Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 20 R 1954/17
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 27.02.2017 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2017 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.06.2018 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die 1950 geborene Klägerin beantragte am 17.10.2016 bei der Beklagten eine Erwerbsminderungsrente.
Die Beklagte zog diverse medizinische Unterlagen bei, holte ein Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ein und lehnte mit Bescheid vom 27.02.2017 den Antrag der Klägerin ab.
Dagegen legte die Klägerin am 06.03.2017 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2017 - eingegangen beim Prozessbevollmächtigten am 16.10.2017 - wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, da nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen bei der Klägerin noch ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten mit Einschränkungen für mindestens 6 Stunden täglich vorliege.
Hiergegen hat die Klägerin am 16.11.2017 Klage erhoben. Sie führt an, dass aufgrund der Gesamtheit der diagnostizierten Erkrankungen eine Arbeitsfähigkeit nicht mehr gegeben sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.02.2017 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung im gesetzlichen Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auf ihre Bescheide. Das Gericht hat Befundberichte von Dr. D., Dr. H. und Dr. M. beigezogen. Ferner wurde ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. K. eingeholt. Nach dem Gutachten von Dr. K. vom 26.06.2018 bestehen folgende Gesundheitsstörungen: Auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet: - Soziale Phobie (ICD 10 F 40.01) - Leichte Intelligenzminderung (ICD 10 F 70.0) - Essentieller Tremor (ICD 10 G 25.0) Auf anderen medizinischen Fachgebieten: - Rezidivierende Lumboischalgie - Zustand nach Hysterektomie Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Klägerin nur noch regelmäßig täglich weni-ger als 3 Stunden körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Anforderungen an fein-motorische Geschicklichkeit und psychisch einfache Arbeiten mit hohem Routinegrad, ohne besondere psychische Belastungen, ohne Zeitdruck und ohne hohe Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit. Dieses Leistungsvermögen bestehe seit dem 10.04.2014. Es bestehe keine begründete Aussicht auf eine Verbesserung des Gesundheitszustandes mit Auswirkung auf das Leistungsvermögen. Dem Gericht liegt ferner vor die ergänzende Stellungnahme von Dr. K. vom 13.11.2018, in der die Leistungseinschätzung bestätigt und als Leistungsfall der Tag der ambulanten Untersuchung (am 22.05.2018) vorgeschlagen wurde. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozess- und Beklagtenakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Sie ist auch überwiegend begründet, denn die angegriffenen Bescheide verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf eine (unbefristete) Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls zum Zeitpunkt der ambulanten Untersuchung durch den neurologisch-psychiatrischen Gutachter.
Nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI in der ab dem 01.01.2001 gültigen Fassung (n.F.) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeits-marktes mindestens 3 Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs.1 S 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbs-gemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen vor.
Die Klägerin ist auch erwerbsgemindert, das sie nur noch regelmäßig täglich weniger als 3 Stunden körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten mit den weiteren vom Gutachter genannten Funktionseinschränkungen verrichten kann.
Die Klägerin leidet unter Erkrankungen vor allem auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, die länger als 6 Monate bestehen und einen leistungsmindernden Dauereinfluss auf die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben haben. Auf die in dem Gutachten von Dr. K. angeführten Diagnosen und beschriebenen Leistungseinschränkungen wird verwiesen.
Die Kammer hat keine Zweifel, dass der Sachverständige die medizinischen Befunde zutreffend erhoben und aus ihnen die richtigen sozialmedizinischen Schlussfolgerungen gezogen hat. Die von den Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen entsprechen auch den allgemein anerkannten Begutachtungsmaßstäben.
Demgegenüber ist die Positionierung der Beklagten in der letzten sozialmedizinischen Stellungnahme vom 21.11.2018 nicht nachzuvollziehen, dass das Sachverständigengutachten eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens nicht zu belegen und zu begründen vermöge.
Bei dieser Aussage handelt es sich um eine Auffassung, für die keine substantiierte Begründung geliefert wird. Der Hinweis, dass es sich bei der leichten Intelligenzminderung ohne Verhaltensstörung der Klägerin um ein eingebrachtes Leiden handele, geht an der Sache vorbei, denn für die Bewertung Leistungseinschränkung unter Einbeziehung der weiteren Störungen auf nervenärztlichem Fachgebiet ist nicht relevant, ob eines der Leiden eingebracht oder erworben ist.
In der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 20.09.2018 wird zwar die Befundlage referiert, die Begründung der eigenen Einschätzung konzentriert sich aber auf die Feststellung, es seien gegenüber der psychiatrischen Begutachtung im Verwaltungsverfahren keine Verschlechterungen dokumentiert. Dies ist aber jedenfalls dann nicht hinreichend, wenn die Begründung in diesem Gutachten für die (abweichende höhere) Leistungseinschätzung selbst defizitär ist bzw. nicht nachvollzogen werden kann. Hierauf weist der Gerichtsgutachter auf S.21 seines Gutachtens explizit hin, wenn er ausführt " der Vorgutachter diskutiert allerdings in seiner Epikrise die von ihm erhobenen Befunde nicht besonders ausführlich, sodass letztlich nicht nachvollziehbar ist, wie sich die sozialmedizinische Einschätzung begründet."
Diese Aussage wurde in der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters nochmals begründet und darauf hingewiesen, dass bei der Feststellung der Diagnosen selbstunsichere, ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung, Anpassungsstörung, längere depressive Reaktion und essentieller Tremor die Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögen nicht einfach unterstellt werden kann, sondern einer nachvollziehbaren Begründung bedarf.
Dieser Bewertung schließt sich die Kammer an.
Die Einschätzung des Sachverständigen Dr. K steht auch in Übereinstimmung mit inhaltlichen Feststellungen des Pflegegutachtens des MDK-Thüringen vom 22.11.2017, aufgrund dessen der Klägerin ein Pflegegrad II zugebilligt wurde. Dies stellte bei der Klägerin u. a. Antriebslosigkeit, das Erfordernis der Hilfe bei der Körperpflege, An- und Auskleiden, Pla-nung des Tagesablaufs sowie fest, dass die Klägerin nicht selbstständig an sozialen Veranstaltungen teilnehmen kann und sogar Hilfe bzw. Anleitung bei der Zubereitung einfacher Mahlzeiten und einfacher Aufräum- und Reinigungsarbeiten bedarf.
Zwar ist das Pflegegutachten, das auch dem Sachverständigen vorlag und bewertet wurde nicht durch einen Arzt erhoben und beurteilt worden, sondern von einer Pflegefachkraft, so dass es als solches - auch da es mit einer anderen Zielrichtung erhoben wurde - allein nicht geeignet ist, den Vollbeweis einer Erwerbsminderung zu erbringen (vgl. z.B. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10. März 2011 – L 3 R 42/07 –, Rn. 40, juris). Es stellt aber eine zusätzliche Erkenntnisquelle dar, die zur Einschätzung des Sachverständigen und zur Bildung der richterlichen Überzeugung beitragen kann und in vorliegenden Fall auch hat. Eine derartige Erkenntnisquelle stellt ebenfalls der Eindruck dar, den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, bei der sie nach relativ kurzer Zeit unter der Stressbelastung des Termins nicht mehr in der Lage war, der Verhandlung zu folgen, wobei sie einen starken Tremor entwickelte, verkrampfte und in der Folge notärztlich behandelt werden musste.
Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass bei den vom Sachverständigen festgestellten Beeinträchtigungen eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr in Frage kommt, zumal der essentielle Tremor der Klägerin, wie der Sachverständige festgestellt hat, bereits eine deutlich erkennbare Beeinträchtigung im Alltag darstellt und daher zusammen mit den psychischen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen darstellt.
Das Merkmal der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt dem Umstand Rechnung, dass auch eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen und Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen - ohne im Einzelnen oder auf den ersten Blick ungewöhnlich zu sein - das noch mögliche Arbeitsfeld in erhebli-chem Umfang zusätzlich einengen zu können. In diesen Fällen kann nicht ohne weiteres da-von ausgegangen werden, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche mindestens sechsstündige Tätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen vorhanden ist. Es kommen vielmehr ernste Zweifel daran auf, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb überhaupt einsetzbar ist. Eine Verweisungstätigkeit ist daher in solchen Fällen zu benennen (so. z.B. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 09. September 2010 – L 10 KN 5/06 –, Rn. 78, juris).
Anerkannt sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts z. B. besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz sowie in Verbindung mit anderen Einschränkungen, etwa Beschränkungen der Arm- und Handbewe-gungen oder das Erfordernis, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen oder halbstündig zwischen Sitzen und Gehen zu wechseln. Maßstab sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitswelt, insbesondere die dort an Arbeitnehmer gestellten Anforderungen (so z.B. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 09. September 2010 – L 10 KN 5/06 –, Rn. 77 - 78, juris unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG).
In dem Schriftsatz der Beklagten vom 04.10.2018 unter Bezug auf die sozialmedizinischen Stellungnahme vom 20.09.2018 hat diese in diesem Zusammenhang eingeräumt, dass die Klägerin aufgrund ihrer Beeinträchtigungen nicht mehr die Tätigkeit einer Reinigungskraft in einer Klinik (bzw. Stationshilfe) auszuüben könne.
Verweisungstätigkeiten hat die Beklagte aber nicht benannt, zumutbare (z.B. im Bereich Separatwachdienst oder Aufsichtstätigkeiten z.B. als Museumsaufsicht) sind aufgrund der sozialen Phobie, die sich auch in einer äußerst geringen psychischen Belastbarkeit und Unselbständigkeit manifestiert, nicht ersichtlich.
Die Rente ist unbefristet zu leisten, denn die Kammer folgt dem Gutachter Dr. K. auch hinsichtlich der Einschätzung, dass keine begründete Aussicht besteht, dass sich der Gesundheitszustand mit Aussicht auf das Leistungsvermögen bessern könne.
Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, wer-den gemäß § 102 Abs.2 S.5 SGB VI unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Die Frage, ob die Behebung unwahrscheinlich ist, ist zum Zeitpunkt der Bewilligung prognostisch zu beurteilen und unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der umfassenden gerichtlichen Nachprüfung (Schmidt in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 102 SGB VI, Rn. 7).
"Unwahrscheinlich" i. S. dieser Norm ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine - rentenrechtlich relevante - Besserungsaussicht sprechen müssen, also dann anzunehmen, wenn aus ärztlicher Sicht bei Betrachtung des bisherigen Verlaufs nach medizinischen Erkenntnissen - auch unter Berücksichtigung noch vorhandener therapeutischer Möglichkeiten - eine Besserung nicht anzunehmen ist, durch welche sich eine rentenrechtlich relevante Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten ergeben würde. Erheblich ist allein, dass alle therapeutischen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden müssen, um ein qualitatives oder quantitatives Leistungshindernis zu beheben. (So BSG, Urteil vom 29. März 2006 – B 13 RJ 31/05 R –, BSGE 96, 147-153, SozR 4-2600 § 102 Nr 2, Rn. 21).
Entgegen einer teilweise verkürzten Rezeption dieser BSG-Entscheidung bedeutet dies gerade nicht, dass jegliche therapeutische Behandlungsmöglichkeit eine dauerhafte Rentengewährung ausschließt, vielmehr ist auf der Grundlage aller indizierten Behandlungsmöglichkeiten eine fundierte Prognoseeinschätzung zu treffen. Eine neuere Studie (Lippke, Zschucke, Hessel, zur Realität des Rückkehrwunsches: Ergebnisse einer Befragung von Versicherten mit befristeten Erwerbsminderungsrenten, Sozialrecht Aktuell Sonderheft 2018, S 38ff.) deuten angesichts der sehr geringen Quote der Versicherten mit einer befristeten Erwerbsminderungsrente, denen es tatsächlich gelingt, in das Erwerbsleben zurückzukehren, darauf hin, dass die Besserungsmöglichkeit wohl systematisch überschätzt wird. Es ist jedoch geboten, nicht nur auf weitere Behandlungsmöglichkeiten als solche und die abstrakte bloße Möglichkeit einer Besserung abzustellen, sondern eine konkrete Prognose aufgrund der Grundlage der konkreten Wahrscheinlichkeit einer Behandlung zu treffen, zumal der Zweck einer medizinischen Behandlung nicht auf die Wiederherstellung der beruflichen Leistungsfähigkeit verkürzt werden kann. Auch wenn keine begründete Aussicht bzw. nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es bei einer Fortführung, Intensivierung oder Umstellung der Therapie zu einer Besserung mit relevanten Auswirkungen auf das Leistungsvermögen für den Arbeitsmarkt kommt, kann eine Therapieintensivierung auch bei hochgradig chronifizierten Störungen sinnvoll oder medizinisch indiziert sein, z.B. zur Verbesserung der Lebensqualität, Verhinderung von weiteren Verschlechterungen oder latenter oder akuter Suizidgefahr. Die Klägerin wird seit Mitte 2014 fachärztlich auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet betreut, sowohl eine stationäre psychiatrische Krankenhausbehandlung als auch eine psychiatrisch-psychosomatische Rehamaßnahme hat stattgefunden, wobei es, wie vom Gutachter dargelegt (vgl. S.21 des Gutachtens), nicht zu einer dauerhaften oder nachhaltigen Verbesserung, sondern im Gegenteil zu einem immer stärkeren sozialen Rückzug gekommen ist. Daher ist die prognostische Einschätzung, dass die Klägerin aufgrund ihrer Intelligenzminderung therapeutische Angebote nicht dauerhaft für sich nutzen könne, und deshalb eine Besserung des Gesundheitszustandes mit Auswirkungen auf das Leistungsvermögen unwahrscheinlich sei, nachvollziehbar begründet.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen vor.
Hinsichtlich des auf eine Rentengewährung ab Antragstellung gerichteten Begehrens war die Klage abzuweisen.
Der Rentenbeginn ergibt sich aus § 99 Abs.1 S.1 SGB IX.
Die Kammer folgt dem Gutachter Dr. K., insoweit mit der Festlegung des Leistungszeitpunktes zum Zeitpunkt der ambulanten Untersuchung am 22.05.2018 entsprechend der ergänzenden Stellungnahme vom 13.11.2018, da die beigezogenen Befunde einen früheren Leistungsfall zwar durchaus möglich erscheinen lassen, aber eine derartige Festlegung nicht mit dem für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen Grad an Sicherheit getroffen werden kann.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und berücksichtigt den ganz überwiegen-den Grad des Obsiegens.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die 1950 geborene Klägerin beantragte am 17.10.2016 bei der Beklagten eine Erwerbsminderungsrente.
Die Beklagte zog diverse medizinische Unterlagen bei, holte ein Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ein und lehnte mit Bescheid vom 27.02.2017 den Antrag der Klägerin ab.
Dagegen legte die Klägerin am 06.03.2017 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2017 - eingegangen beim Prozessbevollmächtigten am 16.10.2017 - wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, da nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen bei der Klägerin noch ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten mit Einschränkungen für mindestens 6 Stunden täglich vorliege.
Hiergegen hat die Klägerin am 16.11.2017 Klage erhoben. Sie führt an, dass aufgrund der Gesamtheit der diagnostizierten Erkrankungen eine Arbeitsfähigkeit nicht mehr gegeben sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.02.2017 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung im gesetzlichen Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auf ihre Bescheide. Das Gericht hat Befundberichte von Dr. D., Dr. H. und Dr. M. beigezogen. Ferner wurde ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. K. eingeholt. Nach dem Gutachten von Dr. K. vom 26.06.2018 bestehen folgende Gesundheitsstörungen: Auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet: - Soziale Phobie (ICD 10 F 40.01) - Leichte Intelligenzminderung (ICD 10 F 70.0) - Essentieller Tremor (ICD 10 G 25.0) Auf anderen medizinischen Fachgebieten: - Rezidivierende Lumboischalgie - Zustand nach Hysterektomie Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Klägerin nur noch regelmäßig täglich weni-ger als 3 Stunden körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Anforderungen an fein-motorische Geschicklichkeit und psychisch einfache Arbeiten mit hohem Routinegrad, ohne besondere psychische Belastungen, ohne Zeitdruck und ohne hohe Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit. Dieses Leistungsvermögen bestehe seit dem 10.04.2014. Es bestehe keine begründete Aussicht auf eine Verbesserung des Gesundheitszustandes mit Auswirkung auf das Leistungsvermögen. Dem Gericht liegt ferner vor die ergänzende Stellungnahme von Dr. K. vom 13.11.2018, in der die Leistungseinschätzung bestätigt und als Leistungsfall der Tag der ambulanten Untersuchung (am 22.05.2018) vorgeschlagen wurde. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozess- und Beklagtenakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Sie ist auch überwiegend begründet, denn die angegriffenen Bescheide verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf eine (unbefristete) Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls zum Zeitpunkt der ambulanten Untersuchung durch den neurologisch-psychiatrischen Gutachter.
Nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI in der ab dem 01.01.2001 gültigen Fassung (n.F.) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeits-marktes mindestens 3 Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs.1 S 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbs-gemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen vor.
Die Klägerin ist auch erwerbsgemindert, das sie nur noch regelmäßig täglich weniger als 3 Stunden körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten mit den weiteren vom Gutachter genannten Funktionseinschränkungen verrichten kann.
Die Klägerin leidet unter Erkrankungen vor allem auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, die länger als 6 Monate bestehen und einen leistungsmindernden Dauereinfluss auf die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben haben. Auf die in dem Gutachten von Dr. K. angeführten Diagnosen und beschriebenen Leistungseinschränkungen wird verwiesen.
Die Kammer hat keine Zweifel, dass der Sachverständige die medizinischen Befunde zutreffend erhoben und aus ihnen die richtigen sozialmedizinischen Schlussfolgerungen gezogen hat. Die von den Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen entsprechen auch den allgemein anerkannten Begutachtungsmaßstäben.
Demgegenüber ist die Positionierung der Beklagten in der letzten sozialmedizinischen Stellungnahme vom 21.11.2018 nicht nachzuvollziehen, dass das Sachverständigengutachten eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens nicht zu belegen und zu begründen vermöge.
Bei dieser Aussage handelt es sich um eine Auffassung, für die keine substantiierte Begründung geliefert wird. Der Hinweis, dass es sich bei der leichten Intelligenzminderung ohne Verhaltensstörung der Klägerin um ein eingebrachtes Leiden handele, geht an der Sache vorbei, denn für die Bewertung Leistungseinschränkung unter Einbeziehung der weiteren Störungen auf nervenärztlichem Fachgebiet ist nicht relevant, ob eines der Leiden eingebracht oder erworben ist.
In der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 20.09.2018 wird zwar die Befundlage referiert, die Begründung der eigenen Einschätzung konzentriert sich aber auf die Feststellung, es seien gegenüber der psychiatrischen Begutachtung im Verwaltungsverfahren keine Verschlechterungen dokumentiert. Dies ist aber jedenfalls dann nicht hinreichend, wenn die Begründung in diesem Gutachten für die (abweichende höhere) Leistungseinschätzung selbst defizitär ist bzw. nicht nachvollzogen werden kann. Hierauf weist der Gerichtsgutachter auf S.21 seines Gutachtens explizit hin, wenn er ausführt " der Vorgutachter diskutiert allerdings in seiner Epikrise die von ihm erhobenen Befunde nicht besonders ausführlich, sodass letztlich nicht nachvollziehbar ist, wie sich die sozialmedizinische Einschätzung begründet."
Diese Aussage wurde in der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters nochmals begründet und darauf hingewiesen, dass bei der Feststellung der Diagnosen selbstunsichere, ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung, Anpassungsstörung, längere depressive Reaktion und essentieller Tremor die Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögen nicht einfach unterstellt werden kann, sondern einer nachvollziehbaren Begründung bedarf.
Dieser Bewertung schließt sich die Kammer an.
Die Einschätzung des Sachverständigen Dr. K steht auch in Übereinstimmung mit inhaltlichen Feststellungen des Pflegegutachtens des MDK-Thüringen vom 22.11.2017, aufgrund dessen der Klägerin ein Pflegegrad II zugebilligt wurde. Dies stellte bei der Klägerin u. a. Antriebslosigkeit, das Erfordernis der Hilfe bei der Körperpflege, An- und Auskleiden, Pla-nung des Tagesablaufs sowie fest, dass die Klägerin nicht selbstständig an sozialen Veranstaltungen teilnehmen kann und sogar Hilfe bzw. Anleitung bei der Zubereitung einfacher Mahlzeiten und einfacher Aufräum- und Reinigungsarbeiten bedarf.
Zwar ist das Pflegegutachten, das auch dem Sachverständigen vorlag und bewertet wurde nicht durch einen Arzt erhoben und beurteilt worden, sondern von einer Pflegefachkraft, so dass es als solches - auch da es mit einer anderen Zielrichtung erhoben wurde - allein nicht geeignet ist, den Vollbeweis einer Erwerbsminderung zu erbringen (vgl. z.B. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10. März 2011 – L 3 R 42/07 –, Rn. 40, juris). Es stellt aber eine zusätzliche Erkenntnisquelle dar, die zur Einschätzung des Sachverständigen und zur Bildung der richterlichen Überzeugung beitragen kann und in vorliegenden Fall auch hat. Eine derartige Erkenntnisquelle stellt ebenfalls der Eindruck dar, den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, bei der sie nach relativ kurzer Zeit unter der Stressbelastung des Termins nicht mehr in der Lage war, der Verhandlung zu folgen, wobei sie einen starken Tremor entwickelte, verkrampfte und in der Folge notärztlich behandelt werden musste.
Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass bei den vom Sachverständigen festgestellten Beeinträchtigungen eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr in Frage kommt, zumal der essentielle Tremor der Klägerin, wie der Sachverständige festgestellt hat, bereits eine deutlich erkennbare Beeinträchtigung im Alltag darstellt und daher zusammen mit den psychischen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen darstellt.
Das Merkmal der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt dem Umstand Rechnung, dass auch eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen und Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen - ohne im Einzelnen oder auf den ersten Blick ungewöhnlich zu sein - das noch mögliche Arbeitsfeld in erhebli-chem Umfang zusätzlich einengen zu können. In diesen Fällen kann nicht ohne weiteres da-von ausgegangen werden, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche mindestens sechsstündige Tätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen vorhanden ist. Es kommen vielmehr ernste Zweifel daran auf, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb überhaupt einsetzbar ist. Eine Verweisungstätigkeit ist daher in solchen Fällen zu benennen (so. z.B. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 09. September 2010 – L 10 KN 5/06 –, Rn. 78, juris).
Anerkannt sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts z. B. besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz sowie in Verbindung mit anderen Einschränkungen, etwa Beschränkungen der Arm- und Handbewe-gungen oder das Erfordernis, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen oder halbstündig zwischen Sitzen und Gehen zu wechseln. Maßstab sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitswelt, insbesondere die dort an Arbeitnehmer gestellten Anforderungen (so z.B. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 09. September 2010 – L 10 KN 5/06 –, Rn. 77 - 78, juris unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG).
In dem Schriftsatz der Beklagten vom 04.10.2018 unter Bezug auf die sozialmedizinischen Stellungnahme vom 20.09.2018 hat diese in diesem Zusammenhang eingeräumt, dass die Klägerin aufgrund ihrer Beeinträchtigungen nicht mehr die Tätigkeit einer Reinigungskraft in einer Klinik (bzw. Stationshilfe) auszuüben könne.
Verweisungstätigkeiten hat die Beklagte aber nicht benannt, zumutbare (z.B. im Bereich Separatwachdienst oder Aufsichtstätigkeiten z.B. als Museumsaufsicht) sind aufgrund der sozialen Phobie, die sich auch in einer äußerst geringen psychischen Belastbarkeit und Unselbständigkeit manifestiert, nicht ersichtlich.
Die Rente ist unbefristet zu leisten, denn die Kammer folgt dem Gutachter Dr. K. auch hinsichtlich der Einschätzung, dass keine begründete Aussicht besteht, dass sich der Gesundheitszustand mit Aussicht auf das Leistungsvermögen bessern könne.
Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, wer-den gemäß § 102 Abs.2 S.5 SGB VI unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Die Frage, ob die Behebung unwahrscheinlich ist, ist zum Zeitpunkt der Bewilligung prognostisch zu beurteilen und unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der umfassenden gerichtlichen Nachprüfung (Schmidt in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 102 SGB VI, Rn. 7).
"Unwahrscheinlich" i. S. dieser Norm ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine - rentenrechtlich relevante - Besserungsaussicht sprechen müssen, also dann anzunehmen, wenn aus ärztlicher Sicht bei Betrachtung des bisherigen Verlaufs nach medizinischen Erkenntnissen - auch unter Berücksichtigung noch vorhandener therapeutischer Möglichkeiten - eine Besserung nicht anzunehmen ist, durch welche sich eine rentenrechtlich relevante Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten ergeben würde. Erheblich ist allein, dass alle therapeutischen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden müssen, um ein qualitatives oder quantitatives Leistungshindernis zu beheben. (So BSG, Urteil vom 29. März 2006 – B 13 RJ 31/05 R –, BSGE 96, 147-153, SozR 4-2600 § 102 Nr 2, Rn. 21).
Entgegen einer teilweise verkürzten Rezeption dieser BSG-Entscheidung bedeutet dies gerade nicht, dass jegliche therapeutische Behandlungsmöglichkeit eine dauerhafte Rentengewährung ausschließt, vielmehr ist auf der Grundlage aller indizierten Behandlungsmöglichkeiten eine fundierte Prognoseeinschätzung zu treffen. Eine neuere Studie (Lippke, Zschucke, Hessel, zur Realität des Rückkehrwunsches: Ergebnisse einer Befragung von Versicherten mit befristeten Erwerbsminderungsrenten, Sozialrecht Aktuell Sonderheft 2018, S 38ff.) deuten angesichts der sehr geringen Quote der Versicherten mit einer befristeten Erwerbsminderungsrente, denen es tatsächlich gelingt, in das Erwerbsleben zurückzukehren, darauf hin, dass die Besserungsmöglichkeit wohl systematisch überschätzt wird. Es ist jedoch geboten, nicht nur auf weitere Behandlungsmöglichkeiten als solche und die abstrakte bloße Möglichkeit einer Besserung abzustellen, sondern eine konkrete Prognose aufgrund der Grundlage der konkreten Wahrscheinlichkeit einer Behandlung zu treffen, zumal der Zweck einer medizinischen Behandlung nicht auf die Wiederherstellung der beruflichen Leistungsfähigkeit verkürzt werden kann. Auch wenn keine begründete Aussicht bzw. nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es bei einer Fortführung, Intensivierung oder Umstellung der Therapie zu einer Besserung mit relevanten Auswirkungen auf das Leistungsvermögen für den Arbeitsmarkt kommt, kann eine Therapieintensivierung auch bei hochgradig chronifizierten Störungen sinnvoll oder medizinisch indiziert sein, z.B. zur Verbesserung der Lebensqualität, Verhinderung von weiteren Verschlechterungen oder latenter oder akuter Suizidgefahr. Die Klägerin wird seit Mitte 2014 fachärztlich auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet betreut, sowohl eine stationäre psychiatrische Krankenhausbehandlung als auch eine psychiatrisch-psychosomatische Rehamaßnahme hat stattgefunden, wobei es, wie vom Gutachter dargelegt (vgl. S.21 des Gutachtens), nicht zu einer dauerhaften oder nachhaltigen Verbesserung, sondern im Gegenteil zu einem immer stärkeren sozialen Rückzug gekommen ist. Daher ist die prognostische Einschätzung, dass die Klägerin aufgrund ihrer Intelligenzminderung therapeutische Angebote nicht dauerhaft für sich nutzen könne, und deshalb eine Besserung des Gesundheitszustandes mit Auswirkungen auf das Leistungsvermögen unwahrscheinlich sei, nachvollziehbar begründet.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen vor.
Hinsichtlich des auf eine Rentengewährung ab Antragstellung gerichteten Begehrens war die Klage abzuweisen.
Der Rentenbeginn ergibt sich aus § 99 Abs.1 S.1 SGB IX.
Die Kammer folgt dem Gutachter Dr. K., insoweit mit der Festlegung des Leistungszeitpunktes zum Zeitpunkt der ambulanten Untersuchung am 22.05.2018 entsprechend der ergänzenden Stellungnahme vom 13.11.2018, da die beigezogenen Befunde einen früheren Leistungsfall zwar durchaus möglich erscheinen lassen, aber eine derartige Festlegung nicht mit dem für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen Grad an Sicherheit getroffen werden kann.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und berücksichtigt den ganz überwiegen-den Grad des Obsiegens.
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