Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 P 44/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 P 9/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 RP 14/97
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Pflegebedürftigkeit eines an der Ahornsirup-Krankheit erkrankten Kindes
Für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit (Voraussetzungen der Pflegestufen im Sinne des § 15 Abs. 1 Nrn. 1-3 SGB XI) eines an der sog. Ahornsirup-Krankheit, einer chronischen Stoffwechselkrankheit, leidenden Kindes, ist der objektive Zeitaufwand des Hilfebedarfs maßgebend. Der für die notwendige diätische Nahrungszubereitung erforderliche Zeitaufwand zählt nicht zum Bereich der Grundpflege gem. § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI, sondern dem der wirtschaftlichen Versorgung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI. Die Mindestzeit von 45 Minuten im Bereich der Grundpflege erreicht der Kläger deshalb nicht.
Für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit (Voraussetzungen der Pflegestufen im Sinne des § 15 Abs. 1 Nrn. 1-3 SGB XI) eines an der sog. Ahornsirup-Krankheit, einer chronischen Stoffwechselkrankheit, leidenden Kindes, ist der objektive Zeitaufwand des Hilfebedarfs maßgebend. Der für die notwendige diätische Nahrungszubereitung erforderliche Zeitaufwand zählt nicht zum Bereich der Grundpflege gem. § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI, sondern dem der wirtschaftlichen Versorgung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI. Die Mindestzeit von 45 Minuten im Bereich der Grundpflege erreicht der Kläger deshalb nicht.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 02.12.1996 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen .
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Geldleistung der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I.
Die 1981 geborene Klägerin leidet unter der Ahornsirupkrankheit, einer chronischen Stoffwechselstörung. Am 21.06.1995 beantragte sie ein Pflegegeld aus der gesetzlichen Pflegeversicherung. Die Beklagte holte ein Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MdK) Nordrhein ein. Der beratende Arzt E. kam im Gutachten vom 23.10.1995 zum Ergebnis, daß nur im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung Hilfe erforderlich sei.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 31.10.1995 ab.
Dagegen legte die Klägerin durch ihre Mutter am 17.11.1995 Widerspruch ein. Die Mutter trug vor, sie müsse für die Klägerin täglich, d.h. morgens, mittags und abends die Medizin wiegen und verabreichen. Ständige Kontrolle sei notwendig, um Diätfehler zu vermeiden, z.B. durch Naschen oder Einnahme anderer als erlaubter Nahrungsmittel oder auch nur etwas größerer Mengen als erlaubt. Sämtliche Mahlzeiten müßten peinlich genau abgewogen und zusammengestellt werden. Da dies mit eiweißarmen Produkten geschehen müsse, sei dazu ein erheblicher Arbeitsaufwand zusätzlich nötig, so daß fast schon von einer doppelten Haushaltsführung gesprochen werden könne. Ohne Aufsicht dürfe die Klägerin nirgendwo länger verweilen, da sie nicht in der Lage sei, Versuchungen zu widerstehen, die ihr schwere geistige und körperliche Schäden zufügen könnten. In einem Pflegetagebuch gab die Klägerin folgenden Hilfebedarf an:
Frühstück zubereiten (Zutaten zusammenstellen und abwiegen): ca. 10 Minuten
Mittagessen zubereiten (Zusammenstellen und Wiegen und Kochen): 1 1/2 Stunden
Abendbrot zubereiten (Zusammenstellen und wiegen): 10 Minuten
Medizin zubereiten und verabreichen: 3 mal 10 Minuten
Anleitung, die Medizin und Nahrung selbst abzuwiegen: ca. 15 Minuten.
Einmal wöchentlich finde eine psychiatrische Behandlung in der Uniklinik K. (2 Stunden), alle 14 Tage eine Kontrolluntersuchung in der Uniklinik D. (3 Stunden) statt. Die Klägerin legte ein Attest von Dr. K. (Uni-Klinik D.) vor, wonach sie dauernder Aufsicht und Pflege bedarf.
Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des MDK - Dr. D. - durch Widerspruchsbescheid vom 26.02.1996, zugestellt am 28.02.1996, zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 27.03.1996 Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, im Bereich der Ernährung auf Hilfe angewiesen zu sein; sie müsse eine grammgenaue Diät einhalten, um Schädigungen zu vermeiden; dies sei eine lebenslang notwendige Maßnahme zur Gesunderhaltung. Darüber hinaus bedürfe sie im Bereich der Mobilität fremder Hilfe, weil sie regelmäßig zu Arztbesuchen begleitet werden müsse, und zwar wöchentlich zur Universitätsklinik K., alle zwei Wochen zur Uniklinik D. Schließlich sei auch im Bereich der hauswirtschaftlichen Verrichtungen Hilfe erforderlich, weil sie auf eine spezielle Ernährung angewiesen sei und die dafür erforderliche Nahrung nicht immer ohne Schwierigkeiten beschafft werden könnten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.10.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.1996 zu verurteilen, Leistungen nach der Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat eine ergänzende Stellungnahme des MdK Nordrhein vom 03.05.1996 vorgelegt. Darin hat Dr. D. die Auffassung vertreten, die Zubereitung von Diäten falle unter die Verrichtung "Kochen" und damit in den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung; sie gehöre nicht zur "mundgerechten Zubereitung der Speisen". Die von der Klägerin geltend gemachte Notwendigkeit einer Begleitung wegen einer eventuell eintretender Zustandsverschlechterung könne nicht als Hilfsbedarf im Bereich der Mobilität anerkannt werden; denn bei der ununterbrochenen Bereitschaft der Pflegeperson zur Hilfeleistung genüge nicht die bloße theoretische Möglichkeit, daß eingegriffen werden müsse, sondern es müsse konkret mit gewisser Regelmäßigkeit auch bisher Hilfe geleistet worden sein. Im übrigen fielen die Arztbesuche und damit ein eventueller Hilfsbedarf bei der Mobilität nicht täglich an.
Durch Urteil vom 02.12.1996 hat das Sozialgericht Köln die Klage abgewiesen. Es hat den von der Klägerin vorgetragenen wesentlichen Hilfebedarf bei der Zusammenstellung der diätetischen Nahrung nicht der Grundpflege, sondern dem hauswirtschaftlichen Bereich (Einkaufen und Kochen) zugerechnet. Auch das Zubereiten und Verabreichen von Medizin sei nicht der Grundpflege zuzurechnen; im übrigen werde dadurch der vom Gesetz geforderte Zeitaufwand der Pflegestufe I nicht erreicht. Schließlich könne die Begleitung bei den Arztbesuchen nicht als Pflegebedarf im Bereich Mobilität besichtigt werden, da sie nicht wegen der Krankheit, sondern wegen des jugendlichen Alters erfolge.
Gegen das ihr am 24.01.1997 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.02.1997 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, daß das Abwiegen und Berechnen ihrer Mahlzeiten als "mundgerechte Zubereitung der Nahrung" anzusehen sei. "Mundgerecht" bedeute nicht lediglich das Auflegen des Essens auf den Teller nebst Besteck. Vielmehr sei für sie nur die Zubereitung von Speisen mundgerecht, die genau nach ihren Erfordernissen, d.h. nach der verordneten Diät zubereitet sind. Diese Handlung sei nicht anders zu bewerten als bei anderen Pflegebedürftigen z.B. die besondere Zerkleinerung der Nahrung. Die Aufnahme der Medikamente sei Nahrungsaufnahme; denn die Medikamentation halte ihren Stoffwechsel in einem normalen Zustand. Es sei daher Hilfe im Rahmen der Grundpflege bei der mundgerechten Zubereitung und der Aufnahme der Nahrung erforderlich, zusätzlich im Bereich der Mobilität, denn die Begleitung zu den Arztbesuchen sei nicht aufgrund des Alters, sondern wegen der Erkrankung notwendig. Sie bedürfe ständiger Beobachtung, damit auf unvorhersehbare lebensbedrohliche Situationen rechtzeitig und entsprechend reagiert werden könne.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils nach ihrem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die nach ihrer Ansicht zutreffenden Gründe des Urteils des Sozialgerichts.
Der Senat hat Befundberichte und Stellungnahmen zum Pflegebedarf von Prof. Dr. W. (Uniklinik D.) und Prof. Dr. L. (Uniklinik K.) eingeholt. Prof. Dr. W. sieht im Bereich der Grundpflege lediglich einen gelegentlichen Hilfebedarf bei der Nahrungszubereitung in Form der Unterstützung der Mutter. Prof. Dr. L. sieht im Bereich der Grundpflege neben einem gelegentlichen Hilfebedarf bei Waschen/Baden und Zähneputzen/Kämmen einen häufigen Hilfebedarf bei der Nahrungszubereitung. Ein Hilfebedarf im Bereich der Mobilität und bei der Nahrungsaufnahme ist von beiden Ärzten verneint worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Pflegegeld abgelehnt. Einen Anspruch auf Pflegegeld haben nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI nur Pflegebedürftige. Die Klägerin ist jedoch nicht pflegebedürftig im Sinne der gesetzlichen Regelungen.
Nach § 14 Abs. 1 SGB XI sind pflegebedürftig im Sinne des SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen. Nach Abs. 3 der Vorschrift besteht die Hilfe im Sinne des Abs. 1 in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtung im Ablauf des täglichen Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtung. Nach Abs. 4 sind gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Abs. 1 im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen.
Nach § 15 Abs. 1 SGB XI sind für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XI pflegebedürftige Personen im Sinne des § 14 einer von drei gesetzlich näher umschriebenen Pflegestufen zuzuordnen. Voraussetzung für die Zuordnung zur niedrigsten Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) ist, daß die Person bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt ( 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Nach Abs. 2 der Vorschrift ist bei Kindern für die Zuordnung der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muß wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI i.d.F. des Ersten SGB XI-Änderungsgesetz vom 14.06.1996 - BGBl. I S. 830, in Kraft ab 25.06.1996; vor dieser Änderung: § 15 Abs. 3 SGB XI i.V.m. Ziffer 4.1.1 der Pflegebedürftigkeits-Richtlinien nach § 17 SGB XI.
Allerdings ist zu berücksichtigen, daß auch gesunde Kinder bis zu einem gewissen Alter nicht in der Lage sind, einen Haushalt zu führen. Dies bedeutet im Hinblick auf § 15 Abs. 2 SGB XI jedoch nicht, daß kranke und behinderte jüngere Kinder niemals einer der drei Pflegestufen nach Abs. 1 zugeordnet werden könnten, weil dort stets auch ein hauswirtschaftlicher Hilfebedarf vorausgesetzt wird. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Pflegebedarfs von Kindern im Rahmen der Zuordnung zu einer Pflegestufe ein mehrfach wöchentlicher Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung nicht zu fordern (Hauck/Wilde, Kommentar zum SGB XI, Stand: 1997, § 15 Rn. 15; Kasseler Kommentar- Gürtner, SGB XI, § 15 Rn. 11; Udsching, SGB XI, 1995, § 15 Rn. 10; a.A. die "Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches" - Begutachtungsrichtlinien - vom 21.03.1997, die den Zeitbedarf für die hauswirtschaftliche Versorgung bei Kindern bis zum vollendeten 8. Lebensjahr als erfüllt ansehen, wenn ein über dem eines gesunden gleichaltrigen Kindes liegender hauswirtschaftlicher Versorgungsbedarf z.B. beim Kochen, Spülen, Wechseln oder Waschen der Wäsche bzw. Kleidung nachgewiesen ist, und bei Kindern zwischen dem vollendeten 8. und 14. Lebensjahr einen Mindesthilfebedarf von 30 Minuten in der Pflegestufe I und von jeweils 45 Minuten in den Pflegestufen II und III unterstellen). Die Altersgrenze, ab der zumindest eine Beteiligung an der hauswirtschaftlichen Versorgung erwartet werden kann, liegt bei 14 Jahren (Hauck/Wilde, a.a.O.; Begutachtungsrichtlinien, Abschn. D 5.0/I/7., S. 45). Die von Udsching (a.a.O.) angenommene Altersgrenze von 16 Jahren hält der Senat für zu hoch angesichts der allgemein bekannten Selbständigkeit und den Fähigkeiten Jugendlicher in diesem Alter. Oberhalb der Grenze, d.h. ab Vollendung des 14. Lebensjahres ist für die Zuordnung zu einer Pflegestufe gem. § 15 Abs. 1 Nrn. 1 - 3 SGB XI ein Hilfebedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung erforderlich. Das Außerachtlassen eines hauswirtschaftlichen Hilfebedarfs unterhalb der Altersgrenze von 14 Jahren führt jedoch nicht dazu, daß der für die Zuordnung zu einer Pflegestufe maßgebende Zeitaufwand gem. § 15 Abs. 3 SGB XI niedriger festzusetzen ist. Ausschlaggebend ist das objektive Zeitmaß, das ist wöchentlich im Tagesdurchschnitt in Pflegestufe I mindestens 90 Minuten, in Pflegestufe II mindestens 3 Stunden, in Pflegestufe III mindestens 5 Stunden (vgl. auch Udsching, a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist die hauswirtschaftliche Versorgung mitzuberücksichtigen und daher ein anspruchsbegründender Hilfebedarf auch in diesem Bereich erforderlich, da die Klägerin weniger als 6 Monate (vgl. § 14 Abs. 1 SGB XI: "für mindestens sechs Monate") nach der Antragstellung das 14. Lebensjahr vollendet hat und inzwischen fast 16 Jahre alt ist.
Der von der Klägerin geltend gemachte Hilfebedarf begründet keine erhebliche Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I. Die bei ihr bestehende Ahornsirupkrankheit bedingt zwar, daß sie eine strenge eiweißarme Diät einzuhalten hat. Ausweislich der Bescheinigungen der Kinderklinik der Universität D. vom 30.10.1992 und 13.03.1996 ist der für die diätetische Behandlung zu betreibende Aufwand erheblich. Nahrungsmittel müssen auf Gramm genau abgewogen, berechnet und entsprechend zubereitet werden. Zur Deckung des Eiweißbedarfs ist täglich ein Aminosäuregemisch, das frei von Valin, Leucin und Isoleucin ist, zu verabreichen. Prof. Dr. W. hat den zeitlichen Mehraufwand zur Durchführung der korrekten Nahrungsverabreichung gegenüber einem stoffwechselgesunden Kind mindestens 1 1/2 Stunden pro Tag angegeben (Bescheinigung vom 13.03.1996). Diese Verrichtungen sind jedoch nicht dem Bereich der Ernährung gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI, sondern dem der hauswirtschaftlichen Versorgung gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI zuzuordnen; sie gehören nicht zum mundgerechten Zubereiten der Nahrung, sondern zum Kochen.
Bei dem Vorgang der Nahrungszubereitung macht das Kochen den größten Anteil aus. Es umfaßt die gesamte Zubereitung der Nahrung im weiteren Sinne einschließlich der Bedienung der technischen Geräte sowie die Aufstellung eines dem Alter und Gesundheitszustand entsprechenden Speiseplans. Auch die entsprechenden Reinigungs- und Wegräumtätigkeiten sind dieser Verrichtung zuzuordnen (Hauck/Wilde, a.a.O., § 14 Rn. 34d unter Hinweis auf die Pflegebedürftigkeits-Richtlinien nach § 17 SGB XI und die Begutachtungsrichtlinien der Pflegekassen). Zum Kochen gehören daher auch alle Verrichtungen, die dem eigentlichen Kochvorgang bzw. der Fertigstellung einer verträglichen Mahlzeit erst vorausgehen, wie das Kartoffelschälen, das Waschen und Zerkleinern des Gemüses, das Portionieren der Speisemengen entsprechend dem individuellen Eßbedarf, das Mischen, Anrühren, Würzen, Abschmecken der Speisen, das Garen und Braten. Von diesem umfassenden Vorgang der Nahrungszubereitung im Sinne des "Kochen", der zur hauswirtschaftlichen Versorgung gehört, ist im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten der Nahrung zu unterscheiden, das zur Grundpflege zählt. Da auch das Kochen Nahrungszubereitung ist, liegt das maßgebliche Abgrenzungsmerkmal im Begriff "mundgerecht". Dazu zählen die Tätigkeiten, die der unmittelbaren Vorbereitung der Aufnahme fester und flüssiger Nahrung dienen, z.B. das Bestreichen und Belegen von Broten, das Zerkleinern von Nahrungsmitteln in bißgerechte Portionen, das Kau- bzw. Schluckfertigmachen dieser Portionen usw. (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zum SGB XI, BT-Drucks. 12/5262, S. 96, 97; Hauck/Wilde, a.a.O., § 14 Rn. 34b). Diese Gegenüberstellung macht deutlich, daß die Tätigkeiten des Berechnen, Zusammenstellen und Abwiegen der Speisen zur Herstellung der für die Klägerin erforderlichen Diät einschließlich der Anleitung hierzu zur Nahrungszubereitung im weiteren Sinne gehört und damit dem "Kochen" im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzuordnen ist.
Allerdings hat das Sozialgericht Hamburg durch Urteil vom 27.06.1996 - 23 P 63/95 (Breithaupt 1997, S. 134) entschieden, daß bei einem an juvenilem Diabetes leidenden Kind das Berechnen, Zusammenstellen und Abwiegen der Mahlzeiten zum "mundgerechten Zubereiten der Nahrung" gehört. Zur Begründung hat es ausgeführt, "mundgerecht" sei angesichts der Behinderung eines Diabetikers nicht schon ein nur auf den Teller nebst Besteck gelegtes Essen, sondern erst ein in die jeweils passenden Broteinheitportionen aufgeteiltes Essen; ohne die umfangreichen Vorbereitungen der Mahlzeiten würden diese dem Diabetiker nicht "munden", sondern ihn im Gegenteil in Lebensgefahr bringen. Dieser Auslegung folgt der Senat nicht. Denn es geht bei der Verrichtung des "mundgerechten Zubereitens" nicht darum, daß die Nahrung schmeckt ("mundet"), sondern daß die fertige Mahlzeit in einen Zustand versetzt wird, daß sie in den Mund aufgenommen werden kann. Dieser Tätigkeit geht das "Kochen" im Sinne des oben beschriebenen allgemeinen Zubereitens einer verträglichen Mahlzeit voraus. Solange eine Mahlzeit der Klägerin berechnet, zusammengestellt und abgewogen wird, steht noch keine "Diät"-Nahrung auf dem Tisch, die dann ggfls. noch "mundgerecht" zuzubereiten wäre. Solange aber noch keine Mahlzeit fertiggestellt ist, die nur noch mundgerecht zuzubereiten wäre, ist die Verrichtung des "Kochen" noch nicht abgeschlossen. Weder den Gutachten des MDK, noch ärztlichen Bescheinigungen der behandelnden Ärzte, noch dem Vortrag der Klägerin ist zu entnehmen, daß sie nicht in der Lage wäre, sich selbst ihre Diät-Mahlzeiten, wenn diese nach dem Vorgang der allgemeinen Zubereitung ("Kochen") auf den Tisch gelangen, mundgerecht zu bereiten, d.h. die mengenmäßig berechneten Brote mit dem mengenmäßig berechneten Aufstrich zu versehen oder die Speisen zu zerkleinern. Und sie ist auch in der Lage, die Diät-Mahlzeiten selbständig und ohne Hilfe Dritter aufzunehmen. Weder die Ärzte noch die Klägerin selbst haben gegenteiliges erklärt.
Das Verabreichen des Aminosäuregemischs in Form von Medikamenten gehört nicht zur Nahrungsaufnahme. Die Klägerin begründet ihre gegenteilige Ansicht damit, daß sich die Medikamentengabe nicht vom Essen trennen ließe; denn ohne die Verabreichung des Aminosäuregemischs hätte die Nahrungsaufnahme nicht die von § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI erfaßte lebenserhaltene Funktion, sondern wäre stattdessen lebensbedrohlich. Diese Auffassung steht jedoch nicht im Einklang mit dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes. § 14 Abs. 1 SGB XI knüpft an "gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens" an, die wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht ohne Hilfe bewältigt werden können. Welche Verrichtungen berücksichtigungsfähig sind, ist in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt; genannt ist ein Katalog von gewöhnlichen Handlungen im Alltagsleben eines Jeden (also auch des Gesunden), zu denen auch die Nahrungsaufnahme zählt. Angesichts dessen würde der Wortsinn unzulässig überdehnt, zählt man zur Aufnahme der Nahrung anderes als das Essen und Trinken selbst. Darüber hinausgehende, nicht für jedermann alltägliche Maßnahmen zählen nicht dazu, selbst wenn sie - wie das Insulinspritzen bei Diabetikern oder die Einnahme eines Aminosäuregemischs in Form von Medikamenten im Fall der Klägerin - medizinisch notwendig sind, damit der Körper die aufgenommene Nahrung im Stoffwechsel verarbeiten kann. Es handelt sich bei diesen Maßnahmen vielmehr um im Gesetz nicht genannte andere Verrichtungen, die erst die körperliche Verarbeitung der hiervon zu unterscheidenden Nahrungsaufnahme unterstützen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.04.1996 (3 RK 28/95 = SozR 3- 2500 § 53 Nr. 10). Darin hatte das BSG für das bis zum 31.03.1995 geltende Recht gemäß §§ 53 ff SGB V entschieden, daß Maßnahmen der Behandlungspflege, die in den Leistungsbereich der Krankenversicherung fallen (§ 37 Abs. 2 SGB V), auch bei der Prüfung der Schwerpflegebedürftigkeit als Hilfebedarf berücksichtigt werden können. § 55 SGB V a.F. sei daher dahin auszulegen, daß "die Grundpflege auch solche im zeitlichen Zusammenhang mit den Katalogtätigkeiten erforderlichen Hilfeleistungen umfaßt, die die Verrichtung ermöglichen und die nicht die Fachkunde eines Gesundheitsberufs erfordern, also regelmäßig von Familienmitgliedern erbracht werden". Anders als die Pflegemaßnahmen in dem vom BSG entschiedenen Fall eines an Mucoviscidose leidenden Versicherten steht das Verabreichen des Aminosäuregemischs in Medikamentenform nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer der in § 14 Abs. 4 SGB XI abschließend aufgezählten regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens in dem Sinne, daß sie diese Verrichtungen erst ermöglichen. Die Einnahme dieser Medikamente ist für die unter der Ahornsirupkrankheit leidenden Klägerin ebenso lebensnotwendig wie das Spritzen des Insulin für den Diabetiker, die Einnahme gerinnungsfördernder Medikamente für Bluter oder gerinnungshemmender Präparate für Personen mit starker Thromboseneigung ("Marcumar-Patienten"). All diese Therapiemaßnahmen ermöglichen erst die Aktivitäten des täglichen Lebens, sind Voraussetzung für das Weiterleben der Betroffenen, ohne daß sie einer der im Gesetz genannten Verrichtungen konkret zugeordnet werden könnten. Die medikamentöse Einnahme des Aminosäuregemischs ist daher eine krankheitsspezifische Maßnahme, die allein in den Zubereich der gesetzlichen Krankenversicherung fällt.
Auch die von der Klägerin geltendgemachte Notwendigkeit ständiger Betreuung und Beaufsichtigung, um etwa im Falle einer Stoffwechselentgleisung sofort helfen zu können, kann nicht als anspruchsbegründender Pflegebedarf gewertet werden. Denn die berücksichtigungsfähige Anleitung und Beaufsichtigung im Sinne von § 14 Abs. 3 SGB XI zielt allein auf die in Abs. 4 der Vorschrift genannten Verrichtungen. Eine darüber hinausgehende Betreuung und allgemeine Beaufsichtigung gehört nicht zu den maßgeblichen Hilfeleistungen (BT-Drucks. 12/5262, S. 96).
Im Bereich der Grundpflege ist allerdings bei der Klägerin ein Mehraufwand an Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung vorhanden, sofern sie aufgrund ihres Alters Wege zum Arzt noch nicht allein bewältigen kann. Denn aufgrund ihrer Erkrankung dürften Arztbesuche häufiger notwendig sein als bei gesunden Kindern ihres Alters. Insofern kann dem Sozialgericht und der Beklagten nicht beigepflichtet werden, die meinen, daß die Begleitung zu den Arztterminen bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit nicht berücksichtigt werden könne, weil sie nicht krankheitsbedingt sondern altersbedingt erfolge. In den Begutachtungsrichtlinien heißt es in diesem Zusammenhang ausdrücklich, daß "bei Kindern ...in der Regel von einem Hilfebedarf während der Fahrt auszugehen" ist. Dieser Hilfebedarf im Bereich der Mobilität ("Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung") allein begründet jedoch keine Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I, da diese einen Hilfebedarf für wenigstens zwei Verrichtungen aus den Bereichen Körperpflege, Ernährung oder Mobilität voraussetzt (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Zudem besteht der Hilfsbedarf bei den Arztbesuchen aktuell nicht mehr, wie sich aus den Befundberichten von Prof. Dr. W. und Prof. Dr. L. ergibt.
Soweit von Prof. Dr. L. im Befundbericht vom 02.06.1997 ein Hilfebedarf beim Waschen, Duschen, Baden, Zähneputzen und beim Kämmen beschrieben wird, der allerdings nur gelegentlich anfallen soll, kann dem nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß Prof. Dr. L. diesen Hilfsbedarf mit keinem Wort begründet hat, ist ein solcher von der Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt vorgetragen worden, und er ist auch im Hinblick auf die Erkrankung und die dadurch bedingte Behinderung der Klägerin nicht begründbar.
Da nach alledem zwar ein Hilfsbedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung besteht, die Klägerin jedoch im Bereich der Grundpflege (Mobilität) allenfalls bei einer Verrichtung hilfsbedürftig ist bzw. war, sind die Voraussetzungen für die Gewährung des beantragten Pflegegeldes nach der Pflegestufe I seit der Antragstellung nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Geldleistung der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I.
Die 1981 geborene Klägerin leidet unter der Ahornsirupkrankheit, einer chronischen Stoffwechselstörung. Am 21.06.1995 beantragte sie ein Pflegegeld aus der gesetzlichen Pflegeversicherung. Die Beklagte holte ein Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MdK) Nordrhein ein. Der beratende Arzt E. kam im Gutachten vom 23.10.1995 zum Ergebnis, daß nur im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung Hilfe erforderlich sei.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 31.10.1995 ab.
Dagegen legte die Klägerin durch ihre Mutter am 17.11.1995 Widerspruch ein. Die Mutter trug vor, sie müsse für die Klägerin täglich, d.h. morgens, mittags und abends die Medizin wiegen und verabreichen. Ständige Kontrolle sei notwendig, um Diätfehler zu vermeiden, z.B. durch Naschen oder Einnahme anderer als erlaubter Nahrungsmittel oder auch nur etwas größerer Mengen als erlaubt. Sämtliche Mahlzeiten müßten peinlich genau abgewogen und zusammengestellt werden. Da dies mit eiweißarmen Produkten geschehen müsse, sei dazu ein erheblicher Arbeitsaufwand zusätzlich nötig, so daß fast schon von einer doppelten Haushaltsführung gesprochen werden könne. Ohne Aufsicht dürfe die Klägerin nirgendwo länger verweilen, da sie nicht in der Lage sei, Versuchungen zu widerstehen, die ihr schwere geistige und körperliche Schäden zufügen könnten. In einem Pflegetagebuch gab die Klägerin folgenden Hilfebedarf an:
Frühstück zubereiten (Zutaten zusammenstellen und abwiegen): ca. 10 Minuten
Mittagessen zubereiten (Zusammenstellen und Wiegen und Kochen): 1 1/2 Stunden
Abendbrot zubereiten (Zusammenstellen und wiegen): 10 Minuten
Medizin zubereiten und verabreichen: 3 mal 10 Minuten
Anleitung, die Medizin und Nahrung selbst abzuwiegen: ca. 15 Minuten.
Einmal wöchentlich finde eine psychiatrische Behandlung in der Uniklinik K. (2 Stunden), alle 14 Tage eine Kontrolluntersuchung in der Uniklinik D. (3 Stunden) statt. Die Klägerin legte ein Attest von Dr. K. (Uni-Klinik D.) vor, wonach sie dauernder Aufsicht und Pflege bedarf.
Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des MDK - Dr. D. - durch Widerspruchsbescheid vom 26.02.1996, zugestellt am 28.02.1996, zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 27.03.1996 Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, im Bereich der Ernährung auf Hilfe angewiesen zu sein; sie müsse eine grammgenaue Diät einhalten, um Schädigungen zu vermeiden; dies sei eine lebenslang notwendige Maßnahme zur Gesunderhaltung. Darüber hinaus bedürfe sie im Bereich der Mobilität fremder Hilfe, weil sie regelmäßig zu Arztbesuchen begleitet werden müsse, und zwar wöchentlich zur Universitätsklinik K., alle zwei Wochen zur Uniklinik D. Schließlich sei auch im Bereich der hauswirtschaftlichen Verrichtungen Hilfe erforderlich, weil sie auf eine spezielle Ernährung angewiesen sei und die dafür erforderliche Nahrung nicht immer ohne Schwierigkeiten beschafft werden könnten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.10.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.1996 zu verurteilen, Leistungen nach der Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat eine ergänzende Stellungnahme des MdK Nordrhein vom 03.05.1996 vorgelegt. Darin hat Dr. D. die Auffassung vertreten, die Zubereitung von Diäten falle unter die Verrichtung "Kochen" und damit in den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung; sie gehöre nicht zur "mundgerechten Zubereitung der Speisen". Die von der Klägerin geltend gemachte Notwendigkeit einer Begleitung wegen einer eventuell eintretender Zustandsverschlechterung könne nicht als Hilfsbedarf im Bereich der Mobilität anerkannt werden; denn bei der ununterbrochenen Bereitschaft der Pflegeperson zur Hilfeleistung genüge nicht die bloße theoretische Möglichkeit, daß eingegriffen werden müsse, sondern es müsse konkret mit gewisser Regelmäßigkeit auch bisher Hilfe geleistet worden sein. Im übrigen fielen die Arztbesuche und damit ein eventueller Hilfsbedarf bei der Mobilität nicht täglich an.
Durch Urteil vom 02.12.1996 hat das Sozialgericht Köln die Klage abgewiesen. Es hat den von der Klägerin vorgetragenen wesentlichen Hilfebedarf bei der Zusammenstellung der diätetischen Nahrung nicht der Grundpflege, sondern dem hauswirtschaftlichen Bereich (Einkaufen und Kochen) zugerechnet. Auch das Zubereiten und Verabreichen von Medizin sei nicht der Grundpflege zuzurechnen; im übrigen werde dadurch der vom Gesetz geforderte Zeitaufwand der Pflegestufe I nicht erreicht. Schließlich könne die Begleitung bei den Arztbesuchen nicht als Pflegebedarf im Bereich Mobilität besichtigt werden, da sie nicht wegen der Krankheit, sondern wegen des jugendlichen Alters erfolge.
Gegen das ihr am 24.01.1997 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.02.1997 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, daß das Abwiegen und Berechnen ihrer Mahlzeiten als "mundgerechte Zubereitung der Nahrung" anzusehen sei. "Mundgerecht" bedeute nicht lediglich das Auflegen des Essens auf den Teller nebst Besteck. Vielmehr sei für sie nur die Zubereitung von Speisen mundgerecht, die genau nach ihren Erfordernissen, d.h. nach der verordneten Diät zubereitet sind. Diese Handlung sei nicht anders zu bewerten als bei anderen Pflegebedürftigen z.B. die besondere Zerkleinerung der Nahrung. Die Aufnahme der Medikamente sei Nahrungsaufnahme; denn die Medikamentation halte ihren Stoffwechsel in einem normalen Zustand. Es sei daher Hilfe im Rahmen der Grundpflege bei der mundgerechten Zubereitung und der Aufnahme der Nahrung erforderlich, zusätzlich im Bereich der Mobilität, denn die Begleitung zu den Arztbesuchen sei nicht aufgrund des Alters, sondern wegen der Erkrankung notwendig. Sie bedürfe ständiger Beobachtung, damit auf unvorhersehbare lebensbedrohliche Situationen rechtzeitig und entsprechend reagiert werden könne.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils nach ihrem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die nach ihrer Ansicht zutreffenden Gründe des Urteils des Sozialgerichts.
Der Senat hat Befundberichte und Stellungnahmen zum Pflegebedarf von Prof. Dr. W. (Uniklinik D.) und Prof. Dr. L. (Uniklinik K.) eingeholt. Prof. Dr. W. sieht im Bereich der Grundpflege lediglich einen gelegentlichen Hilfebedarf bei der Nahrungszubereitung in Form der Unterstützung der Mutter. Prof. Dr. L. sieht im Bereich der Grundpflege neben einem gelegentlichen Hilfebedarf bei Waschen/Baden und Zähneputzen/Kämmen einen häufigen Hilfebedarf bei der Nahrungszubereitung. Ein Hilfebedarf im Bereich der Mobilität und bei der Nahrungsaufnahme ist von beiden Ärzten verneint worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Pflegegeld abgelehnt. Einen Anspruch auf Pflegegeld haben nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI nur Pflegebedürftige. Die Klägerin ist jedoch nicht pflegebedürftig im Sinne der gesetzlichen Regelungen.
Nach § 14 Abs. 1 SGB XI sind pflegebedürftig im Sinne des SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen. Nach Abs. 3 der Vorschrift besteht die Hilfe im Sinne des Abs. 1 in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtung im Ablauf des täglichen Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtung. Nach Abs. 4 sind gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Abs. 1 im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen.
Nach § 15 Abs. 1 SGB XI sind für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XI pflegebedürftige Personen im Sinne des § 14 einer von drei gesetzlich näher umschriebenen Pflegestufen zuzuordnen. Voraussetzung für die Zuordnung zur niedrigsten Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) ist, daß die Person bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt ( 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Nach Abs. 2 der Vorschrift ist bei Kindern für die Zuordnung der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muß wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI i.d.F. des Ersten SGB XI-Änderungsgesetz vom 14.06.1996 - BGBl. I S. 830, in Kraft ab 25.06.1996; vor dieser Änderung: § 15 Abs. 3 SGB XI i.V.m. Ziffer 4.1.1 der Pflegebedürftigkeits-Richtlinien nach § 17 SGB XI.
Allerdings ist zu berücksichtigen, daß auch gesunde Kinder bis zu einem gewissen Alter nicht in der Lage sind, einen Haushalt zu führen. Dies bedeutet im Hinblick auf § 15 Abs. 2 SGB XI jedoch nicht, daß kranke und behinderte jüngere Kinder niemals einer der drei Pflegestufen nach Abs. 1 zugeordnet werden könnten, weil dort stets auch ein hauswirtschaftlicher Hilfebedarf vorausgesetzt wird. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Pflegebedarfs von Kindern im Rahmen der Zuordnung zu einer Pflegestufe ein mehrfach wöchentlicher Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung nicht zu fordern (Hauck/Wilde, Kommentar zum SGB XI, Stand: 1997, § 15 Rn. 15; Kasseler Kommentar- Gürtner, SGB XI, § 15 Rn. 11; Udsching, SGB XI, 1995, § 15 Rn. 10; a.A. die "Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches" - Begutachtungsrichtlinien - vom 21.03.1997, die den Zeitbedarf für die hauswirtschaftliche Versorgung bei Kindern bis zum vollendeten 8. Lebensjahr als erfüllt ansehen, wenn ein über dem eines gesunden gleichaltrigen Kindes liegender hauswirtschaftlicher Versorgungsbedarf z.B. beim Kochen, Spülen, Wechseln oder Waschen der Wäsche bzw. Kleidung nachgewiesen ist, und bei Kindern zwischen dem vollendeten 8. und 14. Lebensjahr einen Mindesthilfebedarf von 30 Minuten in der Pflegestufe I und von jeweils 45 Minuten in den Pflegestufen II und III unterstellen). Die Altersgrenze, ab der zumindest eine Beteiligung an der hauswirtschaftlichen Versorgung erwartet werden kann, liegt bei 14 Jahren (Hauck/Wilde, a.a.O.; Begutachtungsrichtlinien, Abschn. D 5.0/I/7., S. 45). Die von Udsching (a.a.O.) angenommene Altersgrenze von 16 Jahren hält der Senat für zu hoch angesichts der allgemein bekannten Selbständigkeit und den Fähigkeiten Jugendlicher in diesem Alter. Oberhalb der Grenze, d.h. ab Vollendung des 14. Lebensjahres ist für die Zuordnung zu einer Pflegestufe gem. § 15 Abs. 1 Nrn. 1 - 3 SGB XI ein Hilfebedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung erforderlich. Das Außerachtlassen eines hauswirtschaftlichen Hilfebedarfs unterhalb der Altersgrenze von 14 Jahren führt jedoch nicht dazu, daß der für die Zuordnung zu einer Pflegestufe maßgebende Zeitaufwand gem. § 15 Abs. 3 SGB XI niedriger festzusetzen ist. Ausschlaggebend ist das objektive Zeitmaß, das ist wöchentlich im Tagesdurchschnitt in Pflegestufe I mindestens 90 Minuten, in Pflegestufe II mindestens 3 Stunden, in Pflegestufe III mindestens 5 Stunden (vgl. auch Udsching, a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist die hauswirtschaftliche Versorgung mitzuberücksichtigen und daher ein anspruchsbegründender Hilfebedarf auch in diesem Bereich erforderlich, da die Klägerin weniger als 6 Monate (vgl. § 14 Abs. 1 SGB XI: "für mindestens sechs Monate") nach der Antragstellung das 14. Lebensjahr vollendet hat und inzwischen fast 16 Jahre alt ist.
Der von der Klägerin geltend gemachte Hilfebedarf begründet keine erhebliche Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I. Die bei ihr bestehende Ahornsirupkrankheit bedingt zwar, daß sie eine strenge eiweißarme Diät einzuhalten hat. Ausweislich der Bescheinigungen der Kinderklinik der Universität D. vom 30.10.1992 und 13.03.1996 ist der für die diätetische Behandlung zu betreibende Aufwand erheblich. Nahrungsmittel müssen auf Gramm genau abgewogen, berechnet und entsprechend zubereitet werden. Zur Deckung des Eiweißbedarfs ist täglich ein Aminosäuregemisch, das frei von Valin, Leucin und Isoleucin ist, zu verabreichen. Prof. Dr. W. hat den zeitlichen Mehraufwand zur Durchführung der korrekten Nahrungsverabreichung gegenüber einem stoffwechselgesunden Kind mindestens 1 1/2 Stunden pro Tag angegeben (Bescheinigung vom 13.03.1996). Diese Verrichtungen sind jedoch nicht dem Bereich der Ernährung gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI, sondern dem der hauswirtschaftlichen Versorgung gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI zuzuordnen; sie gehören nicht zum mundgerechten Zubereiten der Nahrung, sondern zum Kochen.
Bei dem Vorgang der Nahrungszubereitung macht das Kochen den größten Anteil aus. Es umfaßt die gesamte Zubereitung der Nahrung im weiteren Sinne einschließlich der Bedienung der technischen Geräte sowie die Aufstellung eines dem Alter und Gesundheitszustand entsprechenden Speiseplans. Auch die entsprechenden Reinigungs- und Wegräumtätigkeiten sind dieser Verrichtung zuzuordnen (Hauck/Wilde, a.a.O., § 14 Rn. 34d unter Hinweis auf die Pflegebedürftigkeits-Richtlinien nach § 17 SGB XI und die Begutachtungsrichtlinien der Pflegekassen). Zum Kochen gehören daher auch alle Verrichtungen, die dem eigentlichen Kochvorgang bzw. der Fertigstellung einer verträglichen Mahlzeit erst vorausgehen, wie das Kartoffelschälen, das Waschen und Zerkleinern des Gemüses, das Portionieren der Speisemengen entsprechend dem individuellen Eßbedarf, das Mischen, Anrühren, Würzen, Abschmecken der Speisen, das Garen und Braten. Von diesem umfassenden Vorgang der Nahrungszubereitung im Sinne des "Kochen", der zur hauswirtschaftlichen Versorgung gehört, ist im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten der Nahrung zu unterscheiden, das zur Grundpflege zählt. Da auch das Kochen Nahrungszubereitung ist, liegt das maßgebliche Abgrenzungsmerkmal im Begriff "mundgerecht". Dazu zählen die Tätigkeiten, die der unmittelbaren Vorbereitung der Aufnahme fester und flüssiger Nahrung dienen, z.B. das Bestreichen und Belegen von Broten, das Zerkleinern von Nahrungsmitteln in bißgerechte Portionen, das Kau- bzw. Schluckfertigmachen dieser Portionen usw. (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zum SGB XI, BT-Drucks. 12/5262, S. 96, 97; Hauck/Wilde, a.a.O., § 14 Rn. 34b). Diese Gegenüberstellung macht deutlich, daß die Tätigkeiten des Berechnen, Zusammenstellen und Abwiegen der Speisen zur Herstellung der für die Klägerin erforderlichen Diät einschließlich der Anleitung hierzu zur Nahrungszubereitung im weiteren Sinne gehört und damit dem "Kochen" im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzuordnen ist.
Allerdings hat das Sozialgericht Hamburg durch Urteil vom 27.06.1996 - 23 P 63/95 (Breithaupt 1997, S. 134) entschieden, daß bei einem an juvenilem Diabetes leidenden Kind das Berechnen, Zusammenstellen und Abwiegen der Mahlzeiten zum "mundgerechten Zubereiten der Nahrung" gehört. Zur Begründung hat es ausgeführt, "mundgerecht" sei angesichts der Behinderung eines Diabetikers nicht schon ein nur auf den Teller nebst Besteck gelegtes Essen, sondern erst ein in die jeweils passenden Broteinheitportionen aufgeteiltes Essen; ohne die umfangreichen Vorbereitungen der Mahlzeiten würden diese dem Diabetiker nicht "munden", sondern ihn im Gegenteil in Lebensgefahr bringen. Dieser Auslegung folgt der Senat nicht. Denn es geht bei der Verrichtung des "mundgerechten Zubereitens" nicht darum, daß die Nahrung schmeckt ("mundet"), sondern daß die fertige Mahlzeit in einen Zustand versetzt wird, daß sie in den Mund aufgenommen werden kann. Dieser Tätigkeit geht das "Kochen" im Sinne des oben beschriebenen allgemeinen Zubereitens einer verträglichen Mahlzeit voraus. Solange eine Mahlzeit der Klägerin berechnet, zusammengestellt und abgewogen wird, steht noch keine "Diät"-Nahrung auf dem Tisch, die dann ggfls. noch "mundgerecht" zuzubereiten wäre. Solange aber noch keine Mahlzeit fertiggestellt ist, die nur noch mundgerecht zuzubereiten wäre, ist die Verrichtung des "Kochen" noch nicht abgeschlossen. Weder den Gutachten des MDK, noch ärztlichen Bescheinigungen der behandelnden Ärzte, noch dem Vortrag der Klägerin ist zu entnehmen, daß sie nicht in der Lage wäre, sich selbst ihre Diät-Mahlzeiten, wenn diese nach dem Vorgang der allgemeinen Zubereitung ("Kochen") auf den Tisch gelangen, mundgerecht zu bereiten, d.h. die mengenmäßig berechneten Brote mit dem mengenmäßig berechneten Aufstrich zu versehen oder die Speisen zu zerkleinern. Und sie ist auch in der Lage, die Diät-Mahlzeiten selbständig und ohne Hilfe Dritter aufzunehmen. Weder die Ärzte noch die Klägerin selbst haben gegenteiliges erklärt.
Das Verabreichen des Aminosäuregemischs in Form von Medikamenten gehört nicht zur Nahrungsaufnahme. Die Klägerin begründet ihre gegenteilige Ansicht damit, daß sich die Medikamentengabe nicht vom Essen trennen ließe; denn ohne die Verabreichung des Aminosäuregemischs hätte die Nahrungsaufnahme nicht die von § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI erfaßte lebenserhaltene Funktion, sondern wäre stattdessen lebensbedrohlich. Diese Auffassung steht jedoch nicht im Einklang mit dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes. § 14 Abs. 1 SGB XI knüpft an "gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens" an, die wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht ohne Hilfe bewältigt werden können. Welche Verrichtungen berücksichtigungsfähig sind, ist in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt; genannt ist ein Katalog von gewöhnlichen Handlungen im Alltagsleben eines Jeden (also auch des Gesunden), zu denen auch die Nahrungsaufnahme zählt. Angesichts dessen würde der Wortsinn unzulässig überdehnt, zählt man zur Aufnahme der Nahrung anderes als das Essen und Trinken selbst. Darüber hinausgehende, nicht für jedermann alltägliche Maßnahmen zählen nicht dazu, selbst wenn sie - wie das Insulinspritzen bei Diabetikern oder die Einnahme eines Aminosäuregemischs in Form von Medikamenten im Fall der Klägerin - medizinisch notwendig sind, damit der Körper die aufgenommene Nahrung im Stoffwechsel verarbeiten kann. Es handelt sich bei diesen Maßnahmen vielmehr um im Gesetz nicht genannte andere Verrichtungen, die erst die körperliche Verarbeitung der hiervon zu unterscheidenden Nahrungsaufnahme unterstützen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.04.1996 (3 RK 28/95 = SozR 3- 2500 § 53 Nr. 10). Darin hatte das BSG für das bis zum 31.03.1995 geltende Recht gemäß §§ 53 ff SGB V entschieden, daß Maßnahmen der Behandlungspflege, die in den Leistungsbereich der Krankenversicherung fallen (§ 37 Abs. 2 SGB V), auch bei der Prüfung der Schwerpflegebedürftigkeit als Hilfebedarf berücksichtigt werden können. § 55 SGB V a.F. sei daher dahin auszulegen, daß "die Grundpflege auch solche im zeitlichen Zusammenhang mit den Katalogtätigkeiten erforderlichen Hilfeleistungen umfaßt, die die Verrichtung ermöglichen und die nicht die Fachkunde eines Gesundheitsberufs erfordern, also regelmäßig von Familienmitgliedern erbracht werden". Anders als die Pflegemaßnahmen in dem vom BSG entschiedenen Fall eines an Mucoviscidose leidenden Versicherten steht das Verabreichen des Aminosäuregemischs in Medikamentenform nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer der in § 14 Abs. 4 SGB XI abschließend aufgezählten regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens in dem Sinne, daß sie diese Verrichtungen erst ermöglichen. Die Einnahme dieser Medikamente ist für die unter der Ahornsirupkrankheit leidenden Klägerin ebenso lebensnotwendig wie das Spritzen des Insulin für den Diabetiker, die Einnahme gerinnungsfördernder Medikamente für Bluter oder gerinnungshemmender Präparate für Personen mit starker Thromboseneigung ("Marcumar-Patienten"). All diese Therapiemaßnahmen ermöglichen erst die Aktivitäten des täglichen Lebens, sind Voraussetzung für das Weiterleben der Betroffenen, ohne daß sie einer der im Gesetz genannten Verrichtungen konkret zugeordnet werden könnten. Die medikamentöse Einnahme des Aminosäuregemischs ist daher eine krankheitsspezifische Maßnahme, die allein in den Zubereich der gesetzlichen Krankenversicherung fällt.
Auch die von der Klägerin geltendgemachte Notwendigkeit ständiger Betreuung und Beaufsichtigung, um etwa im Falle einer Stoffwechselentgleisung sofort helfen zu können, kann nicht als anspruchsbegründender Pflegebedarf gewertet werden. Denn die berücksichtigungsfähige Anleitung und Beaufsichtigung im Sinne von § 14 Abs. 3 SGB XI zielt allein auf die in Abs. 4 der Vorschrift genannten Verrichtungen. Eine darüber hinausgehende Betreuung und allgemeine Beaufsichtigung gehört nicht zu den maßgeblichen Hilfeleistungen (BT-Drucks. 12/5262, S. 96).
Im Bereich der Grundpflege ist allerdings bei der Klägerin ein Mehraufwand an Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung vorhanden, sofern sie aufgrund ihres Alters Wege zum Arzt noch nicht allein bewältigen kann. Denn aufgrund ihrer Erkrankung dürften Arztbesuche häufiger notwendig sein als bei gesunden Kindern ihres Alters. Insofern kann dem Sozialgericht und der Beklagten nicht beigepflichtet werden, die meinen, daß die Begleitung zu den Arztterminen bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit nicht berücksichtigt werden könne, weil sie nicht krankheitsbedingt sondern altersbedingt erfolge. In den Begutachtungsrichtlinien heißt es in diesem Zusammenhang ausdrücklich, daß "bei Kindern ...in der Regel von einem Hilfebedarf während der Fahrt auszugehen" ist. Dieser Hilfebedarf im Bereich der Mobilität ("Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung") allein begründet jedoch keine Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I, da diese einen Hilfebedarf für wenigstens zwei Verrichtungen aus den Bereichen Körperpflege, Ernährung oder Mobilität voraussetzt (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Zudem besteht der Hilfsbedarf bei den Arztbesuchen aktuell nicht mehr, wie sich aus den Befundberichten von Prof. Dr. W. und Prof. Dr. L. ergibt.
Soweit von Prof. Dr. L. im Befundbericht vom 02.06.1997 ein Hilfebedarf beim Waschen, Duschen, Baden, Zähneputzen und beim Kämmen beschrieben wird, der allerdings nur gelegentlich anfallen soll, kann dem nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß Prof. Dr. L. diesen Hilfsbedarf mit keinem Wort begründet hat, ist ein solcher von der Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt vorgetragen worden, und er ist auch im Hinblick auf die Erkrankung und die dadurch bedingte Behinderung der Klägerin nicht begründbar.
Da nach alledem zwar ein Hilfsbedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung besteht, die Klägerin jedoch im Bereich der Grundpflege (Mobilität) allenfalls bei einer Verrichtung hilfsbedürftig ist bzw. war, sind die Voraussetzungen für die Gewährung des beantragten Pflegegeldes nach der Pflegestufe I seit der Antragstellung nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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Aus
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NRW
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