L 3 An 50/95

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 2 An 46/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 An 50/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.09.1995 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß dessen Tenor wie folgt geändert wird: Die Bescheide der Beklagten vom 05.08.1993 und 24.03.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.10.1994 und der Bescheid vom 20.02.1005 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten auch des zweiten Rechtszuges trägt die Beklagte. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt ungekürzte Witwenrente aus der Rentenversicherung trotz Zusammentreffens mit Witwenrente aus der Unfallversicherung.

Sie ist Witwe des am 02. August 1992 verstorbenen K. (Versicherter). Dieser erhielt von der Beklagten seit 1978 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, nach Umwandlung ab 1983 Altersruhegeld gemäß § 25 Abs. 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG). Die Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft bewilligte der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten mit Bescheid vom 11. November 1992 aufgrund eines am 03. April 1992 eingetretenen Versicherungsfalles Verletztenrente unter Anerkennung einer durch Asbest verursachten Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 04. April 1992 bis 31. August 1992. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag bewilligte sie außerdem Witwenrente gemäß § 591 Reichsversicherungsordnung (RVO) aus der Unfallversicherung ab 02. August 1992. Abgesandt wurden beide Bescheide an die Klägerin am 12. November 1992.

In einem Formularantrag auf Hinterbliebenenrente aus der Angestelltenversicherung vom 11. November 1992 verneinte die Klägerin den Bezug von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Berufsgenossenschaft teilte die beiden wegen der Berufskrankheit gewährten Leistungen aus der Unfallversicherung der Beklagten mit zwei - dort am 21. Dezember 1992 eingegangenen - Schreiben unter Angabe der Rentenhöhe und der Abrechnungszeiten mit. Einen Erstattungsanspruch auf den sogenannten "Lebzeitenanspruch" machte die Beklagte nicht geltend. Das Original der entsprechenden Mitteilung wurde nicht zu den Akten genommen, sondern an die Berufsgenossenschaft zurückgesandt. Auf die von der Beklagten zu den Akten genommenen Mitteilung über die Witwenrente wurde der Vermerk aufgenommen, Erstattungsanspruch werde nicht geltend gemacht. Auf eine Nachfrage der Beklagten, der Formulare hinsichtlich der Leistung von Verletztenrente beigefügt waren, teilte die Berufsgenossenschaft mit weiterem Schreiben vom 05. Januar 1993 mit, über den 31. August 1992 hinaus werde eine Rente nicht mehr gezahlt.

Mit Bescheid vom 19. Januar 1993 gewährte die Beklagte der Klägerin ab September 1992 die sogenannte "große Witwenrente" mit Hinweis auf die Pflicht zur Meldung von Hinzutreten bzw. Veränderung von Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung sowie auf eine mögliche Rückforderung.

Nach einer Erinnerung der Berufsgenossenschaft hinsichtlich eines Erstattungsanspruches auf Hinterbliebenenrente und weiterer Anfrage der Beklagten, ob laufende Leistung an die Klägerin erfolge, teilte die Berufsgenossenschaft mit Schreiben vom 31. März 1993 die Höhe der laufenden Leistungen an die Klägerin für die Zeit ab September 1992 mit. In einem Schreiben vom 30. März 1993 bat die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf eine seitens der Berufsgenossenschaft ausstehende Nachzahlung und einen sowohl ihr als auch der Beklagten darüber vorliegenden Bescheid um Prüfung. Nach zwei Erinnerungsschreiben der Berufsgenossenschaft vom 21. Mai und 23. Juni 1993 machte die Beklagte mit Schreiben vom 04. August 1993 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 7.226,21 DM geltend.

Mit Bescheid vom 05. August 1993 berechnete die Beklagte die Witwenrente der Klägerin neu, rechnete dabei Leistungen aus der Unfallversicherung an und stellte für den Zeitraum September 1992 bis September 1993 eine Überzahlung in Höhe von 18.208,64 DM fest. Nach Verrechnung mit der Nachzahlung aus der Unfallrente des Versicherten sei von der Klägerin gemäß §§ 45, 48 und 50 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ein Betrag in Höhe von 10.982,43 DM zurückzuzahlen.

Den hiergegen am 31. August 1993 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin u.a. damit, gemäß § 93 Abs. 5 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) dürfe keine Anrechnung der Leistungen des Unfallversicherungsträgers erfolgen.

Mit Schreiben vom 24. März 1994 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß die Berufsgenossenschaft den Betrag von 7.226,21 DM erstattet habe. Da der der Rentenzahlung zugrundeliegende Rentenbescheid vom 19. Januar 1993 insoweit nicht aufgehoben worden sei, werde die Aufhebung mit Wirkung vom 01. September 1992 hiermit nachgeholt. Der Bescheid sei nach § 45 SGB X aufzuheben gewesen, weil er von Anfang an fehlerhaft gewesen sei. Die Ruhensvorschrift des § 93 SGB VI sei ab Beginn der Witwenrente aus der Angestelltenversicherung zu berücksichtigen gewesen. Vertrauensschutz in die Rechtmäßigkeit der Rentenhöhe könne der Klägerin nicht zugebilligt werden. Aufgrund des Hinweises auf Mitteilungspflichten im Bescheid vom 19. Januar 1993 habe sie erkennen können, daß die Leistung aus der Unfallversicherung der Beklagten mitzuteilen gewesen sei. Dieser Mitteilungspflicht sei die Klägerin nicht nachgekommen, obwohl der Bescheid über die Unfallrente vor Erhalt des Bescheides vom 19. Januar 1993 vorgelegen habe. Im Rahmen des Ermessens sei die Beklagte aber bereit, angemessene monatliche Ratenzahlungen zu gewähren. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt dieses Schreiben nicht.

Nach Äußerung der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04. Oktober 1994, abgesandt am 20. Oktober 1994, den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, mit dem "gegen den Bescheid vom 05.08.93 in Form des Ergänzungsbescheides vom 24.03.94" gerichteten Widerspruch begehre die Klägerin den Verzicht auf die Erstattungsforderung in Höhe von 10.982,43 DM. Nach Feststellung der Widerspruchsstelle habe der Bescheid vom 19. Januar 1993 nach § 43 (richtig: § 45) SGB X mit Wirkung vom 01. September 1992 an aufgehoben und sogleich die Erstattungsforderung gemäß § 50 Abs. 1 SGB X geltend gemacht werden können. Auf Vertrauen habe sich die Klägerin nicht berufen können, da die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 2 (richtig: Satz 3) Nr. 3 SGB X erfüllt seien. Weil der Arbeitsunfall vor Beginn der Hinterbliebenenrente eingetreten sei, seien die Vorschriften des § 93 Abs. 1 bis 4 SGB VI anzuwenden. Unter Abwägung des Interesses der Klägerin mit dem der öffentlichen Hand könne festgestellt werden, daß die Zulassung der Ratenzahlung zur Tilgung der Forderung eine ausreichende Ermessensausübung darstelle. Eine rechtswidrige Ermessensausübung der Verwaltung sei nicht zu erkennen gewesen.

Mit der am 23. November 1994 erhobenen Klage hat die Klägerin weiter die Auffassung vertreten, die Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung sei ihr ungekürzt zu zahlen.

Sie hat beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 05.08.1993 und

24.03.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.10.1994 und deren Folgebescheide aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der in § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI geregelte Ruhensausschluß finde auf Hinterbliebenenrenten keine Anwendung, da sich zwangsläufig ein Arbeitsunfall im Sinne der Vorschrift immer vor Beginn einer Hinterbliebenenrente ereignet haben müsse. Dem stehe auch nicht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu dem bis Ende Dezember 1991 geltenden Recht entgegen. Durch die Neuregelung des § 93 SGB VI ergäben sich gegenüber dem früheren Recht Abweichungen, aus denen zwangsläufig folge, daß die Anwendungssperre des § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI nicht dazu führen könne, daß die Hinterbliebenenrente "ruhensfrei" zu leisten sei.

Mit Bescheid vom 20. Februar 1995 hat die Beklagte die Witwenrente der Klägerin neu berechnet.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 13. September 1995 die Bescheide der Beklagten vom 05.08.1993 und 24.03.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.10.1994 "und deren Folgebescheide" aufgehoben. Dies hat es im wesentlichen damit begründet, entsprechend dem Urteil des BSG vom 21. Juni 1995 - 5 RJ 4/95 - gelte die Anrechnungsschutzvorschrift des § 93 Abs. 5 Satz 1 SGB VI der Zweckrichtung nach auch für Hinterbliebenenrenten, die Witwenrente der Klägerin sei nicht anzurechnen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 04. Oktober 1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02. November 1995 Berufung eingelegt und weiter die Auffassung vertreten, ein "Ruhensausschluß" bzw. eine "Anwendungssperre" nach § 93 Abs. 5 SGB VI liege nicht vor, § 93 Abs. 1 bis 4 SGB VI seien anzuwenden. Aus der amtlichen Begründung zu der gesetzlichen Regelung ergebe sich nicht, daß die frühere Rechtsprechung auf die jetzige Rechtslage übertragen werden dürfe. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 93 Abs. 1 bis 4 SGB VI und dem Gesamtzusammenhang der Regelung sei die Hinterbliebenenrente an die Klägerin nicht ruhensfrei zu leisten, § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI gelte nicht für Hinterbliebenenrenten. Dem Urteil des BSG vom 21. Juni 1995 - 5 RJ 4/95 - werde von seiten der Rentenversicherungsträger nicht gefolgt. Deren Praxis werde durch die Absicht des zuständigen Referats des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung bestärkt, wegen des o.a. Urteils eine klarstellende Regelung vorzusehen. Die Rücknahme des Bescheides vom 19. Januar 1993 durch die Bescheide vom 05. August 1993 und 24. März 1994 gemäß § 45 SGB X sei für die Vergangenheit zu Recht erfolgt. Jener Bescheid habe auf Angaben beruht, die die Klägerin im Antrag auf Hinterbliebenenrente zumindest grob fahrlässig unrichtig gemacht habe. Zumindest nach Erhalt des Bescheides der Berufsgenossenschaft oder des Rentenbescheides habe die Klägerin tätig werden müssen. Die Rücknahmevoraussetzungen gemäß § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 bzw. Nr. 3 SGB X lägen vor. Nachträglich nicht geheilte Verfahrensmängel seien nicht ersichtlich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13. September 1995 abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die maßgebliche Rechtsfrage sei durch das Urteil des BSG vom 21. Juni 1995 - 4 RJ 4/95 - entschieden. Daß beabsichtigt sei, die maßgebliche gesetzliche Bestimmung zu ändern, sei entscheidungsunerheblich.

Von der Beklagten sind auszugsweise Kopien eines Vorentwurfes zur Änderung des § 93 Abs. 5 SGB VI vorgelegt worden. Sie hat mitgeteilt, daß weitere Bescheide nicht ergangen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und der beigezogenen Akten der Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft (Az.: ) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagte ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Die Klägerin ist durch die Bescheide vom 05. August 1993 und 24. März 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04. Oktober 1994 sowie durch den Bescheid vom 20. Februar 1995 beschwert i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Diese Bescheide sind rechtswidrig.

Die Beklagte hat zu Unrecht angenommen, die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 19. Januar 1993 nach § 45 SGB X lägen vor.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Bescheid vom 19. Januar 1993 nicht rechtswidrig i.S. von § 45 Abs. 2 SGB X. Zu Recht wurde vielmehr danach die Witwenrente der Klägerin aus der Rentenversicherung trotz Zusammentreffens mit einer Witwenrente aus der Unfallversicherung in voller Höhe gewährt. Die Ausnahmeregelung des § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI schließt die Anrechnung der der Klägerin aus der Unfallversicherung gewährten Rente entgegen der Ansicht der Beklagten aus.

Auf die zum 01. Januar 1992 in Kraft getretene Regelung des § 93 SGB VI ist abzustellen, da die der Klägerin bewilligten Witwenrenten ab August bzw. September 1992 geleistet wurden.

§ 93 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI sieht vor, daß, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente und eine entsprechende Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung besteht, die Rente insoweit nicht geleistet wird, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt. Nach § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI werden die Abs. 1 bis 4 der Regelung nicht angewendet, wenn die Rente aus der Unfallversicherung für einen Arbeitsunfall geleistet wird, der sich nach Rentenbeginn oder nach Eintritt der für die Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ereignet hat.

Sinn der Nichtanrechnungsvorschrift ist grundsätzlich, dem Rentner weiterhin den Betrag zu belassen, der ihm aus einer neben dem Bezug der Rente ausgeübten Tätigkeit zufließt und - nach Eintritt des Arbeitsunfalls - durch eine hierfür gewährte Verletztenrente in etwa ersetzt wird. Von dem Normzweck wird demnach der Fall nicht erfaßt, daß der Versicherte im Zeitpunkt des Beginns einer Berufskrankheit (§ 551 Abs. 3 Satz 2 RVO), die erst längere Zeit nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zum Ausbruch gekommen ist, nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1995 - 5 RJ 4/95 -). Allerdings setzt § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI nach seinem eindeutigen Wortlaut lediglich das Eintreten eines Arbeitsunfalles voraus, nicht aber, daß zu diesem Zeitpunkt noch ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis besteht. Wegen der nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO erfolgten Gleichstellung von Arbeitsunfall und Berufskrankheit ist deshalb die Nichtanrechnung einer Verletztenrente des Versicherten auf seine Regelaltersrente grundsätzlich rechtmäßig. Entsprechend hat die Beklagte einen Erstattungsanspruch auf die der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten gewährten Verletztenrente für den Zeitraum von April bis August 1992 nicht geltend gemacht.

An dieser grundsätzlich für den Versicherten geltenden Beurteilung des Verhältnisses zwischen den Leistungen aus der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung ändert sich durch den Tod des Versicherten nichts. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfaßt der Schutz der Nichtanrechnungsvorschrift des § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI auch die Hinterbliebenenrenten. Die Bezugnahme in dieser Regelung auf § 93 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI ist so zu verstehen, daß damit auch der Fall der Nichtanrechnung von Hinterbliebenenrente geregelt werden soll (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.).

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Begriff "Rentenbeginn" i.S.d. § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI so auszulegen, daß maßgebender Zeitpunkt nicht der Beginn der Hinterbliebenenrente, sondern der Beginn der Versichertenrente ist. Zutreffend weist die Beklagte dagegen darauf hin, daß sich durch die Neuregelung des § 93 SGB VI gegenüber dem früheren Recht Abweichungen ergeben. Dies gilt jedoch nicht für die Nichtanrechnungsvorschrift des § 93 Abs. 5 SGB VI. Auch insoweit schließt sich der Senat - nach eigener Überprüfung - der Auffassung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 21. Juni 1995 an. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen.

Die nach Mitteilung der Beklagten offenbar vorgesehene Änderung des § 93 Abs. 5 SGB VI führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen ist im Rahmen der Prüfung nach § 45 SGB X die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes maßgeblich, der zurückgenommen werden soll (vgl. Steinwede, Kasseler Kommentar, § 45 SGB X Rdnr. 24). Zum anderen ist bislang eine Gesetzesänderung nicht erfolgt. Ob es zu einer entsprechenden Änderung kommt, ist demnach ebenso ungewiß wie die Frage der zeitlichen Geltung einer etwaigen Änderung. Darüber hinaus sind Vorarbeiten zu einem Gesetz zu dessen Auslegung nur mit Zurückhaltung heranzuziehen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. Mai 1960 - 2 BvL 11/59, 11/60 -, BVerfGE 11, 126, 130; BSG, Urteil vom 19.12.1995 - 4 RA 112/94, Seite 8 der Entscheidungsgründe).

Nach allem war die Beklagte auch zu einer Neuberechnung der Hinterbliebenenrente nicht berechtigt.

Der Aufhebung des Bescheides vom 19. Januar 1993 und der von der Beklagten geforderten Rückzahlung steht weiter entgegen, daß die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht erfüllt sind. Anhaltspunkte dafür, daß die Voraussetzungen der Nr. 1 vorliegen, sind weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen worden. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 2 und 3 SGB X nicht gegeben.

Eine Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes vom 19. Januar 1993 war der Klägerin weder bekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt. Zum einen war der Verwaltungsakt objektiv nicht rechtswidrig. Zum anderen konnte die Klägerin nach dem an sie gerichteten Schreiben der Berufsgenossenschaft vom 14. Dezember 1992 davon ausgehen, daß auch der Beklagten bereits beide Unfallrenten bekannt waren. Demnach hatte die Berufsgenossenschaft beim Rentenversicherungsträger unter Fristsetzung angefragt, ob ein Erstattungsanspruch hinsichtlich des Lebzeitenanspruches und ihrer Witwenrente geltend gemacht werde. Objektiv entsprach eine solche Annahme auch den Tatsachen, da die entsprechenden Mitteilungen der Berufsgenossenschaft bei der Beklagten am 21. Dezember 1992 eingegangen waren. Demnach konnte die Klägerin bei dem - zeitlich späteren - Erhalt des Bescheides der Beklagten vom 19. Januar 1993 berechtigt davon ausgehen, daß eine Mitteilung ihrerseits hinsichtlich der Leistungen aus der Unfallversicherung entbehrlich war. Jedenfalls hätte sie nicht im Sinne einer groben Fahrlässigkeit gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 2 und 3 SGB X aufgrund einfachster und naheliegender Überlegungen erkennen können, daß eine nochmalige Mitteilung nötig wäre. Darüber hinaus war die Klägerin entgegen den Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid aus dem Bescheid vom 19. Januar 1993 heraus nicht darüber informiert, daß das Zusammentreffen mit einer Rente aus der Unfallversicherung zum Ruhen der Witwenrente führen werde. In dem genannten Bescheid wurde lediglich mitgeteilt, daß bestimmte Einkommensarten Einfluß auf die Rentenhöhe haben könnten, daher eine Pflicht zur Mitteilung bestehe.

Im übrigen hat die Beklagte im Rahmen des § 45 SGB X ermessensfehlerhaft gehandelt, da sie bei ihrer Entscheidung nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat. Ihr eigenes Verschulden an der - nach ihrer Ansicht fehlerhaften - Entscheidung im Bescheid vom 19. Januar 1993 ist von der Beklagten überhaupt nicht gesehen und deshalb auch nicht beachtet worden. Fehlerhaft wurde von ihr das Original der Mitteilung der Berufsgenossenschaft vom 14. Dezember 1992 betreffend den Lebzeitenanspruch an die Berufsgenossenschaft zurückgesandt. Die Mitteilung über den Bezug von Witwenrenrente aus der Unfallversicherung wurde jedoch zu den Verwaltungsakten der Beklagte genommen und lag dieser weiterhin vor. Bei Erlaß des Bescheides vom 19. Januar 1993 war demnach der Beklagten objektiv die fortdauernde Witwenrentenleistung aus der Unfallversicherung bekannt. Im Rahmen der Ermessensabwägung nach § 45 SGB X ist ein ursächliches Verwaltungsverschulden jedoch mit zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.1996 - 13 RJ 35/94 -, Seite 13 der Entscheidungsgründe; Urteil vom 21.03.1990 - 7 RAr 112/88 -, SozR 3-1300 § 45 Nr. 2, Seite 16).

Ebenfalls wurde von der Beklagten nicht die - wohl auf das eigene Fehlverhalten zurückzuführende - fehlerhafte bzw. unvollständige Mitteilung der Berufsgenossenschaft vom 05. Januar 1993 berücksichtigt. Darüber hinaus wurde bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 45 SGB X - wie noch im Berufungsverfahren - offenbar auch darauf abgestellt, daß die Klägerin im Rentenantrag hinsichtlich der Unfallversicherungsrente Angaben unvollständig gemacht habe. Auch dies trifft objektiv jedoch nicht zu. Verneint wurde vielmehr von der Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung am 11. November 1992 zu Recht ein Bezug von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, da diese erst mit am 12. November 1992 von der Berufsgenossenschaft abgesandten Bescheid bewilligt worden sind. Ebenso wurde von ihr zu Recht verneint, eine solche Leistung beantragt zu haben, da die Leistungen aus der Unfallversicherung aufgrund einer antragsunabhängigen Anzeige über eine Berufskrankheit gewährt worden sind. Im übrigen war dem Schreiben der Klägerin vom 30. März 1993 zu entnehmen, daß ihr Leistungen der Berufsgenossenschaft nach ihrem verstorbenen Ehemann bewilligt worden waren.

Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null waren dem Senat nicht ersichtlich. Entsprechende Tatsachen wurden von der Beklagten auch nicht vorgetragen.

Nach allem kann offenbleiben, ob bis zum Abschluß des Vorverfahrens eine ordnungsgemäße Anhörung nach § 24 SGB X durchgeführt worden ist.

Aufgrund der Mitteilung der Beklagten, nach dem Widerspruchsbescheid sei lediglich am 20. Februar 1995 ein weiterer Bescheid erteilt worden, war der unklare Tenor im Urteil des Sozialgerichts entsprechend zu ändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Es hat kein Anlaß bestanden, die Revision zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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