L 11 AS 419/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AS 811/18
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 419/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für eine Erfüllung der Nachweis- bzw. Auskunftspflicht i.S.v. § 41a Abs. 3 SGB II genügt es nicht, wenn der Leistungsberechtigte lediglich anbietet, leistungserhebliche Unterlagen (z.B. Kontoauszüge) vorzuzeigen, mit der Anfertigung von Kopien aber nicht einverstanden ist.
2. Eine Hinzunahme solcher leistungserheblicher Unterlagen zu den Akten stellt einen verhältnismäßigen Eingriff in die Rechte des Leistungsberechtigten dar.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.05.2019 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit von August 2016 bis Januar 2017 im Rahmen einer abschließenden Bewilligung.

In der Anlage zur vorläufigen oder abschließenden Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft im Bewilligungszeitraum (Anlage EKS), die der Kläger im Rahmen des Weiterbewilligungsantrages für die Zeit ab August 2016 einreichte, gab er an, seine selbständige Tätigkeit übe er je nach Auftrag aus. Die zu erwartenden Betriebseinnahmen für die Zeit von August 2016 bis Januar 2017 betrügen zwischen 900,00 EUR und 1.100,00 EUR monatlich. Die voraussichtlichen Betriebsausgaben setzten sich aus 70,00 EUR für öffentliche Verkehrsmittel, 70,00 EUR für Büromaterial und 110,00 EUR für Telefonkosten zusammen. Der Beklagte bewilligte darauf mit Bescheid vom 12.08.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26.11.2016 vorläufig Alg II für die Zeit von August bis Dezember 2016 i.H.v. 317,00 EUR monatlich und für Januar 2017 i.H.v. 322,00 EUR. Dabei wurden die vom Kläger gemachten Angaben zu seinen voraussichtlichen Einkünften aus der selbständigen Tätigkeit - mit Ausnahme der Telefonkosten, bei denen unter Berücksichtigung auch privater Nutzung nur 50% als Ausgabe anerkannt wurden - zugrunde gelegt. Die Anlage EKS mit den abschließenden Angaben zu den im Bewilligungszeitraum erzielten Einnahmen und Ausgaben einschließlich der erforderlichen Belege und Nachweise sei innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts vorzulegen. Mit Schreiben vom 09.01.2017 forderte der Beklagte die Vorlage der vollständigen Anlage EKS mit Belegen und Nachweisen zu Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die sortiert in Kopie vorzulegen seien. Ebenso wurden für die Zeit von August 2016 bis Januar 2017 betriebswirtschaftliche Auswertungen (kurzfristige Erfolgsrechnungen), Listen über Summen und Salden sowie aktuelle, vollständige und chronologisch sortierte Kontoauszüge angefordert. Zur Vorlage wurde eine Frist bis 31.03.2017 gesetzt und darauf hingewiesen, dass für Monate, für die ein Nachweis fehle, kein Leistungsanspruch bestehe und die vorläufig festgesetzten Leistungen vollständig zu erstatten seien. Mit Schreiben vom 31.07.2017 erinnerte der Beklagte unter Fristsetzung bis 31.10.2017 an die Vorlage der im Schreiben vom 09.01.2017 genannten Unterlagen.

Im Zusammenhang mit der endgültigen Festsetzung von Leistungen für vorangegangene Bewilligungsabschnitte hatte der Kläger angeboten, seine Unterlagen vorzulegen, sich aber mit der Anfertigung von Kopien durch den Beklagten - dies war ihm angeboten worden - nicht einverstanden erklärt. In einem Schreiben vom 10.02.2017 führte der Kläger hierzu aus, für die Fertigung von Kopien gebe es keine gesetzliche Grundlage. Nach dem Datenschutz sollten nur notwendige Daten erhoben und gespeichert werden. Bei einer digitalen Akte hätten wesentlich mehr Personen Zugriff als bei einer Papierakte. Auch das Recht zur Vornahme von Schwärzungen würde dem widersprechen. Er hätte einen erheblichen Zeitaufwand und Kosten, da es sich um ca. 200 Seiten, teilweise beidseitig bedruckt, handele. Der Beklagte könne bei einer Inaugenscheinnahme die wesentlichen leistungsrelevanten Punkte und Daten erheben und gleichzeitig eine Plausibilitätsprüfung vornehmen sowie eine entsprechende Aktennotiz zur Dokumentation vornehmen. Eine längere Aufbewahrungsfrist könne vereinbart werden. Unstimmigkeiten und Nachfragen könnten unmittelbar geklärt werden. Eine Überlastung des Beklagten sei kein Argument.

Mit Bescheid vom 09.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2018 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Alg II für die Zeit von August 2016 bis Januar 2017 ab. Ein Leistungsanspruch bestehe nicht. Der Kläger sei trotz mehrfacher Aufforderungen und Fristsetzung seiner Nachweis- und Auskunftspflicht zur abschließenden Entscheidung, über die er belehrt worden sei, nicht oder nur teilweise nachgekommen. Das Fehlen eines Leistungsanspruchs sei folglich festzustellen und der Bewilligungsantrag in vollem Umfang abzulehnen. Mit Bescheid vom 10.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2018 forderte der Beklagte vom Kläger die Erstattung von für die Zeit von August 2016 bis Januar 2017 erbrachten Leistungen i.H.v. 1.907 EUR.

Gegen die beiden Widerspruchsbescheide hat der Kläger beim Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben. Die Klage gegen den Bescheid vom 10.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2018 hat das SG mit Beschluss vom 17.10.2018 abgetrennt und unter dem Az. S 6 AS 1052/18 fortgeführt. Zur Klagebegründung hat der Kläger vorgebracht, er erfülle seine Mitwirkungspflichten, wenn er die erforderlichen Unterlagen lediglich vorlege und es damit dem Beklagten ermögliche, hierüber einen Aktenvermerk zu erstellen. Dies sei der einfachste Weg. Andernfalls entstünden Probleme, da nicht nur die wirklich notwendigen Angaben in der elektronischen Akte gespeichert würden, und es bestünden Gefahren u.a. bezüglich der Zugriffsrechte. Es gebe auch Schwierigkeiten mit der Umsetzung der Akteneinsicht. Bei Fertigung eines Aktenvermerks könne dagegen ein kundiger Sachbearbeiter gleich eine Prüfung vornehmen und die richtigen Daten in die Softwaremaske eingeben. Er habe durch das Verfahren des Beklagten erhebliche Nachteile erlitten. Das Bayerische Landesozialgericht (LSG) habe in einer Entscheidung vom 21.05.2014 (Az. L 7 AS 347/14 B ER) insoweit unzutreffend entschieden. Mit Urteil vom 21.05.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei seiner Pflicht zur Mitteilung und zum Nachweis seiner Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit nicht nachgekommen. Er habe es dem Beklagten nicht ermöglicht, Unterlagen/Nachweise im Original oder in Kopie zu den Akten zu nehmen. Der Beklagte habe die Unterlagen anfordern können, da dies weder unverhältnismäßig noch unzumutbar sei. Eine Kenntniserlangung durch den Beklagten mit geringerem Aufwand sei nicht möglich. Gründe des Sozialdatenschutzes stünden der Vorlagepflicht nicht entgegen. Es sei erlaubt, Sozialdaten, deren Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach dem Sozialgesetzbuch erforderlich sei, zu erheben. Hier dienten die Unterlagen der Überprüfung der Hilfebedürftigkeit. Das Aufforderungsschreiben habe den formellen Anforderungen entsprochen. Der Kläger sei ordnungsgemäß auf die möglichen Rechtsfolgen eines fehlenden Nachweises hingewiesen und es seien angemessene Fristen gesetzt worden. Soweit er angeboten habe, die Unterlagen nur zur Einsicht vorzulegen, sei dies nicht ausreichend, da die Auskunfts- und Vorlagepflicht auch das Überlassen der Unterlagen und Nachweise im Original oder in Form einer Kopie umfassen würde. Der Beklagte sei verpflichtet, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Rahmen der Amtsermittlungspflicht sorgfältig zu erforschen, wofür eine kurze Einsichtnahme nicht ausreichend sei. Die zur Kenntnis gelangten relevanten Tatsachen seien wahrheitsgetreu und vollständig aktenkundig zu machen. Auch sei die Dokumentation der entscheidungserheblichen Grundlagen für eventuell anschließende Widerspruchs- und Gerichtsverfahren, Korrekturen von Entscheidungen im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens oder in Folgeverfahren notwendig. Mit dem Erheben und Aufbewahren der Daten werde der Sozialdatenschutz nicht verletzt. Auch verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht.

Dagegen hat der Kläger Berufung beim LSG eingelegt. Er sei grundsätzlich bereit gewesen, Unterlagen für eine Inaugenscheinnahme und anschließende Anfertigung eines Aktenvermerks vorzulegen. Dies sei für den Beklagten zumutbar und erfordere keine erhöhte Arbeitsleistung. Im Wesentlichen bestünden bei ihm immer die gleichen Ausgabepositionen und auch bei den Einnahmen handle es sich nur um wenige Positionen. Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei nicht verhältnismäßig. Er bemühe sich seit 2015 um einen Termin für die Vorlage der Belege. Bei der letzten Vorsprache sei der Beklagte nicht bereit gewesen, Einsicht in die Belege zu nehmen. Er wende sich nicht gegen die Speicherung, sondern nur gegen die Überlassung. Es erfolge keine Prüfung, ob eine unbedingte Notwendigkeit der Datenerhebung bestehe. Aus Datenschutzgründen dürften nur wenige Kopien in den digitalen Akten gespeichert werden, soweit es sich nicht um einen begründeten Ausnahmefall handle. Eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sei in Betracht zu ziehen. Im Hinblick auf § 60 Abs. 1 und 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) könne nur die Vorlage von Unterlagen verlangt werden. Der Begriff sei eindeutig. Die Abwägungen des Datenschutzes seien vorliegend zu seinen Lasten vorgenommen worden. Es fehle an einer persönlichen Fallentscheidung, da seine individuellen Umstände nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Es gehe nicht nur um die Frage, ob Unterlagen kopiert und zu den Akten genommen würden, sondern um eine Differenzierung, wann dies unbedingt notwendig sei. Früher sei eine persönliche Vorlage kein Problem gewesen. Nunmehr würden persönliche Kontakte mit den Sachbearbeitern weitestgehend verhindert. Mittels einer Aktennotiz könne man die notwendigen Erkenntnisse für eine Leistungsberechnung festhalten. Er wende sich allein gegen die undifferenzierte, dauerhafte, langfristige Speicherung aller Kontoauszüge und Rechnungen. Eine solche stelle einen wesentlichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar und sei zur Berechnung der Leistung nicht nötig. Auch für spätere Auseinandersetzungen würden Kontoauszüge nicht benötigt. Die Bundesagentur rate selbst davon ab, Kontoauszüge zu den E-Akten zu nehmen und es wirke so, als würde sie die Jobcenter anweisen, bestimmte Beweisdokumente gar nicht zur Abspeicherung einzureichen. Es werde bestritten, dass von ihm vorgelegte bzw. vom Jobcenter gefertigte Kopien eingescannt und zu den E-Akten genommen würden. Es sei daher nicht nachvollziehbar, weshalb er Kopien, z.B. von Kontoauszügen, zu den Akten reichen solle. Es sei unzulässig, von einem Verdacht auf Leistungsmissbrauch eine Verallgemeinerung abzuleiten und zu begründen. Mit seiner Unterschrift bestätige er bereits die Richtigkeit seiner Angaben. Bei dem Entzug der finanziellen Leistungen bei Befolgung der Anordnungen des Beklagten handele es sich um eine Art repressiven Handelns. Auch würde in der Praxis keine "100%-Kontrolle" durchgeführt. Kontoauszüge seien eine "hoch" private Sache. Eine Speicherung in der E-Akte sei unsicher. Das Scannen der Unterlagen sei von der Bundesagentur für Arbeit größtenteils ausgelagert worden. Es würden auch die Kontoauszüge nicht regelmäßig in vollem Umfang zur E-Akte genommen, sondern nur anlassbezogen. Eine vollständige Einsicht in die über ihn gespeicherten Daten habe er nicht bekommen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.05.2019 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2018 zu verurteilen, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dem Grunde nach für die Zeit von August 2016 bis Januar 2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Es sei weder unverhältnismäßig noch unzumutbar, wenn der Kläger die Hinzunahme von Originalen oder Kopien seiner Unterlagen zur Akte ermögliche. Die Unterlagen seien zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit notwendig und müssten in einer vollständigen Akte dokumentiert werden, gerade auch um eine Überprüfung in einem Widerspruchs- bzw. Gerichtsverfahren zu ermöglichen. Dies diene der Rechtssicherheit. Im Zuge der elektronischen Akte würden Kopien erst eingescannt und dann nach Ablauf einer Sicherheitsfrist (zur Überprüfung, ob die gescannten Unterlagen lesbar sind) vernichtet werden.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 09.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 09.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2018, mit dem der Beklagte im Rahmen der abschließenden Entscheidung den Antrag des Klägers auf Alg II für die Zeit von August 2016 bis Januar 2017 abgelehnt hat. Der Kläger begehrt vorliegend nicht nur die isolierte Aufhebung dieses Bescheides, sondern er begehrt auch die Bewilligung von Leistungen für den Bewilligungszeitraum in gesetzlicher Höhe. Es ist nicht erkennbar, dass er sich dabei auf die Höhe der bereits vorläufig erbrachten Leistungen beschränkt, so dass zutreffende Klageart hierfür die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG i.V.m. § 54 Abs. 4 SGG) ist (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 12.09.2018 - B 4 AS 39/17 R - juris).

Der Beklagte hat im Rahmen der abschließenden Entscheidung zu Recht die Bewilligung von Alg II für die Zeit von August 2016 bis Januar 2017 abgelehnt.

Aufgrund des im Bewilligungszeitpunkt noch nicht absehbaren tatsächlichen Einkommens des Klägers aus seiner selbständigen Tätigkeit war der Beklagte berechtigt, zunächst nach § 41a Abs. 1 SGB II vorläufig über die Erbringung von Geldleistungen zu entscheiden. Da der Bewilligungszeitraum erst mit dem 01.08.2016 begonnen hat, war der mit Wirkung zum 01.08.2016 durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.07.2016 (BGBl. I 1824) eingefügte § 41a SGB II anwendbar. Demzufolge bestand für die abschließende Entscheidung eine Verpflichtung des Klägers, die geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen, wobei die §§ 60, 61, 65 und 65a SGB I entsprechend gelten (§ 41a Abs. 3 Satz 2 SGB II). Der Kläger ist dabei seiner Nachweis- bzw. Auskunftspflicht nicht vollständig nachgekommen, so dass festzustellen war, dass kein Leistungsanspruch für die Zeit von August 2016 bis Januar 2017 besteht (§ 41a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II).

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 09.01.2017 zu Recht die Nachweise über die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, betriebswirtschaftliche Auswertungen und die Kontoauszüge für die Monate des Bewilligungsabschnittes gefordert, um eine abschließende Prüfung des Anspruchs auf Alg II im Hinblick auf das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit beim Kläger im streitgegenständlichen Bewilligungsabschnitt vornehmen zu können. Dabei wurde der Kläger über die Rechtsfolgen eines fehlenden Nachweises belehrt und ihm wurden angemessene Fristen gesetzt (§ 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II). Zwar hat sich der Kläger nicht geweigert, die Unterlagen vorzulegen, allerdings war er nicht bereit, die Fertigung von Kopien zu dulden, damit diese zu den Akten genommen werden können. Zutreffend hat das SG dabei darauf verwiesen, dass auch dies zur Erfüllung der Nachweis- bzw. Auskunftspflicht i.S.v. § 41a Abs. 3 SGB II erforderlich ist. Der Beklagte ist im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verpflichtet, die Einkommens- und Vermögenssituation des möglichen Leistungsberechtigten zu erforschen. Insbesondere die Einkünfte des Klägers aus seiner selbständigen Tätigkeit sind nach § 11 SGB II als Einkommen anzurechnen und können ganz oder teilweise einer Hilfebedürftigkeit i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II entgegenstehen. Im Hinblick auf eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch verweist § 41a Abs. 3 Satz 2 SGB II auf die Mitwirkungspflichten nach §§ 60, 61, 65 und 65a SGB I. Zwar könnte der Wortlaut des § 60 Abs. 1 und 3 SGB I zunächst den Anschein erwecken, es zähle nur die Vorlage von Unterlagen zu den Mitwirkungspflichten, allerdings berechtigt § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X den Beklagten zum Erheben von Sozialdaten im Sinne des § 35 SGB I, wenn die Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich ist. Zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit bzw. des Umfangs der Hilfebedürftigkeit ist die Erhebung der Informationen über das Einkommen bzw. die Betriebseinnahmen und -ausgaben zur Ermittlung des Gewinns zwingend erforderlich. Eine Datenspeicherung ist gemäß § 67c Abs. 1 Satz 1 SGB X bei einer entsprechenden Erforderlichkeit zulässig. Sozialdaten dürfen demzufolge verarbeitet werden, soweit sie für die Aufgabenerfüllung des Jobcenters nicht ungeeignet sind und ihm zumutbar keine andere Mittel zur Verfügung stehen, die den Betroffenen weniger belasten.

Das BSG hat bereits entschieden (Urteil vom 19.09.2008 - B 14 AS 45/07 R - juris), dass die Hinzunahme von Kontounterlagen bzw. Fotokopien von diesen zur Akte ein Erheben von Daten darstellt, und dass dieser Eingriff verhältnismäßig ist. Die Mitwirkungspflicht dient dabei Gemeinwohlbelangen von erheblicher Bedeutung. Die beantragten staatlichen Fürsorgeleistungen werden ohne jede Gegenleistung nur aufgrund von Hilfebedürftigkeit gewährt, so dass es erlaubt sein muss, sich davor zu schützen, dass entsprechende Leistungen an Nichtbedürftige gewährt werden (vgl. BSG a.a.O.). Da der Leistungsempfänger nach § 37 SGB II im Rahmen der Antragstellung ohnehin gehalten ist, weitgehende Angaben über sein Vermögen und auch Privatleben zu machen, steht dem Schutzzweck auf Seiten der Allgemeinheit ein vergleichsweiser geringer Eingriff beim Kläger gegenüber, da mit der Vorlagepflicht von Kontoauszügen beispielsweise keine zusätzlichen oder weitergehenden belastenden Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden sind (vgl. dazu BSG a.a.O. mit Verweis auf das BVerfG vom 13.06.2007 - BVerfGE 118, 168 ff -, welches keine Zweifel daran bestehen lässt, dass gerade bei Empfängern von Sozialleistungen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 1 GG hinzunehmen seien). Die Anfertigung von Kopien für die Akte bzw. die Hinzunahme von Kopien zu den Akten ist schon im Hinblick auf das Erfordernis der Nachvollziehbarkeit der Entscheidung des Beklagten über den Antrag erforderlich. Sie sind Grundlage für eventuell anschließende Widerspruchs- und Gerichtsverfahren, Korrekturen von Entscheidungen im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens oder in Folgeverfahren (vgl. dazu auch eingehend: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.12.2018 - L 32 AS 2045/16 - juris). Dem wird das bloße Vorzeigen der Unterlagen durch den Kläger und ein entsprechender Vermerk des Beklagten nicht gerecht (vgl. dazu auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.03.2018 - L 18 AS 2312/17 - juris), so dass auch den Kläger weniger belastende Maßnahmen nicht ersichtlich sind. Verfassungsrechtliche Bedenken hat der Senat nach alledem nicht, zumal auch die Möglichkeit besteht, nicht leistungsrelevante Angaben über Zahlungsempfänger auf Kontoauszügen zu schwärzen. Dass durch die Führung elektronischer Akten Unbefugte oder andere Personen nicht ohne zulässigen Zweck auf die Daten des Klägers zugreifen können, ist durch die Datenschutzbeauftragten zu sichern (vgl. dazu auch den Terminsbericht zu BSG, Urteil vom 14.05.2020 - B 14 AS 7/19 R - juris). Dies gilt auch, soweit das Einscannen von Unterlagen auf externe Dienstleister ausgelagert sein sollte. Im Übrigen werden nach der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (BT-Drs. 19/3412) Prüfungen und Audits in Bezug auf die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen sowie unabhängige Kontrollen und Testate durchgeführt (S. 12). Dass sensible Daten nur von befugten Personen eingesehen werden können, wird insbesondere durch Zutrittskontrollen und einen dokumentierten Prozess zur Autorisierung von Benutzern sichergestellt (S. 11). Konkrete Hinweise auf Datenschutzverstöße sind weder vom Kläger vorgetragen noch für den Senat ersichtlich.

Soweit der Kläger meint, die Bundesagentur für Arbeit sehe vor, dass Kopien der Kontoauszüge nicht zu den Akten/E-Akten genommen werden sollen, ist dies unzutreffend. Wie sich aus der Anlage zu BT-Drs. 19/3412 auf Seite 22 ergibt, ist die Speicherung von Kontoauszügen nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit u.a. dann zulässig, wenn diese Tatsachen enthalten, die sich unmittelbar auf den Leistungsanspruch auswirken. Die sich insbesondere aus den Kontoauszügen des Klägers ergebenden Zuflüsse und Zuflusszeitpunkte von anzurechnenden Einkommen aus dessen selbständiger Tätigkeit sind, wie sich bereits unzweifelhaft aus § 11 und § 11b ergibt, SGB II für die Ermittlung (des Umfangs) der Hilfebedürftigkeit maßgeblich.

Einen Vertrauensschutz dahingehend, dass der Beklagte die vom Kläger behauptete frühere Sachbehandlung in Bezug auf die Beschränkung darauf, lediglich im Rahmen einer persönlichen Vorsprache einen Aktenvermerk nach dem Durchsehen der Auszüge vorzunehmen, beibehalten muss, gibt es nicht. Aus dem Bestreiten des Klägers, dass der Beklagte die Kopien überhaupt zu den Akten nehmen würde, ergibt sich auch nichts anderes. Zum einen gibt es keine objektiven Anhaltspunkte hierfür, zum anderen ist nicht erkennbar, welches Rechtsschutzbedürfnis in diesem Fall beim Kläger verbleiben sollte, zumal der Beklagte angeboten hat, selbst Kopien bei einer Vorlage anzufertigen.

Der Kläger ist damit in Bezug auf das Bestehen seiner Hilfebedürftigkeit (§ 9 SGB II) seiner Verpflichtung zum Nachweis der leistungserheblichen Tatsachen nicht nachgekommen, so dass die Festsetzung des Leistungsanspruchs auf Null rechtmäßig war (§ 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II). Die Berufung war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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