Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 4 RA 257/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 RA 103/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 137/02 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.11.2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein Begehren auf höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit unter Anwendung der bis zum 31.12.1996 geltenden rechtlichen Vorschriften weiter.
Der Kläger ist am ...1941 geboren. Auf Grund eines im Dezember 1994 geschlossenen Vorruhestandsvertrages wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers als Programm-Manager bei der Firma I ... zum 31.07.1997 beendet. Danach bezog der Kläger bis März 2000 Arbeitslosengeld. Anschließend war er arbeitslos ohne Leistungsbezug. Insgesamt hat er 485 Monate Beitragszeiten zurückgelegt.
Im März 2001 beantragte der Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres. Die Rente solle zum 01.09.2001 beginnen.
Mit Bescheid vom 15.06.2001 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab dem 01.09.2001. Wegen vorzeitiger Inanspruchnahme um 56 Kalendermonate wurde der Zugangsfaktor 1,0 um 0,168 auf den Zugangsfaktor 0,832 vermindert.
Gegen diese Kürzung wandte sich der Kläger mit seinem am 26.06.2001 eingelegten Widerspruch. Die Rentenkürzung sei verfassungswidrig. Denn die gesetzliche Regelung verstoße gegen Art. 2 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot sowie gegen Art. 14 GG. Durch das Rentenreformgesetz (RRG) 1992, welches zum Zeitpunkt des Abschlusses seines Vorruhestandsvertrages gegolten habe, sei nämlich ein besonderer Vertrauensschutz entstanden. Dieser Vertrauensschutz habe durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25.09.1996 nicht rückwirkend beseitigt werden können. Durch die minuziöse Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung aus dem Jahre 1992 sei ihm vielmehr eine Planungssicherheit vermittelt worden, in die der Gesetzgeber nicht habe eingreifen dürfen.
Er, der Kläger, werde hierdurch willkürlich ungleich behandelt. Ferner habe er auch darauf vertrauen dürfen, dass lediglich eine geringe Rentenminderung nach dem RRG 1992 erfolgen werde.
Mit Bescheid vom 20.07.2001 berechnete die Beklagte die Rente auf Grund der Bewilligung eines Zuschusses zum Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag neu. Die Beklagte wies darauf hin, dass dieser Bescheid Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 01.08.2001). Da der Kläger die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung des § 237 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht erfülle, sei der Rentenbescheid rechtmäßig. Die Beklagte sandte den Widerspruchsbescheid am selben Tage per Einschreiben ab.
Die hiergegen gerichtete Klage ist am 03.09.2001 beim Sozialgericht eingegangen. Der Kläger hat vorgetragen: Die Rentenminderung um 16,8 v. H. beruhe auf §§ 41 Abs. 1, 237 Abs. 4 SGB VI. Diese Vorschriften seien verfassungswidrig. Verletzt sei die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, weil die Normen gegen das Rückwirkungsverbot verstießen. Durch das zum Zeitpunkt des Vorruhestands-Vertragsabschlusses geltende Recht sei für ihn, den Kläger, ein besonderer Vertrauensschutz entstanden, der durch die Gesetzesänderung vom 25.09.1996 nicht rückwirkend habe beseitigt werden können. Diese Änderungen habe er bei seinen Dispositionen auch nicht berücksichtigen können. Er habe mit ihnen nicht zu rechnen brauchen. Vielmehr habe er, der Kläger, darauf vertrauen dürfen, nach Vollendung des 60. Lebensjahres eine nur geringfügig geminderte Altersrente beziehen zu können. Auf Grund dessen liege ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG vor. Die Ungleichbehandlung zu seinen Lasten sei deshalb willkürlich, weil er den Aufhebungsvertrag mit seinem Arbeitgeber vor dem Stichtag (14.02.1996) abgeschlossen habe. Auf dieses Datum des Vertragsschlusses und nicht allein auf das Alter hätte nach Meinung des Klägers der Gesetzgeber im § 237 Abs. 4 SGB VI entscheidend abstellen müssen.
Mit Urteil vom 14.11.2001 hat das Sozialgericht Aachen die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Beklagte habe bei der Rentenberechnung zutreffend das ab dem 01.01.1997 geltende Rentenrecht zugrundegelegt. Dieses sei gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI anwendbar. Auf der Grundlage geltenden Rechts habe die Beklagte die Rente des Klägers auch zu Recht um 16,8 v.H. gekürzt. Die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung gemäß § 237 SGB VI seien nicht erfüllt. Die gesetzliche Regelung sei auch nicht verfassungswidrig.
Art. 14 GG sei nicht verletzt, weil die vorgezogene stufenweise Anhebung der Altersgrenze für den Bezug einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und die für den Fall einer vorzeitigen Inanspruchnahme vorgesehene Rentenminderung in zulässiger Weise in eine unter den Schutz des Eigentums gestellte Disposition eingriffen. Denn diese Rechtsänderungen seien dem Kläger zumutbar gewesen. Sie hätten im Interesse der Allgemeinheit bezweckt, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten. So sei die Anhebung der Altersgrenze im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geeignet, einen Beitrag zur Verwirklichung des Sparzieles und zu einer möglichst schnellen finanziellen Konsolidierung des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung zu leisten. Die Maßnahmen seien auch erforderlich. Denn ohne die vorzeitige Anhebung der Altersgrenze und ohne die Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme dieser Rente hätte das Sparziel erst Jahre später verwirklicht werden können.
Das Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der bis zum 31.12.1996 geltenden Rechtslage sei auch nicht in verfassungswidriger Weise enttäuscht worden. Insbesondere stehe es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, eine zu einem früheren Zeitpunkt beschlossene Vertrauensschutzregelung zu modifizieren, wenn dies durch überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt sei. Diese Gründe ergäben sich hier aus der durch die stetig zunehmende Inanspruch nahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit verursachte problematische Finanzentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung.
Ferner genieße der Kläger keinen dem in § 237 Abs. 4 SGB VI genannten Personenkreis vergleichbaren Vertrauensschutz. Insbesondere habe er zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vorruhestandsvertrages noch nicht kurz vor der damals geltenden Altersgrenze von 60 Jahren gestanden und daher genügend Zeit gehabt, um entsprechende Dispositionen und private Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen. Auch die Bestimmung des Stichtags in § 237 SGB VI sei verfassungsmäßig, insbesondere nicht gleichheitswidrig. Stichtagsregelungen seien dem Gesetzgeber grundsätzlich erlaubt. Die hier zu beurteilende Stichtagsregelung orientiere sich auch am vorgegebenen Sachverhalt, indem sie an den 14.02.1996 als dem Tag der Kabinettsentscheidung über das sog. Eckpunktepapier eines Gesetzes zur Förderung der Teilzeit älterer Arbeitnehmer zur Korrektur der Frühverrentungspraxis anknüpfe.
Mit am 10.12.2001 beim Landessozialgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger das am 29.11.2001 zugestellte Urteil mit der Berufung angefochten. Unter Verweis auf sein bisheriges Vorbringen trägt er ergänzend vor: Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts halte sich der Eingriff in seine Rentenanwartschaft nicht "in gewissen Grenzen". Vielmehr würden diese Grenzen eindeutig überschritten, weshalb der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt sei. Denn auf der Basis von 1994 hätte er nur Abzüge in Höhe von 0,6 v.H. akzeptieren müssen, nunmehr seien dies 16,8 v.H ... Dies aber bedeute eine nicht hinzunehmende Erhöhung der Abzüge um 2.800 Prozent. Durch das RRG 1992 habe gerade die Frühverrentungspraxis gefördert werden sollen. Nur auf Grund des von Politik und Wirtschaft geförderten vorzeitigen Ausscheidens aus dem Berufsleben und nur angesichts der detaillierten Gesetzeslage habe er im Dezember 1994 den Vorruhestandsvertrag abgeschlossen. Hätte er, der Kläger, zu diesem Zeitpunkt von der Gesetzesänderung gewusst, hätte er dies nicht getan. Diese Gesetzesmotivation sei dann durch die Gesetzesänderung 1996 nicht nur zurückgenommen, sondern in ihr Gegenteil verkehrt worden. Das aber stelle eine rechtswidrige Rückwirkung dar. Hierdurch sei auch sein Vertrauen eklatant verletzt worden. Im Übrigen müsse er, der die Vertrauensregelung des § 237 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI lediglich um ca. 6 Monate überschreite, ebenfalls als "rentennah" gelten und von daher von dieser Besserstellung profitieren. Ferner sei die Bevorzugung der Montanunion gem. § 237 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI in keinster Weise sachlich gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.11.2001 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 15.06.2001 und vom 20.07.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2001 zu verurteilen, seine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Anwendung der bis zum 31.12.1996 geltenden rechtlichen Vorschriften neu zu berechnen, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass sie gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden sei und keine eigene Prüfungskompetenz hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen habe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Auch der Bescheid vom 20.07.2001 ist gemäß § 86 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden.
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben.
Die Berufung ist unbegründet. Wegen der Zustellfiktion des § 4 Abs. 1 Verwaltungszustellungsgesetz ist die Klagefrist gewahrt, so dass die angefochtenen Bescheide nicht bestandskräftig geworden sind.
Die angefochtenen Bescheide sind materiellrechlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat der Rentenberechnung zu Recht das aktuell geltende Rentenrecht zugrundegelegt. Auf dieser Grundlage hat sie die Rente des Klägers auch korrekt berechnet. Insbesondere ist die Beklagte gemäß § 237 Abs. 3 Satz 3 SGB VI in Verbindung mit Anlage 19 zum SGB VI richtigerweise von der vorzeitigen Inanspruchnahme von 56 Monate ausgegangen und hat demgemäß entsprechend § 77 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VI den Zugangsfaktor von 1,0 um 0,168 Punkte auf den Faktor 0,832 gemindert, die Rente also um 16,8 Prozent gekürzt. Sonstige Fehler in der Rentenberechnung sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
Gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI ist § 237 Abs. 3 SGB VI - und nicht etwa § 41 Abs. 1 SGB VI oder gar das vor dem WFG geltende Recht - anwendbar. Denn § 41 Abs. 1 SGB VI galt nur bis zum 31.12.1999 (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 25.09.1996 - WFG -, BGBl. I 1996, S. 1461 ff.) und wurde durch Gesetz vom 16.12.1997 (BGBl. I 1997, S. 2998 ff.) mit Wirkung vom 01.01.2000 durch den wortgleichen § 237 Abs. 3 SGB VI ersetzt.
Die Anwendbarkeit des § 237 Abs. 3 SGB VI in der genannten, auch im September 2001 geltenden Fassung folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Hiernach sind grundsätzlich die neuen Vorschriften des SGB VI von ihrem Inkrafttreten an nicht nur auf solche Sachverhalte und Ansprüche anzuwenden, die sich danach ergeben, sondern auch auf Sachverhalte und Ansprüche, die vor diesem Zeitpunkt vorgelegen haben. Hingegen sind gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI aufgehobene Vorschriften nur dann anwendbar, wenn Renten (auch) rückwirkend für Zeiten vor der Rechtsänderung zu zahlen sind (BSG, Urteil vom 24.02.1999, Az.: B 5 RJ 28/98 R, in LVA Rheinprovinz-Mitteilungen, S. 466 f.). Das ist hier jedoch nicht der Fall, weil die streitige Rente seit dem 01.09.2001 gezahlt wird.
Daher ist die Rente gemäß §§ 77 Abs. 2 Nr. 2 a, 237 Abs. 3 Satz 3 SGB VI in Verbindung mit Anlage 19 zum SGB VI um 16,8 Prozent zu kürzen. Insbesondere sind die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 4 SGB VI nicht erfüllt. Der Kläger ist nicht bis zum 14.02.1941 geboren (Nr. 1). Er ist auch nicht auf Grund einer Maßnahme im Sinne der Nr. 2 aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden. Ferner hat er nicht 45 Jahre, sondern lediglich 40 Jahre und 5 Monate (485 Monate) mit Pflichtbeiträgen zurückgelegt (Nr. 3).
Auch mit seinem Hilfsantrag, die Sache im Wege der konkreten Normkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, kann der Kläger keinen Erfolg haben. Denn § 237 Abs. 3 und 4 SGB VI ist nicht verfassungswidrig. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts (S. 5 letzter Absatz bis S. 9). Ergänzend weist der Senat noch auf folgendes hin:
Mit § 237 Abs. 3 SGB VI in Verbindung mit der Anlage 19 zum SGB VI verstößt der Gesetzgeber nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Eine echte Rückwirkung liegt nämlich nur dann vor, wenn der Gesetzgeber in bereits abgewickelte, in der Vergangenheit liegende Tatbestände eingreift (BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986, Az.: 1 BvR 461/85, in BVerfGE 72, 175 (197)). Das ist jedoch nicht der Fall. Denn § 237 Abs. 3 SGB VI entfaltet Rechtswirkungen erst ab seinem Inkrafttreten.
Vielmehr wirkt § 237 Abs. 3 SGB VI lediglich auf Rechtsbeziehungen, nämlich das Versicherungsverhältnis, ein, die in der Vergangenheit begründet wurden. Denn die Vorschrift führt dazu, dass der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bei vorzeitiger Inanspruchnahme ein niedrigerer Zugangsfaktor zugrundezulegen ist. Damit aber kommt § 237 Abs. 3 SGB VI unechte Rückwirkung zu. Regelungen mit unechter Rückwirkung sind jedoch grundsätzlich zulässig. Schranken ergeben sich für den Gesetzgeber allerdings aus dem Prinzip der Rechtssicherheit, was für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet. Dieses Vertrauen ist dann enttäuscht, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Bürger nicht zu rechnen brauchte (BVerfG, a.a.O.).
Soweit aber - wie hier - in bestehende Rentenanwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen in gewissen Grenzen angelegt ist (BVerfG, Beschluss vom 01.07.1981, Az.: 1 BvR 874/77 u.a., in BVerfGE 58, 81 (110)). Vor diesem Hintergrund aber konnte der Kläger nicht darauf vertrauen, dass ihm im Jahre 2001 die Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach dem bis zum 31.12.1996 geltenden Recht des RRG 1992 gewährt werden würde. Denn ein Versicherter kann nicht erwarten und darf mithin auch nicht darauf vertrauen, dass die gesetzlichen Vorschriften über Leistungen bis zum Eintritt des Versicherungsfalles unverändert fortbestehen (BSG, Urteil vom 18.04.1996, Az.: 4 RA 36/94, in LVA Rheinprovinz-Mitteilungen 1996, 427 (430)). Dies gilt zumal deshalb, weil die letzte einschneidende Änderung des Rentenrechts durch das RRG 1992 bei Inkrafttreten des WFG gerade 5 Jahre zurücklag.
Die Änderung hält sich für den Kläger auch in gewissen Grenzen. Hervorzuheben ist zunächst, dass der Rentenanspruch für den Kläger nicht etwa abgeschafft, sondern lediglich modifiziert wurde. Diese Modifikation wurde zudem für rentennahe Jahrgänge durch die in § 237 Abs. 3 Satz 3 SGB VI in Verbindung mit Anlage 19 zum SGB VI enthaltene Übergangsregelung ebenso wie durch die in § 237 Abs. 4 SGB VI enthaltene Vertrauensschutzregelung für rentennahe Jahrgänge abgemildert. Selbst den Entzug der Aussicht, in einigen Jahren das seinerzeitige Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit nach § 25 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgestz (AVG) beziehen zu können, hat das BSG für verfassungsmäßig erachtet (Urteil vom 13.10.1992, Az.: 4 RA 10/92). Im Übrigen hält das Bundessozialgericht selbst Anwartschaftskürzungen in Höhe von etwa 40 Prozent für zumutbar (BSG, Urteil vom 18.04.1996, a.a.O., S. 430). Damit bewegt sich auch die über § 237 Abs. 3 SGB VI in Verbindung mit Anlage 19 zum SGB VI beim Kläger eintretende Minderung seiner Rentenanwartschaft um 16,8 Prozent in den verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen.
Mit dem Vortrag, er müsse als "rentennah" im Sinne des § 237 Abs. 4 SGB VI gelten, weil er die Vertrauensschutzregelung (Altersgrenze) der Nr. 1 um ca. 6 Monate überschreite, wendet sich der Kläger gegen die dort getroffene Stichtagsregelung. Der Gesetzgeber ist aber auch durch Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz nicht gehindert, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl das unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Der gewählte Stichtag muss allerdings durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein (BVerfG, Urteil vom 05.07.1989, Az.: 1 BvL 11/87 u.a., in BVerfGE 80, 297 (311)). Letzteres ist aus den Gründen des Urteils des Sozialgerichts (S. 9) der Fall. Deshalb ist die Stichtagsregelung des § 237 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Gleiches gilt für die gemäß § 237 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB VI günstigere Altersgrenze für Beschäftigte in der Montanindustrie (Stichtag: 14.02.1944). Denn die abweichende Altersgrenze für Beschäftigte der Montanindustrie ist entgegen der Annahme des Klägers durchaus sachlich gerechtfertigt und verstößt demzufolge nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn die abweichende Altersgrenze für Beschäftigte der Montanindustrie beruht auf Gründen des europäischen Gemeinschaftsrechts (Klattenhof in Hauck/Heines, Kommentar zu gesetzlichen Rentenversicherung, Bd. II, Rn. 76 zu § 237 SGB VI; Recht, das Ende der Frühverrentung?, in NZS 1996, S. 552 (559)).
Soweit der Kläger vorträgt, der Gesetzgeber habe im Rahmen des § 237 Abs. 4 SGB VI nicht allein auf das Alter, sondern auf das Datum des Abschlusses der Vorruhestandsvereinbarung abstellen müssen, verkennt er die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auch bei Eingriffen in bestehenden Rentenanwartschaften (dazu: BVerfG, a.a.O., in BVerfGE 58, 81 (100)). Mit der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI stellt der Gesetzgeber auf den 14.02.1996 als Tag der Kabinettsentscheidung über das sog. Eckpunktepapier zum Gesetz zur Förderung des gleitenden Übergangs in den Ruhestand ab (Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, Ziff. 11 zum § 237 SGB VI). Er wählt damit ein durch sachliche Gründe gerechtfertigtes Datum. Auch insoweit nimmt der Senat nach eigener Überprüfung auf die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils (S. 9) Bezug. Der 14.02.1941 als Altersgrenze beruht darauf, dass der Gesetzgeber die mindestens 55-jährigen Versicherten als rentennah und damit besonders schutzwürdig ansieht. Diese Wertung des Gesetzgebers ist nicht zu beanstanden. Auch dass der Gesetzgeber eine reine Altersgrenze als Stichtagsregelung gewählt hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden und entspricht zudem dem sonst üblichen Vorgehen des Gesetzgebers (vgl. §§ 236, 236 a, 237, 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht kein Anlass.
Tatbestand:
Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein Begehren auf höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit unter Anwendung der bis zum 31.12.1996 geltenden rechtlichen Vorschriften weiter.
Der Kläger ist am ...1941 geboren. Auf Grund eines im Dezember 1994 geschlossenen Vorruhestandsvertrages wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers als Programm-Manager bei der Firma I ... zum 31.07.1997 beendet. Danach bezog der Kläger bis März 2000 Arbeitslosengeld. Anschließend war er arbeitslos ohne Leistungsbezug. Insgesamt hat er 485 Monate Beitragszeiten zurückgelegt.
Im März 2001 beantragte der Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres. Die Rente solle zum 01.09.2001 beginnen.
Mit Bescheid vom 15.06.2001 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab dem 01.09.2001. Wegen vorzeitiger Inanspruchnahme um 56 Kalendermonate wurde der Zugangsfaktor 1,0 um 0,168 auf den Zugangsfaktor 0,832 vermindert.
Gegen diese Kürzung wandte sich der Kläger mit seinem am 26.06.2001 eingelegten Widerspruch. Die Rentenkürzung sei verfassungswidrig. Denn die gesetzliche Regelung verstoße gegen Art. 2 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot sowie gegen Art. 14 GG. Durch das Rentenreformgesetz (RRG) 1992, welches zum Zeitpunkt des Abschlusses seines Vorruhestandsvertrages gegolten habe, sei nämlich ein besonderer Vertrauensschutz entstanden. Dieser Vertrauensschutz habe durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25.09.1996 nicht rückwirkend beseitigt werden können. Durch die minuziöse Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung aus dem Jahre 1992 sei ihm vielmehr eine Planungssicherheit vermittelt worden, in die der Gesetzgeber nicht habe eingreifen dürfen.
Er, der Kläger, werde hierdurch willkürlich ungleich behandelt. Ferner habe er auch darauf vertrauen dürfen, dass lediglich eine geringe Rentenminderung nach dem RRG 1992 erfolgen werde.
Mit Bescheid vom 20.07.2001 berechnete die Beklagte die Rente auf Grund der Bewilligung eines Zuschusses zum Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag neu. Die Beklagte wies darauf hin, dass dieser Bescheid Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 01.08.2001). Da der Kläger die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung des § 237 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht erfülle, sei der Rentenbescheid rechtmäßig. Die Beklagte sandte den Widerspruchsbescheid am selben Tage per Einschreiben ab.
Die hiergegen gerichtete Klage ist am 03.09.2001 beim Sozialgericht eingegangen. Der Kläger hat vorgetragen: Die Rentenminderung um 16,8 v. H. beruhe auf §§ 41 Abs. 1, 237 Abs. 4 SGB VI. Diese Vorschriften seien verfassungswidrig. Verletzt sei die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, weil die Normen gegen das Rückwirkungsverbot verstießen. Durch das zum Zeitpunkt des Vorruhestands-Vertragsabschlusses geltende Recht sei für ihn, den Kläger, ein besonderer Vertrauensschutz entstanden, der durch die Gesetzesänderung vom 25.09.1996 nicht rückwirkend habe beseitigt werden können. Diese Änderungen habe er bei seinen Dispositionen auch nicht berücksichtigen können. Er habe mit ihnen nicht zu rechnen brauchen. Vielmehr habe er, der Kläger, darauf vertrauen dürfen, nach Vollendung des 60. Lebensjahres eine nur geringfügig geminderte Altersrente beziehen zu können. Auf Grund dessen liege ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG vor. Die Ungleichbehandlung zu seinen Lasten sei deshalb willkürlich, weil er den Aufhebungsvertrag mit seinem Arbeitgeber vor dem Stichtag (14.02.1996) abgeschlossen habe. Auf dieses Datum des Vertragsschlusses und nicht allein auf das Alter hätte nach Meinung des Klägers der Gesetzgeber im § 237 Abs. 4 SGB VI entscheidend abstellen müssen.
Mit Urteil vom 14.11.2001 hat das Sozialgericht Aachen die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Beklagte habe bei der Rentenberechnung zutreffend das ab dem 01.01.1997 geltende Rentenrecht zugrundegelegt. Dieses sei gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI anwendbar. Auf der Grundlage geltenden Rechts habe die Beklagte die Rente des Klägers auch zu Recht um 16,8 v.H. gekürzt. Die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung gemäß § 237 SGB VI seien nicht erfüllt. Die gesetzliche Regelung sei auch nicht verfassungswidrig.
Art. 14 GG sei nicht verletzt, weil die vorgezogene stufenweise Anhebung der Altersgrenze für den Bezug einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und die für den Fall einer vorzeitigen Inanspruchnahme vorgesehene Rentenminderung in zulässiger Weise in eine unter den Schutz des Eigentums gestellte Disposition eingriffen. Denn diese Rechtsänderungen seien dem Kläger zumutbar gewesen. Sie hätten im Interesse der Allgemeinheit bezweckt, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten. So sei die Anhebung der Altersgrenze im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geeignet, einen Beitrag zur Verwirklichung des Sparzieles und zu einer möglichst schnellen finanziellen Konsolidierung des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung zu leisten. Die Maßnahmen seien auch erforderlich. Denn ohne die vorzeitige Anhebung der Altersgrenze und ohne die Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme dieser Rente hätte das Sparziel erst Jahre später verwirklicht werden können.
Das Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der bis zum 31.12.1996 geltenden Rechtslage sei auch nicht in verfassungswidriger Weise enttäuscht worden. Insbesondere stehe es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, eine zu einem früheren Zeitpunkt beschlossene Vertrauensschutzregelung zu modifizieren, wenn dies durch überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt sei. Diese Gründe ergäben sich hier aus der durch die stetig zunehmende Inanspruch nahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit verursachte problematische Finanzentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung.
Ferner genieße der Kläger keinen dem in § 237 Abs. 4 SGB VI genannten Personenkreis vergleichbaren Vertrauensschutz. Insbesondere habe er zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vorruhestandsvertrages noch nicht kurz vor der damals geltenden Altersgrenze von 60 Jahren gestanden und daher genügend Zeit gehabt, um entsprechende Dispositionen und private Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen. Auch die Bestimmung des Stichtags in § 237 SGB VI sei verfassungsmäßig, insbesondere nicht gleichheitswidrig. Stichtagsregelungen seien dem Gesetzgeber grundsätzlich erlaubt. Die hier zu beurteilende Stichtagsregelung orientiere sich auch am vorgegebenen Sachverhalt, indem sie an den 14.02.1996 als dem Tag der Kabinettsentscheidung über das sog. Eckpunktepapier eines Gesetzes zur Förderung der Teilzeit älterer Arbeitnehmer zur Korrektur der Frühverrentungspraxis anknüpfe.
Mit am 10.12.2001 beim Landessozialgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger das am 29.11.2001 zugestellte Urteil mit der Berufung angefochten. Unter Verweis auf sein bisheriges Vorbringen trägt er ergänzend vor: Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts halte sich der Eingriff in seine Rentenanwartschaft nicht "in gewissen Grenzen". Vielmehr würden diese Grenzen eindeutig überschritten, weshalb der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt sei. Denn auf der Basis von 1994 hätte er nur Abzüge in Höhe von 0,6 v.H. akzeptieren müssen, nunmehr seien dies 16,8 v.H ... Dies aber bedeute eine nicht hinzunehmende Erhöhung der Abzüge um 2.800 Prozent. Durch das RRG 1992 habe gerade die Frühverrentungspraxis gefördert werden sollen. Nur auf Grund des von Politik und Wirtschaft geförderten vorzeitigen Ausscheidens aus dem Berufsleben und nur angesichts der detaillierten Gesetzeslage habe er im Dezember 1994 den Vorruhestandsvertrag abgeschlossen. Hätte er, der Kläger, zu diesem Zeitpunkt von der Gesetzesänderung gewusst, hätte er dies nicht getan. Diese Gesetzesmotivation sei dann durch die Gesetzesänderung 1996 nicht nur zurückgenommen, sondern in ihr Gegenteil verkehrt worden. Das aber stelle eine rechtswidrige Rückwirkung dar. Hierdurch sei auch sein Vertrauen eklatant verletzt worden. Im Übrigen müsse er, der die Vertrauensregelung des § 237 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI lediglich um ca. 6 Monate überschreite, ebenfalls als "rentennah" gelten und von daher von dieser Besserstellung profitieren. Ferner sei die Bevorzugung der Montanunion gem. § 237 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI in keinster Weise sachlich gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.11.2001 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 15.06.2001 und vom 20.07.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2001 zu verurteilen, seine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Anwendung der bis zum 31.12.1996 geltenden rechtlichen Vorschriften neu zu berechnen, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass sie gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden sei und keine eigene Prüfungskompetenz hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen habe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Auch der Bescheid vom 20.07.2001 ist gemäß § 86 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden.
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben.
Die Berufung ist unbegründet. Wegen der Zustellfiktion des § 4 Abs. 1 Verwaltungszustellungsgesetz ist die Klagefrist gewahrt, so dass die angefochtenen Bescheide nicht bestandskräftig geworden sind.
Die angefochtenen Bescheide sind materiellrechlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat der Rentenberechnung zu Recht das aktuell geltende Rentenrecht zugrundegelegt. Auf dieser Grundlage hat sie die Rente des Klägers auch korrekt berechnet. Insbesondere ist die Beklagte gemäß § 237 Abs. 3 Satz 3 SGB VI in Verbindung mit Anlage 19 zum SGB VI richtigerweise von der vorzeitigen Inanspruchnahme von 56 Monate ausgegangen und hat demgemäß entsprechend § 77 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VI den Zugangsfaktor von 1,0 um 0,168 Punkte auf den Faktor 0,832 gemindert, die Rente also um 16,8 Prozent gekürzt. Sonstige Fehler in der Rentenberechnung sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
Gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI ist § 237 Abs. 3 SGB VI - und nicht etwa § 41 Abs. 1 SGB VI oder gar das vor dem WFG geltende Recht - anwendbar. Denn § 41 Abs. 1 SGB VI galt nur bis zum 31.12.1999 (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 25.09.1996 - WFG -, BGBl. I 1996, S. 1461 ff.) und wurde durch Gesetz vom 16.12.1997 (BGBl. I 1997, S. 2998 ff.) mit Wirkung vom 01.01.2000 durch den wortgleichen § 237 Abs. 3 SGB VI ersetzt.
Die Anwendbarkeit des § 237 Abs. 3 SGB VI in der genannten, auch im September 2001 geltenden Fassung folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Hiernach sind grundsätzlich die neuen Vorschriften des SGB VI von ihrem Inkrafttreten an nicht nur auf solche Sachverhalte und Ansprüche anzuwenden, die sich danach ergeben, sondern auch auf Sachverhalte und Ansprüche, die vor diesem Zeitpunkt vorgelegen haben. Hingegen sind gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI aufgehobene Vorschriften nur dann anwendbar, wenn Renten (auch) rückwirkend für Zeiten vor der Rechtsänderung zu zahlen sind (BSG, Urteil vom 24.02.1999, Az.: B 5 RJ 28/98 R, in LVA Rheinprovinz-Mitteilungen, S. 466 f.). Das ist hier jedoch nicht der Fall, weil die streitige Rente seit dem 01.09.2001 gezahlt wird.
Daher ist die Rente gemäß §§ 77 Abs. 2 Nr. 2 a, 237 Abs. 3 Satz 3 SGB VI in Verbindung mit Anlage 19 zum SGB VI um 16,8 Prozent zu kürzen. Insbesondere sind die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 4 SGB VI nicht erfüllt. Der Kläger ist nicht bis zum 14.02.1941 geboren (Nr. 1). Er ist auch nicht auf Grund einer Maßnahme im Sinne der Nr. 2 aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden. Ferner hat er nicht 45 Jahre, sondern lediglich 40 Jahre und 5 Monate (485 Monate) mit Pflichtbeiträgen zurückgelegt (Nr. 3).
Auch mit seinem Hilfsantrag, die Sache im Wege der konkreten Normkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, kann der Kläger keinen Erfolg haben. Denn § 237 Abs. 3 und 4 SGB VI ist nicht verfassungswidrig. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts (S. 5 letzter Absatz bis S. 9). Ergänzend weist der Senat noch auf folgendes hin:
Mit § 237 Abs. 3 SGB VI in Verbindung mit der Anlage 19 zum SGB VI verstößt der Gesetzgeber nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Eine echte Rückwirkung liegt nämlich nur dann vor, wenn der Gesetzgeber in bereits abgewickelte, in der Vergangenheit liegende Tatbestände eingreift (BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986, Az.: 1 BvR 461/85, in BVerfGE 72, 175 (197)). Das ist jedoch nicht der Fall. Denn § 237 Abs. 3 SGB VI entfaltet Rechtswirkungen erst ab seinem Inkrafttreten.
Vielmehr wirkt § 237 Abs. 3 SGB VI lediglich auf Rechtsbeziehungen, nämlich das Versicherungsverhältnis, ein, die in der Vergangenheit begründet wurden. Denn die Vorschrift führt dazu, dass der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bei vorzeitiger Inanspruchnahme ein niedrigerer Zugangsfaktor zugrundezulegen ist. Damit aber kommt § 237 Abs. 3 SGB VI unechte Rückwirkung zu. Regelungen mit unechter Rückwirkung sind jedoch grundsätzlich zulässig. Schranken ergeben sich für den Gesetzgeber allerdings aus dem Prinzip der Rechtssicherheit, was für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet. Dieses Vertrauen ist dann enttäuscht, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Bürger nicht zu rechnen brauchte (BVerfG, a.a.O.).
Soweit aber - wie hier - in bestehende Rentenanwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen in gewissen Grenzen angelegt ist (BVerfG, Beschluss vom 01.07.1981, Az.: 1 BvR 874/77 u.a., in BVerfGE 58, 81 (110)). Vor diesem Hintergrund aber konnte der Kläger nicht darauf vertrauen, dass ihm im Jahre 2001 die Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach dem bis zum 31.12.1996 geltenden Recht des RRG 1992 gewährt werden würde. Denn ein Versicherter kann nicht erwarten und darf mithin auch nicht darauf vertrauen, dass die gesetzlichen Vorschriften über Leistungen bis zum Eintritt des Versicherungsfalles unverändert fortbestehen (BSG, Urteil vom 18.04.1996, Az.: 4 RA 36/94, in LVA Rheinprovinz-Mitteilungen 1996, 427 (430)). Dies gilt zumal deshalb, weil die letzte einschneidende Änderung des Rentenrechts durch das RRG 1992 bei Inkrafttreten des WFG gerade 5 Jahre zurücklag.
Die Änderung hält sich für den Kläger auch in gewissen Grenzen. Hervorzuheben ist zunächst, dass der Rentenanspruch für den Kläger nicht etwa abgeschafft, sondern lediglich modifiziert wurde. Diese Modifikation wurde zudem für rentennahe Jahrgänge durch die in § 237 Abs. 3 Satz 3 SGB VI in Verbindung mit Anlage 19 zum SGB VI enthaltene Übergangsregelung ebenso wie durch die in § 237 Abs. 4 SGB VI enthaltene Vertrauensschutzregelung für rentennahe Jahrgänge abgemildert. Selbst den Entzug der Aussicht, in einigen Jahren das seinerzeitige Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit nach § 25 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgestz (AVG) beziehen zu können, hat das BSG für verfassungsmäßig erachtet (Urteil vom 13.10.1992, Az.: 4 RA 10/92). Im Übrigen hält das Bundessozialgericht selbst Anwartschaftskürzungen in Höhe von etwa 40 Prozent für zumutbar (BSG, Urteil vom 18.04.1996, a.a.O., S. 430). Damit bewegt sich auch die über § 237 Abs. 3 SGB VI in Verbindung mit Anlage 19 zum SGB VI beim Kläger eintretende Minderung seiner Rentenanwartschaft um 16,8 Prozent in den verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen.
Mit dem Vortrag, er müsse als "rentennah" im Sinne des § 237 Abs. 4 SGB VI gelten, weil er die Vertrauensschutzregelung (Altersgrenze) der Nr. 1 um ca. 6 Monate überschreite, wendet sich der Kläger gegen die dort getroffene Stichtagsregelung. Der Gesetzgeber ist aber auch durch Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz nicht gehindert, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl das unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Der gewählte Stichtag muss allerdings durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein (BVerfG, Urteil vom 05.07.1989, Az.: 1 BvL 11/87 u.a., in BVerfGE 80, 297 (311)). Letzteres ist aus den Gründen des Urteils des Sozialgerichts (S. 9) der Fall. Deshalb ist die Stichtagsregelung des § 237 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Gleiches gilt für die gemäß § 237 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB VI günstigere Altersgrenze für Beschäftigte in der Montanindustrie (Stichtag: 14.02.1944). Denn die abweichende Altersgrenze für Beschäftigte der Montanindustrie ist entgegen der Annahme des Klägers durchaus sachlich gerechtfertigt und verstößt demzufolge nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn die abweichende Altersgrenze für Beschäftigte der Montanindustrie beruht auf Gründen des europäischen Gemeinschaftsrechts (Klattenhof in Hauck/Heines, Kommentar zu gesetzlichen Rentenversicherung, Bd. II, Rn. 76 zu § 237 SGB VI; Recht, das Ende der Frühverrentung?, in NZS 1996, S. 552 (559)).
Soweit der Kläger vorträgt, der Gesetzgeber habe im Rahmen des § 237 Abs. 4 SGB VI nicht allein auf das Alter, sondern auf das Datum des Abschlusses der Vorruhestandsvereinbarung abstellen müssen, verkennt er die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auch bei Eingriffen in bestehenden Rentenanwartschaften (dazu: BVerfG, a.a.O., in BVerfGE 58, 81 (100)). Mit der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI stellt der Gesetzgeber auf den 14.02.1996 als Tag der Kabinettsentscheidung über das sog. Eckpunktepapier zum Gesetz zur Förderung des gleitenden Übergangs in den Ruhestand ab (Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, Ziff. 11 zum § 237 SGB VI). Er wählt damit ein durch sachliche Gründe gerechtfertigtes Datum. Auch insoweit nimmt der Senat nach eigener Überprüfung auf die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils (S. 9) Bezug. Der 14.02.1941 als Altersgrenze beruht darauf, dass der Gesetzgeber die mindestens 55-jährigen Versicherten als rentennah und damit besonders schutzwürdig ansieht. Diese Wertung des Gesetzgebers ist nicht zu beanstanden. Auch dass der Gesetzgeber eine reine Altersgrenze als Stichtagsregelung gewählt hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden und entspricht zudem dem sonst üblichen Vorgehen des Gesetzgebers (vgl. §§ 236, 236 a, 237, 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht kein Anlass.
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