Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 16 RA 146/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RA 37/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.07.2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erhöhung der ihm gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zum 01.07.2000 um mindestens 3 v.H. anstelle von 0,6 v.H.
Der am ...1956 geborene Kläger bezieht seit dem ...1996 von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 01.07.2000 wurde die Rente gemäß § 1 der Verordnung zur Anpassung der Renten im Jahre 2000 vom 31.05.2000 - RAV 2000 - (BGBl. I S. 788) um 0,6 v.H. angepasst.
Zur Begründung seines gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, die Dynamisierung der Rente um lediglich 0,6 v.H. sei verfassungswidrig.
Nachdem der Kläger die Beklagte mehrfach vergeblich um Erteilung eines Widerspruchsbescheides gebeten hatte, hat er am 02.10.2001 beim Sozialgericht Münster Klage erhoben und vorgetragen, nach dem der Rentenversicherung zugrundeliegenden Gedanken, der eine an die durchschnittliche Nettolohnhöhe geknüpfte Dynamisierung vorsehe, habe eine Erhöhung seiner Rente um mindestens 3 v.H. erfolgen müssen. Die Rentenerhöhung um nur 0,6 v.H. zum 01.07.2000 sei willkürlich. Sie verstoße insbesondere gegen Art.14 Grundgesetz (GG). Nicht nur die Rentenanwartschaften und Rententatbestände, sondern auch die jährlichen Rentenanpassungen seien vom Schutzbereich des Art.14 GG umfasst. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe dies in seiner Entscheidung vom 10.05.1983 - 1 BvR 820/79 - zu Unrecht offen gelassen. Der Gesetzgeber habe mit der RAV 2000 im Sinne einer Neugestaltung des Eigentumsbegriffs im Sinne des Art.14 Abs.2 S.1 GG unzulässigerweise in sein Eigentum eingegriffen. Die gesetzlich festgelegten Rentenansprüche dürften nicht der sich jährlich ändernden Haushaltslage unterworfen werden, zumal für die Finanzlage allein die Politiker verantwortlich seien. Im Übrigen sei es mit dem Grundgedanken der Rentenversicherung, den Lebensstandard zu erhalten, nicht vereinbar, die Rente zu kürzen, ohne einen demographischen Altersfaktor einzuführen, der den Generationenvertrag wegen veränderter Umstände im Sinne des Wegfalls der Geschäftsgrundlage neu angepasst hätte. Ein solcher Eingriff in objektive Vermögenswerte sei im Übrigen nach Art. 14 Abs.3 GG nur unter Einhaltung besonderer Formvorschriften und gegen Gewährung einer Entschädigung möglich.
Die Kürzung der Dynamisierung im Hinblick auf die Finanzlage der Rentenversicherung sei darüber hinaus unverhältnismäßig, willkürlich und verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip. Dieses verlange - ebenso wie der in Art.14 GG vorgesehene Eigentumsschutz - eine transparente Vorhersehbarkeit der sich ergebenden Ansprüche und Verpflichtungen sowie eine gesetzliche Bindung und Stetigkeit. Eine Vorhersehbarkeit der Rentenansprüche sei durch eine dauernde Gesetzesaushöhlung mittels jährlicher Änderung der gesetzlichen Inhaltsbestimmung jedoch nicht mehr gegeben.
Da sich die Verfassungsorgane über die Rentenkassen "hermachten" und die Betroffenen sich nicht wehren könnten, läge schließlich ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip und Art.19 Abs.4 S.1 GG vor. Abzüglich des Inflationsausgleichs ergebe sich eine "Nullrunde", die von keiner anderen Berufsgruppe sonst getragen werde, so dass die Rentenanpassung zum 01.07.2000 schließlich auch den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.3 GG verletze.
Nachdem der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2002 zurückgewiesen worden war, hat der Kläger beantragt,
die Rentenmitteilung vom 01.07.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die ihm gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zum 01.07.2000 um mindestens 3 v.H. zu dynamisieren.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 01.07.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihm am 10.07.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.07.2002 Berufung eingelegt. Ergänzend führt er aus, dass zwischen den gezahlten Beiträgen und einer später bezogenen Rente entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe und daher Art.14 GG verletzt sei. Es sei ja gerade Sinn und Zweck des Versicherungsgedankens, der zu den gezahlten Beitragszahlungen geführt habe. Es werde bei der Festsetzung der Renten auch genau berechnet, inwieweit die gezahlten Beiträge zu welchen Auszahlungen führen würden. Die Rentner wollten natürlich an ihrem Rentenrecht und auch an der Höhe desselben teilhaben, denn sie hätten jahrelang dafür eingezahlt. Der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm habe immer den Leistungsgedanken in der Rentenversicherung betont, der jetzt durch die geringe Rentenerhöhung zum 01.07.2000 von der Beklagten durchbrochen werde. Im Übrigen sei auch der Gleichheitsgrundsatz verletzt, weil (1.) andere Versicherungen ihre Renten in den letzten sechs Jahren um mehr als das Doppelte dynamisiert hätten und (2.) andere Berufsgruppen wie Beamte und Selbständige sowie insgesamt die Besserverdienenden nicht an den allgemeinen staatlichen bzw. versicherungsfremden Leistungen (z.B. im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit bzw. dem Fremdrentengesetz entstandene Kosten) beteiligt seien, sondern diese von der Versichertengemeinschaft, an der mittlerweile nur noch 66 % der Bevölkerung teilnähmen, zusätzlich zu leisten seien.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.07.2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2000 zu verurteilen, die ihm gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zum 01.07.2000 um mindestens 3 v.H. zu dynamisieren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des BSG vom 31.07.2002 - B 4 RA 120/00 R. Darin sei bestätigt worden, dass die hier streitige Regelung, die Renten nicht im Umfang der allgemeinen Lohnsteigerung zu erhöhen, nicht gegen das Grundgesetz verstoße.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs.1, 110 Abs.1, 126 SGG in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, da er in der Terminsmitteilung, die ihm am 04.09.2002 zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 01.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2002 nicht im Sinne des § 54 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, weil diese Bescheide nicht rechtswidrig sind. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente zum 01.07.2000 um mehr als 0,6 v.H. bzw. - wie begehrt - um mindestens 3 v.H ...
Aus § 1 RAV 2000 lässt sich der geltend gemachte Anspruch schon des halb nicht herleiten, weil diese Verordnung wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art.80 Abs.1 S.3 GG nichtig ist. Die Bundesregierung hat es als Verordnungsgeber unterlassen, die maßgebliche parlamentsgesetzliche Rechtsgrundlage für eine Anpassung des aktuellen Rentenwerts nach Maßgabe der "Inflationsrate", nämlich § 255c des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), zu zitieren (vgl. die Pressemitteilung Nr. 40/02 zum Urteil des BSG vom 30.07.2002 - B 4 RA 120/00 R -). Abgesehen davon sieht § 1 RAV 2000 ohnehin lediglich eine Rentenerhöhung zum 01.07.2000 um 0,6 v.H. vor.
Auch § 255c SGB VI ordnet zum 01.07.2000 - abweichend von § 255a Abs.2 iVm §§ 63 Abs.7 und 68 SGB VI, die eine lohnbezogene Anpassung der Renten vorsehen - lediglich eine Dynamisierung der Renten zum 01.07.2000 nach Maßgabe der Inflationsrate von 1998 zu 1999 (0,6 v.H.) an. Danach änderte sich der aktuelle Rentenwert und der aktuelle Rentenwert Ost zum 01.07.2000 in dem Verhältnis, in dem der Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Bundesgebiet des vergangenen Kalenderjahres (1999) von dem Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Bundesgebiet im vorvergangenen Kalenderjahr (1998) abwich (= sog. Preisniveauveränderungsrate).
Ein Anspruch auf eine lohnbezogene Anpassung der Rente des Klägers zu dem genannten Zeitpunkt, und damit um mehr als 0,6 v.H., lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus Art.14 GG oder sonstigen Grundrechten bzw. verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsätzen herleiten.
Art.14 GG, der den Eigentumsschutz garantiert, scheidet als Anspruchsgrundlage aus. Zwar erstreckt sich der Eigentumsschutz des Art. 14 GG grundsätzlich auch auf die Versichertenrenten und Anwartschaften auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BVerfG, Urteil vom 28.02.1980, BVerfGE 53, 257 ff (289 ff); Urteil vom 17.07.1981 - BVerfGE 58, 81 ff (109)). Die Gewährleistung der "Lohnersatzfunktion der Renten" und damit einer lohnbezogenen Anpassung der Renten ist jedoch nicht von dessen Schutzbereich umfasst. Dieses Grundrecht ist als Abwehrrecht konzipiert, das den Bürger vor Eingriffen des Staates schützen soll. Es würde aber in ein Teilhaberrecht uminterpretiert, wenn es - wie von dem Kläger begehrt - zugleich eine Gewähr für die stetige Koppelung zwischen Rentenniveau und Versicherteneinkommen enthielte (Papier, in: Maunz-Düring-Herzog, Grundgesetz, Art.14, Rdnr. 148; im Ergebnis ebenso Presse-Mitteilung Nr. 40/02 zu BSG, Urteil vom 30.07.2002 - B 4 RA 120/00 R -).
Allerdings resultiert aus Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.3 Abs.1 GG eine sog. "Teilhabeberechtigung" des Renteneigentümers auf systemgerechte Teilhabe an der Entwicklung der Löhne und Gehälter der aktiven Rentenversicherten (vgl. die o.g. Presse-Mitteilung; Papier, a.a.O.). In diese grundrechtlich geschützte Rechtsposition wird durch § 255c SGB VI bzw. die zum 01.07.2000 erfolgte Rentenanpassung im Umfang nur der sog. Preisniveauveränderungsrate eingegriffen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist dieser Eingriff jedoch durch sachlich vertretbare Gründe gerechtfertigt.
Der Gesetzgeber muss gerade bei der Anpassung des aktuellen Rentenwerts die Belange der Rentenbezieher mit denjenigen der Beitragszahler und Beitragstragenden und mit denen der künftigen Versicherten vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung abwägen. Hierbei hat er einen weiten Beurteilungsspielraum und große Gestaltungsfreiheit (vgl. die o.g. Pressemitteilung). Die wenigen Schranken, denen der Gesetzgeber dabei unterliegt, werden danach durch die zum 01.07.2000 erfolgte Rentenanpassung gewahrt:
So muss der wirtschaftliche Realwert der Rente im Blick auf die Funktion der Existenzsicherung erhalten bleiben. Dies ist der Fall, wenn die Rentenanpassung - wie hier - nicht unterhalb der Inflationsrate liegt, sofern die Lohn- und Gehaltsentwicklung der aktiven Versicherten wenigstens eine Anpassung nach der Inflationsrate zu ließe.
Ferner verstößt die streitige Rentenanpassung auch nicht gegen die Vorgabe, dass die sog. Gesamtäquivalenz gesichert bleiben muss. Danach muss ein typischer Rentner im Alter in etwa eine Alterssicherung erhalten, die im Großen und Ganzen seiner, während seines aktiven Erwerbslebens zumeist durch Beiträge erbrachten Vorleistungen für die Rentenversicherung Rechnung trägt (vgl. die o.g. Pressemitteilung). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Rentenhöhe des typischen Altersrentners bis Juli 2000 noch im Rahmen der Gesamtäquivalenz stand. Die einmalige Anhebung nach der Inflationsrate zum 01.07.2000 hat dieses Verhältnis aber nicht im erheblichen Ausmaß verändert.
Die Rentenanpassung darf darüber hinaus beim typischen Altersrentner nicht dazu führen, dass das Mindestversicherungsniveau unterschritten wird. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der Altersvollrentner mit typischer Versicherungsbiographie das Sozialhilfeniveau nur noch unwesentlich überschritte. Anhaltspunkte für ein Unterschreiten des Mindestversicherungsniveaus durch die Rentenanpassung zum 01.07.2000 fehlen jedoch. Im Übrigen handelt es sich um eine erlaubte, begrenzte und nur vorübergehende Suspendierung der Prinzipien der Anpassung nach der Lohn- und Gehaltsentwicklung. Eine solche durfte der Deutsche Bundestag für erlaubt halten, weil er sich selbst über die von ihm gewünschten gesetzgebungspolitischen Schritte im Rentenversicherungsrecht noch nicht klar geworden war; vielmehr hatte er das von ihm beschlossene Rentenreformgesetz 1999 außer Kraft gesetzt und benötigte Zeit, ein neues Gesetzgebungskonzept im Rentenversicherungsrecht zu entwickeln.
Schließlich hat der Gesetzgeber bei Ausgestaltung der Rentenanpassung auch das in Art.3 Abs.1 GG gewährleistete Willkürverbot beachtet. Da der aktuelle Rentenwert und Rentenwert Ost nach §§ 68, 255a Abs.2 in Verbindung mit § 255e SGB VI ab dem 01.07.2001 wieder entsprechend der Lohn- und Gehaltsentwicklung angepasst wird, wird die Rente des Klägers nur in einer kurzen Übergangsphase in Höhe von nur 0,6 v.H. dynamisiert. Für eine solche Übergangsphase ist es aber sachlich vertretbar, aus Einsparungsgründen eine niedrigere, aber doch zeitnahe Inflationsrate zu berücksichtigen (vgl. die o.g. Presseinformation).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist in der Regelung des § 255c SGB VI bzw. der darauf beruhenden - hier streitigen - Rentenanpassung auch kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu erblicken.
Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Rentenhöhe ab 01.07.2000 nach Maßgabe der Inflationsrate von 1998 zu 1999 anzupassen, war geeignet, die Finanzlücken in der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen.
Ein milderes Mittel ist im Hinblick auf die schlechte Finanzlage der öffentlichen Haushalte nicht ersichtlich. Ohne die inflationsbezogene Rentenanpassung würde das Ziel, Finanzlücken zu "stopfen", nicht annähernd erreicht werden.
Die Einführung einer Rentenanpassung nach Maßgabe der Inflationsrate gemäß § 255c SGB VI ist schließlich auch angemessen. Das erhebliche öffentliche Interesse des Erhalts der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung auch für zukünftige Rentner wiegt gegenüber dem Interesse des Klägers an einer höheren Rentenanpassung zum 01.07.2000 schwerer, zumal dem Gesetzgeber - wie bereits dargestellt - insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum einzuräumen ist und die dabei zu beachtenden Schranken vorliegend eingehalten wurden (s.o.).
Auch auf den Gleichheitsgrundsatz des Art.3 GG kann der Kläger den begehrten Anspruch auf Anpassung seiner Rente zum 01.07.2000 entsprechend der Entwicklung der Löhne und Gehälter um 3 % nicht stützen.
Soweit der Kläger geltend macht, es liege im Vergleich zu anderen Versicherungen, die ihre Leistungen in den letzten sechs Jahren um mehr als das Doppelte dynamisiert hätten, eine Ungleichbehandlung der gesetzlich Rentenversicherten vor, so wäre diese jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Das wesentliche Ziel des § 255c SGB VI war es, die Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung zu festigen. Unter solchen Umständen zwang das Gleichbehandlungsgebot nicht dazu, gleichzeitig Gruppen aus anderen Sicherungssystemen, wie etwa Beamte oder Selbständige, den ausschließlich in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten gleichzustellen.
Das darüber hinaus von dem Kläger angesprochene Begehren, nicht nur die gesetzlich Rentenversicherten, sondern auch die anderen Berufsgruppen, insbesondere Beamte, Selbständige und Besserverdienende an den allgemeinen staatlichen, versicherungsfremden Leistungen (z.B. Kosten für die Deutsche Einheit, Fremdrentengesetz) zu beteiligten, ist nicht Gegenstand der - hier streitigen - Regelung des § 255c SGB VI bzw. der darauf beruhenden Rentenanpassung.
Schließlich lässt sich der geltend gemachte Anspruch auch nicht auf sonstige verfassungsrechtlich gewährleistete Prinzipien stützen.
So steht die gesetzlich vorgesehene Rentenanpassung zum 01.07.2000 um nur 0,6 v.H. mit dem Rechtsstaatsprinzip, das - obwohl in Art.20 Abs.1 GG nicht ausdrücklich erwähnt, den dort genannten Struktur prinzipien hinzugerechnet wird - in Einklang.
Zuzustimmen ist dem Kläger zwar insoweit, als eine der wichtigsten Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips die Bindung an Recht und Gesetz ist (vgl. Art. 20 Abs.3 GG). Es ist allerdings nicht ersichtlich, inwieweit § 255c SGB VI gegen dieses Prinzip verstoßen soll. Der Gesetzgeber hat sich mit der Schaffung des § 255c SGB VI an Recht und Gesetz gehalten. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt nicht vor (s.o.). Eine vom Kläger dem Rechtsstaatsprinzip zu geschriebene "transparente Vorhersehbarkeit und Stetigkeit der Gesetze" wird durch dieses Prinzip jedenfalls nicht bedingungslos gewährleistet. Zumindest hindert es nicht daran, die Höhe der jährlichen Rentenanpassung neu zu regeln, wenn die oben dargestellten Vorgaben eingehalten werden. Denn mit dem Ende einer Periode wirtschaftlichen Aufschwungs treten die gesetzlichen Vorschriften, die für Zeiten der wirtschaftlichen Abschwächung geschaffen werden, in den Vordergrund. Dann aber kommt dem Vertrauen des Einzelnen auf die stets unveränderte Fortgeltung einer gesetzlichen Regelung - was die Höhe der Anpassung betrifft - bei der gebotenen Abwägung der Interessen keine erhebliche Bedeutung zu (vgl. BVerfG, Urteil vom 10.05.1983 - 1 BvR 820/79 -, S. 10). Besonders im Bereich der Rentenversicherung trägt der Versicherte zusammen mit den Chancen, welche die gesetzliche Rentenversicherung ihm gibt, auch Risiken (vgl. BVerfG, a.a.O., und BVerfGE 58, 81 ff (123)). Zu diesen gehören aber die Veränderungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Produktivität (BVerfG vom 10.05.1983, a.a.O.).
Schließlich vermag der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf das Demokratieprinzip zu stützen. Dieses Prinzip gewährleistet, dass das Volk Träger der Staatsgewalt ist. Die vom Volk gewählten Staatsorgane haben aber die Regelung des § 255c SGB VI verabschiedet, so dass Anhaltspunkte für eine Verletzung des Demokratieprinzips durch die streitige Rentenanpassungsmitteilung nicht ersichtlich sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG insbesondere im Hinblick auf die bereits wergangene Entscheidung des BSG (Urteil vom 30.07.2002 - B 4 RA 120/00 R -) nicht gegeben sind.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erhöhung der ihm gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zum 01.07.2000 um mindestens 3 v.H. anstelle von 0,6 v.H.
Der am ...1956 geborene Kläger bezieht seit dem ...1996 von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 01.07.2000 wurde die Rente gemäß § 1 der Verordnung zur Anpassung der Renten im Jahre 2000 vom 31.05.2000 - RAV 2000 - (BGBl. I S. 788) um 0,6 v.H. angepasst.
Zur Begründung seines gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, die Dynamisierung der Rente um lediglich 0,6 v.H. sei verfassungswidrig.
Nachdem der Kläger die Beklagte mehrfach vergeblich um Erteilung eines Widerspruchsbescheides gebeten hatte, hat er am 02.10.2001 beim Sozialgericht Münster Klage erhoben und vorgetragen, nach dem der Rentenversicherung zugrundeliegenden Gedanken, der eine an die durchschnittliche Nettolohnhöhe geknüpfte Dynamisierung vorsehe, habe eine Erhöhung seiner Rente um mindestens 3 v.H. erfolgen müssen. Die Rentenerhöhung um nur 0,6 v.H. zum 01.07.2000 sei willkürlich. Sie verstoße insbesondere gegen Art.14 Grundgesetz (GG). Nicht nur die Rentenanwartschaften und Rententatbestände, sondern auch die jährlichen Rentenanpassungen seien vom Schutzbereich des Art.14 GG umfasst. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe dies in seiner Entscheidung vom 10.05.1983 - 1 BvR 820/79 - zu Unrecht offen gelassen. Der Gesetzgeber habe mit der RAV 2000 im Sinne einer Neugestaltung des Eigentumsbegriffs im Sinne des Art.14 Abs.2 S.1 GG unzulässigerweise in sein Eigentum eingegriffen. Die gesetzlich festgelegten Rentenansprüche dürften nicht der sich jährlich ändernden Haushaltslage unterworfen werden, zumal für die Finanzlage allein die Politiker verantwortlich seien. Im Übrigen sei es mit dem Grundgedanken der Rentenversicherung, den Lebensstandard zu erhalten, nicht vereinbar, die Rente zu kürzen, ohne einen demographischen Altersfaktor einzuführen, der den Generationenvertrag wegen veränderter Umstände im Sinne des Wegfalls der Geschäftsgrundlage neu angepasst hätte. Ein solcher Eingriff in objektive Vermögenswerte sei im Übrigen nach Art. 14 Abs.3 GG nur unter Einhaltung besonderer Formvorschriften und gegen Gewährung einer Entschädigung möglich.
Die Kürzung der Dynamisierung im Hinblick auf die Finanzlage der Rentenversicherung sei darüber hinaus unverhältnismäßig, willkürlich und verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip. Dieses verlange - ebenso wie der in Art.14 GG vorgesehene Eigentumsschutz - eine transparente Vorhersehbarkeit der sich ergebenden Ansprüche und Verpflichtungen sowie eine gesetzliche Bindung und Stetigkeit. Eine Vorhersehbarkeit der Rentenansprüche sei durch eine dauernde Gesetzesaushöhlung mittels jährlicher Änderung der gesetzlichen Inhaltsbestimmung jedoch nicht mehr gegeben.
Da sich die Verfassungsorgane über die Rentenkassen "hermachten" und die Betroffenen sich nicht wehren könnten, läge schließlich ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip und Art.19 Abs.4 S.1 GG vor. Abzüglich des Inflationsausgleichs ergebe sich eine "Nullrunde", die von keiner anderen Berufsgruppe sonst getragen werde, so dass die Rentenanpassung zum 01.07.2000 schließlich auch den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.3 GG verletze.
Nachdem der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2002 zurückgewiesen worden war, hat der Kläger beantragt,
die Rentenmitteilung vom 01.07.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die ihm gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zum 01.07.2000 um mindestens 3 v.H. zu dynamisieren.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 01.07.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihm am 10.07.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.07.2002 Berufung eingelegt. Ergänzend führt er aus, dass zwischen den gezahlten Beiträgen und einer später bezogenen Rente entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe und daher Art.14 GG verletzt sei. Es sei ja gerade Sinn und Zweck des Versicherungsgedankens, der zu den gezahlten Beitragszahlungen geführt habe. Es werde bei der Festsetzung der Renten auch genau berechnet, inwieweit die gezahlten Beiträge zu welchen Auszahlungen führen würden. Die Rentner wollten natürlich an ihrem Rentenrecht und auch an der Höhe desselben teilhaben, denn sie hätten jahrelang dafür eingezahlt. Der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm habe immer den Leistungsgedanken in der Rentenversicherung betont, der jetzt durch die geringe Rentenerhöhung zum 01.07.2000 von der Beklagten durchbrochen werde. Im Übrigen sei auch der Gleichheitsgrundsatz verletzt, weil (1.) andere Versicherungen ihre Renten in den letzten sechs Jahren um mehr als das Doppelte dynamisiert hätten und (2.) andere Berufsgruppen wie Beamte und Selbständige sowie insgesamt die Besserverdienenden nicht an den allgemeinen staatlichen bzw. versicherungsfremden Leistungen (z.B. im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit bzw. dem Fremdrentengesetz entstandene Kosten) beteiligt seien, sondern diese von der Versichertengemeinschaft, an der mittlerweile nur noch 66 % der Bevölkerung teilnähmen, zusätzlich zu leisten seien.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.07.2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2000 zu verurteilen, die ihm gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zum 01.07.2000 um mindestens 3 v.H. zu dynamisieren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des BSG vom 31.07.2002 - B 4 RA 120/00 R. Darin sei bestätigt worden, dass die hier streitige Regelung, die Renten nicht im Umfang der allgemeinen Lohnsteigerung zu erhöhen, nicht gegen das Grundgesetz verstoße.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs.1, 110 Abs.1, 126 SGG in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, da er in der Terminsmitteilung, die ihm am 04.09.2002 zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 01.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2002 nicht im Sinne des § 54 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, weil diese Bescheide nicht rechtswidrig sind. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente zum 01.07.2000 um mehr als 0,6 v.H. bzw. - wie begehrt - um mindestens 3 v.H ...
Aus § 1 RAV 2000 lässt sich der geltend gemachte Anspruch schon des halb nicht herleiten, weil diese Verordnung wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art.80 Abs.1 S.3 GG nichtig ist. Die Bundesregierung hat es als Verordnungsgeber unterlassen, die maßgebliche parlamentsgesetzliche Rechtsgrundlage für eine Anpassung des aktuellen Rentenwerts nach Maßgabe der "Inflationsrate", nämlich § 255c des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), zu zitieren (vgl. die Pressemitteilung Nr. 40/02 zum Urteil des BSG vom 30.07.2002 - B 4 RA 120/00 R -). Abgesehen davon sieht § 1 RAV 2000 ohnehin lediglich eine Rentenerhöhung zum 01.07.2000 um 0,6 v.H. vor.
Auch § 255c SGB VI ordnet zum 01.07.2000 - abweichend von § 255a Abs.2 iVm §§ 63 Abs.7 und 68 SGB VI, die eine lohnbezogene Anpassung der Renten vorsehen - lediglich eine Dynamisierung der Renten zum 01.07.2000 nach Maßgabe der Inflationsrate von 1998 zu 1999 (0,6 v.H.) an. Danach änderte sich der aktuelle Rentenwert und der aktuelle Rentenwert Ost zum 01.07.2000 in dem Verhältnis, in dem der Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Bundesgebiet des vergangenen Kalenderjahres (1999) von dem Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Bundesgebiet im vorvergangenen Kalenderjahr (1998) abwich (= sog. Preisniveauveränderungsrate).
Ein Anspruch auf eine lohnbezogene Anpassung der Rente des Klägers zu dem genannten Zeitpunkt, und damit um mehr als 0,6 v.H., lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus Art.14 GG oder sonstigen Grundrechten bzw. verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsätzen herleiten.
Art.14 GG, der den Eigentumsschutz garantiert, scheidet als Anspruchsgrundlage aus. Zwar erstreckt sich der Eigentumsschutz des Art. 14 GG grundsätzlich auch auf die Versichertenrenten und Anwartschaften auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BVerfG, Urteil vom 28.02.1980, BVerfGE 53, 257 ff (289 ff); Urteil vom 17.07.1981 - BVerfGE 58, 81 ff (109)). Die Gewährleistung der "Lohnersatzfunktion der Renten" und damit einer lohnbezogenen Anpassung der Renten ist jedoch nicht von dessen Schutzbereich umfasst. Dieses Grundrecht ist als Abwehrrecht konzipiert, das den Bürger vor Eingriffen des Staates schützen soll. Es würde aber in ein Teilhaberrecht uminterpretiert, wenn es - wie von dem Kläger begehrt - zugleich eine Gewähr für die stetige Koppelung zwischen Rentenniveau und Versicherteneinkommen enthielte (Papier, in: Maunz-Düring-Herzog, Grundgesetz, Art.14, Rdnr. 148; im Ergebnis ebenso Presse-Mitteilung Nr. 40/02 zu BSG, Urteil vom 30.07.2002 - B 4 RA 120/00 R -).
Allerdings resultiert aus Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.3 Abs.1 GG eine sog. "Teilhabeberechtigung" des Renteneigentümers auf systemgerechte Teilhabe an der Entwicklung der Löhne und Gehälter der aktiven Rentenversicherten (vgl. die o.g. Presse-Mitteilung; Papier, a.a.O.). In diese grundrechtlich geschützte Rechtsposition wird durch § 255c SGB VI bzw. die zum 01.07.2000 erfolgte Rentenanpassung im Umfang nur der sog. Preisniveauveränderungsrate eingegriffen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist dieser Eingriff jedoch durch sachlich vertretbare Gründe gerechtfertigt.
Der Gesetzgeber muss gerade bei der Anpassung des aktuellen Rentenwerts die Belange der Rentenbezieher mit denjenigen der Beitragszahler und Beitragstragenden und mit denen der künftigen Versicherten vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung abwägen. Hierbei hat er einen weiten Beurteilungsspielraum und große Gestaltungsfreiheit (vgl. die o.g. Pressemitteilung). Die wenigen Schranken, denen der Gesetzgeber dabei unterliegt, werden danach durch die zum 01.07.2000 erfolgte Rentenanpassung gewahrt:
So muss der wirtschaftliche Realwert der Rente im Blick auf die Funktion der Existenzsicherung erhalten bleiben. Dies ist der Fall, wenn die Rentenanpassung - wie hier - nicht unterhalb der Inflationsrate liegt, sofern die Lohn- und Gehaltsentwicklung der aktiven Versicherten wenigstens eine Anpassung nach der Inflationsrate zu ließe.
Ferner verstößt die streitige Rentenanpassung auch nicht gegen die Vorgabe, dass die sog. Gesamtäquivalenz gesichert bleiben muss. Danach muss ein typischer Rentner im Alter in etwa eine Alterssicherung erhalten, die im Großen und Ganzen seiner, während seines aktiven Erwerbslebens zumeist durch Beiträge erbrachten Vorleistungen für die Rentenversicherung Rechnung trägt (vgl. die o.g. Pressemitteilung). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Rentenhöhe des typischen Altersrentners bis Juli 2000 noch im Rahmen der Gesamtäquivalenz stand. Die einmalige Anhebung nach der Inflationsrate zum 01.07.2000 hat dieses Verhältnis aber nicht im erheblichen Ausmaß verändert.
Die Rentenanpassung darf darüber hinaus beim typischen Altersrentner nicht dazu führen, dass das Mindestversicherungsniveau unterschritten wird. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der Altersvollrentner mit typischer Versicherungsbiographie das Sozialhilfeniveau nur noch unwesentlich überschritte. Anhaltspunkte für ein Unterschreiten des Mindestversicherungsniveaus durch die Rentenanpassung zum 01.07.2000 fehlen jedoch. Im Übrigen handelt es sich um eine erlaubte, begrenzte und nur vorübergehende Suspendierung der Prinzipien der Anpassung nach der Lohn- und Gehaltsentwicklung. Eine solche durfte der Deutsche Bundestag für erlaubt halten, weil er sich selbst über die von ihm gewünschten gesetzgebungspolitischen Schritte im Rentenversicherungsrecht noch nicht klar geworden war; vielmehr hatte er das von ihm beschlossene Rentenreformgesetz 1999 außer Kraft gesetzt und benötigte Zeit, ein neues Gesetzgebungskonzept im Rentenversicherungsrecht zu entwickeln.
Schließlich hat der Gesetzgeber bei Ausgestaltung der Rentenanpassung auch das in Art.3 Abs.1 GG gewährleistete Willkürverbot beachtet. Da der aktuelle Rentenwert und Rentenwert Ost nach §§ 68, 255a Abs.2 in Verbindung mit § 255e SGB VI ab dem 01.07.2001 wieder entsprechend der Lohn- und Gehaltsentwicklung angepasst wird, wird die Rente des Klägers nur in einer kurzen Übergangsphase in Höhe von nur 0,6 v.H. dynamisiert. Für eine solche Übergangsphase ist es aber sachlich vertretbar, aus Einsparungsgründen eine niedrigere, aber doch zeitnahe Inflationsrate zu berücksichtigen (vgl. die o.g. Presseinformation).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist in der Regelung des § 255c SGB VI bzw. der darauf beruhenden - hier streitigen - Rentenanpassung auch kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu erblicken.
Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Rentenhöhe ab 01.07.2000 nach Maßgabe der Inflationsrate von 1998 zu 1999 anzupassen, war geeignet, die Finanzlücken in der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen.
Ein milderes Mittel ist im Hinblick auf die schlechte Finanzlage der öffentlichen Haushalte nicht ersichtlich. Ohne die inflationsbezogene Rentenanpassung würde das Ziel, Finanzlücken zu "stopfen", nicht annähernd erreicht werden.
Die Einführung einer Rentenanpassung nach Maßgabe der Inflationsrate gemäß § 255c SGB VI ist schließlich auch angemessen. Das erhebliche öffentliche Interesse des Erhalts der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung auch für zukünftige Rentner wiegt gegenüber dem Interesse des Klägers an einer höheren Rentenanpassung zum 01.07.2000 schwerer, zumal dem Gesetzgeber - wie bereits dargestellt - insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum einzuräumen ist und die dabei zu beachtenden Schranken vorliegend eingehalten wurden (s.o.).
Auch auf den Gleichheitsgrundsatz des Art.3 GG kann der Kläger den begehrten Anspruch auf Anpassung seiner Rente zum 01.07.2000 entsprechend der Entwicklung der Löhne und Gehälter um 3 % nicht stützen.
Soweit der Kläger geltend macht, es liege im Vergleich zu anderen Versicherungen, die ihre Leistungen in den letzten sechs Jahren um mehr als das Doppelte dynamisiert hätten, eine Ungleichbehandlung der gesetzlich Rentenversicherten vor, so wäre diese jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Das wesentliche Ziel des § 255c SGB VI war es, die Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung zu festigen. Unter solchen Umständen zwang das Gleichbehandlungsgebot nicht dazu, gleichzeitig Gruppen aus anderen Sicherungssystemen, wie etwa Beamte oder Selbständige, den ausschließlich in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten gleichzustellen.
Das darüber hinaus von dem Kläger angesprochene Begehren, nicht nur die gesetzlich Rentenversicherten, sondern auch die anderen Berufsgruppen, insbesondere Beamte, Selbständige und Besserverdienende an den allgemeinen staatlichen, versicherungsfremden Leistungen (z.B. Kosten für die Deutsche Einheit, Fremdrentengesetz) zu beteiligten, ist nicht Gegenstand der - hier streitigen - Regelung des § 255c SGB VI bzw. der darauf beruhenden Rentenanpassung.
Schließlich lässt sich der geltend gemachte Anspruch auch nicht auf sonstige verfassungsrechtlich gewährleistete Prinzipien stützen.
So steht die gesetzlich vorgesehene Rentenanpassung zum 01.07.2000 um nur 0,6 v.H. mit dem Rechtsstaatsprinzip, das - obwohl in Art.20 Abs.1 GG nicht ausdrücklich erwähnt, den dort genannten Struktur prinzipien hinzugerechnet wird - in Einklang.
Zuzustimmen ist dem Kläger zwar insoweit, als eine der wichtigsten Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips die Bindung an Recht und Gesetz ist (vgl. Art. 20 Abs.3 GG). Es ist allerdings nicht ersichtlich, inwieweit § 255c SGB VI gegen dieses Prinzip verstoßen soll. Der Gesetzgeber hat sich mit der Schaffung des § 255c SGB VI an Recht und Gesetz gehalten. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt nicht vor (s.o.). Eine vom Kläger dem Rechtsstaatsprinzip zu geschriebene "transparente Vorhersehbarkeit und Stetigkeit der Gesetze" wird durch dieses Prinzip jedenfalls nicht bedingungslos gewährleistet. Zumindest hindert es nicht daran, die Höhe der jährlichen Rentenanpassung neu zu regeln, wenn die oben dargestellten Vorgaben eingehalten werden. Denn mit dem Ende einer Periode wirtschaftlichen Aufschwungs treten die gesetzlichen Vorschriften, die für Zeiten der wirtschaftlichen Abschwächung geschaffen werden, in den Vordergrund. Dann aber kommt dem Vertrauen des Einzelnen auf die stets unveränderte Fortgeltung einer gesetzlichen Regelung - was die Höhe der Anpassung betrifft - bei der gebotenen Abwägung der Interessen keine erhebliche Bedeutung zu (vgl. BVerfG, Urteil vom 10.05.1983 - 1 BvR 820/79 -, S. 10). Besonders im Bereich der Rentenversicherung trägt der Versicherte zusammen mit den Chancen, welche die gesetzliche Rentenversicherung ihm gibt, auch Risiken (vgl. BVerfG, a.a.O., und BVerfGE 58, 81 ff (123)). Zu diesen gehören aber die Veränderungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Produktivität (BVerfG vom 10.05.1983, a.a.O.).
Schließlich vermag der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf das Demokratieprinzip zu stützen. Dieses Prinzip gewährleistet, dass das Volk Träger der Staatsgewalt ist. Die vom Volk gewählten Staatsorgane haben aber die Regelung des § 255c SGB VI verabschiedet, so dass Anhaltspunkte für eine Verletzung des Demokratieprinzips durch die streitige Rentenanpassungsmitteilung nicht ersichtlich sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG insbesondere im Hinblick auf die bereits wergangene Entscheidung des BSG (Urteil vom 30.07.2002 - B 4 RA 120/00 R -) nicht gegeben sind.
Rechtskraft
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