Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 191/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 KR 55/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 bestimmt, welche Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen der MDK in seine Prüfung einzubeziehen hat. Konsequenzen für den Vergütungsanspruch regelt § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 nicht, er steht damit einer nachträglichen Rechnungskorrektur im Abrechnungsverfahren nicht entgegen.
2. Die Regelungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 gelten nur insoweit, als überhaupt eine Prüfung durch den MDK erfolgt. Die Fünfmonatsfrist des § 7 Abs.5 Satz 2 PrüfvV 2015 bezieht sich deshalb nur auf den jeweiligen Prüfanlass.
3. Die mit § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV 2017 eingeführte Regelung gilt nicht rückwirkend für die Zeit vor dem 01.01.2017.
2. Die Regelungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 gelten nur insoweit, als überhaupt eine Prüfung durch den MDK erfolgt. Die Fünfmonatsfrist des § 7 Abs.5 Satz 2 PrüfvV 2015 bezieht sich deshalb nur auf den jeweiligen Prüfanlass.
3. Die mit § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV 2017 eingeführte Regelung gilt nicht rückwirkend für die Zeit vor dem 01.01.2017.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.12.2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren.
III. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.411,06 Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung und hierbei insbesondere um die Frage, ob § 7 Abs. 5 der zum 01.09.2014 in Kraft getretenen und für Krankenhausbehandlungen ab 01.01.2015 geltenden Prüfverfahrensvereinbarung (im Folgenden: PrüfvV 2015) einer Nachforderung entgegensteht.
Die Klägerin ist Trägerin eines zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassenen Krankenhauses (§ 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -), in dem vom 09.03.2015 bis zum 28.03.2015 der bei der Beklagten Versicherte B. W. behandelt wurde.
Mit Rechnung vom 10.04.2015 (Fakturadatum 31.03.2015) stellte die Klägerin der Beklagten für die Krankenhausbehandlung des Versicherten eine Vergütung in Höhe von 10.846,53 Euro in Rechnung.
Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Bayern mit einer Prüfung. Die Fragestellung des Prüfauftrags lautete: "War die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer medizinisch begründet? Fehlbelegungsprüfung: Die Überschreitung der OGVD (prä- und postoperative VWD) ist im Behandlungsfall nicht plausibel. Keine Notfallaufnahme." Mit Schreiben vom 14.04.2015 teilte die Beklagte der Klägerin die Einleitung eines Prüfverfahrens gemäß § 4 PrüfvV 2015 unter Wiedergabe des Prüfauftrags an den MDK mit.
Am 10.06.2015 nahm der MDK die Prüfung unter Einsicht in die Behandlungsakte vor. In seinem Gutachten vom 11.06.2015 erklärte der MDK, dass die stationäre Verweildauer medizinisch plausibel und sachgerecht gewesen sei. Mit Schreiben vom 18.06.2015 informierte die Beklagte die Klägerin, dass laut MDK die Abrechnung für den stationären Aufenthalt des B. W. ab 09.03.2015 korrekt erfolgt sei. Das Prüfverfahren sei abgeschlossen.
Nachdem die Klägerin bei der zeitgleichen hausinternen Prüfung festgestellt hatte, dass als Nebendiagnose T82.8 (Sonstige näher bezeichnete Komplikationen durch Prothesen, Implantate oder Transplantate im Herzen und in den Gefäßen) und nicht T81.0 (Blutung und Hämatom als Komplikation des Eingriffs, anderenorts nicht klassifiziert) zu kodieren sei, woraus sich die DRG (Diagnosis Related Group) F12A und nicht F12B ergebe, nahm sie eine Korrektur der Entlass- und Rechnungsdatensätze vor. Die Endabrechnung wurde per Datenträgeraustausch am 24.06.2015 an die Beklagte übermittelt. Sie wies nunmehr einen Rechnungsbetrag von 15.257,59 EUR aus.
Hierauf erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 14.07.2015, man habe den medizinischen Sachverhalt mit der Beratungsärztin nochmals intern bewertet und komme zu dem Ergebnis, dass keine Aspekte vorlägen, die die Nachkodierung der Nebendiagnose T82.8 und somit die Abrechnung der DRG F12A rechtfertigten. Die Blutung sei sachgerecht mit T81.0 kodiert worden. Weitere Komplikationen seien aus dem MDK-Gutachten vom 11.06.2015 nicht abzuleiten. Sollte die Klägerin eine andere Meinung vertreten, werde um eine begründete Stellungnahme gebeten.
Die Klägerin informierte die Beklagte per E-Mail (die sich nicht in den Akten befindet), dass eine Änderung der Nebendiagnose T81.0 in die Nebendiagnose T82.8 habe vorgenommen werden müssen. Zur weiteren inhaltlichen medizinischen Prüfung möge die Beklagte eine Stellungnahme beim MDK einholen.
Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 07.08.2015, dass in dem Behandlungsfall am 11.06.2015 ein Gutachten durch den MDK erstellt worden sei mit dem Ergebnis, dass die in Rechnung gestellte DRG F12B mit vier Zuschlägen korrekt abgerechnet worden sei. Ein sich hieran anschließendes Widerspruchsverfahren sei nach der PrüfvV grundsätzlich nicht vorgesehen. Daher sei auch eine erneute Beauftragung des MDK nicht möglich. Man habe die berichtigte Rechnung per Datenträgeraustausch zurückgesandt.
Mit Schreiben vom 27.08.2015 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen der Zahlung des noch offenen Betrags von 4.411,06 Euro (= 15.257,59 Euro abzgl. 10.846,53 Euro).
Mit Schreiben vom 04.09.2015 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte. Nach § 7 Abs. 5 PrüfvV sei eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen durchaus möglich. Vorliegend sei die Einleitung des Prüfverfahrens am 16.04.2015 erfolgt. Die Möglichkeit einer Korrektur habe somit bis zum 16.09.2015 bestanden. Tatsächlich sei die Korrektur durch die Klägerin am 24.06.2015 erfolgt.
Die Beklagte blieb in ihrer Antwort vom 05.10.2015 dabei, dass aufgrund der bereits erfolgten MDK-Prüfung am 10.06.2015 (Datum der Begehung/Begutachtung) eine Berücksichtigung der korrigierten Daten gemäß § 7 Abs. 5 PrüfvV nicht mehr möglich gewesen sei.
Am 04.05.2017 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben und zur Begründung vorgetragen, tatsächlich hätte als Nebendiagnose T82.8 kodiert werden müssen. Daraus ergebe sich die DRG F12A. Die Geltendmachung sei nicht ausgeschlossen. Für einen Vergütungsanspruch gelte grundsätzlich eine vierjährige Verjährungsfrist. Verwirkung sei nicht eingetreten. Auch die Regelungen der PrüfvV schlössen eine spätere Rechnungskorrektur nicht aus. § 7 Abs. 5 PrüfvV regele lediglich, dass Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur dann in die Prüfung einzubeziehen seien, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens erfolgten. Ein Vergütungsausschluss sei damit nicht verbunden. Anders als die Beklagte meine, schließe die PrüfvV auch keine Zweitbegutachtung aus. Zudem habe die Beklagte selbst eine Prüfung durch die Beratungsärztin vorgenommen und sich offensichtlich mit dem Fall und der Korrektur bereits befasst.
Demgegenüber hat die Beklagte erwidert, eine Nachkodierung sei grundsätzlich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben möglich, soweit nicht gesetzeskonformes Vertragsrecht entgegenstehe. Dies sei vorliegend durch die PrüfvV der Fall. Die Korrektur sei erst nach Abschluss des MDK-Prüfverfahrens erfolgt. Ein Krankenhaus habe nicht nur die Pflicht zur peinlich genauen bzw. ordnungsgemäßen Abrechnung, sondern auch die Pflicht, den Fall im Rahmen eines eingeleiteten Prüfverfahrens abschließend zu behandeln. In der PrüfvV 2017 vom 03.02.2016 sei nunmehr klarstellend in § 7 Abs. 5 Satz 3 aufgenommen worden, dass eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich sei.
Das SG Würzburg hat mit Urteil vom 05.12.2017 der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 4.411,06 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18.07.2015 zu zahlen. Die Geltendmachung der Nachforderung sei nicht verwirkt. Erteile ein Krankenhaus einer Krankenkasse vorbehaltlos eine plausible Schlussrechnung für die Behandlung eines Versicherten, sei eine Forderung weiterer Vergütung bis zum Ablauf des folgenden vollen Kalenderjahrs regelmäßig nicht verwirkt (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.07.2016, B 1 KR 40/15 R). Aus § 17c Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und der PrüfvV ergebe sich nichts anderes, insbesondere sei ein Ausschluss nicht aus § 7 Abs. 5 PrüfvV ableitbar. Denn in der vorliegend einschlägigen Prüfverfahrensvereinbarung, die bis 31.12.2016 gegolten habe, sei ein derartiger Ausschluss nicht geregelt. Die entsprechende Änderung finde sich vielmehr erst in der PrüfvV vom 03.02.2016, die für Behandlungen ab 01.01.2017 gelte. Erst dort sei der Zusatz, dass Korrekturen und Ergänzungen von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich seien, enthalten. Eine derartige Regelung habe in der früheren Fassung der PrüfvV nicht existiert. Auch sei nichts dafür ersichtlich, dass die Ergänzung in § 7 Abs. 5 PrüfvV 2017 - wie die Beklagte meine - nur deklaratorisch erfolgt sei.
Gegen das ihr am 27.12.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.01.2018 (Montag) Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen (Schriftsätze vom 06.03.2018, 28.06.2018 und 10.12.2018): Es ergebe sich bereits aus dem Beschleunigungsgrundsatz, dass eine Nachkodierung, wie sie vorliegend von der Klägerin vorgenommen worden sei, nach dem Zeitpunkt, zu dem das Prüfverfahren abgeschlossen worden sei, nicht zulässig sei. Dies gelte auch schon für die Zeit vor Inkrafttreten der neuen PrüfvV vom 03.02.2016. Die mit Geltung ab dem 01.01.2017 ausdrücklich in die PrüfvV aufgenommene Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 3, nämlich dass eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis spätestens zum Ende der Begutachtung durch den MDK zulässig sei, stelle insoweit nur noch einmal klar, was aufgrund des Beschleunigungsgebots bereits vor dem 01.01.2017 gegolten habe. Entsprechend der höchstrichterlich in ständiger Rechtsprechung anerkannten Pflicht der Vertragsärzte zur peinlich genauen Abrechnung seien auch Krankenhäuser zur stets korrekten Leistungsabrechnung verpflichtet. Da bei der Honorierung die Angaben der Leistungserbringer grundsätzlich als zutreffend zugrunde gelegt würden, müsse man auf deren Richtigkeit vertrauen können. Schon aus der Begründung zur Schaffung der Rechtsgrundlage in § 17c Abs. 2 KHG durch das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013 (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu Art. 5c Nr. 2c, vgl. BT-Drucks. 17/13947 Seite 37 f.) ergebe sich, dass die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene beauftragt worden seien, die Zusammenarbeit der Krankenhäuser und Krankenkassen effektiver und konsensorientierter zu gestalten und insbesondere Vereinbarungen zum Zeitpunkt der vollständigen Vorlage zahlungsbegründender Unterlagen bei den Krankenkassen zu treffen. Die Verantwortung dafür, der Beklagten von vornherein die Möglichkeit zu geben, den Fall unter allen für die Abrechnung in Betracht kommenden Gesichtspunkte zu prüfen, liege allein beim Krankenhaus. Es sei also an der Klägerin, gleich bei der Rechnungsstellung oder spätestens im Laufe des Prüfverfahrens auf eine für sie günstigere Kodierung hinzuweisen. Dies gelte erst recht, wenn - wie hier - Gegenstand der inzwischen abgeschlossenen Prüfung nicht die Kodierung, sondern die Verweildauer gewesen sei. Könne ein Krankenhaus eine korrekte Rechnungsstellung und gegebenenfalls nochmalige Überprüfung mit Einleitung eines Prüfverfahrens nicht sicherstellen, widerspräche es der Zielsetzung eines effektiven Prüfverfahrens und auch dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn das Krankenhaus dennoch jederzeit (zumindest bis Ende des folgenden Kalenderjahres) eine weitere Rechnung an die Krankenkasse stellen könnte. Dies würde zu einem erheblichen bürokratischen Aufwand bei allen Beteiligten führen und damit der Zielsetzung der PrüfvV diametral entgegenstehen. Aus der Rechtsprechung des BSG zur Frage der Verwirkung in Behandlungsfällen aus einer Zeit, in der noch keine PrüfvV existiert habe, könne bezüglich der Regelungen der PrüfvV nichts abgeleitet werden. Zudem zeige schon die Überschrift des § 7 PrüfvV "Durchführung der Prüfung", dass alle dort genannten Regelungen sich auf das laufende Prüfverfahren bezögen. Der Zeitpunkt, zu dem das Prüfverfahren beendet sei, sei schon vom Wortlaut her keine "Durchführung" eines Verfahrens mehr. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass es dem MDK hätte auffallen müssen, dass sie es versäumt habe, die Nebendiagnose T82.8 zu kodieren. Es sei Sache des Krankenhauses, den MDK innerhalb des Prüfverfahrens darauf hinzuweisen, wenn aus seiner Sicht über den Prüfanlass hinaus ein Anlass für eine Ausdehnung der Prüfung auf ursprünglich nicht erfragte Gesichtspunkte bestehe. Wenn diese Prüfung durch den MDK abgeschlossen sei, sei die Überprüfung des Falls insgesamt abgeschlossen. Weitere Korrekturen, Ergänzungen oder Nachkodierungen könnten dann durch das Krankenhaus nicht mehr vorgenommen werden. Dies ergebe sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015. Die Auslegungshinweise der Deutschen Krankenhausgesellschaft zur am 01.09.2014 in Kraft getretenen PrüfvV seien erst im Nachgang hierzu erstellt worden und könnten nichts daran ändern, dass sich die Parteien zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung darauf geeinigt hätten, dass Nachkodierungen nach Beendigung des MDK-Prüfverfahrens ausgeschlossen seien. Schließlich sei die Regelung eines Vergütungsausschlusses auch von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in § 17c Abs. 2 KHG umfasst. Die Vertragsparteien könnten danach insbesondere auch Regelungen über die Prüfungsdauer treffen. Eine solche Regelung über die Prüfungsdauer setze aber zwingend voraus, dass Fristen geregelt würden und dass diese auch mit einer eindeutigen Rechtsfolge, eben dem Vergütungsausschluss, verbunden seien.
Hingegen hat die Klägerseite mit Schriftsätzen vom 20.04.2018, 31.08.2018 und 13.03.2020 Folgendes erwidert: Die Beklagte lege an keiner Stelle dar, woraus sich ein Beschleunigungsgebot ergeben solle, welches einen gesetzlichen Vergütungsanspruch der Klägerin für erbrachte Krankenhausleistungen innerhalb der vom BSG entwickelten Grenzen ausschließe. Ein Vergütungsausschluss ergebe sich auch nicht aus den Regelungen der PrüfvV 2015 oder 2017. Der hier maßgebliche § 7 Abs. 5 PrüfvV enthalte Regelungen zur "Durchführung der Prüfung", also zu Modalitäten des Prüfverfahrens. An keiner Stelle der PrüfvV sei davon die Rede, dass ein Krankenhaus mit einer Rechnungskorrektur außerhalb eines MDK-Prüfverfahrens bzw. nach dessen Abschluss ausgeschlossen sei. Das BSG habe hervorgehoben, dass der Vergütungsanspruch der Krankenhäuser rechtsverbindlich geregelt sei, grundsätzlich der vierjährigen Verjährungsfrist unterliege und nur in besonderen Ausnahmekonstellationen darüber hinaus der Verwirkung unterliege. Dies sei nur dann der Fall, wenn ein Krankenhaus nach mehr als einem vollständigen Kalenderjahr nach dem Jahr der Rechnungsstellung eine Rechnungserhöhung vornehme und die Krankenkasse in eine unbeanstandete Endabrechnung ein Vertrauen entwickelt habe. Diese Konstellation liege hier nicht vor. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass die Vereinbarungsparteien keine konsentierten Umsetzungshinweise zu den Regelungen der PrüfvV 2015 herausgegeben hätten. Es gebe lediglich - in einigen Punkten divergierende - Umsetzungshinweise sowohl des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) als auch der DKG (Deutsche Krankenhausgesellschaft). Die DKG habe bereits in den 2014 veröffentlichten Umsetzungshinweisen darauf hingewiesen, dass es sich bei den Regelungen in § 7 nicht um Ausschlussfristen handele. Deshalb müsse sogar die Frage gestellt werden, ob die Vertragsparteien überhaupt eine Einigung erzielt hätten. Schließlich könne aus dem obiter dictum des BSG in seinem Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 33/18, wonach § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 PrüfvV eine materiell-rechtliche Ausschlussregelung enthalte, nicht der Schluss gezogen werden, dass dies auch für § 7 Abs. 5 PrüfvV gelte. § 7 Abs. 2 PrüfvV regele nämlich ausdrücklich, dass das Krankenhaus bei einem Fristversäumnis nur Anspruch auf das Unstreitige habe. Eine entsprechende Regelung fehle in § 7 Abs. 5 PrüfvV. Die Auffassung der Klägerin werde schließlich auch dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber durch das zum 01.01.2020 in Kraft getretene MDK-Reformgesetz ausdrücklich den Ausschluss von Rechnungskorrekturen in § 17c Abs. 2a KHG geregelt habe. Eine solche Regelung wäre unnötig, wenn die Vertragsparteien selbst dies hätten regeln dürfen und geregelt hätten.
Im Erörterungstermin am 08.06.2020 hat die Beklagte erklärt, dass, anders als früher geäußert, auch aus Sicht der Beklagten es zutreffend sei, dass als Nebendiagnose T82.8 zu kodieren sei, woraus sich die DRG F12A statt F12B ergebe.
Die Beteiligten haben im Erörterungstermin ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.12.2017, Az. S 6 KR 191/17, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2, § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Die von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis erhobene (echte) Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG ist zulässig (ständ. Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 6/16 R, m.w.N.) und begründet. Das SG Würzburg hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von weiteren 4.411,06 Euro zuzüglich Zinsen an die Klägerin aufgrund der korrigierten Rechnung vom 24.06.2015 verurteilt.
Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist.
Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für die Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b KHG. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Fallpauschalenvereinbarungen - FPV -) konkretisiert. Der GKV-Spitzenverband und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG mit der DKG als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG. Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die nach den aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen Vertragspartner eine FPV mit einem Fallpauschalenkatalog als Teil derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien - DKR -) vereinbart haben. DKR und FPV bilden den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folgt.
Maßgeblich für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die für den Tag der stationären Aufnahme, hier der 09.03.2015, geltenden Abrechnungsregelungen, namentlich die FPV 2015 einschließlich Anlagen (insbesondere Anlage 1 - Fallpauschalenkatalog gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 FPV -) und die DKR 2015.
Die Klägerin hat ihre zunächst auf die DRG F12B gestützte Rechnung mit neuer Rechnung vom 24.06.2015 dahingehend korrigiert, dass nunmehr unter Ansatz der DRG F12A für die stationäre Krankenhausbehandlung des B. W. ein Betrag von 15.257,59 Euro, d.h. 4.411,06 Euro mehr als ursprünglich, begehrt wurden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese nachträgliche Rechnungskorrektur zulässig.
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Klägerin aufgrund stationärer Behandlung des bei der Beklagten Versicherten B. W. zunächst ein Anspruch auf die Vergütung in Höhe von 10.846,53 Euro zustand. Streitig ist allein die Berechtigung der Klägerin zur Vergütungsnachforderung in Höhe von 4.411,06 Euro wegen nachträglicher Änderung der abgerechneten DRG (F12A statt F12B), was zur Überzeugung des Senats zu bejahen ist.
Dem Zahlungsanspruch steht weder der Einwand der Verwirkung (1.) noch ein Ausschluss der Nachforderung aufgrund von § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 (2.) entgegen.
1. Die nachträgliche Rechnungskorrektur verstößt nicht gegen den Rechtsgedanken von Treu und Glauben in Form der Verwirkung.
Die Zulässigkeit von Nachforderungen eines Krankenhauses wegen Behandlung eines Versicherten richtet sich mangels ausdrücklicher Regelung gemäß dem über § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkassen einwirkenden Rechtsgedanken des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nach Treu und Glauben in Gestalt der Verwirkung. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebiets das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Das Rechtsinstitut der Verwirkung findet als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung. Als ein Verwirkungsverhalten wertet das BSG regelmäßig die vorbehaltlose Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses. Eine Vertrauensgrundlage entsteht in der Regel im Anschluss hieran, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkasse (= Kalenderjahr, § 67 Abs. 1 SGB IV) geltend macht. Der Vertrauenstatbestand erwächst daraus, dass die Krankenkasse regelhaft darauf vertraut, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebt (BSG, Urteil vom 23.05.2017, B 1 KR 27/16 R).
Gemessen hieran hat die Klägerin die weitere Vergütung mit - nur wenige Monate nach der ursprünglichen Rechnung vom 10.04.2015 - korrigierter Rechnung vom 24.06.2015 rechtzeitig nachgefordert. Die Geltendmachung der streitigen Nachforderung war damit nicht wegen Verwirkung unzulässig.
2. Auch unter Berücksichtigung der für stationäre Krankenhausbehandlungen aus dem Jahr 2015 anwendbaren PrüfvV 2015 ist die Klägerin nicht gehindert, die streitige Forderung gegenüber der Beklagten geltend zu machen.
Vorliegend findet die PrüfvV 2015 Anwendung - die "Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V", die am 01.09.2014 in Kraft trat und für die Überprüfung bei Patienten galt, die ab 01.01.2015 in ein Krankenhaus aufgenommen wurden. Die nachfolgende Fassung (PrüfvV 2017) vom 03.02.2016 gilt nach deren § 13 Abs. 1 erst für die Überprüfung bei Patienten, die ab dem 01.01.2017 in ein Krankenhaus aufgenommen worden sind.
Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (a.F. - in der hier maßgeblichen Fassung des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011, BGBl. I, Seite 2983) sind die Krankenkassen verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen.
Nach § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG (a.F. - in der hier maßgeblichen Fassung des Psych-Entgeltgesetzes vom 21.07.2012, BGBl. I, Seite 1613) regeln der GKV-Spitzenverband und die DKG das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.); in der Vereinbarung sind abweichende Regelung zu § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V (a.F.) möglich. Dabei haben sie insbesondere Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, über das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des MDK, über den Zeitpunkt der Beauftragung des MDK, über die Prüfungsdauer, über den Prüfungsort und über die Abwicklung von Rückforderungen zu treffen, § 17c Abs. 2 Satz 2 KHG a.F.
Hierauf basierend einigten sich der GKV-Spitzenverband und die DKG auf die am 01.09.2014 in Kraft getretene PrüfvV 2015, die für die Überprüfung bei Patienten galt, die ab 01.01.2015 in ein Krankenhaus aufgenommen wurden.
Nach § 3 Satz 1 PrüfvV 2015 hat die Krankenkasse die von dem Krankenhaus übermittelten Leistungs- und Abrechnungsdaten im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen und Korrektheit deren Abrechnung näher zu prüfen und ggf. nach § 4 PrüfvV 2015 das Prüfverfahren einzuleiten. Dabei hat sie dem Krankenhaus die Auffälligkeiten innerhalb von sechs Wochen nach Eingang der übermittelten Daten und entsprechenden Krankenhausrechnung so konkret wie möglich mitzuteilen und hierzu mindestens die Art der Prüfung zu bestimmen (etwa Fehlbelegungsprüfung, Kodierprüfung oder Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen).
Sofern die Krankenkasse den MDK mit der Durchführung einer Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.) beauftragt, zeigt der MDK dem Krankenhaus die Einleitung der Prüfung einschließlich des Datums seiner Beauftragung unverzüglich an; in der Prüfanzeige sind die bei der Einleitung des Prüfverfahrens mitgeteilten Auffälligkeiten gegebenenfalls zu konkretisieren und zu ergänzen; eine Beschränkung der MDK-Prüfung auf den Prüfanlass besteht nicht; eine Erweiterung des Prüfanlasses ist dem Krankenhaus anzuzeigen, vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 bis 4 PrüfvV 2015.
§ 7 PrüfvV 2015 ("Durchführung der Prüfung") enthält nähere Regelungen, wo und wie die Prüfung im Einzelnen abzulaufen hat. Nach - dem vorliegend streitentscheidenden - § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 sind Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig möglich (Satz 1). Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens an die Krankenkasse erfolgen (Satz 2). Unabhängig hiervon kann das Krankenhaus bei Erweiterung des Prüfanlasses nach § 6 Abs. 3 Satz 4 eine einmalige Korrektur oder Ergänzung des Datensatzes innerhalb von fünf Monaten nach dieser Erweiterung vornehmen (Satz 3).
§ 7 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 PrüfvV 2015 schränkt die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur durch das Krankenhaus also doppelt ein: Es ist nur eine einmalige Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen möglich. Zudem muss der MDK diese nur dann in seine Prüfung einbeziehen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Verfahrens gegenüber der Krankenkasse erfolgen.
a) Rechtsetzungsbefugnis für materiell-rechtliche Ausschlussfrist?
Ob die Vertragsparteien der PrüfvV 2015 in § 7 Abs. 5 darüber hinaus einen generellen materiell-rechtlichen Ausschluss nachträglicher Rechnungskorrekturen - innerhalb der gesetzlich normierten vierjährigen Verjährungsfrist bzw. innerhalb des von der Rechtsprechung des BSG definierten Zeitraums des Einwendungsausschlusses der Verwirkung - regeln wollten und durften, ist fraglich. Die Rechtsetzungsbefugnis der Vertragspartner der PrüfvV beschränkte sich auf den in der Rechtsetzungsermächtigung des § 17c Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 KHG a.F. festgelegten Regelungsgegenstand, also auf "das Nähere zum Prüfverfahren" nach § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.). Deshalb wird zum Teil vertreten, dass auf der Grundlage des § 17c Abs. 2 KHG nur verfahrensrechtliche Regelungen zur Abrechnungsprüfung, nicht jedoch materiell-rechtliche Regelungen zum Vergütungsanspruch des Krankenhauses getroffen werden könnten (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2019, L 5 KR 1522/17; SG Dortmund, Urteil vom 05.05.2017, S 49 KR 580/16; offengelassen vom LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.08.2018, L 5 KR 155/18 NZB).
Allerdings hat das BSG im Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 33/18 R, in einem obiter dictum ausgeführt, dass zumindest § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 PrüfvV 2015 aufgrund hinreichender Ermächtigung durch § 17c Abs. 2 KHG mit der Vergütungsbegrenzung auf das Unstreitige eine wirksame materiell-rechtliche Ausschlussregelung enthalte. Ob dies gleichermaßen für § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 gilt, ist angesichts des unterschiedlichen Wortlauts (§ 7 Abs. 3 Satz 4: Beschränkung des Anspruchs auf den unstrittigen Rechnungsbetrag - § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2: Beschränkung der Korrektur- und Ergänzungsmöglichkeiten) fraglich (verneinend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2019, L 11 KR 1176/19).
b) Geltung der PrüfvV 2015 für Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit?
Nach der Rechtsprechung des BSG ist bzw. war bei Krankenhausabrechnungen zwischen Auffälligkeitsprüfungen und Prüfungen der materiell-rechtlichen Richtigkeit zu unterscheiden (z.B. BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 18/16 R). Der Anwendungsbereich des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V (a.F.) erfasste demnach nur Prüfbegehren, die mit Hilfe des MDK die Wirtschaftlichkeit der Behandlung kontrollieren sollen (d.h. Auffälligkeitsprüfungen). Die Gesetzesänderung zum 01.01.2016 durch Einfügung von Satz 4 in § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.), wonach nicht (mehr) zwischen Auffälligkeitsprüfungen und Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit zu unterscheiden ist, hat keine Rückwirkung (BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 18/16 R).
Die PrüfvV 2015 ist auf Grund der Ermächtigung des § 17c Abs. 2 KHG (a.F.) mit Wirkung zum 01.09.2014 in Kraft getreten (§ 12 Abs. 1 Satz 1 PrüfvV 2015). § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG (a.F.) ermächtigte die Vertragsparteien dazu, das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.) zu regeln. Welche Prüfgegenstände eine PrüfvV 2015 haben konnte, wurde somit durch § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.) vorgegeben (BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 18/16 R, und Urteil vom 23.05.2017, B 1 KR 24/16 R).
Ob die PrüfvV 2015 für (wie hier) vor Inkrafttreten des § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V (in der Fassung vom 10.12.2015) zum 01.01.2016 durchgeführte Prüfungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Krankenhausabrechnung (hier: Kodierung der DRG F12A oder F12B) überhaupt gilt, erscheint unter Beachtung der BSG-Rechtsprechung durchaus zweifelhaft (verneinend Hessisches LSG, Urteil vom 14.11.2019, L 8 KR 224/17, nicht veröffentlicht; offengelassen vom LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2019, L 5 KR 1522/17).
Der Senat lässt die unter a) und b) aufgeworfenen Fragen dahingestellt, weil § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 vorliegend jedenfalls aus weiteren Gründen der streitigen nachträglichen Rechnungskorrektur durch die Klägerin nicht entgegensteht.
c) Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015
§ 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 schließt schon nach seinem Wortlaut die nachträgliche Korrektur einer Krankenhausrechnung nicht aus. Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 muss der MDK eine einmalige Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur dann in seine Prüfung einbeziehen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens an die Krankenkasse erfolgt. Die Regelung wendet sich damit nur an den MDK und bestimmt, welche Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen er in seine Prüfung einzubeziehen hat. Konsequenzen für den Vergütungsanspruch regelt § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 jedoch gerade nicht (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2019, L 5 KR 1522/17: nur "formelle" Präklusion im laufenden Prüfverfahren des MDK; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.08.2018, L 5 KR 155/18 NZB), er steht damit einer nachträglichen Rechnungskorrektur im Abrechnungsverfahren, sei es aufgrund des Ergebnisses der MDK-Prüfung (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2019, L 11 KR 1176/19) oder bzgl. eines anderen, vom Prüfungsgegenstand nicht erfassten Sachverhalts (SG Reutlingen, Urteil vom 11.01.2017, S 1 KR 3109/15; siehe auch im Folgenden d)), nicht entgegen. Ein anderweitiger Regelungswille der Vertragspartner der PrüfvV 2015 lässt sich mit dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 nicht vereinbaren.
d) Sachliche Reichweite des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015
Weiter gelten die Regelungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 nur insofern, als überhaupt eine Prüfung durch den MDK erfolgt (ebenso Hessisches LSG, Urteil vom 14.11.2019, L 8 KR 224/17).
Wenn keine Prüfung einer Krankenhausabrechnung durch den MDK stattfindet, gilt die oben dargestellte Rechtsprechung des BSG zur Zulässigkeit einer nachträglichen Rechnungskorrektur (Verwirkung) auch unter Geltung der PrüfvV uneingeschränkt weiter. Erfolgt dagegen - wie hier - eine Prüfung durch den MDK, kann § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 die vom BSG aufgestellten Grundsätze zur nachträglichen Rechnungskorrektur nur insoweit modifizieren, als die Rechnungskorrektur den Gegenstand einer Abrechnungsprüfung durch den MDK betrifft. Bezieht sich also der Prüfanlass auf einen anderen Sachverhalt als die Rechnungskorrektur, ist eine Rechnungskorrektur gemäß der Rechtsprechung des BSG noch bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres zulässig. Die in § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 enthaltene Fünfmonatsfrist findet in diesen Fällen keine Anwendung.
Dies belegt bereits das Ineinandergreifen der Regelungen der PrüfvV 2015 zum Prüfverfahrensablauf. Bei Einleitung des Prüfverfahrens muss die Krankenkasse nach § 4 PrüfvV 2015 zumindest die Art bzw. den Umfang der Prüfung bestimmen und dies dem Krankenhaus mitteilen. In der Prüfanzeige des MDK gegenüber dem Krankenhaus sind die Auffälligkeiten gegebenenfalls zu konkretisieren und zu ergänzen, § 6 Abs. 3 Satz 2 PrüfvV 2015. Art und Umfang der Prüfung sind damit vorgegeben und der MDK hat im Folgenden entsprechend dem Prüfauftrag die Prüfung durchzuführen. (Nur) insofern sind Korrekturen und Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens möglich, § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Regelungen in § 6 Abs. 3 Satz 3 und 4 und § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV 2015. Danach ist eine Erweiterung des Prüfanlasses zulässig, jedoch dem Krankenhaus anzuzeigen. Es beginnt dann eine neue Fünfmonatsfrist zu laufen. Dies belegt, dass die Fünfmonatsfrist sich nur auf den jeweiligen Prüfanlass und damit auf die jeweils durchgeführte Art der Prüfung bezieht (insg. ebenso SG Reutlingen, Urteil vom 11.01.2017, S 1 KR 3109/15).
Vorliegend hat die Beklagte gegenüber der Klägerin in ihrem Schreiben vom 14.04.2015 als Art der Prüfung eine Fehlbelegungsprüfung bestimmt, weil die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer nicht plausibel sei. Dem Auftrag entsprechend befasste sich das MDK-Gutachten vom 11.06.2015 nur mit dieser Frage und kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die stationäre Verweildauer medizinisch plausibel und sachgerecht gewesen sei. Mit der Frage, ob die Krankenhausbehandlung des B. W. zutreffend kodiert worden war (DRG F12A oder F12B), hat sich das Gutachten des MDK aufgrund des konkret bestimmten Prüfauftrags ("Fehlbelegungsprüfung") nicht befasst.
Die Rechnungskorrektur der Klägerin vom 24.06.2015 beruhte demgegenüber auf einer von ihr festgestellten Fehlkodierung. Diese stand in keinem Zusammenhang mit der beim MDK in Auftrag gegebenen Fehlbelegungsprüfung, sondern betraf einen anderen Sachverhalt, sodass hierauf § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 keine Anwendung findet. Im Übrigen hat sich auch die Beklagte selbst zunächst nicht auf einen Ausschluss der Rechnungskorrektur vom 24.06.2015 nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2017 berufen, sondern den medizinischen Sachverhalt mit ihrer Beratungsärztin erneut bewertet (vgl. Schreiben der Beklagten vom 14.07.2015).
Unerheblich ist, dass der Rechnungskorrektur der Klägerin vom 24.06.2015 auch eine Datensatzkorrektur im Sinne von § 301 SGB V aufgrund der Änderung der Nebendiagnose (T82.8. statt T81.0) zugrunde lag. Denn für diese Korrektur außerhalb des Prüfungsgegenstands ist nach dem Vorgesagten bereits der Anwendungsbereich ist § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 nicht eröffnet.
Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass Sinn und Zweck der PrüfvV unter anderem die Beschleunigung des Prüfverfahrens ist. Hierzu sollte es nach den Gesetzesmaterialien den Vertragspartnern auf Bundesebene ermöglicht werden, die Zusammenarbeit der Krankenhäuser und Krankenkassen effektiver und konsensorientierter zu gestalten (BT-Drucks. 17/13947, Seite 38). Allerdings gilt dieses Beschleunigungsgebot, anders als die Beklagte meint, nur jeweils im Rahmen der konkret durchgeführten Prüfung, also innerhalb des jeweiligen Prüfauftrags. Anderweitige Korrekturen können bzw. konnten dagegen, wie dargelegt, innerhalb der von BSG gezogenen Grenzen der Verwirkung ohne die Einschränkungen des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 und damit auch außerhalb des MDK-Prüfverfahrens geltend gemacht werden.
Dies gilt jedenfalls unter der Anwendung der PrüfvV 2015 und 2017. Dagegen regelt § 17c Abs. 2a KHG in der Fassung des MKD-Reformgesetzes vom 14.12.2019 (BGBl. I, Seite 2789 ff.), dass nach Übermittlung der Abrechnung an die Krankenkasse eine Korrektur dieser Abrechnung durch das Krankenhaus ausgeschlossen ist, es sei denn, dass die Korrektur zur Umsetzung eines Prüfergebnisses des Medizinischen Dienstes oder eines rechtskräftigen Urteils erforderlich ist (Satz 1). Nach Abschluss einer Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erfolgen keine weiteren Prüfungen der Krankenhausabrechnung durch die Krankenkasse oder den Medizinischen Dienst (Satz 2). In der Vereinbarung nach § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG können von den Sätzen 1 und 2 abweichende Regelungen vorgesehen werden (Satz 3). (Allerdings finden nach der Übergangsvereinbarung vom 10.12.2019 zur PrüfvV 2017 vom 06.03.2016 u.a. die Regelungen zur Korrektur und Ergänzung von Datensätzen nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2017 auch aktuell weiterhin Anwendung.)
In der Gesetzesbegründung zu § 17c Abs. 2a KHG heißt es, die Krankenhäuser hätten bisher nach Rechnungsstellung, während einer Prüfung durch den Medizinischen Dienst sowie teilweise noch nach Einleitung eines Gerichtsverfahrens ihre Rechnung, zum Teil mehrfach, korrigiert, was eine effiziente und zügige Durchführung der Prüfverfahren und der Verfahren vor dem Sozialgericht erschwere. Zur Erleichterung und Beschleunigung dieser Verfahren würden deshalb Korrekturen von Krankenhausrechnungen durch § 17c Abs. 2a KHG grundsätzlich (abgesehen von den in Satz 1 Halbsatz 2 genannten Ausnahmen) ausgeschlossen (BT-Drucks. 19/13397, Seite 87). Eine solche Regelung wäre unnötig, wenn die Vertragsparteien der PrüfvV selbst dies bereits geregelt hätten.
Anders als § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 und 2017, wo es unter der Überschrift "Durchführung der Prüfung" um Korrekturen und Ergänzungen von "Datensätzen" - bzgl. des Prüfungsgegenstands (s.o.) - geht, schließt § 17c Abs. 2a KHG nunmehr grundsätzlich die Korrektur der "Rechnung" insgesamt aus. Der Gesetzesbegründung kann zudem nur entnommen werden, dass die bisherigen nachträglichen Rechnungskorrekturen als ineffizient und einem zügigen Verfahren nicht zuträglich erachtet wurden, nicht jedoch, dass der Gesetzgeber dies als bislang unzulässig erachtet hätte.
e) Zeitliche Reichweite des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015
Selbst wenn man ungeachtet der obigen Ausführungen § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 auf die streitgegenständliche Rechnungskorrektur anwenden würde, durfte die Klägerin ihre Rechnung vom 10.04.2015 mit neuer Rechnung vom 24.06.2015 korrigieren. Die Korrektur erfolgte vorliegend unstreitig innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens im April 2015.
Die PrüfvV vom 03.02.2016, in Kraft getreten am 01.01.2017, sieht in § 7 Abs. 5 Satz 3 (erstmals) vor, dass bei Beendigung der Begutachtung vor Ablauf der Fünfmonatsfrist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich ist. Eine entsprechende Auslegung der bis zum 31.12.2016 geltenden Regelungen der PrüfvV 2015 kommt nicht in Betracht, sie findet im Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 keine Grundlage. Wie das SG Würzburg zutreffend ausgeführt hat, lag bis Ende 2016 eben keine Regelung dergestalt vor, dass die Fünfmonatsfrist nur gelten sollte, solange der MDK noch mit der Prüfung befasst war (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.02.2018, L 16 KR 445/17 NZB; SG Reutlingen, Urteil vom 11.01.2017, S 1 KR 3109/15; SG Landshut, Urteil vom 26.06.2019, S 6 KR 151/17; ebenso: Umsetzungshinweise der DKG zur Anwendung der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) gemäß § 17c Abs. 2 KHG, Das Krankenhaus 2014, Seite 950; anders dagegen: Hinweise des GKV-Spitzenverbandes zur Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) gemäß § 17c Abs. 2 KHG (Stand 05.11.2014), Seite 14, 15). Dafür, dass § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV 2017 Rückwirkung für bereits abgeschlossene Behandlungsfälle zukäme, ist nichts ersichtlich.
Insgesamt durfte deshalb die Klägerin die ursprüngliche Rechnung durch die korrigierte Rechnung vom 24.06.2015 ersetzen, weil auch § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 dieser Korrektur nicht entgegensteht.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig (vgl. Erklärung der Beklagten im Erörterungstermin am 08.06.2020), dass als Nebendiagnose T82.8 zu kodieren war, woraus sich die DRG F12A statt F12B ergibt. Weitergehende Einwände gegen die Höhe der korrigierten Rechnung vom 24.06.2015 wurden von der Beklagten nicht erhoben und sind auch ansonsten nicht ersichtlich.
Damit hat die Klägerin einen Anspruch auf die streitige Vergütungsnachzahlung in Höhe von 4.411,06 Euro.
Die Klägerin hat auch Anspruch auf Verzugszinsen im Umfang der beantragten und vom SG zuerkannten Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.07.2015 auf den nicht erfüllten Vergütungsanspruch gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 2 der für die Klägerin maßgeblichen Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2015. Die dispositive gesetzliche Zinsregelung des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) wird hier durch die vorrangige vertragliche Vereinbarung der Pflegesatzvereinbarung verdrängt (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2009, B 1 KR 8/09 R).
Die Berufung der Beklagten ist somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3, § 43 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren.
III. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.411,06 Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung und hierbei insbesondere um die Frage, ob § 7 Abs. 5 der zum 01.09.2014 in Kraft getretenen und für Krankenhausbehandlungen ab 01.01.2015 geltenden Prüfverfahrensvereinbarung (im Folgenden: PrüfvV 2015) einer Nachforderung entgegensteht.
Die Klägerin ist Trägerin eines zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassenen Krankenhauses (§ 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -), in dem vom 09.03.2015 bis zum 28.03.2015 der bei der Beklagten Versicherte B. W. behandelt wurde.
Mit Rechnung vom 10.04.2015 (Fakturadatum 31.03.2015) stellte die Klägerin der Beklagten für die Krankenhausbehandlung des Versicherten eine Vergütung in Höhe von 10.846,53 Euro in Rechnung.
Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Bayern mit einer Prüfung. Die Fragestellung des Prüfauftrags lautete: "War die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer medizinisch begründet? Fehlbelegungsprüfung: Die Überschreitung der OGVD (prä- und postoperative VWD) ist im Behandlungsfall nicht plausibel. Keine Notfallaufnahme." Mit Schreiben vom 14.04.2015 teilte die Beklagte der Klägerin die Einleitung eines Prüfverfahrens gemäß § 4 PrüfvV 2015 unter Wiedergabe des Prüfauftrags an den MDK mit.
Am 10.06.2015 nahm der MDK die Prüfung unter Einsicht in die Behandlungsakte vor. In seinem Gutachten vom 11.06.2015 erklärte der MDK, dass die stationäre Verweildauer medizinisch plausibel und sachgerecht gewesen sei. Mit Schreiben vom 18.06.2015 informierte die Beklagte die Klägerin, dass laut MDK die Abrechnung für den stationären Aufenthalt des B. W. ab 09.03.2015 korrekt erfolgt sei. Das Prüfverfahren sei abgeschlossen.
Nachdem die Klägerin bei der zeitgleichen hausinternen Prüfung festgestellt hatte, dass als Nebendiagnose T82.8 (Sonstige näher bezeichnete Komplikationen durch Prothesen, Implantate oder Transplantate im Herzen und in den Gefäßen) und nicht T81.0 (Blutung und Hämatom als Komplikation des Eingriffs, anderenorts nicht klassifiziert) zu kodieren sei, woraus sich die DRG (Diagnosis Related Group) F12A und nicht F12B ergebe, nahm sie eine Korrektur der Entlass- und Rechnungsdatensätze vor. Die Endabrechnung wurde per Datenträgeraustausch am 24.06.2015 an die Beklagte übermittelt. Sie wies nunmehr einen Rechnungsbetrag von 15.257,59 EUR aus.
Hierauf erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 14.07.2015, man habe den medizinischen Sachverhalt mit der Beratungsärztin nochmals intern bewertet und komme zu dem Ergebnis, dass keine Aspekte vorlägen, die die Nachkodierung der Nebendiagnose T82.8 und somit die Abrechnung der DRG F12A rechtfertigten. Die Blutung sei sachgerecht mit T81.0 kodiert worden. Weitere Komplikationen seien aus dem MDK-Gutachten vom 11.06.2015 nicht abzuleiten. Sollte die Klägerin eine andere Meinung vertreten, werde um eine begründete Stellungnahme gebeten.
Die Klägerin informierte die Beklagte per E-Mail (die sich nicht in den Akten befindet), dass eine Änderung der Nebendiagnose T81.0 in die Nebendiagnose T82.8 habe vorgenommen werden müssen. Zur weiteren inhaltlichen medizinischen Prüfung möge die Beklagte eine Stellungnahme beim MDK einholen.
Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 07.08.2015, dass in dem Behandlungsfall am 11.06.2015 ein Gutachten durch den MDK erstellt worden sei mit dem Ergebnis, dass die in Rechnung gestellte DRG F12B mit vier Zuschlägen korrekt abgerechnet worden sei. Ein sich hieran anschließendes Widerspruchsverfahren sei nach der PrüfvV grundsätzlich nicht vorgesehen. Daher sei auch eine erneute Beauftragung des MDK nicht möglich. Man habe die berichtigte Rechnung per Datenträgeraustausch zurückgesandt.
Mit Schreiben vom 27.08.2015 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen der Zahlung des noch offenen Betrags von 4.411,06 Euro (= 15.257,59 Euro abzgl. 10.846,53 Euro).
Mit Schreiben vom 04.09.2015 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte. Nach § 7 Abs. 5 PrüfvV sei eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen durchaus möglich. Vorliegend sei die Einleitung des Prüfverfahrens am 16.04.2015 erfolgt. Die Möglichkeit einer Korrektur habe somit bis zum 16.09.2015 bestanden. Tatsächlich sei die Korrektur durch die Klägerin am 24.06.2015 erfolgt.
Die Beklagte blieb in ihrer Antwort vom 05.10.2015 dabei, dass aufgrund der bereits erfolgten MDK-Prüfung am 10.06.2015 (Datum der Begehung/Begutachtung) eine Berücksichtigung der korrigierten Daten gemäß § 7 Abs. 5 PrüfvV nicht mehr möglich gewesen sei.
Am 04.05.2017 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben und zur Begründung vorgetragen, tatsächlich hätte als Nebendiagnose T82.8 kodiert werden müssen. Daraus ergebe sich die DRG F12A. Die Geltendmachung sei nicht ausgeschlossen. Für einen Vergütungsanspruch gelte grundsätzlich eine vierjährige Verjährungsfrist. Verwirkung sei nicht eingetreten. Auch die Regelungen der PrüfvV schlössen eine spätere Rechnungskorrektur nicht aus. § 7 Abs. 5 PrüfvV regele lediglich, dass Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur dann in die Prüfung einzubeziehen seien, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens erfolgten. Ein Vergütungsausschluss sei damit nicht verbunden. Anders als die Beklagte meine, schließe die PrüfvV auch keine Zweitbegutachtung aus. Zudem habe die Beklagte selbst eine Prüfung durch die Beratungsärztin vorgenommen und sich offensichtlich mit dem Fall und der Korrektur bereits befasst.
Demgegenüber hat die Beklagte erwidert, eine Nachkodierung sei grundsätzlich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben möglich, soweit nicht gesetzeskonformes Vertragsrecht entgegenstehe. Dies sei vorliegend durch die PrüfvV der Fall. Die Korrektur sei erst nach Abschluss des MDK-Prüfverfahrens erfolgt. Ein Krankenhaus habe nicht nur die Pflicht zur peinlich genauen bzw. ordnungsgemäßen Abrechnung, sondern auch die Pflicht, den Fall im Rahmen eines eingeleiteten Prüfverfahrens abschließend zu behandeln. In der PrüfvV 2017 vom 03.02.2016 sei nunmehr klarstellend in § 7 Abs. 5 Satz 3 aufgenommen worden, dass eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich sei.
Das SG Würzburg hat mit Urteil vom 05.12.2017 der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 4.411,06 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18.07.2015 zu zahlen. Die Geltendmachung der Nachforderung sei nicht verwirkt. Erteile ein Krankenhaus einer Krankenkasse vorbehaltlos eine plausible Schlussrechnung für die Behandlung eines Versicherten, sei eine Forderung weiterer Vergütung bis zum Ablauf des folgenden vollen Kalenderjahrs regelmäßig nicht verwirkt (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.07.2016, B 1 KR 40/15 R). Aus § 17c Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und der PrüfvV ergebe sich nichts anderes, insbesondere sei ein Ausschluss nicht aus § 7 Abs. 5 PrüfvV ableitbar. Denn in der vorliegend einschlägigen Prüfverfahrensvereinbarung, die bis 31.12.2016 gegolten habe, sei ein derartiger Ausschluss nicht geregelt. Die entsprechende Änderung finde sich vielmehr erst in der PrüfvV vom 03.02.2016, die für Behandlungen ab 01.01.2017 gelte. Erst dort sei der Zusatz, dass Korrekturen und Ergänzungen von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich seien, enthalten. Eine derartige Regelung habe in der früheren Fassung der PrüfvV nicht existiert. Auch sei nichts dafür ersichtlich, dass die Ergänzung in § 7 Abs. 5 PrüfvV 2017 - wie die Beklagte meine - nur deklaratorisch erfolgt sei.
Gegen das ihr am 27.12.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.01.2018 (Montag) Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen (Schriftsätze vom 06.03.2018, 28.06.2018 und 10.12.2018): Es ergebe sich bereits aus dem Beschleunigungsgrundsatz, dass eine Nachkodierung, wie sie vorliegend von der Klägerin vorgenommen worden sei, nach dem Zeitpunkt, zu dem das Prüfverfahren abgeschlossen worden sei, nicht zulässig sei. Dies gelte auch schon für die Zeit vor Inkrafttreten der neuen PrüfvV vom 03.02.2016. Die mit Geltung ab dem 01.01.2017 ausdrücklich in die PrüfvV aufgenommene Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 3, nämlich dass eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis spätestens zum Ende der Begutachtung durch den MDK zulässig sei, stelle insoweit nur noch einmal klar, was aufgrund des Beschleunigungsgebots bereits vor dem 01.01.2017 gegolten habe. Entsprechend der höchstrichterlich in ständiger Rechtsprechung anerkannten Pflicht der Vertragsärzte zur peinlich genauen Abrechnung seien auch Krankenhäuser zur stets korrekten Leistungsabrechnung verpflichtet. Da bei der Honorierung die Angaben der Leistungserbringer grundsätzlich als zutreffend zugrunde gelegt würden, müsse man auf deren Richtigkeit vertrauen können. Schon aus der Begründung zur Schaffung der Rechtsgrundlage in § 17c Abs. 2 KHG durch das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013 (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu Art. 5c Nr. 2c, vgl. BT-Drucks. 17/13947 Seite 37 f.) ergebe sich, dass die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene beauftragt worden seien, die Zusammenarbeit der Krankenhäuser und Krankenkassen effektiver und konsensorientierter zu gestalten und insbesondere Vereinbarungen zum Zeitpunkt der vollständigen Vorlage zahlungsbegründender Unterlagen bei den Krankenkassen zu treffen. Die Verantwortung dafür, der Beklagten von vornherein die Möglichkeit zu geben, den Fall unter allen für die Abrechnung in Betracht kommenden Gesichtspunkte zu prüfen, liege allein beim Krankenhaus. Es sei also an der Klägerin, gleich bei der Rechnungsstellung oder spätestens im Laufe des Prüfverfahrens auf eine für sie günstigere Kodierung hinzuweisen. Dies gelte erst recht, wenn - wie hier - Gegenstand der inzwischen abgeschlossenen Prüfung nicht die Kodierung, sondern die Verweildauer gewesen sei. Könne ein Krankenhaus eine korrekte Rechnungsstellung und gegebenenfalls nochmalige Überprüfung mit Einleitung eines Prüfverfahrens nicht sicherstellen, widerspräche es der Zielsetzung eines effektiven Prüfverfahrens und auch dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn das Krankenhaus dennoch jederzeit (zumindest bis Ende des folgenden Kalenderjahres) eine weitere Rechnung an die Krankenkasse stellen könnte. Dies würde zu einem erheblichen bürokratischen Aufwand bei allen Beteiligten führen und damit der Zielsetzung der PrüfvV diametral entgegenstehen. Aus der Rechtsprechung des BSG zur Frage der Verwirkung in Behandlungsfällen aus einer Zeit, in der noch keine PrüfvV existiert habe, könne bezüglich der Regelungen der PrüfvV nichts abgeleitet werden. Zudem zeige schon die Überschrift des § 7 PrüfvV "Durchführung der Prüfung", dass alle dort genannten Regelungen sich auf das laufende Prüfverfahren bezögen. Der Zeitpunkt, zu dem das Prüfverfahren beendet sei, sei schon vom Wortlaut her keine "Durchführung" eines Verfahrens mehr. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass es dem MDK hätte auffallen müssen, dass sie es versäumt habe, die Nebendiagnose T82.8 zu kodieren. Es sei Sache des Krankenhauses, den MDK innerhalb des Prüfverfahrens darauf hinzuweisen, wenn aus seiner Sicht über den Prüfanlass hinaus ein Anlass für eine Ausdehnung der Prüfung auf ursprünglich nicht erfragte Gesichtspunkte bestehe. Wenn diese Prüfung durch den MDK abgeschlossen sei, sei die Überprüfung des Falls insgesamt abgeschlossen. Weitere Korrekturen, Ergänzungen oder Nachkodierungen könnten dann durch das Krankenhaus nicht mehr vorgenommen werden. Dies ergebe sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015. Die Auslegungshinweise der Deutschen Krankenhausgesellschaft zur am 01.09.2014 in Kraft getretenen PrüfvV seien erst im Nachgang hierzu erstellt worden und könnten nichts daran ändern, dass sich die Parteien zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung darauf geeinigt hätten, dass Nachkodierungen nach Beendigung des MDK-Prüfverfahrens ausgeschlossen seien. Schließlich sei die Regelung eines Vergütungsausschlusses auch von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in § 17c Abs. 2 KHG umfasst. Die Vertragsparteien könnten danach insbesondere auch Regelungen über die Prüfungsdauer treffen. Eine solche Regelung über die Prüfungsdauer setze aber zwingend voraus, dass Fristen geregelt würden und dass diese auch mit einer eindeutigen Rechtsfolge, eben dem Vergütungsausschluss, verbunden seien.
Hingegen hat die Klägerseite mit Schriftsätzen vom 20.04.2018, 31.08.2018 und 13.03.2020 Folgendes erwidert: Die Beklagte lege an keiner Stelle dar, woraus sich ein Beschleunigungsgebot ergeben solle, welches einen gesetzlichen Vergütungsanspruch der Klägerin für erbrachte Krankenhausleistungen innerhalb der vom BSG entwickelten Grenzen ausschließe. Ein Vergütungsausschluss ergebe sich auch nicht aus den Regelungen der PrüfvV 2015 oder 2017. Der hier maßgebliche § 7 Abs. 5 PrüfvV enthalte Regelungen zur "Durchführung der Prüfung", also zu Modalitäten des Prüfverfahrens. An keiner Stelle der PrüfvV sei davon die Rede, dass ein Krankenhaus mit einer Rechnungskorrektur außerhalb eines MDK-Prüfverfahrens bzw. nach dessen Abschluss ausgeschlossen sei. Das BSG habe hervorgehoben, dass der Vergütungsanspruch der Krankenhäuser rechtsverbindlich geregelt sei, grundsätzlich der vierjährigen Verjährungsfrist unterliege und nur in besonderen Ausnahmekonstellationen darüber hinaus der Verwirkung unterliege. Dies sei nur dann der Fall, wenn ein Krankenhaus nach mehr als einem vollständigen Kalenderjahr nach dem Jahr der Rechnungsstellung eine Rechnungserhöhung vornehme und die Krankenkasse in eine unbeanstandete Endabrechnung ein Vertrauen entwickelt habe. Diese Konstellation liege hier nicht vor. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass die Vereinbarungsparteien keine konsentierten Umsetzungshinweise zu den Regelungen der PrüfvV 2015 herausgegeben hätten. Es gebe lediglich - in einigen Punkten divergierende - Umsetzungshinweise sowohl des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) als auch der DKG (Deutsche Krankenhausgesellschaft). Die DKG habe bereits in den 2014 veröffentlichten Umsetzungshinweisen darauf hingewiesen, dass es sich bei den Regelungen in § 7 nicht um Ausschlussfristen handele. Deshalb müsse sogar die Frage gestellt werden, ob die Vertragsparteien überhaupt eine Einigung erzielt hätten. Schließlich könne aus dem obiter dictum des BSG in seinem Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 33/18, wonach § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 PrüfvV eine materiell-rechtliche Ausschlussregelung enthalte, nicht der Schluss gezogen werden, dass dies auch für § 7 Abs. 5 PrüfvV gelte. § 7 Abs. 2 PrüfvV regele nämlich ausdrücklich, dass das Krankenhaus bei einem Fristversäumnis nur Anspruch auf das Unstreitige habe. Eine entsprechende Regelung fehle in § 7 Abs. 5 PrüfvV. Die Auffassung der Klägerin werde schließlich auch dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber durch das zum 01.01.2020 in Kraft getretene MDK-Reformgesetz ausdrücklich den Ausschluss von Rechnungskorrekturen in § 17c Abs. 2a KHG geregelt habe. Eine solche Regelung wäre unnötig, wenn die Vertragsparteien selbst dies hätten regeln dürfen und geregelt hätten.
Im Erörterungstermin am 08.06.2020 hat die Beklagte erklärt, dass, anders als früher geäußert, auch aus Sicht der Beklagten es zutreffend sei, dass als Nebendiagnose T82.8 zu kodieren sei, woraus sich die DRG F12A statt F12B ergebe.
Die Beteiligten haben im Erörterungstermin ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.12.2017, Az. S 6 KR 191/17, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2, § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Die von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis erhobene (echte) Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG ist zulässig (ständ. Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 6/16 R, m.w.N.) und begründet. Das SG Würzburg hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von weiteren 4.411,06 Euro zuzüglich Zinsen an die Klägerin aufgrund der korrigierten Rechnung vom 24.06.2015 verurteilt.
Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist.
Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für die Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b KHG. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Fallpauschalenvereinbarungen - FPV -) konkretisiert. Der GKV-Spitzenverband und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG mit der DKG als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG. Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die nach den aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen Vertragspartner eine FPV mit einem Fallpauschalenkatalog als Teil derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien - DKR -) vereinbart haben. DKR und FPV bilden den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folgt.
Maßgeblich für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die für den Tag der stationären Aufnahme, hier der 09.03.2015, geltenden Abrechnungsregelungen, namentlich die FPV 2015 einschließlich Anlagen (insbesondere Anlage 1 - Fallpauschalenkatalog gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 FPV -) und die DKR 2015.
Die Klägerin hat ihre zunächst auf die DRG F12B gestützte Rechnung mit neuer Rechnung vom 24.06.2015 dahingehend korrigiert, dass nunmehr unter Ansatz der DRG F12A für die stationäre Krankenhausbehandlung des B. W. ein Betrag von 15.257,59 Euro, d.h. 4.411,06 Euro mehr als ursprünglich, begehrt wurden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese nachträgliche Rechnungskorrektur zulässig.
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Klägerin aufgrund stationärer Behandlung des bei der Beklagten Versicherten B. W. zunächst ein Anspruch auf die Vergütung in Höhe von 10.846,53 Euro zustand. Streitig ist allein die Berechtigung der Klägerin zur Vergütungsnachforderung in Höhe von 4.411,06 Euro wegen nachträglicher Änderung der abgerechneten DRG (F12A statt F12B), was zur Überzeugung des Senats zu bejahen ist.
Dem Zahlungsanspruch steht weder der Einwand der Verwirkung (1.) noch ein Ausschluss der Nachforderung aufgrund von § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 (2.) entgegen.
1. Die nachträgliche Rechnungskorrektur verstößt nicht gegen den Rechtsgedanken von Treu und Glauben in Form der Verwirkung.
Die Zulässigkeit von Nachforderungen eines Krankenhauses wegen Behandlung eines Versicherten richtet sich mangels ausdrücklicher Regelung gemäß dem über § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkassen einwirkenden Rechtsgedanken des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nach Treu und Glauben in Gestalt der Verwirkung. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebiets das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Das Rechtsinstitut der Verwirkung findet als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung. Als ein Verwirkungsverhalten wertet das BSG regelmäßig die vorbehaltlose Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses. Eine Vertrauensgrundlage entsteht in der Regel im Anschluss hieran, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkasse (= Kalenderjahr, § 67 Abs. 1 SGB IV) geltend macht. Der Vertrauenstatbestand erwächst daraus, dass die Krankenkasse regelhaft darauf vertraut, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebt (BSG, Urteil vom 23.05.2017, B 1 KR 27/16 R).
Gemessen hieran hat die Klägerin die weitere Vergütung mit - nur wenige Monate nach der ursprünglichen Rechnung vom 10.04.2015 - korrigierter Rechnung vom 24.06.2015 rechtzeitig nachgefordert. Die Geltendmachung der streitigen Nachforderung war damit nicht wegen Verwirkung unzulässig.
2. Auch unter Berücksichtigung der für stationäre Krankenhausbehandlungen aus dem Jahr 2015 anwendbaren PrüfvV 2015 ist die Klägerin nicht gehindert, die streitige Forderung gegenüber der Beklagten geltend zu machen.
Vorliegend findet die PrüfvV 2015 Anwendung - die "Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V", die am 01.09.2014 in Kraft trat und für die Überprüfung bei Patienten galt, die ab 01.01.2015 in ein Krankenhaus aufgenommen wurden. Die nachfolgende Fassung (PrüfvV 2017) vom 03.02.2016 gilt nach deren § 13 Abs. 1 erst für die Überprüfung bei Patienten, die ab dem 01.01.2017 in ein Krankenhaus aufgenommen worden sind.
Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (a.F. - in der hier maßgeblichen Fassung des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011, BGBl. I, Seite 2983) sind die Krankenkassen verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen.
Nach § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG (a.F. - in der hier maßgeblichen Fassung des Psych-Entgeltgesetzes vom 21.07.2012, BGBl. I, Seite 1613) regeln der GKV-Spitzenverband und die DKG das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.); in der Vereinbarung sind abweichende Regelung zu § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V (a.F.) möglich. Dabei haben sie insbesondere Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, über das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des MDK, über den Zeitpunkt der Beauftragung des MDK, über die Prüfungsdauer, über den Prüfungsort und über die Abwicklung von Rückforderungen zu treffen, § 17c Abs. 2 Satz 2 KHG a.F.
Hierauf basierend einigten sich der GKV-Spitzenverband und die DKG auf die am 01.09.2014 in Kraft getretene PrüfvV 2015, die für die Überprüfung bei Patienten galt, die ab 01.01.2015 in ein Krankenhaus aufgenommen wurden.
Nach § 3 Satz 1 PrüfvV 2015 hat die Krankenkasse die von dem Krankenhaus übermittelten Leistungs- und Abrechnungsdaten im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen und Korrektheit deren Abrechnung näher zu prüfen und ggf. nach § 4 PrüfvV 2015 das Prüfverfahren einzuleiten. Dabei hat sie dem Krankenhaus die Auffälligkeiten innerhalb von sechs Wochen nach Eingang der übermittelten Daten und entsprechenden Krankenhausrechnung so konkret wie möglich mitzuteilen und hierzu mindestens die Art der Prüfung zu bestimmen (etwa Fehlbelegungsprüfung, Kodierprüfung oder Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen).
Sofern die Krankenkasse den MDK mit der Durchführung einer Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.) beauftragt, zeigt der MDK dem Krankenhaus die Einleitung der Prüfung einschließlich des Datums seiner Beauftragung unverzüglich an; in der Prüfanzeige sind die bei der Einleitung des Prüfverfahrens mitgeteilten Auffälligkeiten gegebenenfalls zu konkretisieren und zu ergänzen; eine Beschränkung der MDK-Prüfung auf den Prüfanlass besteht nicht; eine Erweiterung des Prüfanlasses ist dem Krankenhaus anzuzeigen, vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 bis 4 PrüfvV 2015.
§ 7 PrüfvV 2015 ("Durchführung der Prüfung") enthält nähere Regelungen, wo und wie die Prüfung im Einzelnen abzulaufen hat. Nach - dem vorliegend streitentscheidenden - § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 sind Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig möglich (Satz 1). Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens an die Krankenkasse erfolgen (Satz 2). Unabhängig hiervon kann das Krankenhaus bei Erweiterung des Prüfanlasses nach § 6 Abs. 3 Satz 4 eine einmalige Korrektur oder Ergänzung des Datensatzes innerhalb von fünf Monaten nach dieser Erweiterung vornehmen (Satz 3).
§ 7 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 PrüfvV 2015 schränkt die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur durch das Krankenhaus also doppelt ein: Es ist nur eine einmalige Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen möglich. Zudem muss der MDK diese nur dann in seine Prüfung einbeziehen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Verfahrens gegenüber der Krankenkasse erfolgen.
a) Rechtsetzungsbefugnis für materiell-rechtliche Ausschlussfrist?
Ob die Vertragsparteien der PrüfvV 2015 in § 7 Abs. 5 darüber hinaus einen generellen materiell-rechtlichen Ausschluss nachträglicher Rechnungskorrekturen - innerhalb der gesetzlich normierten vierjährigen Verjährungsfrist bzw. innerhalb des von der Rechtsprechung des BSG definierten Zeitraums des Einwendungsausschlusses der Verwirkung - regeln wollten und durften, ist fraglich. Die Rechtsetzungsbefugnis der Vertragspartner der PrüfvV beschränkte sich auf den in der Rechtsetzungsermächtigung des § 17c Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 KHG a.F. festgelegten Regelungsgegenstand, also auf "das Nähere zum Prüfverfahren" nach § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.). Deshalb wird zum Teil vertreten, dass auf der Grundlage des § 17c Abs. 2 KHG nur verfahrensrechtliche Regelungen zur Abrechnungsprüfung, nicht jedoch materiell-rechtliche Regelungen zum Vergütungsanspruch des Krankenhauses getroffen werden könnten (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2019, L 5 KR 1522/17; SG Dortmund, Urteil vom 05.05.2017, S 49 KR 580/16; offengelassen vom LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.08.2018, L 5 KR 155/18 NZB).
Allerdings hat das BSG im Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 33/18 R, in einem obiter dictum ausgeführt, dass zumindest § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 PrüfvV 2015 aufgrund hinreichender Ermächtigung durch § 17c Abs. 2 KHG mit der Vergütungsbegrenzung auf das Unstreitige eine wirksame materiell-rechtliche Ausschlussregelung enthalte. Ob dies gleichermaßen für § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 gilt, ist angesichts des unterschiedlichen Wortlauts (§ 7 Abs. 3 Satz 4: Beschränkung des Anspruchs auf den unstrittigen Rechnungsbetrag - § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2: Beschränkung der Korrektur- und Ergänzungsmöglichkeiten) fraglich (verneinend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2019, L 11 KR 1176/19).
b) Geltung der PrüfvV 2015 für Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit?
Nach der Rechtsprechung des BSG ist bzw. war bei Krankenhausabrechnungen zwischen Auffälligkeitsprüfungen und Prüfungen der materiell-rechtlichen Richtigkeit zu unterscheiden (z.B. BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 18/16 R). Der Anwendungsbereich des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V (a.F.) erfasste demnach nur Prüfbegehren, die mit Hilfe des MDK die Wirtschaftlichkeit der Behandlung kontrollieren sollen (d.h. Auffälligkeitsprüfungen). Die Gesetzesänderung zum 01.01.2016 durch Einfügung von Satz 4 in § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.), wonach nicht (mehr) zwischen Auffälligkeitsprüfungen und Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit zu unterscheiden ist, hat keine Rückwirkung (BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 18/16 R).
Die PrüfvV 2015 ist auf Grund der Ermächtigung des § 17c Abs. 2 KHG (a.F.) mit Wirkung zum 01.09.2014 in Kraft getreten (§ 12 Abs. 1 Satz 1 PrüfvV 2015). § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG (a.F.) ermächtigte die Vertragsparteien dazu, das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.) zu regeln. Welche Prüfgegenstände eine PrüfvV 2015 haben konnte, wurde somit durch § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.) vorgegeben (BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 18/16 R, und Urteil vom 23.05.2017, B 1 KR 24/16 R).
Ob die PrüfvV 2015 für (wie hier) vor Inkrafttreten des § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V (in der Fassung vom 10.12.2015) zum 01.01.2016 durchgeführte Prüfungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Krankenhausabrechnung (hier: Kodierung der DRG F12A oder F12B) überhaupt gilt, erscheint unter Beachtung der BSG-Rechtsprechung durchaus zweifelhaft (verneinend Hessisches LSG, Urteil vom 14.11.2019, L 8 KR 224/17, nicht veröffentlicht; offengelassen vom LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2019, L 5 KR 1522/17).
Der Senat lässt die unter a) und b) aufgeworfenen Fragen dahingestellt, weil § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 vorliegend jedenfalls aus weiteren Gründen der streitigen nachträglichen Rechnungskorrektur durch die Klägerin nicht entgegensteht.
c) Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015
§ 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 schließt schon nach seinem Wortlaut die nachträgliche Korrektur einer Krankenhausrechnung nicht aus. Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 muss der MDK eine einmalige Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur dann in seine Prüfung einbeziehen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens an die Krankenkasse erfolgt. Die Regelung wendet sich damit nur an den MDK und bestimmt, welche Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen er in seine Prüfung einzubeziehen hat. Konsequenzen für den Vergütungsanspruch regelt § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 jedoch gerade nicht (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2019, L 5 KR 1522/17: nur "formelle" Präklusion im laufenden Prüfverfahren des MDK; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.08.2018, L 5 KR 155/18 NZB), er steht damit einer nachträglichen Rechnungskorrektur im Abrechnungsverfahren, sei es aufgrund des Ergebnisses der MDK-Prüfung (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2019, L 11 KR 1176/19) oder bzgl. eines anderen, vom Prüfungsgegenstand nicht erfassten Sachverhalts (SG Reutlingen, Urteil vom 11.01.2017, S 1 KR 3109/15; siehe auch im Folgenden d)), nicht entgegen. Ein anderweitiger Regelungswille der Vertragspartner der PrüfvV 2015 lässt sich mit dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 nicht vereinbaren.
d) Sachliche Reichweite des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015
Weiter gelten die Regelungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 nur insofern, als überhaupt eine Prüfung durch den MDK erfolgt (ebenso Hessisches LSG, Urteil vom 14.11.2019, L 8 KR 224/17).
Wenn keine Prüfung einer Krankenhausabrechnung durch den MDK stattfindet, gilt die oben dargestellte Rechtsprechung des BSG zur Zulässigkeit einer nachträglichen Rechnungskorrektur (Verwirkung) auch unter Geltung der PrüfvV uneingeschränkt weiter. Erfolgt dagegen - wie hier - eine Prüfung durch den MDK, kann § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 die vom BSG aufgestellten Grundsätze zur nachträglichen Rechnungskorrektur nur insoweit modifizieren, als die Rechnungskorrektur den Gegenstand einer Abrechnungsprüfung durch den MDK betrifft. Bezieht sich also der Prüfanlass auf einen anderen Sachverhalt als die Rechnungskorrektur, ist eine Rechnungskorrektur gemäß der Rechtsprechung des BSG noch bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres zulässig. Die in § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 enthaltene Fünfmonatsfrist findet in diesen Fällen keine Anwendung.
Dies belegt bereits das Ineinandergreifen der Regelungen der PrüfvV 2015 zum Prüfverfahrensablauf. Bei Einleitung des Prüfverfahrens muss die Krankenkasse nach § 4 PrüfvV 2015 zumindest die Art bzw. den Umfang der Prüfung bestimmen und dies dem Krankenhaus mitteilen. In der Prüfanzeige des MDK gegenüber dem Krankenhaus sind die Auffälligkeiten gegebenenfalls zu konkretisieren und zu ergänzen, § 6 Abs. 3 Satz 2 PrüfvV 2015. Art und Umfang der Prüfung sind damit vorgegeben und der MDK hat im Folgenden entsprechend dem Prüfauftrag die Prüfung durchzuführen. (Nur) insofern sind Korrekturen und Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens möglich, § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Regelungen in § 6 Abs. 3 Satz 3 und 4 und § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV 2015. Danach ist eine Erweiterung des Prüfanlasses zulässig, jedoch dem Krankenhaus anzuzeigen. Es beginnt dann eine neue Fünfmonatsfrist zu laufen. Dies belegt, dass die Fünfmonatsfrist sich nur auf den jeweiligen Prüfanlass und damit auf die jeweils durchgeführte Art der Prüfung bezieht (insg. ebenso SG Reutlingen, Urteil vom 11.01.2017, S 1 KR 3109/15).
Vorliegend hat die Beklagte gegenüber der Klägerin in ihrem Schreiben vom 14.04.2015 als Art der Prüfung eine Fehlbelegungsprüfung bestimmt, weil die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer nicht plausibel sei. Dem Auftrag entsprechend befasste sich das MDK-Gutachten vom 11.06.2015 nur mit dieser Frage und kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die stationäre Verweildauer medizinisch plausibel und sachgerecht gewesen sei. Mit der Frage, ob die Krankenhausbehandlung des B. W. zutreffend kodiert worden war (DRG F12A oder F12B), hat sich das Gutachten des MDK aufgrund des konkret bestimmten Prüfauftrags ("Fehlbelegungsprüfung") nicht befasst.
Die Rechnungskorrektur der Klägerin vom 24.06.2015 beruhte demgegenüber auf einer von ihr festgestellten Fehlkodierung. Diese stand in keinem Zusammenhang mit der beim MDK in Auftrag gegebenen Fehlbelegungsprüfung, sondern betraf einen anderen Sachverhalt, sodass hierauf § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 keine Anwendung findet. Im Übrigen hat sich auch die Beklagte selbst zunächst nicht auf einen Ausschluss der Rechnungskorrektur vom 24.06.2015 nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2017 berufen, sondern den medizinischen Sachverhalt mit ihrer Beratungsärztin erneut bewertet (vgl. Schreiben der Beklagten vom 14.07.2015).
Unerheblich ist, dass der Rechnungskorrektur der Klägerin vom 24.06.2015 auch eine Datensatzkorrektur im Sinne von § 301 SGB V aufgrund der Änderung der Nebendiagnose (T82.8. statt T81.0) zugrunde lag. Denn für diese Korrektur außerhalb des Prüfungsgegenstands ist nach dem Vorgesagten bereits der Anwendungsbereich ist § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 nicht eröffnet.
Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass Sinn und Zweck der PrüfvV unter anderem die Beschleunigung des Prüfverfahrens ist. Hierzu sollte es nach den Gesetzesmaterialien den Vertragspartnern auf Bundesebene ermöglicht werden, die Zusammenarbeit der Krankenhäuser und Krankenkassen effektiver und konsensorientierter zu gestalten (BT-Drucks. 17/13947, Seite 38). Allerdings gilt dieses Beschleunigungsgebot, anders als die Beklagte meint, nur jeweils im Rahmen der konkret durchgeführten Prüfung, also innerhalb des jeweiligen Prüfauftrags. Anderweitige Korrekturen können bzw. konnten dagegen, wie dargelegt, innerhalb der von BSG gezogenen Grenzen der Verwirkung ohne die Einschränkungen des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 und damit auch außerhalb des MDK-Prüfverfahrens geltend gemacht werden.
Dies gilt jedenfalls unter der Anwendung der PrüfvV 2015 und 2017. Dagegen regelt § 17c Abs. 2a KHG in der Fassung des MKD-Reformgesetzes vom 14.12.2019 (BGBl. I, Seite 2789 ff.), dass nach Übermittlung der Abrechnung an die Krankenkasse eine Korrektur dieser Abrechnung durch das Krankenhaus ausgeschlossen ist, es sei denn, dass die Korrektur zur Umsetzung eines Prüfergebnisses des Medizinischen Dienstes oder eines rechtskräftigen Urteils erforderlich ist (Satz 1). Nach Abschluss einer Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erfolgen keine weiteren Prüfungen der Krankenhausabrechnung durch die Krankenkasse oder den Medizinischen Dienst (Satz 2). In der Vereinbarung nach § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG können von den Sätzen 1 und 2 abweichende Regelungen vorgesehen werden (Satz 3). (Allerdings finden nach der Übergangsvereinbarung vom 10.12.2019 zur PrüfvV 2017 vom 06.03.2016 u.a. die Regelungen zur Korrektur und Ergänzung von Datensätzen nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2017 auch aktuell weiterhin Anwendung.)
In der Gesetzesbegründung zu § 17c Abs. 2a KHG heißt es, die Krankenhäuser hätten bisher nach Rechnungsstellung, während einer Prüfung durch den Medizinischen Dienst sowie teilweise noch nach Einleitung eines Gerichtsverfahrens ihre Rechnung, zum Teil mehrfach, korrigiert, was eine effiziente und zügige Durchführung der Prüfverfahren und der Verfahren vor dem Sozialgericht erschwere. Zur Erleichterung und Beschleunigung dieser Verfahren würden deshalb Korrekturen von Krankenhausrechnungen durch § 17c Abs. 2a KHG grundsätzlich (abgesehen von den in Satz 1 Halbsatz 2 genannten Ausnahmen) ausgeschlossen (BT-Drucks. 19/13397, Seite 87). Eine solche Regelung wäre unnötig, wenn die Vertragsparteien der PrüfvV selbst dies bereits geregelt hätten.
Anders als § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 und 2017, wo es unter der Überschrift "Durchführung der Prüfung" um Korrekturen und Ergänzungen von "Datensätzen" - bzgl. des Prüfungsgegenstands (s.o.) - geht, schließt § 17c Abs. 2a KHG nunmehr grundsätzlich die Korrektur der "Rechnung" insgesamt aus. Der Gesetzesbegründung kann zudem nur entnommen werden, dass die bisherigen nachträglichen Rechnungskorrekturen als ineffizient und einem zügigen Verfahren nicht zuträglich erachtet wurden, nicht jedoch, dass der Gesetzgeber dies als bislang unzulässig erachtet hätte.
e) Zeitliche Reichweite des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015
Selbst wenn man ungeachtet der obigen Ausführungen § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 auf die streitgegenständliche Rechnungskorrektur anwenden würde, durfte die Klägerin ihre Rechnung vom 10.04.2015 mit neuer Rechnung vom 24.06.2015 korrigieren. Die Korrektur erfolgte vorliegend unstreitig innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens im April 2015.
Die PrüfvV vom 03.02.2016, in Kraft getreten am 01.01.2017, sieht in § 7 Abs. 5 Satz 3 (erstmals) vor, dass bei Beendigung der Begutachtung vor Ablauf der Fünfmonatsfrist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich ist. Eine entsprechende Auslegung der bis zum 31.12.2016 geltenden Regelungen der PrüfvV 2015 kommt nicht in Betracht, sie findet im Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 keine Grundlage. Wie das SG Würzburg zutreffend ausgeführt hat, lag bis Ende 2016 eben keine Regelung dergestalt vor, dass die Fünfmonatsfrist nur gelten sollte, solange der MDK noch mit der Prüfung befasst war (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.02.2018, L 16 KR 445/17 NZB; SG Reutlingen, Urteil vom 11.01.2017, S 1 KR 3109/15; SG Landshut, Urteil vom 26.06.2019, S 6 KR 151/17; ebenso: Umsetzungshinweise der DKG zur Anwendung der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) gemäß § 17c Abs. 2 KHG, Das Krankenhaus 2014, Seite 950; anders dagegen: Hinweise des GKV-Spitzenverbandes zur Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) gemäß § 17c Abs. 2 KHG (Stand 05.11.2014), Seite 14, 15). Dafür, dass § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV 2017 Rückwirkung für bereits abgeschlossene Behandlungsfälle zukäme, ist nichts ersichtlich.
Insgesamt durfte deshalb die Klägerin die ursprüngliche Rechnung durch die korrigierte Rechnung vom 24.06.2015 ersetzen, weil auch § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 dieser Korrektur nicht entgegensteht.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig (vgl. Erklärung der Beklagten im Erörterungstermin am 08.06.2020), dass als Nebendiagnose T82.8 zu kodieren war, woraus sich die DRG F12A statt F12B ergibt. Weitergehende Einwände gegen die Höhe der korrigierten Rechnung vom 24.06.2015 wurden von der Beklagten nicht erhoben und sind auch ansonsten nicht ersichtlich.
Damit hat die Klägerin einen Anspruch auf die streitige Vergütungsnachzahlung in Höhe von 4.411,06 Euro.
Die Klägerin hat auch Anspruch auf Verzugszinsen im Umfang der beantragten und vom SG zuerkannten Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.07.2015 auf den nicht erfüllten Vergütungsanspruch gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 2 der für die Klägerin maßgeblichen Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2015. Die dispositive gesetzliche Zinsregelung des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) wird hier durch die vorrangige vertragliche Vereinbarung der Pflegesatzvereinbarung verdrängt (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2009, B 1 KR 8/09 R).
Die Berufung der Beklagten ist somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3, § 43 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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