L 18 RJ 74/95

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 3 J 130/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 RJ 74/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 247/99 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 27. Juli 1995 wird zurückgewiesen. Kosten sind zwischen den Beteiligten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der am 14. April 1948 geborene Kläger begann im April 1963 eine Lehre als Tankwart, die er im März 1965 aus gesundheitlichen Gründen abbrach. Er übte dann von Oktober 1967 bis Juli 1972 ungelernte Tätigkeiten aus. Ab August 1972 war er bei der Firma M ... wie folgt beschäftigt:

Von August 1972 bis Oktober 1972 als Betriebshelfer, von November 1972 bis September 1973 als Rohraußenschleifer, von Oktober 1973 bis August 1975 als Springer II, von September 1975 bis Dezember 1982 als Springer I, von Januar 1983 bis Oktober 1989 als 2. Ofenkontrolleur, ab November 1989 als 1. Ofenkontrolleur.

Der Kläger war ab dem 03. November 1992 arbeitsunfähig krank und erhielt ab dem 15. Dezember 1992 Krankengeld. In der Zeit vom 03. August 1993 bis 14. September 1993 nahm er an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme teil und bezog im Anschluß hieran wieder Krankengeld bis zur Aussteuerung am 02. Juni 1994. Ab diesem Zeitpunkt erhielt er Arbeitslosengeld. Am 16. September 1994 nahm der Kläger wiederum bei der Firma M ... die Tätigkeit eines 2. Pförtners auf. Seit dem 01.10.1997 gehört der Kläger nicht mehr den M ..., sondern der M ... an, die Pförtnerdienste und die Werksfeuerwehr unterhält. Seit dem 01. März 1998 ist er als 1. Pförtner tätig.

Die Entlohnung des Klägers richtet sich nach der analytischen Arbeitsplatzbewertung. Die Tätigkeit eines 1. Ofenkontrolleurs wird mit 30 Arbeitswerten - 23 qualitativen und 7 nicht qualitativen -, die des 2. Pförtners mit 15 und die des 1. Pförtners mit 17 Arbeitswerten bewertet. Der Kläger erhielt als 2. Pförtner und erhält als 1. Pförtner eine Verdienstsicherung auf der Basis von 30 Arbeitswerten.

Der Kläger beantragte im September 1993 die Gewährung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Die Beklagte holte eine Arbeitgeberauskunft der M ... vom 16.02.1994 ein und zog den ärztlichen Entlassungsbericht über die medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Zeit vom 03. August 1993 bis 14. September 1993 bei.

Mit Bescheid vom 10. März 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. August 1994 lehnte die Beklagte eine Rentengewährung ab.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Behandlungs- und Befundberichte des Chirurgen Dr. S ... und des Neurologen und Psychiaters G ... sowie ein orthopädisches Sachverständigengutachten von Dr. A ... vom 02. März 1995 eingeholt. Dr. A ... hat folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:

1. Rezidivierende Lumboischialgien links mehr als rechts bei Bandscheibenprotrusion und spinaler Stenose L 4/L 5, 2. Fehlstatik der Lendenwirbelsäule, 3. Karpal-Tunnel-Syndrom links, 4. Bewegungs- und Belastungseinschränkung des rechten Handgelenkes, 5. Kniegelenksverschleiß links mit belastungsabhängigen Schmerzen und endgradiger Bewegungseinschränkung, 6. Kniegelenksverschleiß rechts, 7. Trigeminusneuralgie rechts.

Er hat den Kläger noch für fähig erachtet, körperlich leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen ohne einseitige körperliche Belastung bzw. Zwangshaltungen, unter Vermeidung von Hitze, Kälte, Nässe zu verrichten, wobei Gerüst- und Leiterarbeiten nicht mehr zumutbar seien, Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewußtsein und Zuverlässigkeit jedoch ausgeführt werden könnten.

Ferner hat das Sozialgericht von den M ... eine Auskunft vom 20. Dezember 1994 eingeholt, in der mitgeteilt worden ist, die Zuordnung der Tätigkeit des 1. Ofenkontrolleurs zu einer Lohngruppe des Tarifvertrages der Eisen- und Stahlindustrie sei nicht möglich; nach ihrer Auffassung sei die Tätigkeit wohl der Tariflohngruppe 6 zuzuordnen.

Mit Urteil vom 27. Juli 1995 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei als 1. Ofenkontrolleur als Facharbeiter anzusehen. Er sei gesundheitlich und sozial zumutbar auf Revisionstätigkeiten in der Eisen- und Stahlindustrie zu verweisen. Der Arbeitsmarkt sei ihm auch nicht verschlossen, da er in einem Betrieb tätig sei, in dem es noch Arbeitsplätze für Revisionstätigkeiten gebe.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger geltend gemacht, er könne nicht mehr auf Revisionstätigkeiten verwiesen werden, da für ihn der Arbeitsmarkt insoweit verschlossen sei. Im Stahlbereich habe eine Umstrukturierung mit Personalabbau stattgefunden mit der Folge, daß Kontroll- und Revisionsabteilungen aufgelöst bzw. in die Produktion verlagert würden. Die noch vereinzelt bestehenden Arbeitsplätze seien jedenfalls den leistungsgeminderten Angehörigen des eigenen Betriebes vorbehalten. Eine andere zumutbare Verweisungstätigkeit sei nicht ersichtlich.

Der Senat hat weitere Behandlungs- und Befundberichte der Dres. S ... und G ... sowie Arbeitgeberauskünfte vom 07. Februar 1996 , 28. November 1996, 25. November 1997, 08. September 1998 und 18. Februar 1999 eingeholt. Als Zeugen sind in den Erörterungsterminen am 10. September 1996 der Dipl.-Ing ... T ..., am 03. März 1998 der Meister H ... K ...und am 31. Juli 1998 der Dipl.-Ing. U ... G ... vernommen worden. Auf die Vernehmungsprotokolle wird Bezug genommen.

Schließlich ist ein berufskundliches Sachverständigengutachten von dem Dipl.-Ing. P ... K ... vom 26. Juli 1999 eingeholt worden. Der Sachverständige hat ausgeführt, dem Ofenkontrolleur obliege die Bedienung des Ofens; hiervon werde der Ofeneinsatz und die verantwortliche Überwachung des Wärmeprozesses umfaßt. Die Tätigkeit des 1. Ofenkontrolleurs sei als qualifizierte Anlerntätigkeit, nicht aber als Facharbeitertätigkeit anzusehen und gemäß Lohnrahmentarifvertrag vom 17. Februar 1978 der Eisen- und Stahlindustrie in die Lohngruppe 5 (in der als Arbeitsbeispiel der 1. Ofenmann aufgeführt ist) einzustufen.

Der Kläger hat sich mit dieser Beurteilung nicht einverstanden erklärt und unter Bezugnahme auf die Zeugenaussage des Dipl.-Ing. G ... weiterhin die Auffassung vertreten, als 1. Ofenkontrolleur Facharbeiter gewesen zu sein.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 27. Juli 1995 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10. März 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. August 1994 zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag vom 29. September 1993 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren, hilfsweise, weiteren Beweis darüber zu erheben, daß die vom Kläger verrichtete Tätigkeit unter Beachtung der Angaben des Dipl.-Ing. G ... (Zeugenaussage vom 31. Juli 1998) und der Auskunft der Firma M ... vom 20. Dezember 1994 als Facharbeitertätigkeit gleichzuachten ist, durch Einholung einer ergänzenden Auskunft des Sachverständigen K ... sowie weiteren Beweis darüber zu erheben, daß die vom Kläger verrichtete Tätigkeit als 1. Ofenkontrolleur nicht identisch ist mit dem im Tarifvertrag Stahl beschriebenen Tätigkeitsbild des 1. Ofenmanns, ebenfalls durch Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des berufskundlichen Sachverständigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie geht weiterhin davon aus, daß dem Kläger der Berufsschutz eines Facharbeiters nicht zu gewähren ist. Sie stützt sich zum einen auf den Lohnrahmentarifvertrag in der Fassung vom 17. Februar 1978, worin der 1. Ofenmann in die Tariflohngruppe 5 eingruppiert worden ist. Zum anderen sieht sie ihre Auffassung durch das Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen bestätigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 13. März 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. August 1994 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente.

Gemäß § 43 Abs. 1 des 6. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie u.a. berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Bisheriger Beruf des Klägers i.S. dieser Vorschrift ist der eines 1. Ofenkontrolleurs in der Eisen- und Stahlindustrie, den der Kläger von November 1989 bis November 1992 ausgeübt hat. Als 1. Ofenkontrolleur oblag ihm die Bedienung des Ofens, wobei der Ofeneinsatz und die verantwortliche Überwachung des Wärmeprozesses mitumfaßt waren. Zu seinen Aufgaben gehörte die In- und Außerbetriebnahme der Ofenanlage, das Fahren des Ofens nach den betrieblichen Vorgaben mit den automatischen Meß- und Regeleinrichtungen, die ständige Kontrolle des Ofenbetriebes, die Steuerung und Kontrolle der Ofenbelegungseinrichtungen, das Reagieren auf Ofenstörungen und die Durchführung von Reinigungs- und Wartungsarbeiten. Die Arbeit des 1. Ofenkontrolleurs ist körperlich mittelschwer und findet zu 70 % im Sitzen und im übrigen im Gehen und Stehen statt. Die In- und Außerbetriebnahme und die Behebung von Störungen sind mit Temperatur- und Schmutzbelastung verbunden.

Der Kläger hat die Tätigkeit des 1. Ofenkontrolleurs aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Er kann sie nach den Feststellungen des Senats auch nicht mehr ausüben. Sowohl nach der Einschätzung im ärztlichen Entlassungsbericht über die medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Zeit von August 1993 bis September 1993 als auch nach der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. A ... kann er nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen ohne einseitige Belastung bzw. Zwangshaltungen, unter Vermeidung von Witterungs- oder sonstigen Umwelteinflüssen und unter Ausschluß von Arbeiten unter besonderem Zeitdruck sowie ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten vollschichtig verrichten. Aufgrund der auf orthopädischem Fachgebiet liegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen, insbesondere der rezidivierenden Lumboischialgien links mehr als rechts bei Bandscheibenprotrusion und spinaler Stenose L 4/L 5, sind die getroffenen Leistungsbeurteilungen als zutreffend zugrunde zu legen.

Damit ist der Kläger aber noch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig ist vielmehr derjenige, der nicht mehr sozial und gesundheitlich zumutbar auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden kann. Zur Bestimmung der sozial zumutbaren Verweisungstätigkeit ist zunächst der qualitative Wert des bisherigen Berufs zu ermitteln. Hierzu hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in verschiedene "Leitberufe" untergliedert, nämlich diejenigen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als 2 Jahren), des "Angelernten" (sonstige Ausbildungsberufe mit einer Regelausbildungszeit von weniger als 2 Jahren) und schließlich des "ungelernten Arbeiters" (u.a. Urteil des BSG vom 03. April 1996 - 4 a RJ 27/94 -). Für die Ermittlung der Wertigkeit des Berufs mißt das BSG neben der förmlichen Ausbildung auch anderen Merkmalen Bedeutung zu, z.B. der tariflichen Einstufung und damit der Höhe der Entlohnung, der Dauer der Berufsausübung, den Anforderungen an die Verantwortlichkeit sowie der Bedeutung der bis herigen Tätigkeit für den Betrieb (Urteil des BSG vom 09. Dezember 1997 - 8 RKn 26/96 - in SozR 3-2960 § 46 Nr. 4; Urteil vom 12. Oktober 1993 = BSGE 73, 159, 161).

Nach Auffassung des Senats ist der Kläger als 1. Ofenkontrolleur nicht als Facharbeiter anzusehen. Der Kläger hat eine förmliche Ausbildung nicht absolviert. Sein Hauptberuf des 1. Ofenkontrolleurs ist auch kein anerkannter Ausbildungsberuf i. S. d. § 25 Berufsbildungsgesetz (BBiG). Die innerbetriebliche Einarbeitung ist mit einer systematischen Facharbeiterausbildung nicht vergleichbar. Sie ist betriebsabhängig, da sie sich durch praktische Anschauung, ständiges Üben und allmählich größer werdendes eigenverantwortliches Tätigwerden je nach Größe des Betriebes, Anzahl der Öfen und Anzahl sowie Qualifikation der übrigen Mitarbeiter vollzieht. Eine schriftliche Dokumentation der betrieblichen Vorgänge ist in der Regel und war auch im Betrieb des Klägers nicht vorhanden. Deshalb wird üblicherweise eine mehrjährige Erfahrung vorausgesetzt, bis die angelernte Person die Tätigkeit des 1. Ofenkontrolleurs eigenverantwortlich verrichten kann. Der Kläger ist jedoch bereits nach einigen Wochen Einarbeitungszeit zunächst als 2. und dann als 1. Ofenkontrolleur eingesetzt worden. Dies ergibt sich aus den Angaben des Klägers und der Aussage des Zeugen T. Letzterer hat die Einarbeitungszeit zum 1. Ofenkontrolleur mit 3-4 Monaten und zum 2. Ofenkontrolleur mit 5 Monaten angegeben. Schließlich hat der Kläger auch keine der Facharbeiterprüfung gleichzuachtende innerbetriebliche Prüfung abgelegt, bevor er als 1. Ofenkontrolleur eingesetzt wurde.

Die Einstufung der Tätigkeit des 1. Ofenkontrolleurs als Facharbeiter ergibt sich auch nicht aufgrund der Entlohnung des Klägers. Eine Einstufung ist hier nach dem Lohnrahmentarifvertrag vom 05. Januar 1973 in der Fassung vom 17. Februar 1978 für die Eisen- und Stahlindustrie nicht nach dem Lohngruppensystem, sondern nach der gleichfalls in § 2 des o. g. Tarifvertrages genannten analytischen Arbeitsbewertung erfolgt. Grundsätzlich schließen die Besonderheiten der analytischen Arbeitsplatzbewertung eine qualitative Bewertung beruflicher Tätigkeiten nach dem o.g. Mehrstufenschema nicht aus (vgl. Urteil des BSG vom 09. Dezember 1981 - 1 RJ 34/80 - in SozR 2200 § 1246 Nr. 85). An die Stelle der Lohngruppen müssen die Arbeitsplatzwertzahlen und die zu ihrer Ermittlung maßgeblichen Bewertungskriterien treten. Dabei ist allerdings zu beachten, daß der qualitative Wert des bisherigen Berufs bei der analytischen Arbeitsbewertung nicht derjenigen Arbeitswertzahl entnommen werden kann, die als Endprodukt die Entlohnung bestimmt. Vielmehr müssen diejenigen Faktoren unberücksichtigt bleiben, für die nicht die qualitativen Anforderungen des Berufs, sondern andere Gesichtspunkte wie z.B. Erschwernisse infolge Belastungen durch Staub, Hitze, Dämpfe, Lärm, Erschütterungen und dergleichen maßgebend sind (BSG a.a.O.). Insoweit können hier auch nicht die in der Auskunft der M-werke vom 20. Dezember 1994 angegebenen 30 Arbeitswerte zugrunde gelegt werden, sondern nur die 23 aktiven Arbeitswerte, die sich auf die Qualität der Arbeit beziehen. Eine Einzelbewertung für den Arbeitsplatz des 1. Ofenkontrolleurs hat dieser Zuteilung von 23 aktiven Arbeitswerten den Angaben des Arbeitgebers zufolge nicht zugrunde gelegen. Es hat sich auch nicht mehr feststellen lassen, wie sich die 23 aktiven Arbeitswerte für den Arbeitsplatz des Klägers zusammengesetzt haben. Der 1. Ofenkontrolleur ist als tarifliches Arbeitsbeispiel in den Einstufungs- und Bewertungstafeln nicht enthalten. Genannt ist lediglich der 1. Ofenmann. Dieser ist in den Bereichen "Schadenshöhe im Verantwortungsbereich, Höhe des Einflusses und Umfang des Einflußbereiches, psychische Anspannung" in die mittlere Stufe II und im Bereich "Grad der Selbständigkeit" in die Stufe c), die unter der höchsten Stufe d) liegt, als Arbeitsbeispiel genannt. In den Einstufungstafeln für "Ausbildung, Erfahrung, Geschicklichkeit" und damit auch "Arbeitskenntnisse" ist der 1. Ofenmann nicht genannt. Insgesamt läßt sich eine Einstufung der Tätigkeit des 1. Ofenmannes als Facharbeitertätigkeit hieraus nicht herleiten und damit auch keine Rückschlüsse auf die Qualifizierung des 1. Ofenkontrolleurs als Facharbeiter ziehen.

Auch in dem Lohngruppensystem ist die Tätigkeit des 1. Ofenkontrolleurs nicht ausdrücklich genannt. Lediglich der 1. Ofenmann ist als Arbeitsbeispiel in der Lohngruppe 5 aufgeführt. Nach der Definition der Gruppe 5 fallen hierunter Arbeiten, die zu ihrer Ausführung ein Können verlangen, wie es entweder durch eine systematische Ausbildung von 2 Jahren oder durch ein Anlernen von mehr als 6 Monaten und zusätzlicher mehrjähriger Erfahrung erworben wird. Nach der Arbeitsplatzbeschreibung ist der Ofenmann verantwortlich für die Ofenführung, wobei ihm verschiedene Meßinstrumente zur Verfügung stehen, nach denen er die Gemischverhältnisse einstellen kann. Auch Temperaturmeßgeräte sind vorhanden. Die Blöcke sind von dem Ofenmann mittels mechanischem Blockdrücker aus dem Ofen auf den Walzrollgang zu befördern, und sein besonderes Augenmerk hat er auf die Einhaltung einer stetigen Walzfolge zu richten.

Hier hatte der Kläger als 1. Ofenkontrolleur zwar keine Blöcke zu befördern und auch nicht die Einhaltung der stetigen Walzfolge zu kontrollieren. Stattdessen hatte er nicht nur einen Ofen, sondern alle vorhandenen Öfen zu kontrollieren. Gleichwohl ist die tarifliche Einstufung des 1. Ofenmanns als Vergleichsmaßstab für die qualitative Bewertung der Tätigkeit des Klägers als 1. Ofenkontrolleurs heranzuziehen. Der Senat schließt sich insoweit der schlüssigen Beurteilung des berufskundlichen Sachverständigen Kranhold an, wonach die Tätigkeit des 1. Ofenkontrolleurs in die Lohngruppe 5 des o.g. Tarifvertrages einzustufen ist.

Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, Beweis darüber zu erheben, ob die Tätigkeit des 1. Ofenmanns identisch ist mit der des 1. Ofenkontrolleurs, wie dies vom Kläger beantragt worden ist. Es ist nicht erforderlich, daß die Tätigkeiten identisch sind. Ausreichend ist, daß sie vom Tätigkeitsinhalt her vergleichbar sind und die Tätigkeit des 1. Ofenkontrolleurs eine Einstufung in die Lohngruppe 5 rechtfertigt. Der gerichtliche Sachverständige Kranhold hat diese Eingruppierung mit Rücksicht auf die vom Kläger tatsächlich verrichtete Tätigkeit und seine Stellung im Betrieb vorgenommen. Der Senat hat aufgrund der Qualifikation des Gutachters als Betriebsingenieur, Betriebs-Bereichsleiter und Bereichsleiter bei der T ... keine Bedenken, seiner Einschätzung zu folgen. Der Gutachter K ... hat die Tätigkeit des 1. Ofenkontrolleurs ausdrücklich als qualifizierte Anlerntätigkeit und nicht als Facharbeitertätigkeit bewertet und sie dementsprechend nur der Lohngruppe 5 zugeordnet, die keine Facharbeiterlohngruppe ist.

Die Zeugenaussage G ... gibt ebensowenig Anlaß zu einer ergänzenden Befragung des Sachverständigen wie die Auskunft der M ... vom 20. Dezember 1994. In der Auskunft vom 20. Dezember 1994 heißt es zwar, der 1. Ofenkontrolleur wäre in die Lohngruppe 6 einzuordnen. Diese Auskunft beruht aber nach der Aussage des Zeugen T ... lediglich darauf, daß ihr 30 Arbeitswerte zugrunde gelegt werden. Darin sind jedoch nur 23 aktive Arbeitswerte enthalten, die sich auf die Qualität der Arbeit beziehen. Soweit die M. GmbH mit Schreiben vom 28. November 1996 sowohl unter Zugrundelegung von 30 Arbeitswerten als auch unter Zugrundelegung von 23 Arbeitswerten eine Gegenüberstellung der jeweiligen Stundenlöhne vorgenommen hat, und dabei bei 30 Arbeitswerten als Vergleichsmaßstab die Lohngruppen 8 und 9 und bei 23 Arbeitswerten als Vergleichsmaßstab die Lohngruppen 7 und 8 genannt hat, konnte der Senat diese Auskunft nicht als ausschlaggebendes Kriterium für die Qualifizierung der Tätigkeit als 1. Ofenkontrolleur als Facharbeitertätigkeit ansehen. Denn tatsächlich ist die Tätigkeit des 1. Ofenkontrolleurs nicht vergleichbar mit den Tätigkeiten in den Lohngruppen 7 und 8, die eine abgeschlossene Facharbeiterausbildung und mehrjährige Erfahrung bzw. zusätzliche Selbständigkeit erfordern. Letztendlich können die in einem Betrieb gezahlten individuellen Löhne auch nicht maßgebend für die rechtliche Qualifizierung als Facharbeitertätigkeit sein. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann lediglich der tatsächlich vorgenommenen Einstufung in eine Facharbeitertarifgruppe Indizwirkung für die Qualifizierung der Tätigkeit als Facharbeitertätigkeit zukommen (vgl. BSG - 8 RKn 2/90 -; 13/5 RJ 24/90 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 21). Hier ist jedoch eine solche Einstufung gerade nicht erfolgt und die übrigen Kriterien, die einen Facharbeiterstatus begründen, sind nicht erfüllt.

Der Zeuge G ... hat zwar gemeint, der 1. Ofenkontrolleur sei einem Facharbeiter mit Lehrberuf gleichzustellen. Er hat dies mit der erforderlichen fachlichen Qualifikation und dem Erfordernis absoluter Zuverlässigkeit, Gewissenhaftigkeit und der Fähigkeit, selbständig zu arbeiten, begründet. Er hat die Einarbeitungszeit für einen Betriebsfremden für die Tätigkeit des 2. Ofenkontrolleurs mit ca. einem Jahr angegeben und die weitere Einarbeitungszeit für den 1. Ofenkontrolleur nicht benennen können. Der Sachverständige Kranhold hat ebenfalls ausgeführt, die Tätigkeit des Ofenkontrolleurs erfordere technisches Verständnis für den Ofenprozeß und die dazu erforderlichen Einrichtungen. Der Ofenkontrolleur müsse zuverlässig sein, selbständig den Ofenprozeß beurteilen und Entscheidungen treffen, und der Sachverständige hat die zu stellenden Anforderungen als hoch eingeschätzt. Insoweit sind der Zeuge und der Sachverständige von gleichen Voraussetzungen für die Beurteilung der Tätigkeit des 1. Ofenkontrolleurs ausgegangen. Bislang unberücksichtigt gebliebene Tatsachen, die eine erneute Stellungnahme des Sachverständigen erforderlich gemacht hätten, sind nicht ersichtlich. Hinsichtlich der lediglich abweichenden Bewertung durch den Zeugen G ... hält der Senat eine nochmalige Äußerung des Gutachters nicht für erforderlich, da dieser sein Gutachten sorgfältig und vor dem Hintergrund langjähriger Berufserfahrung erstattet hat und seine Beurteilung schlüssig ist.

Schließlich hat auch der Zeuge T ... die Auffassung vertreten, der Kläger habe keine Tätigkeit verrichtet, wie sie einem Facharbeiter übertragen worden sei, und er sei auch nicht als Facharbeiter geführt worden.

Als Angelernter im oberen Bereich ist der Kläger auf eine konkret zu benennende Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, sofern sich die Verweisungstätigkeit durch bestimmte Qualitätsmerkmale, wie die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse oder das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung, auszeichnet (vgl. BSG Urteil vom 27. Februar 1997 - 13 RJ 9/96 - ). Zu diesen Tätigkeiten gehört die des Pförtners. Dieser verrichtet nicht ganz einfache ungelernte Tätigkeiten von sehr geringem qualitativen Wert. Zwar ist das Anforderungsprofil an derartige Pförtnertätigkeiten unterschiedlich, jedoch ist für alle derartigen Tätigkeiten eine Einweisungs- und Einarbeitungszeit erforderlich. Hier hat die M.-Werk GmbH mitgeteilt, die Einweisungs- und Einarbeitungszeit für die Tätigkeit eines 2. Pförtners betrage 1 bis 2 Monate und für die des 1. Pförtners, die der Kläger seit dem 01. März 1998 verrichtet, 4 bis 5 Wochen. Eine derartige Pförtnertätigkeit ist einem gehobenen Angelernten sozial zumutbar (vgl. Urteil des BSG vom 14. September 1995 -5 RJ 10/95 -). Die Tätigkeit des Pförtners ist dem Kläger auch unter Berücksichtigung seines eingeschränkten körperlichen Leistungsvermögens und der ihn zumutbaren Anforderungen geistiger Art möglich, ohne daß ihre Ausübung zu einer unzumutbaren gesundheitlichen Belastung führen würde. Die Pförtnertätigkeit erfordert nur leichte körperliche Arbeiten und kann in wechselnder Körperhaltung ausgeführt werden. Häufiges Bücken und Zwangshaltungen sind nicht damit verbunden. Den genannten Anforderungen ist der Kläger mit seinem Leistungsvermögen gewachsen, was sich bereits aus der Tatsache ergibt, daß er den Arbeitsplatz eines 1. Pförtners seit März 1998 innehat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlaß, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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