L 4 KR 226/18

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 39 KR 848/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 226/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zur Verwirkung von Nachforderungen eines Krankenhauses
2. Hier: Kein ins Auge springender Korrekturbedarf von Krankenhausabrechnungen.
3. Krankenhäuser können sich nicht auf Grundrechte (einschl. Art. 3 Abs. 1 GG) berufen, wenn sie sich mehrheitlich oder vollständig in öffentlicher Trägerschaft befinden.
4. Hier: Kein Verstoß der Krankenkasse gegen das Willkürverbot oder den Grundsatz von Treu und Glauben.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. April 2018 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 59.670,20 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin und Berufungsklägerin gegen die Beklagte und Berufungsbeklagte einen Anspruch auf Zahlung von 59.670,20 Euro wegen durchgeführter stationärer Krankenhausbehandlung hat.

Die Klägerin ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses. Die bei der Beklagten versicherten Personen L. L., R. P., T. W., A. P., E. B. und I. L. wurden im Jahr 2015 im Krankenhaus der Klägerin stationär behandelt. Die Klägerin erstellte hierfür jeweils im Jahr 2015, zeitnah zur Entlassung der Patienten, eine Rechnung, welche die Beklagte auch jeweils beglich.

Am 11.01.2017 stellte die Klägerin im Rahmen einer Innenrevision fest, dass in den genannten sechs Behandlungsfällen im Rahmen der Rechnungserstellung der OPS 8-98f nicht berücksichtigt worden war. Die Klägerin stornierte am 11.01.2017 jeweils die ursprüngliche Rechnung und leitete der Beklagten am 12.01.2017 bzw. 19.01.2017 jeweils eine korrigierte Rechnung zu, welche nun den OPS 8-98f enthielt. Dadurch fielen die sechs neuen Rechnungen insgesamt um 59.670,20 Euro höher aus.

Mit Schreiben vom 29.03.2017/31.03.2017 teilte die Beklagte der Klägerin jeweils mit, dass entsprechend der Rechtsprechung des BSG (B 1 KR 33/15 R vom 19.04.2016 und B 1 KR 40/15 R vom 05.07.2016) Nachberechnungen bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Haushaltsjahres akzeptiert würden. Das BSG habe zudem im Urteil vom 23.06.2015 (B 1 KR 13/14 R) festgestellt, dass Nachberechnungen nur möglich seien, soweit kein gesetzeskonformes Vertragsrecht entgegenstehe. Die Voraussetzungen der Datenkorrektur seien in der Prüfverfahrensvereinbarung geregelt. Es sei daher keine Nachberechnung mehr möglich.

Hiergegen hat die Klägerin am 07.06.2017 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Zwar habe das BSG entschieden, dass bei nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnungen eine Nachberechnung nur im laufenden und im nachfolgenden Haushaltsjahr möglich und sodann verwirkt sei. Andererseits vertrete das BSG aber die Auffassung, dass die Krankenkassen grundsätzlich vier Jahre lang Rechnungen überprüfen und Erstattungsforderungen geltend machen könnten. Hierdurch werde gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoßen. Der 1. BSG-Senat benenne kein nachvollziehbares Differenzierungskriterium. Auch das Krankenhaus müsse budget- und haushaltsrechtlich relevante Vorkehrungen treffen und vertraue darauf, dass keine Beanstandungen mehr erfolgen würden. Das BSG habe im Urteil vom 13.11.2012 (B 1 KR 6/12 R) entschieden, dass nach dem Grundsatz von Treu und Glauben je nach Art des Fehlers bei offensichtlichem, ins Auge springendem Korrekturbedarf auch nach der genannten Zeit noch eine Korrektur zulässig sein müsse. Ein solcher Fehler liege in allen sechs Behandlungsfällen vor. Die Beklagte habe gewusst, dass die Klägerin spätestens seit Anfang Februar 2015 die Voraussetzungen zur Abrechnung des Kodes 8-98f erfülle. Es komme auf die institutionelle Kenntnis an. Dennoch sei dann fälschlicherweise noch die frühere Ziffer verwandt worden. Der Fehler sei erst später entdeckt worden. Die Beklagte habe auch aus demselben Grund korrigierte Rechnungen des Jahres 2015 im Jahr 2016 ohne Beanstandung bezahlt. Sie hätte daher die Klägerin rechtzeitig auf ihre Fehler hinweisen müssen. Es müssten die Gesamtumstände betrachtet werden. Die Beteiligten stünden in einem Vertrauensverhältnis, welches eine gegenseitige Rücksichtnahme erfordere. Nach Treu und Glauben könne sich die Beklagte auch deshalb nicht auf die formale Rechtsposition zurückziehen. Auf die Prüfverfahrensvereinbarung könne die Beklagte bereits deshalb nicht zurückgreifen, weil in keinem der sechs Behandlungsfälle eine Rechnungsprüfung stattgefunden habe.

Die Beklagte hat erwidert, nach der Rechtsprechung des BSG sei eine Nachberechnung nur bis zum Schluss des nachfolgenden Haushaltsjahres möglich gewesen. Die Rechnungsprüfung erfolge nur anhand der nach § 301 SGB V übermittelten Daten. Für deren Qualität und Korrektheit trage die Klägerin die Verantwortung. Es habe kein offensichtlicher Kodierfehler vorgelegen. Die Klägerin habe jeweils den Kode 8-980 anstatt 8-98f kodiert. Ein Kodierfehler an der vierten Stelle sei nicht offensichtlich. Insbesondere sei die Rechnung anhand der übermittelten Daten auch mit dem ursprünglich kodierten Kode schlüssig gewesen.

Mit Urteil vom 11.04.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. In SGB V, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Krankenhausentgeltgesetz und den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen existiere keine ausdrückliche Regelung der Zulässigkeit von Nachforderungen eines Krankenhauses. Daher seien gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) heranzuziehen. Im BGB existiere ebenfalls keine Regelung, die ausdrücklich die Zulässigkeit von Nachforderungen des leistungserbringenden Vertragspartners nach Stellung einer vorbehaltlosen Rechnung regele. Es sei daher zur Beurteilung der Zulässigkeit von Nachforderungen auf den Rechtsgedanken des § 242 BGB (Treu und Glauben) in Gestalt der Verwirkung abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.2017 (B 1 KR 27/16 R)). Die Verwirkung setze voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen habe und weitere besondere Umstände hinzuträten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes die verspätete Geltendmachung des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen ließen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" lägen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf habe vertrauen dürfen, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut habe, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet habe (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Das BSG sehe in ständiger Rechtsprechung ein Verwirkungsverhalten als gegeben an, wenn das Krankenhaus vorbehaltlos eine nicht offensichtlich unschlüssige Schlussrechnung erteilt habe. Eine Vertrauensgrundlage sehe das BSG dann, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch im nachfolgenden vollen Haushaltsjahr geltend mache. Hieran richte die Krankenkasse nach Auffassung des BSG ihr Verhalten aus, indem sie davon Abstand nehme, die Abrechnung als zweifelhaft zu behandeln und im Kontext sonstiger streitiger Forderungen dafür haushaltsrechtlich relevante Vorkehrungen zu treffen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 23.05.2017 (B 1 KR 27/16 R)). Bei offensichtlich unschlüssiger Rechnung des Krankenhauses könne eine Rechnungskorrektur auch nach Ablauf eines ganzen folgenden Haushaltsjahres erfolgen. Eine solche offensichtlich unschlüssige Rechnung liege bei einem offensichtlichen, ins Auge springenden Korrekturbedarf vor. Das BSG nenne hier insbesondere offensichtliche Schreib- und Rechenfehler (vgl. BSG, Urteil vom 13.11.2012 (B 1 KR 6/12 R, Rn. 19 f.)).

Vorliegend habe die Klägerin ihre Schlussrechnungen jeweils im Laufe des Jahres 2015 vorbehaltlos erteilt. Die Nachforderungen seien im Januar 2017 und damit nach Ablauf des laufenden und des darauffolgenden Haushaltsjahres erhoben worden. Die Klägerin habe damit bei der Beklagten in den sechs hier streitgegenständlichen Fällen einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass diese mit einer Nachforderung nicht mehr habe rechnen müssen. Die Nachforderung im Januar 2017 sei auf Grund des § 69 Abs. 1 Satz 3 BGB, § 242 BGB wegen Verwirkung ausgeschlossen.

Die Klägerin mache geltend, dass die Kodierung der OPS 8-980 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur)) anstatt der OPS 8-98f (Aufwändige intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur)) ein offensichtlich ins Auge springender Rechnungsfehler gewesen sei. Diese Auffassung werde von der Kammer jedoch nicht geteilt. Denn in den vorliegenden Behandlungsfällen seien beide Kodes nach den übrigen im Rahmen der nach § 301 SGB V zu übermittelnden Daten plausibel gewesen. Die beiden Kodes unterschieden sich primär in den strukturellen Anforderungen, die das abrechnende Krankenhaus erfüllen müsse. Es möge zwar zutreffend sein, dass die Klägerin nach (zumindest institutioneller) Kenntnis der Beklagten die strukturellen Anforderungen des OPS 8-98f auch in den streitigen Behandlungsfällen erfüllt habe. Dass sie dies aber nicht in der jeweiligen Rechnung geltend mache, sei kein offensichtlich ins Auge springender Fehler.

Die Auffassung der Klägerin, dass mit der Entscheidung des BSG vom 23.05.2017 (B 1 KR 27/16 R) die bisherige Rechtsprechung um eine weitere Ausnahme erweitert worden sei und nun innerhalb der Verjährungsfrist eine Korrektur immer dann zulässig sei, wenn diese die Kodierung betreffe, werde nicht geteilt. Ausgangspunkt der zitierten Entscheidung sei ein Klageverfahren über die Wirtschaftlichkeit der stationären Behandlung (Verweildauer) gewesen. Im Rahmen dieses Klageverfahrens habe das Krankenhaus die Kodierung geändert und eine Nachforderung erhoben. Das BSG mache deutlich, dass, wenn bereits die Abrechnung eines Behandlungsfalls streitig sei, die Nachforderung außerhalb des genannten Zeitrahmens zulässig sei, wenn die Beteiligten über die Kodierung gestritten hätten. Das BSG setze einen Rechtsstreit über die zutreffende Kodierung voraus. Ausgangspunkt sei, dass die Beklagte schutzwürdig sei, wenn sie die Rechnung der Klägerin für schlüssig gehalten und bezahlt habe. Sollte die Beklagte aber die Rechnung gerade im Hinblick auf die Kodierung nicht für schlüssig gehalten haben und hierüber einen (Rechts)streit mit der Klägerin führen, sei das Vertrauen, nicht mit einer Rechnungskorrektur rechnen zu müssen, nicht schutzwürdig. Dann solle auch nach einem längeren Zeitraum noch die Nachforderung zulässig sein. In den hier streitigen sechs Behandlungsfällen habe die Beklagte im Vorfeld der Nachberechnung jedoch mit der Klägerin keinen Rechtsstreit über die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung geführt. Sie habe diese nicht einmal überprüfen lassen. Es verbleibe deshalb dabei, dass das Vertrauen der Beklagten darin, dass die Behandlungsfälle abgeschlossen seien und die Klägerin keine Forderungen mehr erhebe, schutzwürdig sei.

Die Klägerin rüge einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Dieser liege nach Auffassung der Klägerin darin begründet, dass nach der Rechtsprechung des BSG die Prüfung und in der Folge auch Kürzung von Krankenhausrechnungen durch die Krankenkassen im Hinblick auf deren sachlich-rechnerische Richtigkeit bis zu vier Jahre nach Rechnungstellung erfolgen dürfe, wohingegen die Stellung von Nachberechnungen und Nachforderungen auf einen Zeitraum von maximal zwei Jahre beschränkt sei.

Die Klägerin sei als Kreisklinik eine Anstalt des öffentlichen Rechts und daher keine Privatperson und keine juristische Person des Privatrechts, sondern des öffentlichen Rechts, welche eine hoheitliche Aufgabe, nämlich die Gesundheitsfürsorge, wahrnehme. Zwar gelte das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnähmen. Allerdings gelte hier das Willkürverbot, welches nicht nur grundrechtlich gesichert sei, sondern als objektives Rechtsprinzip auch dann als Prüfungsmaßstab gelte, wenn Grundrechtsträger nicht betroffen seien. Daher sei die eben geschilderte Rechtsprechung des BSG am Willkürverbot zu messen. Es sei zuerst festzustellen, ob die von der Klägerin beschriebenen Sachverhalte gleich seien. Sollte dies zutreffend sein, müsse im zweiten Schritt untersucht werden, ob die Sachverhalte unterschiedlich behandelt würden, und falls dies auch zutreffe, ob hierfür ein sachlicher Grund bestehe.

Nach Auffassung der Kammer seien die von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalte bereits nicht gleich. Die Erstellung einer vorbehaltlosen schlüssigen Rechnung sei nicht mit der von Gesetzes wegen zulässigen Überprüfung der Rechnung vergleichbar. Wer eine schlüssige vorbehaltlose Rechnung erstelle, mache hierdurch deutlich, dass er den Sachverhalt für abgeschlossen halte. Es liege damit ein aktives Tun vor. Das Verhalten der Beklagten, die Prüfung der Rechnung nicht zu veranlassen, stelle hingegen ein Unterlassen dar. Es erfolge damit insbesondere weder eine ausdrückliche noch konkludente Erklärung der Beklagten, dass sie die Rechnung in der vorliegenden Form akzeptiere und den Sachverhalt damit als abgeschlossen ansehe. Das aktive Tun der Klägerin und das Unterlassen der Beklagten seien nicht gleichzustellen. Es lägen deshalb keine gleichen Sachverhalte vor. Die Differenzierung bezüglich der Fristen erfolge somit auf Grund der Verschiedenheit der Sachverhalte im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG.

Zudem sei es der Beklagten seit dem Inkrafttreten von § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V am 01.01.2016 nicht mehr möglich, die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Krankenhausabrechnung bis zu vier Jahre nach Rechnungseingang zu überprüfen. Das Rechnungsprüfungsverfahren müsse - egal ob es die Wirtschaftlichkeit oder die sachlich-rechnerische Richtigkeit betreffe - binnen sechs Wochen eingeleitet werden. Damit sei die Klägerin nun bereits nach sechs Wochen darüber informiert, dass sie gegebenenfalls eine Erstattungsforderung zu erwarten habe und könne haushaltsrechtliche Vorkehrungen treffen. Es sei nicht willkürlich, wenn die Beklagte dann nach bis zu zwei Jahren hiermit nicht mehr rechnen müsse.

Gegen das am 14.04.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.04.2018 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt.

Während Nachberechnungen von Krankenhäusern nur bis zum Ende des auf die ursprüngliche Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres statthaft sein sollten, sollten Krankenkassen nahezu ohne jede Ausnahme Schlussrechnungen rückwirkend bis zur Verjährungsgrenze beanstanden dürfen. Ausschlaggebend für diese Differenzierung solle das Rechtsinstitut der Verwirkung sein. Allgemeine Rechtsauffassung aller Senate des BSG sei indes, dass das Rechtsinstitut der Verwirkung als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist des Leistungserbringerrechts grundsätzlich nicht passe. Es finde nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung. Im Urteil vom 21.04.2015 (B 1 KR 7/15 R) habe das BSG ausgeführt, ein Krankenhaus könne gegenüber einem Anspruch der Krankenkasse auf Erstattung ohne Rechtsgrund geleisteter Vergütung den Einwand unzulässiger Rechtsausübung nicht auf den Zeitablauf stützen. Dies bedeute, dass Krankenkassen grundsätzlich vier Jahre rückwirkend Rechnungen des Krankenhauses überprüfen und Erstattungsforderungen geltend machen könnten, soweit nicht die Sonderregelungen des § 275 Abs. 1c SGB V und der PrüfvV entgegenständen. Demzufolge wäre es sachlogisch, dass dies auch in umgekehrter Richtung gelte, also wenn Krankenhäuser zuvor vergessene oder falsch gewichtete Leistungen nachkodieren möchten. Dies aber verneine der 1. Senat des BSG mit einer unzutreffenden Begründung (Urteil vom 05.07.2016 (B 1 KR 40/15 R, Rn. 21)).

Zu Unrecht halte das SG diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall für einschlägig. Denn zum einen habe das BSG in einer späteren Entscheidung vom 23.05.2017 klargestellt, dass diese zeitliche Begrenzung bei Kodierfragen nicht gelte. Zum anderen - selbst wenn dem SG insoweit zu folgen wäre - hätte es sich um einen offensichtlichen Fehler des Krankenhauses gehandelt, dessen Korrektur ohne zeitliche Begrenzung möglich sei. Unabhängig davon differenziere der 1. Senat des BSG bei der Frage der Verwirkung von Rechtsansprüchen in einer gleichheitswidrigen Weise zu Lasten der Krankenhäuser. Schließlich wäre auch der Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten, den das SG nicht ausreichend gewürdigt habe.

Die Beschränkung des BSG-Urteils vom 23.05.2017 (B 1 KR 27/16 R, Rn. 15) auf Fälle, in denen bereits im Vorfeld über die Kodierung gestritten worden und/oder sogar ein Rechtsstreit anhängig sei, vermöge nicht zu überzeugen. In jenem BSG-Verfahren sei gerade nicht im Vorfeld über die Kodierung gestritten worden, sondern über die Verweildauer. Die Rechnungskorrektur wegen einer unzutreffenden Kodierung sei erst im Klageverfahren und außerhalb der sogenannten Verwirkungsfrist erfolgt. Richtig sei zwar, dass diese Einschränkung "anders läge es ..." konjunktivisch gefasst sei und damit ein nicht fallrelevantes obiter dictum bezeichne. Dieser Sachverhalt unterscheide sich aber nicht von der hier anhängigen Variante, dass die Abrechnung einer konkreten OPS-Ziffer zwischen allen Krankenkassen und dem Krankenhaus insgesamt streitig sei. Hinzu komme, dass das BSG zu diesem obiter dictum gar keine Veranlassung gehabt hätte, wenn es nur den Fall gemeint hätte, dass bereits ein Rechtsstreit über die Kodierung anhängig sein müsste. Zu einer solchen Interpretation biete der am 23.05.2017 entschiedene Fall überhaupt keine Veranlassung. Dies gelte umso mehr, als das BSG seiner Entscheidung auch noch einen neutralen und nicht konjunktivischen Leitsatz Nummer 2 vorangestellt habe. Darin heiße es:

"Verneint eine Krankenkasse lediglich die Wirtschaftlichkeit einer abgerechneten Behandlung eines Krankenhauses, ohne die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Rechnung in Zweifel zu ziehen, erschüttert sie nicht die Grundlage ihres Vertrauens auf die Vollständigkeit der Schlussrechnung."

Gehe also der Streit - wie hier - allein um die Kodierung bzw. deren Änderung und seien sämtliche Rechnungsposten offen dargelegt und unstreitig, sei eine Korrektur zugunsten des Krankenhauses grundsätzlich bis zum Ende der vierjährigen Verjährungsfrist möglich. Schon deshalb sei der Berufung stattzugeben. So sehe dies auch die Deutsche Gesellschaft für Medizincontrolling in ihrer Stellungnahme vom 01.08.2017.

Zur Problematik der Nachkodierung von Rechnungsbeträgen durch ein Krankenhaus dürfe nicht nur auf das Urteil des BSG vom 05.07.2016 (B 1 KR 40/15 R) abgestellt werden, denn in dem früheren Grundsatzurteil vom 13.11.2012 (B 1 KR 6/12 R, Rn. 19) habe das BSG entschieden, dass Krankenkassen je nach der Art des Fehlers, etwa bei offensichtlichem, ins Auge springendem Korrekturbedarf zu Gunsten des Krankenhauses, bereit sein müssten, die Fehler durch das Krankenhaus korrigieren zu lassen. Ein solch offensichtlicher Fehler sei hier in allen sechs Fällen aufgetreten. Die Beklagte habe als maßgebliche Verhandlungsführerin bei den Budgetverhandlungen 2015 gewusst, dass die Klägerin spätestens seit Anfang Februar 2015 die Voraussetzungen zur Abrechnung der aufwändigen intensivmedizinischen Komplexbehandlung erfüllt habe. Es habe sich außerdem um eine sehr große Zahl von Fällen gehandelt, die im Hause der Klägerin bis Ende 2016 zunächst fälschlicherweise noch nach der OPS-Ziffer 8-980 abgerechnet worden seien und bei denen der Fehler erst später entdeckt worden sei. Nahezu alle Falschabrechnungen aus 2015 und 2016 seien noch 2016 korrigiert worden; die Beklagte habe die Problematik also allein schon wegen der Menge dieser Fälle gekannt. Nur einige wenige Fälle seien erst Anfang Januar 2017 zur Korrektur gekommen. Die Beklagte könne sich folglich nicht auf die Einrede der Verwirkung berufen, weil insofern gar keine Vertrauensgrundlage bestanden habe. Bei dem Begriff "Kenntnis" komme es im Übrigen nicht auf den einzelnen Sachbearbeiter an, sondern auf das institutionelle Wissen des Versicherungsträgers. Dieser sei über die Masse der Fehlabrechnungen im Bilde gewesen.

Ob eine Privatperson, ein privatrechtlich geführtes Krankenhaus oder ein Krankenhaus, das als Anstalt öffentlichen Rechts geführt werde, betroffen sei, mache im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz keinen Unterschied. Das SG reduziere den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG unzulässig auf das reine Willkürverbot. Bei der Frage der Verwirkung von Rechtsansprüchen differenziere der 1. Senat des BSG in verfassungswidriger Weise zu Lasten der Krankenhäuser. Auch diese vertrauten darauf, dass keine Beanstandungen mehr geäußert würden. Sie müssten budget- und haushaltsrechtlich relevante Vorkehrungen treffen. Spätestens nach einem Jahr gehe das Krankenhaus-Controlling davon aus, dass keine alten Fälle mehr aufgerechnet würden. Es werde unterstellt, dass sich die Erlöshöhe nicht mehr ändere und keine Ausgleichsbuchungen mehr anständen. Die Ausgangssachverhalte seien damit ohne Zweifel vergleichbar; beide Seiten verfügten über sehr ähnliche Buchungs- und Abrechnungssysteme.

Die Beteiligten seien in partnerschaftlicher Weise zu gegenseitiger Rücksichtnahme nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet. Sie arbeiteten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammen. Davon könne nicht mehr gesprochen werden, wenn ein Vertragspartner auf eine ihm angeblich zustehende formale Rechtsposition poche. Die Beklagte habe von der Zulassung der Klägerin zur Abrechnung der OPS-Ziffer 8-98f gewusst. Außerdem hätten die Mitteilungslisten über die Erfüllung der Abrechnungsvoraussetzungen in ihrem Hause vorgelegen. Ferner habe die Beklagte zahlreiche Nachberechnungsfälle der Klägerin zum OPS 8-98f Ende 2016 konkret gekannt, auch wenn es nicht in jedem Einzelfall zu einer Differenzzahlung gekommen sei. Demnach hätte sie den aufgetretenen Fehler bei den hier noch streitigen Abrechnungen ebenfalls leicht erkennen können. Zudem habe die Beklagte in drei Fällen aus dem Jahr 2015 entsprechende Nachberechnungen der Klägerin vom 12.01.2017 widerspruchslos akzeptiert und die Differenzbeträge gezahlt. Deshalb sei es unverständlich, weshalb es in den restlichen sechs Fällen nicht auch zu einer Nachzahlung gekommen sei.

Die Beklagte hat erwidert, aus dem Urteil des BSG vom 23.05.2017 (B 1 KR 27/16 R) ergebe sich keine Ausnahme zur Rechtsprechung des BSG, wonach eine Nachberechnung nur bis zum Ende des auf die Rechnungsstellung folgenden Kalenderjahres möglich sei. In dem vom BSG entschiedenen Fall sei die Kodierung vor dem Zeitpunkt streitig gewesen, zu dem die Nachberechnungen erstellt worden seien. Der in dem obiter dictum des BSG erwähnte Sachverhalt sei daher nicht mit dem hier zu beurteilenden Fall vergleichbar, in dem die Kodierung nicht bereits vorher streitig gewesen sei, sondern erstmals durch die Korrektur einer Schlussrechnung Gegenstand der nun zu beurteilenden neuen Rechnungsstellung sei.

Gerade weil in dem vom BSG zu entscheidenden Fall im Gerichtsverfahren nicht bereits die Kodierung, sondern nur die Verweildauer streitig gewesen sei, sei das BSG auch dort zu dem Ergebnis gekommen, dass eine verspätete Nachberechnung nicht mehr zulässig gewesen sei. Im Übrigen habe das BSG formuliert, dass eine Abweichung von der Begrenzung durch das Haushaltsjahr in Betracht kommen könne. Eine abschließende Entscheidung habe das BSG jedoch nicht getroffen.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem zitierten Leitsatz 2 des BSG-Urteils vom 23.05.2017. Das BSG folge hier der Unterscheidung zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfung und Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Die Prüfung der Verweildauer, die bei dem vom BSG zu beurteilenden Sachverhalt bereits Gegenstand eines Rechtsstreits gewesen sei, ordne das BSG der Prüfung der Wirtschaftlichkeit zu. Fragen der Kodierung gehörten nach der Rechtsprechung des BSG dagegen zur Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Mit seinem Leitsatz sage das BSG also nur aus, dass dann, wenn die Krankenkasse die Richtigkeit der Kodierung (Unterfall der sachlich-rechnerischen Richtigkeit) nicht in Zweifel gezogen habe, die Grundlage des schützenswerten Vertrauens der Krankenkasse, aus dem sich die Begrenzung der Nachberechnung ergebe, nicht erschüttert werde.

Ein offensichtlicher, ins Auge springender Korrekturbedarf im Sinne der Rechtsprechung des BSG liege hier nicht vor. Schon das im Urteil des BSG vom 05.07.2016 (B 1 KR 40/15 R) genannte Beispiel zeige, dass diese Ausnahme nur bei besonders krassen Unrichtigkeiten in Betracht komme. Eine solche liege hier nicht vor. Im Übrigen sei die Wahrnehmung des konkret mit der Abrechnung befassten Mitarbeiters ausschlaggebend. Nicht entscheidend sei die allgemeine institutionelle Kenntnis der Krankenkasse.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in dem Nichtannahmebeschluss vom 26.11.2018 (1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/17, 1 BvR 2207/17) festgestellt, dass Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft nicht grundrechtsfähig seien. Sie könnten sich auch nicht auf das Willkürverbot oder auf die Einhaltung der verfassungsmäßigen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung berufen. Im Übrigen fehle es an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte (Stellung einer als Schlussrechnung bezeichneten Rechnung einerseits und Unterlassen der Prüfung einer Rechnung andererseits); ferner unterlägen auch die Krankenkassen aufgrund des § 275 Abs. 1c SGB V strengen Fristregelungen.

Aus einer Berufung auf Treu und Glauben ergebe sich nichts anderes. Insoweit berufe sich die Klägerin nur nochmals auf die angeblich bei der Beklagten vorhandene Kenntnis davon, dass die Klägerin anstelle des OPS 8-980 den OPS 8-98f hätte abrechnen können. Aus der Tatsache, dass die Klägerin der Beklagten im Rahmen der Budgetverhandlung mitgeteilt habe, die entsprechenden Strukturvoraussetzungen lägen vor, könne nicht geschlossen werden, dass sie diesen OPS im Einzelfall auch entsprechend kodieren könne. Die Strukturvoraussetzungen hätten auch weggefallen sein können.

Die Klägerin hat entgegnet, der Gesetzgeber habe der Rechtsprechung des BSG ein Ende bereitet, indem er § 109 Abs. 5 SGB V eingefügt habe. Der Gesetzesbegründung (Ausschussdrucksache 19(14)38.1 vom 05.10.2018) sei zu entnehmen, dass der Gesetzgeber hier die Angleichung der für Krankenhäuser und Krankenkassen geltenden Rechtslage beabsichtigt habe. Der Klägerin sei bewusst, dass diese Gesetzesänderung erst mit Wirkung zum 01.01.2019 in Kraft getreten sei. Sie strahle aber dennoch auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt zurück, weil der Gesetzgeber klar zu erkennen gegeben habe, dass die frühere Rechtsprechung des BSG auf einer Ungleichgewichtung beruhe, die nicht hinnehmbar sei. Da die nunmehr überholte Rechtsprechung nur in dem früheren Revisionsverfahren Bindungswirkung entfaltet habe, bestehe für das nunmehr erkennende Gericht keine Notwendigkeit, diese Rechtsprechung noch einmal anzuwenden.

Warum sich die Verwirkungsfrist an der Art der Nachforderung (Frage der Kodierung oder Frage der Verweildauer) orientieren solle, sei nicht erklärbar. Wenn es wirklich um das Vertrauen der Krankenkassen und ihre Verpflichtung gehen würde, gegenüber potentiellen Nachforderungen der Krankenhäuser haushaltsrechtlich relevante Vorkehrungen zu treffen, müsse dies im Allgemeinen gelten und dürfte nicht einzelfallbezogen vom Sachgrund einer Nachkodierung abhängig sein.

Die Beklagte hat erklärt, aus der von der Klägerin zitierten Gesetzesbegründung ergebe sich auch, dass der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BSG zur Verwirkung bestätigt habe. Zwar habe der Gesetzgeber diese Rechtsprechung zum Anlass für die Gesetzesänderung genommen, da ihm an einem Gleichlauf der Verjährungsfristen der Krankenkassen auf der einen und der Ausschlussfrist für eine Geltendmachung durch die Krankenhäuser auf der anderen Seite gelegen gewesen sei. Damit habe er gleichzeitig die Rechtsprechung des BSG zur Verwirkung bestätigt. Denn sollte ein Ausschluss nach Treu und Glauben nach Ende des auf die erste Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres nicht erfolgen, so würde der Sinn und Zweck des Gesetzes (der Gleichlauf der Fristen) ad absurdum geführt.

Wenn die Beklagte in drei weiteren Fällen aus dem Jahr 2015 gezahlt habe, obwohl die Nachberechnung erst 2017 vorgenommen worden sei, handele es sich um ein Versehen, das für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung sei.

Auf Anfrage des Senats haben die Beklagte mit Schreiben vom 30.04.2020 und die Klägerin mit Schreiben vom 03.05.2020 mitgeteilt, sie seien mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. April 2018 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 59.670,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20.01.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich mit Schreiben vom 30.04.2020 und vom 03.05.2020 hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie ohne Zulassung statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und wurde form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen; sie ist als Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) zulässig, aber nicht begründet.

Der Senat weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurück und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Zusätzlich ist - unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten im Berufungsverfahren und aktueller Rechtsprechung - Folgendes auszuführen:

1.
Aus der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23.05.2017, B 1 KR 27/16 R, Rn. 15; bestätigend Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 10/19 R, Rn. 22) kann nicht abgeleitet werden, dass die vom BSG angenommene Verwirkung nach dem auf die Rechnungstellung folgenden Kalenderjahr auf Kodierfragen nicht anzuwenden sei und dass hier eine solche Kodierfrage vorliege.

Der vom BSG beschriebene hypothetische Fall ("Anders läge es, ...") ist dadurch gekennzeichnet, dass zunächst ein Rechtsstreit über die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Vergütung besteht. Ein solcher hat seinen Ausgangspunkt regelmäßig darin, dass die Krankenkasse den MDK mit einer Prüfung beauftragt und auf der Basis des Prüfungsergebnisses eine Kodierung geltend macht, die zu einer geringeren als der zunächst in Rechnung gestellten Vergütung führt. So lag es auch in dem Fall, der dem vom BSG (a.a.O.) in Bezug genommenen Urteil vom 23.06.2015 (B 1 KR 13/14 R = SozR 4-5560 § 17b Nr 6) zu Grunde lag. Wenn das Krankenhaus im Verlauf eines solchen Rechtsstreits seinerseits eine andere als die ursprüngliche Kodierung geltend macht, kann sich die Krankenkasse nicht auf Vertrauensschutz berufen (BSG, Urteil vom 23.05.2017, B 1 KR 27/16 R, Rn. 15; bestätigend Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 10/19 R, Rn. 22).

Der vorliegende Fall ist wesentlich anders gelagert. Die Klägerin macht nicht im Verlauf eines Rechtsstreits, der seinen Ausgangspunkt in einer von der Beklagten veranlassten Prüfung hat, eine abweichende Kodierung geltend, sondern sie beginnt von sich aus einen Rechtsstreit, indem sie eine abweichende Kodierung geltend macht, deren Berücksichtigung zu einer höheren Vergütung führen würde.

Daher ist in der vorliegenden Konstellation das Vertrauen der Beklagten in die sachlich-rechnerische Richtigkeit und Vollständigkeit der Schlussrechnung nicht erschüttert. Dies gilt nämlich selbst dann, wenn auf Grund einer von der Krankenkasse veranlassten Prüfung ein Rechtsstreit über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsdauer geführt wird (BSG, a.a.O.). Es muss erst recht gelten, wenn - wie vorliegend - ein Rechtsstreit vollständig ohne Veranlassung durch die Krankenkasse geführt wird.

2.
Ein ins Auge springender Korrekturbedarf lag nicht vor. Das BSG hat in seinem Urteil vom 19.11.2019 (B 1 KR 10/19 R) hierzu Maßstäbe formuliert, die auch der Senat seiner Entscheidung zu Grunde legt.

In Rn. 18 hat das BSG ausgeführt:

"Die Rspr des erkennenden 1. Senats darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass es Aufgabe der die Krankenhausrechnung prüfenden KK ist, systematisch zugunsten des Krankenhauses ein Medizincontrolling vorzunehmen. Es bleibt der KK im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben überlassen, welche Abrechnung sie in welcher Prüftiefe kontrolliert. Die Abrechnungsprüfung der KK dient dem sparsamen Umgang mit den Mitteln der Beitragszahler: Die KK darf nur berechtigte Forderungen begleichen. Weder das Recht des Krankenhauses, eine Schlussrechnung zu erstellen noch seine Pflicht, der KK die Abrechnungsdaten zu übermitteln (vgl § 301 SGB V), begründen eine Pflicht der KK zu einer Abrechnungsprüfung im Interesse des Krankenhauses. Die von der KK gewählte Prüftiefe der Krankenhausabrechnung bestimmt, welche Erkenntnisquellen für die Beantwortung der Frage heranzuziehen sind, ob für die KK ein offensichtlicher, ins Auge springender Korrekturbedarf der Abrechnung besteht. Prüft die KK lediglich die Schlussrechnung, ohne sie mit den übermittelten Abrechnungsdaten (vgl § 301 SGB V) näher abzugleichen, kann sich ein ins Auge springender Korrekturbedarf nur allein aus der Schlussrechnung ergeben. Bezieht die KK in die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit die übermittelten Abrechnungsdaten (vgl § 301 SGB V) ein, kann sich der Korrekturbedarf aus der Gesamtschau der Rechnung und der Abrechnungsdaten ergeben. Beauftragt die KK den MDK mit der Überprüfung einer Auffälligkeit und informiert der MDK die KK über einen ins Auge springenden Korrekturbedarf, muss die KK diese Information einbeziehen ...

In Rn. 20 heißt es:

" ... Nicht jede Diskrepanz zwischen Abrechnung und den hierzu übermittelten Daten bewirkt einen Wegfall des Vertrauenstatbestandes. Der Korrekturbedarf muss vielmehr so offensichtlich sein ("ins Auge springen"), dass er auch bei flüchtigem Lesen wahrgenommen wird und keine weitergehenden Überlegungen zu dem Abrechnungsvorgang voraussetzt ... Können die KKn einen Korrekturbedarf nur mithilfe weiterer, über die in der Abrechnung und Datenübermittlung enthaltenen Angaben hinausgehender Kenntnisse oder Informationen erkennen, fehlt es regelmäßig an einer offensichtlich unschlüssigen Rechnung."

Nach diesem Maßstab liegt hier kein ins Auge springender Fehler vor. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass im Krankenhaus der Klägerin die strukturellen Voraussetzungen für die Abrechnung des OPS 8-98f im Jahr 2015 vorlagen - wobei der Senat offen lässt, ob dies ab 01.02.2015, 01.04.2015 oder einem anderen Datum galt - und dass dies der Beklagten als Institution bekannt war.

Zum einen macht das Vorliegen der strukturellen Voraussetzungen für die Abrechnung des OPS 8-98f die Kodierung des OPS 8-980 im Einzelfall nicht so offensichtlich unzutreffend, dass der Fehler auch bei flüchtigem Lesen wahrgenommen wird. Zum anderen entscheidet die Beklagte darüber, mit welcher Prüftiefe sie eine Abrechnung kontrolliert. Sie ist nicht einmal verpflichtet, die Rechnung eines Krankenhauses mit den übermittelten Abrechnungsdaten (vgl. § 301 SGB V) näher abzugleichen (BSG, a.a.O., Rn. 18). Der von der Klägerin geltend gemachte Korrekturbedarf konnte außerdem nur mithilfe weiterer, über die in der Abrechnung und Datenübermittlung enthaltenen Angaben hinausgehender Kenntnisse oder Informationen - nämlich des Schriftverkehrs hinsichtlich des Vorliegens der strukturellen Voraussetzungen - erkannt werden. Nach der zitierten Rechtsprechung des BSG war jedoch die Beklagte nicht verpflichtet, diesen Schriftverkehr bei der Prüfung der Rechnung heranzuziehen (BSG, a.a.O., Rn. 20). Auf eine institutionelle Kenntnis kommt es nach der zitierten BSG-Rechtsprechung nicht an.

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch der Zeitpunkt der Abrechnungsprüfung. Diese wurde jeweils 2015 zeitnah nach Vorlage der Abrechnung des Krankenhauses durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt konnte dem zuständigen Personal der Beklagten nicht geläufig sein, dass die Klägerin von einer größeren Zahl von Fällen ausging, in denen irrtümlich OPS 8-980 statt 8-98f kodiert worden sei. Denn die entsprechenden Rechnungskorrekturen wurden nach Angabe der Klägerin erst 2016 vorgenommen.

3.
Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 26.11.2018 (1 BvR 318/17 u.a., Rn. 23-27) ausgeführt, dass sich Krankenhäuser nicht auf Grundrechte (einschl. Art. 3 Abs. 1 GG) berufen können, wenn sie sich mehrheitlich oder vollständig in öffentlicher Trägerschaft befinden. So liegt der Fall hier. Das Klinikum A-Stadt ist Teil des Kommunalunternehmens "Kreisklinik A-Stadt und Seniorenheim J.". Das Kommunalunternehmen ist ein selbstständiges Unternehmen des Landkreises A-Stadt in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Damit befindet sich das Krankenhaus der Klägerin vollständig in öffentlicher Trägerschaft. Es gelten also lediglich das Willkürverbot und die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. Diese sind vorliegend nicht verletzt. Auf die Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil zum Willkürverbot wird verwiesen.

4.
Ein Verstoß der Beklagten gegen das Willkürverbot oder gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte nach Mitteilung der Klägerin 2016 eine größere Zahl von Nachforderungen in ähnlich gelagerten Fällen akzeptiert hat. Denn zwischen Nachforderungen, die vor Ablauf der vom BSG angenommenen Verwirkungsfrist erhoben werden, und solchen, die erst nach Ablauf dieser Frist erhoben werden, besteht ein wesentlicher Unterschied, der die ungleiche Behandlung rechtfertigt. Auch hat die Beklagte durch ihr Verhalten kein schützenswertes Vertrauen dahingehend begründet, dass sie auch Nachforderungen begleichen werde, die nach Ablauf der Verwirkungsfrist erhoben werden.

5.
Ein Verstoß der Beklagten gegen das Willkürverbot oder gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt sich schließlich nicht daraus, dass die Beklagte auch drei erst 2017 gestellte Nachforderungen in ähnlich gelagerten Fällen beglichen hat. Der Senat zweifelt nicht daran, dass es sich dabei - wie von der Beklagten angegeben - um ein Versehen gehandelt hat. Es fehlte bei dem Personal der Beklagten also bereits an dem Bewusstsein, eine nach der Rechtsprechung des BSG schon verwirkte Forderung zu begleichen. Eine willkürliche Ungleichbehandlung liegt damit nicht vor. Und allein aus der äußeren Tatsache, dass Nachforderungen in ähnlich gelagerten Fällen beglichen wurden, lässt sich kein Anspruch auf Begleichung auch der streitgegenständlichen Forderungen ableiten. Dies ergibt sich schon daraus, dass Gleichbehandlung im Unrecht grundsätzlich nicht beansprucht werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.10.2000, 1 BvR 1627/95, Rn. 52 m.w.N.).

6.
Die mit Wirkung ab 01.01.2019 neu eingeführte Vorschrift des § 109 Abs. 5 SGB V macht die Rechtsprechung des BSG zur Verwirkung von Nachforderungen nicht obsolet. Das BSG selbst hat mit Urteil vom 19.11.2019 (B 1 KR 10/19 R) in Kenntnis der Neuregelung ausdrücklich an dieser Rechtsprechung festgehalten. Dem schließt sich der Senat an.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 154 Abs. 2 VwGO.

Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere sieht der Senat keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Die wesentlichen Rechtsfragen betreffen nicht mehr geltendes Recht. Seit 01.01.2020 bestimmt § 17c Abs. 2a Satz 1 KHG (in der Fassung durch Art. 3 Nr. 2 Buchstabe c des MDK-Reformgesetzes vom 14.12.2019, BGBl I 2789), dass nach Übermittlung der Abrechnung an die Krankenkasse eine Korrektur dieser Abrechnung durch das Krankenhaus ausgeschlossen ist, es sei denn, dass die Korrektur zur Umsetzung eines Prüfergebnisses des Medizinischen Dienstes oder eines rechtskräftigen Urteils erforderlich ist. Danach wäre die vorliegende Klage von vornherein unbegründet, ohne dass auf die hier noch umstrittene Frage der Verwirkung und ihrer Grenzen einzugehen wäre. Es ist nicht ersichtlich, dass noch eine erhebliche Zahl ähnlich gelagerter Fälle zu entscheiden wäre (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 160a Rn. 14f).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 GKG.
Rechtskraft
Aus
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