Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 34 P 40/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 P 87/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.10.1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Pflegegeld nach der Pflegestufe I aus der Sozialen Pflegeversicherung.
Bei dem 1992 geborenen Kläger besteht seit Geburt eine hochgradige an Taubheit grenzende Hörbehinderung. Die Eltern des Klägers sowie sein 1995 geborener Bruder sind ebenfalls taub bzw. schwersthörig, ebenso die Großeltern mütterlicherseits.
Der Kläger besuchte von September 1995 bis August 1998 den Gehörlosen- bzw. Schwerhörigen-Kindergarten und danach die Sonderschule für Hörbehinderte in Dxxxxxxxxf-Gxxxxxxxxx.
Bei dem Kläger sind nach dem Schwerbehindertengesetz ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und die Nachteilsausgleiche "erhebliche Gehbehinderung" (G), "Hilflosigkeit" (H) und "Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht" (RF) festgestellt.
Auf seinen im Januar 1995 gestellten Antrag auf Pflegeleistung aus der Sozialen Pflegeversicherung wurde der Kläger von Dr. Exxxx-Hxxxx - MDK Nordrhein - untersucht. In ihrem Gutachten vom 30.10.1995 beschrieb die Ärztin eine gravierende Schwerhörigkeit mit daraus folgender fast fehlender Sprachentwicklung. Der Kläger sei mit zwei Hörgeräten versorgt; er sei in manchen Bereichen behindert. In den für die Pflegeversicherung relevanten Bereichen bestehe dagegen kein erhöhter Pflegeaufwand, da sich der Kläger - abgesehen von der Hörbeeinträchtigung und der fehlenden Sprachentwicklung - ansonsten erfreulich normal entwickelt habe.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 08.01.1996 den Antrag ab.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger weiterhin einen erhöhten Pflegeaufwand geltend. Da er akustisch nicht erreichbar sei, sei ein ständiger Kontakt mit der Bezugsperson notwendig. Zu den Vorgängen und Aktivitäten des normalen Tagesablaufes bedürfe es zeitaufwändiger Erklärungen. Er benötige auch eine umfangreiche Betreuung, da er nicht mit normalhörenden Kindern spielen könne. Ein erheblicher Zeitaufwand sei für die Hörversorgung (Ärzte, Akustiker, Klinik) und das Training des Hörenlernens und den Sprachaufbau erforderlich.
Nach Einholung einer weiteren ärztlichen Stellungnahme von Dr. Schxxxx (30.04.1996) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.1997 den Widerspruch zurück, weil der für die Pflegestufe I erforderliche Zeitaufwand von mindestens 90 Minuten nicht erreicht werde. Maßnahmen zur Förderung der Kommunikation, Maßnahmen der Behandlungspflege und Krankenbehandlung seien nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger hat am 20.06.1997 beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben und zu deren Begründung einen typischen Wochenablauf geschildert und folgende Hilfe geltend gemacht:
morgendliches Aufstehen, Waschen, Zähneputzen, Anziehen, zur Toilette gehen 15 Minuten
Hörgerätesuche, Prüfung, Einstellung, Reinigung, Batterienüberprüfung 15 Minuten
Zubettbringen nach dem Mittagessen, Warten auf Einschlafen, Beruhigen 15 Minuten
Sprachübungen, Gebärden üben, Atemübungen 20 Minuten Aufsicht/Hilfe draußen 60 Minuten
Buch vorlesen, Übersetzung in Gebärdensprache, Inhalt und Bedeutung der Worte lernen
30 Minuten
Abendessen, Baden, Ausziehen, Warten auf Einschlafen mit Gebärden Geschichten/Tageserlebnisse erklären 30 Minuten
Ansprache des Klägers von Antlitz zu Antlitz, weil er innerhalb des Hauses akustisch nicht erreichbar ist 15 - 20 Minuten
2 x wöchentlich Sprachanbahnung durch hörende Personen je 4 - 5 Stunden
seit Sommer 1997 1 x wöchentlich Ergotherapie zur Förderung der Ausgeglichenheit, Konzentration und Feinmotorik 3 Stunden
2 x monatlich zum Hörgeräteakustiker je 2 Stunden
2 - 3 x jährlich zum HNO-Arzt je 2 Stunden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.01.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.1997 zu verurteilen, ihm Pflegegeld gem. § 37 Abs. 1 Satz 3 Ziff. 1 SGB XI ab 09.09.1995 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten gutachtlichen Beurteilungen sowie auf ein weiteres Gutachten von Frau Dr. Gxxxxx - MDK Nordrhein - vom 24.11.1998 gestützt, die Pflegebedürftigkeit bei den Verrichtungen im Grundpflegebereich vereint hat. Der Kläger sei im Vergleich zu einem gesunden sechsjährigen Kind wegen der Schwerhörigkeit mehr von der allgemeinen Betreuung und Beaufsichtigung durch seine Familie abhängig. Er sei erfreulicherweise nicht nur altersentsprechend normal, sondern bereichsweise sogar überdurchschnittlich gut entwickelt, was ihm eine vorzeitige Einschulung erlaubt habe.
Das SG hat Beweis erhoben durch Beiziehung des pädagogischen Gutachtens der Sonderschullehrerin Qxxxxxx-Mxxx und der Dipl.Pädagogin Vxx zur Frage der vorzeitigen Einschulung, des sonderpädagogischen Gutachtens von Dr. Jxxxxx, der hno-ärztlichen Befundberichte von Dr. Bxxxxxx und des schulärztlichen Gutachtens von Dr. Jxxxxx-Kxxxxxx. Ferner hat das SG die Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie-/psychotherapie, Psychotherapie Dr. Hxxxx-Bxxxxxx mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt.
Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten vom 20.02.1999 auf Grund einer Untersuchung des Klägers in seiner häuslichen Umgebung sowie der Befragung der Eltern und des Großvaters väterlicherseits einen Mehrbedarf an Hilfe gegenüber einem hörgesunden Kind von mehr als 6 Stunden täglich für erforderlich gehalten. Zwar benötige der Kläger bei der Körperpflege und der Ernährung nur die Hilfe wie sie bei einem hörgesunden Kind erforderlich sei. Beim Aufstehen, insbesondere aber beim Zubettgehen bedürfe er jedoch einer längeren und höheren Aufmerksamkeit, die auch eine Beruhigung beinhalte. Aufsicht bzw. ständige Sichtkontrolle oder Zuwendung seien ferner bei der Körperpflege, bei der Nahrungsaufnahme, Vorbereitung bis zum Antritt des Schulweges, bei der Rückkehr aus der Schule, während der Ruhephasen, der Aktivitäten am Nachmittag und beim Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung (Arzt, Akustiker) erforderlich. Bei der hauswirtschaftlichen Versorgung ergäben sich gegenüber einem hörgesunden Kind keine besonderen Belastungen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 14.10.1999 abgewiesen. Dass auch gesunde Kinder bis zu einem bestimmten Alter keinen eigenen Haushalt führten und vorliegend ein zusätzlicher Aufwand im hauswirtschaftlichen Versorgungsbereich nicht anfalle, führe nicht dazu, dass der für die Zuordnung zur Pflegestufe I maßgebende Zeitaufwand von 90 Minuten niedriger festzusetzen sei. Einen Hilfebedarf von 90 Minuten im Tagesdurchschnitt bei den Verrichtungen im Grundpflegebereich erreiche der Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) nicht. Zu berücksichtigen sei lediglich ein zusätzlicher Hilfebedarf von 30 Minuten beim Zubettgehen mittags und abends - wobei (wie auch beim Aufstehen) lediglich der körperliche Bewegungsvorgang gemeint sei - und von 20 Minuten im Zusammenhang mit der Begleitung zur einmal wöchentlich erfolgenden Ergotherapie. Für die Berücksichtigung einer erhöhten Aufmerksamkeit und Aufsicht, auch zur Vermeidung einer möglichen Selbst- und Fremdgefährdung biete das Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) - Soziale Pflegeversicherung - keine Grundlage. Das Gleiche gelte für Hilfebedarf im Bereich der Kommunikation. Ebensowenig sei der geltend gemachte Hilfebedarf im Zusammenhang mit dem Hörgerät anzurechnen, denn er stehe in keinem notwendigen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Katalogverrichtung. Dasselbe gelte für die geltend gemachten Sprach- und Atemübungen. Hilfe im Zusammenhang mit der logopädischen Frühförderung und der Teilnahme an Sportgruppen sei deshalb nicht zu berücksichtigen, weil diese darauf abzielten, den Pflegeaufwand in späteren Lebensabschnitten zu vermeiden bzw. geringer zu halten und somit der Rehabilitation zuzuordnen sei. Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sei nur anrechnungsfähig, wenn diese Verrichtungen für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich seien und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig machten (z.B. Besuche beim Arzt/Krankengymnasten) und regelmäßig einmal pro Woche anfielen, was beim Kläger nicht der Fall sei.
Gegen das am 28.10.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.11.1999 Berufung eingelegt und zu deren Begründung vorgetragen, entgegen der Ausführungen des SG sei der für die Zuordnung einer Pflegestufe maßgebende Zeitaufwand gem. § 15 Abs. 3 SGB XI niedriger festzusetzen, da der hauswirtschaftliche Hilfebedarf unstreitig außer Acht zu lassen sei. Im Übrigen beinhalte § 14 Abs. 3 SGB XI die Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigen- ständigen Übernahme von Verrichtungen. Diese umfassten auch die erhöhte Aufmerksamkeit und Aufsicht, die bei ihm erforderlich sei. Es sei nicht erkennbar, dass es sich bei der Aufzählung in § 14 SGB XI um eine abschließende Regelung handeln solle. Deshalb sei auch Hilfe im Bereich der Kommunikation, im Zusammenhang mit der Wartung und Benutzung des Hörgerätes und Hilfe bei den besonderen Maßnahmen zur Förderung seiner Entwicklung an zurechnen. Zu berücksichtigen sei auch die Hilfe im Zusammenhang mit der Einschlafsituation.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.10.1999 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.01.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.1997 zu verurteilen, ab September 1995 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.10.1999 zurückzuweisen.
Auf den Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Kinderarzt Dr. Gxxxxxxxxxx ein Gutachten (Eingang 08.02.2001) und eine ergänzende Stellungnahme vom 12.11.2001 erstattet. Der Sachverständige hat auf Grund der Untersuchung des Klägers in seiner häuslichen Umgebung sowie der Befragung der Eltern und Großeltern einen Hilfebedarf von 280 Minuten und einen durch die Taubheit bedingten Mehrbedarf an Hilfe von 110 Minuten täglich für erforderlich gehalten. Unter Berücksichtigung der Unterschiede in der Entwicklung eines hörgesunden und der eines gehörlosen Kindes hat der Sachverständige ausgeführt, Hilfebedarf in der von ihm festgestellten Höhe dürfte auch in dem Zeitraum 1995 bis 2000 bestanden haben. In bestimmten Zeitabschnitten (1996 und 1998) sei er sogar höher gewesen. Der Sachverständige hat den Hilfebedarf bei den Verrichtungen im Grundpflegebereich und dessen Ausmaß mit einer durch die Taubheit bedingten zeitaufwändigeren Anleitung, Überwachung und Erledigungskontrolle (Gebärdensprache, "Anlitzgewandtheit") begründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide vom 08.01.1996 und 10.06.1997 nicht beschwert, denn er hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Pflegegeld.
Der Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I setzt gem. § 37 Abs. 1 SGB XI Pflegebedürftigkeit i.S.d. § 14 SGB XI voraus. Außerdem ist nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI für die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zur Pflegestufe I Voraussetzung, dass er bei der Körperpflege, Ernährung oder Moblität wenigstens zwei Verrichtungen aus einen oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Dabei gehören zum Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- und Blasenentleerung, zum Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten und die Aufnahme der Nahrung und zum Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen sowie das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (§ 14 Abs. 4 Nrn. 1 - 3 SGB XI). Zusätzlich wird nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI verlangt, dass der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Person für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, täglich im Wochendurchschnitt 90 Minuten beträgt, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen. Die Hilfe besteht in der Unterstützung, der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtung oder in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme (§ 14 Abs. 3 SGB XI). Bei Kindern hängt die Zuordnung zu den einzelnen Pflegestufen grundsätzlich von denselben Voraussetzungen ab wie bei Erwachsenen (BSG, Urteil vom 19.02.1998 - B 3 P 5/97 R - in: SozR 3-3300 § 14 SGB XI Nr. 3; Urteil vom 24.06.1998 - B 3 P 1/97 R- in: SozR 3-3300 § 14 SGB XI Nr. 4).
Davon ausgehend hat das SG mit im Wesentlichen zutreffender Begündung die Gewährung von Pflegegeld abgelehnt, denn der geforderte zusätzliche Hilfe bedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind (Mehrbedarf) von 90 Minuten täglich wird nicht erreicht. Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, hat der Umstand, dass der Kläger keinen eigenen Haushalt führt und ein zusätzlicher Aufwand im hauswirtschaftlichem Bereich unstreitig nicht anfällt, nicht zur Folge, dass ein niedriger als der für die Zuordnung zur Pflegestufe I gesetzlich geforderte Zeitaufwand von 90 Minuten festzusetzen wäre. Maßgebend ist allein das objektive Ausmaß des Pflegeaufwandes insgesamt, wobei das Gesetz lediglich für die Grundpflege ein - für die jeweilige Pflegestufe - erforderliches zeitliches Mindestmaß vorschreibt (BSG, Urteil vom 29.03.1999 - B 3 P 7/98 R- in: SozR 3-3300 § 14 SGB XI Nr. 10). Besteht kein Mehraufwand im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung, ist für die Zuordnung zu einer Pflegestufe nur der Aufwand der Grundpflege maßgebend. Dies führt nicht zu einer Ungleichbehandlung von pflegebedürftigen Kindern gegenüber pflegebedürftigen Erwachsenen und somit zu einem Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz ( GG). Denn die Nichtberücksichtigung des hauswirtschaftlichen Bereichs beruht darauf, dass Defizite in diesem Bereich bei Kindern im Allgemeinen nicht - wie es § 14 Abs. 1 SGB XI voraussetzt - krankheits- oder behinderungsbedingt sind (BSG, Urteil vom 19.02. 1998 - B 3 P 3/97 R- In: SozR 3-3300 § 15 SGB XI Nr. 1; Udsching, SGB XI, 2. Aufl. 2000, § 15 Rdn. 10). Für die Anrechnung eines pauschalen Zeitaufwandes - wie ihn die Richtlinien de Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung der Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buches des Sozialgesetz buches (Begutachtung - Richtlinien - Bri) vom 21.03.1997 (Abschn. D Teil 5.0 III7) vorsehen - bleibt kein Raum, wenn sich mit der Möglichkeit der freien Schätzung (§ 287 Zivilprozessordnung (ZPO)) ein geringerer Zeitaufwand oder - wie beim Kläger - kein Zeitaufwand feststellen lässt (BSG, Urteil vom 29.04.1999 - B 3 P 7/98 R - a.a.O.).
Ein Mehrbedarf an Hilfe in dem geforderten Umfang bei den in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen ist beim Kläger nicht erforderlich. Bis auf die Gehörlosigkeit und eine Hyperaktivität ist der Kläger sowohl körperlich als auch geistig gesund, er wird in dem im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten als altersentsprechend entwickelt beschrieben. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den im erstinstanzlichen Verfahren beigezogenen pädagogischen Gutachten. Bei den Verrichtungen im Grundpflegebereich bedurfte und bedarf der Kläger deshalb im Wesentlichen nur der Hilfe, die auch bei einem körpergesunden Kind erforderlich war bzw. ist. Lediglich bei der Verrichtung Waschen/Duschen ist ein durch die Taubheit bedingter Mehrbedarf an Hilfe insofern notwendig, als die Hörgeräte abgelegt werden müssen und dafür gesorgt werden muss, dass die Gehörgänge vor dem Wiederanlegen der Hörgeräte vollständig trocken sind. Dass außerdem die von dem Sachverständigen Gxxxxxxxxxt im Zusammenhang mit den übrigen Katalogverrichtungen als Aufforderung, Anleitung und Erledigungskontrolle entsprechend der jeweiligen Altersstufe eines Kindes geleistete Hilfe beim Kläger zeitaufwändiger ist, ist nachvollziehbar. Denn diese Hilfen müssen durch Gebärdensprache geleistet werden und erfordern die volle Aufmerksamkeit der Pflegeperson, d.h. sie können nur schwerlich neben einer anderen Tätigkeit geleistet werden. Der Zeitaufwand ist jedoch - wie der Senat in der mündlichen Verhandlung feststellen konnte - nur minimal, denn der Vorgang des Dolmetschens der wegen der gehörlosen gesetzlichen Vertreterin des Klägers geladenen Gebärdendolmetscherin erfolgte zeitgleich mit dem gesprochenen Wort und führte zu keiner erkennbaren Zeitverzögerung. Ein nennenswerter Zeitaufwand ergibt sich auch nicht dadurch, dass der Einsatz der Gebärdensprache die Aufmerksamkeit ("Anlitzgewandtheit") des "Ansprechpartners" voraussetzt. Diese kann auch durch eine kurze körperliche Berührung erreicht werden. Soweit der Sachverständige Gxxxxxxxxxx mehrfache Aufforderungen für nötig hält, sind diese nicht in der Gehörlosigkeit des Klägers begründet, sondern in dem der jeweiligen Entwicklungsstufe eines Kindes eigenen Verhalten (z.B. Trotz, Abwehr). Nicht zu berücksichtigen ist, dass sich vorliegend zumindest Erledigungskontrollen und Beaufsichtigung auch deshalb zeitaufwändiger gestalten, weil die Pflegepersonen ebenfalls gehörlos bzw. schwersthörig sind. Das Gesetz stellt nämlich bei der Beurteilung des Ausmaßes der Hilfe nicht auf die konkrete Pflegeperson, sondern auf eine Durchschnittspflegeperson ab (LSG Rheinland-Pflaz, Urteil vom 03.09.1997 - L 5 P 12/996 -).
Im Übrigen sind nur konkrete Anleitungen, Überwachung und Erlegigungskontrollen zu berücksichtigen, die die Pflegeperson in zeitlicher und örtlicher Hinsicht in gleicher Weise binden wie bei unmittelbarer körperlicher Hilfe und dazu führen, dass die Pflegeperson durch die Hilfe an der Erledigung anderer Dinge oder beim Schlafen gehindert ist. Danach stellen die allgemeine Verfügbarkeit und Einsatzbereitschaft der Pflegeperson und deren Aufforderung an den Behinderten zur Durchführung bestimmter Verrichtungen, mögen sie auch im Laufe eines Tages immmer wieder notwenig und in ihrer Summierung durchaus auch eine nervliche Belastung für die Pflegeperson sein, keine nach § 14 Abs. 3 SGB XI zu berücksichtigenden Hilfeleistungen dar, weil sie mit keiner derartigen Bindung der Pflegeperson einhergehen. Die im Gesetz gemeinte "Anleitung" und "Beaufsichtigung" geht über das reine "Anhalten" zur Durchführung einer Verrichtung hinaus (BSG, Urteil vom 19.02.1998 -B 3 P 7/97 R- a.a.O.; Urteil vom 24.06.1998 - B 3 P 4/97 R- in: SozR 3-3300 § 14 SGB XI Nr. 5). Das BSG hat ferner entscheiden, dass bei der erforderlichen Anleitung und Beaufsichtigung i.S.d. § 14 Abs. 3 SGB XI, wozu auch die tatsächliche Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung eine Verrichtung gehört, nur der jeweilige erforderliche konkrete Zeitaufwand der Pflegeperson für die einzelne Anleitung und Beaufsichtigung anzusetzen ist, grundsätzlich aber nicht Zeitspannen zwischen den Hilfeleistungen für verschiedene Verrichtungen und der Zeitaufwand für die ständige Anwesenheit einer Pflegeperson (BSG, Urteile vom 19.02.1998 - B 3 P 6/97 R - und B 3 P 7/97 R - a.a.O.).
Der vom Kläger darüber hinaus geltend gemachte Hilfebedarf im Zusammenhang mit anderen Verrichtungen ist nicht zu berücksichtigen; denn der Katalog der für die Einstufung maßgebenden Kriterien (§ 14 Abs. 1 und 4 SGB XI), der sich an den gewöhnlichen (Minimal-)Bedürfnissen eines Behinderten orientiert, ist seinem Wortlaut und seiner Zielsetzung nach abschließend (BSG, Urteile vom 19.02.1998 - B 3 P 3/97 R - in: BSGE 82, 27 ff. und - B 3 P 5/97 R - a.a.O.). Hilfe in anderen Bereichen, die in gleichem Maße der Aufrechterhaltung der Existenz dienen, sind bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit i.S.d. Sozialen Pflegeversicherung ausgeschlossen. Dass diese Begrenzung nicht verfassungswidrig ist, hat das BSG bereits mehrfach entschieden (z.B. BSG, Urteil vom 19.02.1998 - B 3 P 3/97 R - und B 3 P 5/97 R - a.a.O.; Urteil vom 29.11.1998 - B 3 P 2/98 R -). Insbesondere zählt Hilfe im Zusammenhang mit der Benutzung und Handhabung des Hörgerätes, die Beruhigung, das Zugegensein der Pflegeperson beim Einschlafen, das Erklären von Geschichten und Tageserlebnissen, die Unterhaltung bei Tisch und das Durchführen von Atem- und Sprachübungen, nicht zu den Hilfe leistungen, die bei der Bemessung des Pflegebedarfs zu berücksichtigen sind. Denn diese Verrichtungen sind weder ausdrücklich in dem in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführten Katalog genannt noch sind die betreffenden Hilfeleistungen Bestandteil der Hilfe für eine Katalogverrichtung (z.B. Gehen, Stehen, Treppensteigen, Aufstehen, Zubettgehen, Nahrungsaufnahme) oder werden in unmittelbarem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser Hilfe erforderlich (BSG, Urteil vom 16.12.1999 - B 3 P 5/98 R -).
Das Hörgerät mag zwar zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichtssinnes die nen. Die damit verbundenen Hilfeleistungen stellen sich jedoch nicht als Hilfe bei den konkreten Katalogverrichtungen "Gehen, Stehen, Treppensteigen" dar. Denn bei diesen Verrichtungen muss sich die Hilfe auf die Durchführung einer Körperbewegung (Körperverlagerung) bzw. die Ermöglichung einer bestimmten Körperhaltung richten. Daran fehlt es hier (BSG, Urteil vom 29.04.1999 - B 3 P 13/98 R-).
Ebenso stellen auch die Verrichtungen "Aufstehen/Zubettgehen" körperliche Bewegungsvorgänge dar, die den Zweck haben, aus dem Bett heraus- bzw. hineinzugelangen. Es handelt sich dabei um Bewegungsvorgänge, die erst nach dem Ende des Schlafes einsetzen bzw. vor Beginn des Schlafens bereits beendet sind (BSG, Urteil vom 29.04.1999 - B 3 P 13/98 R -). Alle notwendigen Hilfeleistungen, die der Durchführung dieser körperlichen Bewegungsvorgänge dienen, sind als Pflegebedarf zu berücksichtigen. Dazu zählen nicht Maßnahmen, die der Beruhigung oder Entspannung dienen. Eine so weite Ausdehnung des Anwendungsbereiches dieser Verrichtung scheidet aus, weil sie nicht vom Wortsinn des Begriffes Aufstehen/Zubettgehen gedeckt ist und eine andere Grundpflegemaßnahme nicht geleistet wird (BSG, Urteil vom 29.04.1999 - B 3 P 7/98 R - a.a.O.).
Das Erklären von Geschichten und Tageserlebnissen, sowie der Meinungsaustausch bei der Nahrungsaufnahme sind der Kommunikation zuzurechnen und bei der Bemessung des Pflegeaufwandes nicht zu berücksichtigen. Die Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Pflegebedarfs auf die in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen schließt auch die Einbeziehung der Hilfe in diesem Bereich aus. Die Kommunikation ist bewusst nicht in den Katalog der für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu einer Pflegestufe maßgebenden Verrichtungen aufgenommen worden. Im Gesetzgebungsverfahren wurde ausdrücklich klargestellt, dass ein Hilfebedarf im Bereich der Kommunikation nicht zum maßgebenden Pflegebedarf zu rechnen ist (BT-Drucksache 12/5262, S. 94, § 12 Abs. 4 des Gesetzentwurfes). Etwas Anderes folgt auch nicht aus § 28 Abs. 4 Satz 2 SGB XI. Danach sollen, um der Gefahr der Vereinsamung des Pflegebedürftigen entgegenzuwirken, bei der Leistungserbringung auch die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen nach Kommunikation berücksichtigt werden. Diese Aufforderung richtet sich an alle, die Pflegeleistungen erbringen und deren Dienstleistungen entweder direkt (bei der ambulanten Pflegesachleistung und der stationären Hilfe) oder zumindest indirekt (bei nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen durch die Teilhabe am Pflegegeld) von der Pflegeversicherung finanziert werden. Auf die Bemessung des Pflegebedarfes, die im 2. Kapitel des SGB XI geregelt ist, hat diese Vorschrift, die sich im 4. Kapitel befindet, das die Leistungen der Pflegeversicherung regelt, keinen Einfluss (BSG, Urteil vom 26.11.1998 - B 3 P 13/97 R - in: SozR 3-3300 § 14 SGB XI Nr. 8).
In dem geforderten unmittelbaren oder zeitlichen Zusammenhang mit einer Katalogverrichtung stehen auch nicht die zu Hause durchgeführten Atem- und Sprechübungen.
Kein berücksichtigungsfähiger Pflegebedarf sind ferner Hilfen im Zusammenhang mit dem Kindergarten- bzw. Schulbesuch, dem Besuch der Spielgruppe sowie Hilfen in Zusammenhang mit der Ergotherapie, der logopädischen Frühförderung und dem Hörtrainings- und Sprachanbahnungsunterricht. Denn dabei handelt es sich nicht um verrichtungsbezogene Grundpflege ("Verlassen oder Wiederaufsuchen der Wohnung"). Die genannten Maßnahmen dienen vorrangig, wie sich für die Ergotherapie auch aus der Erklärung der gesetzlichen Vertreterin des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Düsseldorf am 12.05.1999 ergibt, dazu, den Pflegeaufwand in späteren Lebensabschnitten zu vermeiden oder geringer zu halten. Denn sie zielen darauf ab, die Fähigkeit zur eigenständigen Lebensführung zu stützen. Derartige - rehabilitative - Maßnahmen werden von den §§ 14, 15 SGB XI nicht umfasst, denn nach § 5 i.V.m. § 31 SGB XI ist die Rehabilitation zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit nicht Aufgabe der Pflegeversicherung. Zuständig ist viel mehr derjenige Sozialleistungsträger, der im Einzelfall die Rehabilitationsmaßnahmen durchzuführen hat (BSG, Urteil vom 26.11.1998
- B 3 P 13/97 R vom 05.08.1999
- B 3 P 1/99 R vom 29.04.1999
- B 3 P 7/98 R a.a.O.).
Der für die Begleitung eines Pflegebedürftigen auf Wegen außerhalb seiner Wohnung erforderliche Zeitaufwand kann nur berücksichtigt werden, wenn die zu erledigende Verrichtung, etwa der Besuch eines Arztes, für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unerlässlich ist. Dient die Verrichtung bzw. Behandlung dagegen (überwiegend) einer für die Zukunft angestrebten Verbesserung des Gesundheitszustandes, so muss auch die hierauf in Zusammenhang stehende Hilfeleistung bei der Bemessung des Pflegebedarfes unberücksichtigt bleiben, weil sie den nicht von der Pflegeversicherung abgedeckten Bereich der Rehabilitation zuzuordnen ist (BSG, Urteil vom 26.11.1998 - B 3 P 13/97 R -).
Durch die Gehörlosigkeit bedingte Arztbesuche können jedoch nur berücksichtigt werden, wenn sie regelmäßig mindestens einmal wöchentlich anfallen. Denn § 15 Abs. 3 SGB XI stellt klar, dass bei der Ermittlung des für die Pflege erforderlichen Zeitaufwandes auf den "wöchentlichen Tagesdurchschnitt" (gemeint: täglich im Wochendurchschnitt) abzustellen ist. Aus dem gesamten in einer Woche anfallenden Pflegeaufwand ist der Tagesdurchschnitt zu ermitteln. Arztbesuche regelmäßig mindestens einmal wöchentlich ergeben sich weder nach den aktenkundigen Unterlagen noch sind sie vom Kläger geltend gemacht worden. Schon aus diesem Grunde ist auch die zweimal monatlich anfallende Hilfe in Zusammenhang mit dem Besuch beim Hörgeräteakustiker nicht zur Ermittlung des Pflegebedarfes heranzuziehen.
Im Übrigen bietet das Gesetz auch keine Grundlage für die Berücksichtigung eines Hilfebedarfs in Form einer ständigen Anwesenheit und Aufsicht einer Pflegeperson zur Verhinderung einer möglichen Selbst- und Fremdgefährdung oder der Beschädigung von Sachen. Auch insoweit gilt, dass für die Feststellung und die Zuordnung zu den Pflegestufen allein der Hilfebedarf bei den in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen sowie die in § 14 Abs. 3 SGB XI genannten Arten der Hilfe maßgebend sind und eine Ausdehnung auf dort nicht genannte Pflegebereiche, Verrichtungen oder Hilfeleistungen grundsätzlich ausscheidet (BSG, Urteil vom 16.11.1998 - B 3 P 13/97 R - a.a.O.).
Der Kläger ist auch nicht schon deshalb der Pflegestufe I zuzuordnen, weil er als Schwerbehinderter mit einem GdB von 100 und dem Merkzeichen "H", "G" und "RF" anerkannt ist. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen weichen von den Voraussetzungen ab, die in den §§ 14, 15 SGB XI für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den Pflegestufen aufgestellt worden sind. Das BSG hat bereits im Hinblick auf die Voraussetzungen der Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 ff. SGB V a.F. deutlich gemacht, dass auf die Feststellungen zum Hilfebedarf bei den für die Annahme von Schwerpflegebedürftigkeit maßgebenden Verrichtungen auch bei Schwerbe- hinderten und bei Versicherten, die als hilflos i.S.d. Schwerbehindertenrechts anzusehen sind, nicht verzichtet werden kann (BSG, Urteil vom 14.02.1994 - 3 RK 14/94 - in: SozR 3-2500 § 53 Nr. 8; BSG, Urteil vom 26.11.1998 - B 3 P 20/97 R -).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Pflegegeld nach der Pflegestufe I aus der Sozialen Pflegeversicherung.
Bei dem 1992 geborenen Kläger besteht seit Geburt eine hochgradige an Taubheit grenzende Hörbehinderung. Die Eltern des Klägers sowie sein 1995 geborener Bruder sind ebenfalls taub bzw. schwersthörig, ebenso die Großeltern mütterlicherseits.
Der Kläger besuchte von September 1995 bis August 1998 den Gehörlosen- bzw. Schwerhörigen-Kindergarten und danach die Sonderschule für Hörbehinderte in Dxxxxxxxxf-Gxxxxxxxxx.
Bei dem Kläger sind nach dem Schwerbehindertengesetz ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und die Nachteilsausgleiche "erhebliche Gehbehinderung" (G), "Hilflosigkeit" (H) und "Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht" (RF) festgestellt.
Auf seinen im Januar 1995 gestellten Antrag auf Pflegeleistung aus der Sozialen Pflegeversicherung wurde der Kläger von Dr. Exxxx-Hxxxx - MDK Nordrhein - untersucht. In ihrem Gutachten vom 30.10.1995 beschrieb die Ärztin eine gravierende Schwerhörigkeit mit daraus folgender fast fehlender Sprachentwicklung. Der Kläger sei mit zwei Hörgeräten versorgt; er sei in manchen Bereichen behindert. In den für die Pflegeversicherung relevanten Bereichen bestehe dagegen kein erhöhter Pflegeaufwand, da sich der Kläger - abgesehen von der Hörbeeinträchtigung und der fehlenden Sprachentwicklung - ansonsten erfreulich normal entwickelt habe.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 08.01.1996 den Antrag ab.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger weiterhin einen erhöhten Pflegeaufwand geltend. Da er akustisch nicht erreichbar sei, sei ein ständiger Kontakt mit der Bezugsperson notwendig. Zu den Vorgängen und Aktivitäten des normalen Tagesablaufes bedürfe es zeitaufwändiger Erklärungen. Er benötige auch eine umfangreiche Betreuung, da er nicht mit normalhörenden Kindern spielen könne. Ein erheblicher Zeitaufwand sei für die Hörversorgung (Ärzte, Akustiker, Klinik) und das Training des Hörenlernens und den Sprachaufbau erforderlich.
Nach Einholung einer weiteren ärztlichen Stellungnahme von Dr. Schxxxx (30.04.1996) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.1997 den Widerspruch zurück, weil der für die Pflegestufe I erforderliche Zeitaufwand von mindestens 90 Minuten nicht erreicht werde. Maßnahmen zur Förderung der Kommunikation, Maßnahmen der Behandlungspflege und Krankenbehandlung seien nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger hat am 20.06.1997 beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben und zu deren Begründung einen typischen Wochenablauf geschildert und folgende Hilfe geltend gemacht:
morgendliches Aufstehen, Waschen, Zähneputzen, Anziehen, zur Toilette gehen 15 Minuten
Hörgerätesuche, Prüfung, Einstellung, Reinigung, Batterienüberprüfung 15 Minuten
Zubettbringen nach dem Mittagessen, Warten auf Einschlafen, Beruhigen 15 Minuten
Sprachübungen, Gebärden üben, Atemübungen 20 Minuten Aufsicht/Hilfe draußen 60 Minuten
Buch vorlesen, Übersetzung in Gebärdensprache, Inhalt und Bedeutung der Worte lernen
30 Minuten
Abendessen, Baden, Ausziehen, Warten auf Einschlafen mit Gebärden Geschichten/Tageserlebnisse erklären 30 Minuten
Ansprache des Klägers von Antlitz zu Antlitz, weil er innerhalb des Hauses akustisch nicht erreichbar ist 15 - 20 Minuten
2 x wöchentlich Sprachanbahnung durch hörende Personen je 4 - 5 Stunden
seit Sommer 1997 1 x wöchentlich Ergotherapie zur Förderung der Ausgeglichenheit, Konzentration und Feinmotorik 3 Stunden
2 x monatlich zum Hörgeräteakustiker je 2 Stunden
2 - 3 x jährlich zum HNO-Arzt je 2 Stunden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.01.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.1997 zu verurteilen, ihm Pflegegeld gem. § 37 Abs. 1 Satz 3 Ziff. 1 SGB XI ab 09.09.1995 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten gutachtlichen Beurteilungen sowie auf ein weiteres Gutachten von Frau Dr. Gxxxxx - MDK Nordrhein - vom 24.11.1998 gestützt, die Pflegebedürftigkeit bei den Verrichtungen im Grundpflegebereich vereint hat. Der Kläger sei im Vergleich zu einem gesunden sechsjährigen Kind wegen der Schwerhörigkeit mehr von der allgemeinen Betreuung und Beaufsichtigung durch seine Familie abhängig. Er sei erfreulicherweise nicht nur altersentsprechend normal, sondern bereichsweise sogar überdurchschnittlich gut entwickelt, was ihm eine vorzeitige Einschulung erlaubt habe.
Das SG hat Beweis erhoben durch Beiziehung des pädagogischen Gutachtens der Sonderschullehrerin Qxxxxxx-Mxxx und der Dipl.Pädagogin Vxx zur Frage der vorzeitigen Einschulung, des sonderpädagogischen Gutachtens von Dr. Jxxxxx, der hno-ärztlichen Befundberichte von Dr. Bxxxxxx und des schulärztlichen Gutachtens von Dr. Jxxxxx-Kxxxxxx. Ferner hat das SG die Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie-/psychotherapie, Psychotherapie Dr. Hxxxx-Bxxxxxx mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt.
Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten vom 20.02.1999 auf Grund einer Untersuchung des Klägers in seiner häuslichen Umgebung sowie der Befragung der Eltern und des Großvaters väterlicherseits einen Mehrbedarf an Hilfe gegenüber einem hörgesunden Kind von mehr als 6 Stunden täglich für erforderlich gehalten. Zwar benötige der Kläger bei der Körperpflege und der Ernährung nur die Hilfe wie sie bei einem hörgesunden Kind erforderlich sei. Beim Aufstehen, insbesondere aber beim Zubettgehen bedürfe er jedoch einer längeren und höheren Aufmerksamkeit, die auch eine Beruhigung beinhalte. Aufsicht bzw. ständige Sichtkontrolle oder Zuwendung seien ferner bei der Körperpflege, bei der Nahrungsaufnahme, Vorbereitung bis zum Antritt des Schulweges, bei der Rückkehr aus der Schule, während der Ruhephasen, der Aktivitäten am Nachmittag und beim Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung (Arzt, Akustiker) erforderlich. Bei der hauswirtschaftlichen Versorgung ergäben sich gegenüber einem hörgesunden Kind keine besonderen Belastungen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 14.10.1999 abgewiesen. Dass auch gesunde Kinder bis zu einem bestimmten Alter keinen eigenen Haushalt führten und vorliegend ein zusätzlicher Aufwand im hauswirtschaftlichen Versorgungsbereich nicht anfalle, führe nicht dazu, dass der für die Zuordnung zur Pflegestufe I maßgebende Zeitaufwand von 90 Minuten niedriger festzusetzen sei. Einen Hilfebedarf von 90 Minuten im Tagesdurchschnitt bei den Verrichtungen im Grundpflegebereich erreiche der Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) nicht. Zu berücksichtigen sei lediglich ein zusätzlicher Hilfebedarf von 30 Minuten beim Zubettgehen mittags und abends - wobei (wie auch beim Aufstehen) lediglich der körperliche Bewegungsvorgang gemeint sei - und von 20 Minuten im Zusammenhang mit der Begleitung zur einmal wöchentlich erfolgenden Ergotherapie. Für die Berücksichtigung einer erhöhten Aufmerksamkeit und Aufsicht, auch zur Vermeidung einer möglichen Selbst- und Fremdgefährdung biete das Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) - Soziale Pflegeversicherung - keine Grundlage. Das Gleiche gelte für Hilfebedarf im Bereich der Kommunikation. Ebensowenig sei der geltend gemachte Hilfebedarf im Zusammenhang mit dem Hörgerät anzurechnen, denn er stehe in keinem notwendigen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Katalogverrichtung. Dasselbe gelte für die geltend gemachten Sprach- und Atemübungen. Hilfe im Zusammenhang mit der logopädischen Frühförderung und der Teilnahme an Sportgruppen sei deshalb nicht zu berücksichtigen, weil diese darauf abzielten, den Pflegeaufwand in späteren Lebensabschnitten zu vermeiden bzw. geringer zu halten und somit der Rehabilitation zuzuordnen sei. Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sei nur anrechnungsfähig, wenn diese Verrichtungen für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich seien und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig machten (z.B. Besuche beim Arzt/Krankengymnasten) und regelmäßig einmal pro Woche anfielen, was beim Kläger nicht der Fall sei.
Gegen das am 28.10.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.11.1999 Berufung eingelegt und zu deren Begründung vorgetragen, entgegen der Ausführungen des SG sei der für die Zuordnung einer Pflegestufe maßgebende Zeitaufwand gem. § 15 Abs. 3 SGB XI niedriger festzusetzen, da der hauswirtschaftliche Hilfebedarf unstreitig außer Acht zu lassen sei. Im Übrigen beinhalte § 14 Abs. 3 SGB XI die Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigen- ständigen Übernahme von Verrichtungen. Diese umfassten auch die erhöhte Aufmerksamkeit und Aufsicht, die bei ihm erforderlich sei. Es sei nicht erkennbar, dass es sich bei der Aufzählung in § 14 SGB XI um eine abschließende Regelung handeln solle. Deshalb sei auch Hilfe im Bereich der Kommunikation, im Zusammenhang mit der Wartung und Benutzung des Hörgerätes und Hilfe bei den besonderen Maßnahmen zur Förderung seiner Entwicklung an zurechnen. Zu berücksichtigen sei auch die Hilfe im Zusammenhang mit der Einschlafsituation.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.10.1999 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.01.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.1997 zu verurteilen, ab September 1995 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.10.1999 zurückzuweisen.
Auf den Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Kinderarzt Dr. Gxxxxxxxxxx ein Gutachten (Eingang 08.02.2001) und eine ergänzende Stellungnahme vom 12.11.2001 erstattet. Der Sachverständige hat auf Grund der Untersuchung des Klägers in seiner häuslichen Umgebung sowie der Befragung der Eltern und Großeltern einen Hilfebedarf von 280 Minuten und einen durch die Taubheit bedingten Mehrbedarf an Hilfe von 110 Minuten täglich für erforderlich gehalten. Unter Berücksichtigung der Unterschiede in der Entwicklung eines hörgesunden und der eines gehörlosen Kindes hat der Sachverständige ausgeführt, Hilfebedarf in der von ihm festgestellten Höhe dürfte auch in dem Zeitraum 1995 bis 2000 bestanden haben. In bestimmten Zeitabschnitten (1996 und 1998) sei er sogar höher gewesen. Der Sachverständige hat den Hilfebedarf bei den Verrichtungen im Grundpflegebereich und dessen Ausmaß mit einer durch die Taubheit bedingten zeitaufwändigeren Anleitung, Überwachung und Erledigungskontrolle (Gebärdensprache, "Anlitzgewandtheit") begründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide vom 08.01.1996 und 10.06.1997 nicht beschwert, denn er hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Pflegegeld.
Der Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I setzt gem. § 37 Abs. 1 SGB XI Pflegebedürftigkeit i.S.d. § 14 SGB XI voraus. Außerdem ist nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI für die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zur Pflegestufe I Voraussetzung, dass er bei der Körperpflege, Ernährung oder Moblität wenigstens zwei Verrichtungen aus einen oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Dabei gehören zum Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- und Blasenentleerung, zum Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten und die Aufnahme der Nahrung und zum Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen sowie das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (§ 14 Abs. 4 Nrn. 1 - 3 SGB XI). Zusätzlich wird nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI verlangt, dass der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Person für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, täglich im Wochendurchschnitt 90 Minuten beträgt, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen. Die Hilfe besteht in der Unterstützung, der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtung oder in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme (§ 14 Abs. 3 SGB XI). Bei Kindern hängt die Zuordnung zu den einzelnen Pflegestufen grundsätzlich von denselben Voraussetzungen ab wie bei Erwachsenen (BSG, Urteil vom 19.02.1998 - B 3 P 5/97 R - in: SozR 3-3300 § 14 SGB XI Nr. 3; Urteil vom 24.06.1998 - B 3 P 1/97 R- in: SozR 3-3300 § 14 SGB XI Nr. 4).
Davon ausgehend hat das SG mit im Wesentlichen zutreffender Begündung die Gewährung von Pflegegeld abgelehnt, denn der geforderte zusätzliche Hilfe bedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind (Mehrbedarf) von 90 Minuten täglich wird nicht erreicht. Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, hat der Umstand, dass der Kläger keinen eigenen Haushalt führt und ein zusätzlicher Aufwand im hauswirtschaftlichem Bereich unstreitig nicht anfällt, nicht zur Folge, dass ein niedriger als der für die Zuordnung zur Pflegestufe I gesetzlich geforderte Zeitaufwand von 90 Minuten festzusetzen wäre. Maßgebend ist allein das objektive Ausmaß des Pflegeaufwandes insgesamt, wobei das Gesetz lediglich für die Grundpflege ein - für die jeweilige Pflegestufe - erforderliches zeitliches Mindestmaß vorschreibt (BSG, Urteil vom 29.03.1999 - B 3 P 7/98 R- in: SozR 3-3300 § 14 SGB XI Nr. 10). Besteht kein Mehraufwand im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung, ist für die Zuordnung zu einer Pflegestufe nur der Aufwand der Grundpflege maßgebend. Dies führt nicht zu einer Ungleichbehandlung von pflegebedürftigen Kindern gegenüber pflegebedürftigen Erwachsenen und somit zu einem Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz ( GG). Denn die Nichtberücksichtigung des hauswirtschaftlichen Bereichs beruht darauf, dass Defizite in diesem Bereich bei Kindern im Allgemeinen nicht - wie es § 14 Abs. 1 SGB XI voraussetzt - krankheits- oder behinderungsbedingt sind (BSG, Urteil vom 19.02. 1998 - B 3 P 3/97 R- In: SozR 3-3300 § 15 SGB XI Nr. 1; Udsching, SGB XI, 2. Aufl. 2000, § 15 Rdn. 10). Für die Anrechnung eines pauschalen Zeitaufwandes - wie ihn die Richtlinien de Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung der Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buches des Sozialgesetz buches (Begutachtung - Richtlinien - Bri) vom 21.03.1997 (Abschn. D Teil 5.0 III7) vorsehen - bleibt kein Raum, wenn sich mit der Möglichkeit der freien Schätzung (§ 287 Zivilprozessordnung (ZPO)) ein geringerer Zeitaufwand oder - wie beim Kläger - kein Zeitaufwand feststellen lässt (BSG, Urteil vom 29.04.1999 - B 3 P 7/98 R - a.a.O.).
Ein Mehrbedarf an Hilfe in dem geforderten Umfang bei den in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen ist beim Kläger nicht erforderlich. Bis auf die Gehörlosigkeit und eine Hyperaktivität ist der Kläger sowohl körperlich als auch geistig gesund, er wird in dem im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten als altersentsprechend entwickelt beschrieben. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den im erstinstanzlichen Verfahren beigezogenen pädagogischen Gutachten. Bei den Verrichtungen im Grundpflegebereich bedurfte und bedarf der Kläger deshalb im Wesentlichen nur der Hilfe, die auch bei einem körpergesunden Kind erforderlich war bzw. ist. Lediglich bei der Verrichtung Waschen/Duschen ist ein durch die Taubheit bedingter Mehrbedarf an Hilfe insofern notwendig, als die Hörgeräte abgelegt werden müssen und dafür gesorgt werden muss, dass die Gehörgänge vor dem Wiederanlegen der Hörgeräte vollständig trocken sind. Dass außerdem die von dem Sachverständigen Gxxxxxxxxxt im Zusammenhang mit den übrigen Katalogverrichtungen als Aufforderung, Anleitung und Erledigungskontrolle entsprechend der jeweiligen Altersstufe eines Kindes geleistete Hilfe beim Kläger zeitaufwändiger ist, ist nachvollziehbar. Denn diese Hilfen müssen durch Gebärdensprache geleistet werden und erfordern die volle Aufmerksamkeit der Pflegeperson, d.h. sie können nur schwerlich neben einer anderen Tätigkeit geleistet werden. Der Zeitaufwand ist jedoch - wie der Senat in der mündlichen Verhandlung feststellen konnte - nur minimal, denn der Vorgang des Dolmetschens der wegen der gehörlosen gesetzlichen Vertreterin des Klägers geladenen Gebärdendolmetscherin erfolgte zeitgleich mit dem gesprochenen Wort und führte zu keiner erkennbaren Zeitverzögerung. Ein nennenswerter Zeitaufwand ergibt sich auch nicht dadurch, dass der Einsatz der Gebärdensprache die Aufmerksamkeit ("Anlitzgewandtheit") des "Ansprechpartners" voraussetzt. Diese kann auch durch eine kurze körperliche Berührung erreicht werden. Soweit der Sachverständige Gxxxxxxxxxx mehrfache Aufforderungen für nötig hält, sind diese nicht in der Gehörlosigkeit des Klägers begründet, sondern in dem der jeweiligen Entwicklungsstufe eines Kindes eigenen Verhalten (z.B. Trotz, Abwehr). Nicht zu berücksichtigen ist, dass sich vorliegend zumindest Erledigungskontrollen und Beaufsichtigung auch deshalb zeitaufwändiger gestalten, weil die Pflegepersonen ebenfalls gehörlos bzw. schwersthörig sind. Das Gesetz stellt nämlich bei der Beurteilung des Ausmaßes der Hilfe nicht auf die konkrete Pflegeperson, sondern auf eine Durchschnittspflegeperson ab (LSG Rheinland-Pflaz, Urteil vom 03.09.1997 - L 5 P 12/996 -).
Im Übrigen sind nur konkrete Anleitungen, Überwachung und Erlegigungskontrollen zu berücksichtigen, die die Pflegeperson in zeitlicher und örtlicher Hinsicht in gleicher Weise binden wie bei unmittelbarer körperlicher Hilfe und dazu führen, dass die Pflegeperson durch die Hilfe an der Erledigung anderer Dinge oder beim Schlafen gehindert ist. Danach stellen die allgemeine Verfügbarkeit und Einsatzbereitschaft der Pflegeperson und deren Aufforderung an den Behinderten zur Durchführung bestimmter Verrichtungen, mögen sie auch im Laufe eines Tages immmer wieder notwenig und in ihrer Summierung durchaus auch eine nervliche Belastung für die Pflegeperson sein, keine nach § 14 Abs. 3 SGB XI zu berücksichtigenden Hilfeleistungen dar, weil sie mit keiner derartigen Bindung der Pflegeperson einhergehen. Die im Gesetz gemeinte "Anleitung" und "Beaufsichtigung" geht über das reine "Anhalten" zur Durchführung einer Verrichtung hinaus (BSG, Urteil vom 19.02.1998 -B 3 P 7/97 R- a.a.O.; Urteil vom 24.06.1998 - B 3 P 4/97 R- in: SozR 3-3300 § 14 SGB XI Nr. 5). Das BSG hat ferner entscheiden, dass bei der erforderlichen Anleitung und Beaufsichtigung i.S.d. § 14 Abs. 3 SGB XI, wozu auch die tatsächliche Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung eine Verrichtung gehört, nur der jeweilige erforderliche konkrete Zeitaufwand der Pflegeperson für die einzelne Anleitung und Beaufsichtigung anzusetzen ist, grundsätzlich aber nicht Zeitspannen zwischen den Hilfeleistungen für verschiedene Verrichtungen und der Zeitaufwand für die ständige Anwesenheit einer Pflegeperson (BSG, Urteile vom 19.02.1998 - B 3 P 6/97 R - und B 3 P 7/97 R - a.a.O.).
Der vom Kläger darüber hinaus geltend gemachte Hilfebedarf im Zusammenhang mit anderen Verrichtungen ist nicht zu berücksichtigen; denn der Katalog der für die Einstufung maßgebenden Kriterien (§ 14 Abs. 1 und 4 SGB XI), der sich an den gewöhnlichen (Minimal-)Bedürfnissen eines Behinderten orientiert, ist seinem Wortlaut und seiner Zielsetzung nach abschließend (BSG, Urteile vom 19.02.1998 - B 3 P 3/97 R - in: BSGE 82, 27 ff. und - B 3 P 5/97 R - a.a.O.). Hilfe in anderen Bereichen, die in gleichem Maße der Aufrechterhaltung der Existenz dienen, sind bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit i.S.d. Sozialen Pflegeversicherung ausgeschlossen. Dass diese Begrenzung nicht verfassungswidrig ist, hat das BSG bereits mehrfach entschieden (z.B. BSG, Urteil vom 19.02.1998 - B 3 P 3/97 R - und B 3 P 5/97 R - a.a.O.; Urteil vom 29.11.1998 - B 3 P 2/98 R -). Insbesondere zählt Hilfe im Zusammenhang mit der Benutzung und Handhabung des Hörgerätes, die Beruhigung, das Zugegensein der Pflegeperson beim Einschlafen, das Erklären von Geschichten und Tageserlebnissen, die Unterhaltung bei Tisch und das Durchführen von Atem- und Sprachübungen, nicht zu den Hilfe leistungen, die bei der Bemessung des Pflegebedarfs zu berücksichtigen sind. Denn diese Verrichtungen sind weder ausdrücklich in dem in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführten Katalog genannt noch sind die betreffenden Hilfeleistungen Bestandteil der Hilfe für eine Katalogverrichtung (z.B. Gehen, Stehen, Treppensteigen, Aufstehen, Zubettgehen, Nahrungsaufnahme) oder werden in unmittelbarem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser Hilfe erforderlich (BSG, Urteil vom 16.12.1999 - B 3 P 5/98 R -).
Das Hörgerät mag zwar zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichtssinnes die nen. Die damit verbundenen Hilfeleistungen stellen sich jedoch nicht als Hilfe bei den konkreten Katalogverrichtungen "Gehen, Stehen, Treppensteigen" dar. Denn bei diesen Verrichtungen muss sich die Hilfe auf die Durchführung einer Körperbewegung (Körperverlagerung) bzw. die Ermöglichung einer bestimmten Körperhaltung richten. Daran fehlt es hier (BSG, Urteil vom 29.04.1999 - B 3 P 13/98 R-).
Ebenso stellen auch die Verrichtungen "Aufstehen/Zubettgehen" körperliche Bewegungsvorgänge dar, die den Zweck haben, aus dem Bett heraus- bzw. hineinzugelangen. Es handelt sich dabei um Bewegungsvorgänge, die erst nach dem Ende des Schlafes einsetzen bzw. vor Beginn des Schlafens bereits beendet sind (BSG, Urteil vom 29.04.1999 - B 3 P 13/98 R -). Alle notwendigen Hilfeleistungen, die der Durchführung dieser körperlichen Bewegungsvorgänge dienen, sind als Pflegebedarf zu berücksichtigen. Dazu zählen nicht Maßnahmen, die der Beruhigung oder Entspannung dienen. Eine so weite Ausdehnung des Anwendungsbereiches dieser Verrichtung scheidet aus, weil sie nicht vom Wortsinn des Begriffes Aufstehen/Zubettgehen gedeckt ist und eine andere Grundpflegemaßnahme nicht geleistet wird (BSG, Urteil vom 29.04.1999 - B 3 P 7/98 R - a.a.O.).
Das Erklären von Geschichten und Tageserlebnissen, sowie der Meinungsaustausch bei der Nahrungsaufnahme sind der Kommunikation zuzurechnen und bei der Bemessung des Pflegeaufwandes nicht zu berücksichtigen. Die Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Pflegebedarfs auf die in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen schließt auch die Einbeziehung der Hilfe in diesem Bereich aus. Die Kommunikation ist bewusst nicht in den Katalog der für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu einer Pflegestufe maßgebenden Verrichtungen aufgenommen worden. Im Gesetzgebungsverfahren wurde ausdrücklich klargestellt, dass ein Hilfebedarf im Bereich der Kommunikation nicht zum maßgebenden Pflegebedarf zu rechnen ist (BT-Drucksache 12/5262, S. 94, § 12 Abs. 4 des Gesetzentwurfes). Etwas Anderes folgt auch nicht aus § 28 Abs. 4 Satz 2 SGB XI. Danach sollen, um der Gefahr der Vereinsamung des Pflegebedürftigen entgegenzuwirken, bei der Leistungserbringung auch die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen nach Kommunikation berücksichtigt werden. Diese Aufforderung richtet sich an alle, die Pflegeleistungen erbringen und deren Dienstleistungen entweder direkt (bei der ambulanten Pflegesachleistung und der stationären Hilfe) oder zumindest indirekt (bei nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen durch die Teilhabe am Pflegegeld) von der Pflegeversicherung finanziert werden. Auf die Bemessung des Pflegebedarfes, die im 2. Kapitel des SGB XI geregelt ist, hat diese Vorschrift, die sich im 4. Kapitel befindet, das die Leistungen der Pflegeversicherung regelt, keinen Einfluss (BSG, Urteil vom 26.11.1998 - B 3 P 13/97 R - in: SozR 3-3300 § 14 SGB XI Nr. 8).
In dem geforderten unmittelbaren oder zeitlichen Zusammenhang mit einer Katalogverrichtung stehen auch nicht die zu Hause durchgeführten Atem- und Sprechübungen.
Kein berücksichtigungsfähiger Pflegebedarf sind ferner Hilfen im Zusammenhang mit dem Kindergarten- bzw. Schulbesuch, dem Besuch der Spielgruppe sowie Hilfen in Zusammenhang mit der Ergotherapie, der logopädischen Frühförderung und dem Hörtrainings- und Sprachanbahnungsunterricht. Denn dabei handelt es sich nicht um verrichtungsbezogene Grundpflege ("Verlassen oder Wiederaufsuchen der Wohnung"). Die genannten Maßnahmen dienen vorrangig, wie sich für die Ergotherapie auch aus der Erklärung der gesetzlichen Vertreterin des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Düsseldorf am 12.05.1999 ergibt, dazu, den Pflegeaufwand in späteren Lebensabschnitten zu vermeiden oder geringer zu halten. Denn sie zielen darauf ab, die Fähigkeit zur eigenständigen Lebensführung zu stützen. Derartige - rehabilitative - Maßnahmen werden von den §§ 14, 15 SGB XI nicht umfasst, denn nach § 5 i.V.m. § 31 SGB XI ist die Rehabilitation zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit nicht Aufgabe der Pflegeversicherung. Zuständig ist viel mehr derjenige Sozialleistungsträger, der im Einzelfall die Rehabilitationsmaßnahmen durchzuführen hat (BSG, Urteil vom 26.11.1998
- B 3 P 13/97 R vom 05.08.1999
- B 3 P 1/99 R vom 29.04.1999
- B 3 P 7/98 R a.a.O.).
Der für die Begleitung eines Pflegebedürftigen auf Wegen außerhalb seiner Wohnung erforderliche Zeitaufwand kann nur berücksichtigt werden, wenn die zu erledigende Verrichtung, etwa der Besuch eines Arztes, für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unerlässlich ist. Dient die Verrichtung bzw. Behandlung dagegen (überwiegend) einer für die Zukunft angestrebten Verbesserung des Gesundheitszustandes, so muss auch die hierauf in Zusammenhang stehende Hilfeleistung bei der Bemessung des Pflegebedarfes unberücksichtigt bleiben, weil sie den nicht von der Pflegeversicherung abgedeckten Bereich der Rehabilitation zuzuordnen ist (BSG, Urteil vom 26.11.1998 - B 3 P 13/97 R -).
Durch die Gehörlosigkeit bedingte Arztbesuche können jedoch nur berücksichtigt werden, wenn sie regelmäßig mindestens einmal wöchentlich anfallen. Denn § 15 Abs. 3 SGB XI stellt klar, dass bei der Ermittlung des für die Pflege erforderlichen Zeitaufwandes auf den "wöchentlichen Tagesdurchschnitt" (gemeint: täglich im Wochendurchschnitt) abzustellen ist. Aus dem gesamten in einer Woche anfallenden Pflegeaufwand ist der Tagesdurchschnitt zu ermitteln. Arztbesuche regelmäßig mindestens einmal wöchentlich ergeben sich weder nach den aktenkundigen Unterlagen noch sind sie vom Kläger geltend gemacht worden. Schon aus diesem Grunde ist auch die zweimal monatlich anfallende Hilfe in Zusammenhang mit dem Besuch beim Hörgeräteakustiker nicht zur Ermittlung des Pflegebedarfes heranzuziehen.
Im Übrigen bietet das Gesetz auch keine Grundlage für die Berücksichtigung eines Hilfebedarfs in Form einer ständigen Anwesenheit und Aufsicht einer Pflegeperson zur Verhinderung einer möglichen Selbst- und Fremdgefährdung oder der Beschädigung von Sachen. Auch insoweit gilt, dass für die Feststellung und die Zuordnung zu den Pflegestufen allein der Hilfebedarf bei den in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen sowie die in § 14 Abs. 3 SGB XI genannten Arten der Hilfe maßgebend sind und eine Ausdehnung auf dort nicht genannte Pflegebereiche, Verrichtungen oder Hilfeleistungen grundsätzlich ausscheidet (BSG, Urteil vom 16.11.1998 - B 3 P 13/97 R - a.a.O.).
Der Kläger ist auch nicht schon deshalb der Pflegestufe I zuzuordnen, weil er als Schwerbehinderter mit einem GdB von 100 und dem Merkzeichen "H", "G" und "RF" anerkannt ist. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen weichen von den Voraussetzungen ab, die in den §§ 14, 15 SGB XI für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den Pflegestufen aufgestellt worden sind. Das BSG hat bereits im Hinblick auf die Voraussetzungen der Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 ff. SGB V a.F. deutlich gemacht, dass auf die Feststellungen zum Hilfebedarf bei den für die Annahme von Schwerpflegebedürftigkeit maßgebenden Verrichtungen auch bei Schwerbe- hinderten und bei Versicherten, die als hilflos i.S.d. Schwerbehindertenrechts anzusehen sind, nicht verzichtet werden kann (BSG, Urteil vom 14.02.1994 - 3 RK 14/94 - in: SozR 3-2500 § 53 Nr. 8; BSG, Urteil vom 26.11.1998 - B 3 P 20/97 R -).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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