgebracht werden, ins Verfahren einzuführen. Dies ist aber gerade nicht Sinn und Zweck der Anhörungsrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 11.04.2013, 2 StR 525/11 - m.w.N.).

Eine Ausnahme vom dargestellten Grundsatz, dass für das Verfahren der Anhörungsrüge ein Befangenheitsantrag unstatthaft ist, ist allenfalls für die Situation in Betracht zu ziehen, dass sich der Ablehnungsgrund gerade aus dem Rügeverfahren selbst ableitet (vgl. Happ, a.a.O., § 152a, Rdnr. 19). Im Übrigen verbleibt es aber dabei, dass ein Befangenheitsgesuch erst dann statthaft ist, wenn bei einer erfolgreichen, d.h. zulässigen und begründeten, Anhörungsrüge, das Gericht wieder in die Sachprüfung einsteigt (vgl. Guckelberger, in: NK-VwGO, 5. Aufl. 2018, § 152a, Rdnr 38 - m.w.N.; vgl. auch die oben zitierte Rspr. des BGH).

Dies zugrunde gelegt verbleibt es vorliegend bei dem Grundsatz, dass das für das Verfahren der Anhörungsrüge gestellte Ablehnungsgesuch unstatthaft ist; ein sich aus dem Verfahren der Anhörungsrüge selbst ergebender Ablehnungsgrund ist weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.

Die Befangenheitsanträge sind daher unter allen Gesichtspunkten unzulässig.

Die Entscheidung ergeht kostenfrei.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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