L 18 KN 17/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 15 (17) Kn 52/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 KN 17/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 KN 1/99 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 30.12.1996 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung ihres Bescheides vom 05.10.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.10.1994 verurteilt, dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.03.1997 zu gewähren. Die Beklagte trägt die dem Kläger im 2. Rechtszug entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob die Beklagte dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren hat.

Der am 26.10.1960 geborene Kläger hat keinen Ausbildungsberuf er lernt. Er arbeitete ab September 1976 auf dem Steinkohlenbergwerk Sxxxxx Jxxxxx in Hxxxxxxxxxx, und zwar zunächst als Bergjungarbeiter, ab Oktober 1978 als Neubergmann und ab Februar 1981 als Hauer in der Aus- und Vorrichtung (Lohngruppe 11). Ab April 1993 wurde der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nur noch als Hilfsarbeiter im Handwerk (Lohngruppe 04) eingesetzt; dabei arbeitete er in der Schreinerei (Behindertenwerkstatt) und in der Materialausgabe.

Der Kläger bezieht von der Beklagten seit 01.04.1993 Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau. Wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 23.09.1982 (traumatische Kniescheibenverrenkung rechts) und eines weiteren Arbeitsunfalls vom 22.10.1990 (Bruch des 5. Mittelhandknochens rechts) erhält er außerdem von der Bergbau-Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 %.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Sxxxxx Jxxxxx Gxxxx endete infolge der Stillegung des von der Gesellschaft betriebenen Bergwerks am 28.02.1997. Zu der zunächst vereinbarten Übernahme des Klägers durch die Ruhrkohle Bxxxxxx xx kam es letztendlich nicht. Der Abkehr des Klägers vom Bergbau liegt im einzelnen der folgende Sachverhalt zugrunde:

Im Juli 1996 stimmte der Kläger einem Übernahmeangebot der Ruhrkohle Bxxxxxx xx zu. In dem zwischen dem Kläger und der Ruhrkohle Bxxxxxx xx am 27.11.1996 geschlossenen Arbeitsvertrag heißt es, der Kläger werde ab 01.07.1997 in der Lohngruppe 04 als Hilfsarbeiter im handwerklichen Übertage-Bereich des Bergwerks Pxxxxxx Hxxxxx in Bxxxxxx auf unbestimmte Zeit eingestellt. Seine Verwendung richte sich nach den betrieblichen Bedürfnissen des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber sei berechtigt, dem Arbeitnehmer auch andere seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeiten im Rahmen des Zumutbaren zu übertragen und ihn in andere Betriebe der Ruhrkohle xx zu versetzen. Am 12.02.1997 gab der Kläger die folgende formularmäßige Erklärung ab: "Den von mir am 04.12.1996 unterschriebenen Arbeitsvertrag der Ruhrkohle Bxxxxxx xx, des Bergwerks Pxxxxxx Hxxxxx, lehne ich hiermit endgültig ab. Grund: Abkehr Region (arbeitslos)". Am 13.02.1997 stimmte der Kläger schriftlich der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Sxxxxx Jxxxxx xxxx zum 28.02.1997 zu. Er erhielt eine Abfindung in Höhe von DM 56.292,--. Das Arbeitsamt Axxxxx, bei dem sich der Kläger arbeitslos gemeldet hat, verhängte eine Sperrzeit nach § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG vom 01.03. bis 23.05.1997 und stellte das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 117 Absätze 2 und 3 AFG (teilweise Anrechnung der Abfindung) bis 03.10.1997 fest.

Schon am 19.07.1990 hatte der Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit beantragt. Die Beklagte ließ ihn im Januar 1991 durch den Sozialmediziner Dr. Schxxxxx (SMD Mxxxx) untersuchen, der rezidivierende Patellaluxationen rechts, ein chronisches Reizknie nach sechs Knieoperationen, eine hieraus resultierende Oberschenkelverschmächtigung rechts, ein Lendenwirbelsäulensyndrom, Coxalgien, eine Gastritisneigung, einen Zustand nach Mehrfachfraktur des 5. Fingers rechts sowie eine Nierenzyste links feststellte und ein Heilverfahren empfahl. Die Bergbau-Berufsgenossenschaft bewilligte dann in der Folgezeit mehrere Maßnahmen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation des Klägers, zuletzt im Berufsförderungswerk Vxxxxxxxx. In den abschließenden Beurteilungen des Arztes für Chirurgie Dxxxxx vom 13.01.1993 und des Diplom-Psychologen Schxxxxxxx vom 27.01.1993 heißt es u.a., der Kläger könne nur noch leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne längeres Stehen in geschlossenen Räumen verrichten, wobei allerdings büororganisatorische oder kaufmännische Tätigkeiten nicht in Betracht kämen, weil verwertbare Rechenkenntnisse beim Kläger kaum vorhanden seien und auch seine Rechtschreibkenntnisse und das sprachlogisch-begriffliche Denken hierfür nicht ausreichten.

Mit Bescheid vom 05.10.1993 und Widerspruchsbescheid vom 27.10.1994 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit der Begründung ab, der Kläger sei nicht berufsunfähig, weil er nach den eingeholten Gutachten noch vollschichtig als Verwieger und Maschinenwärter arbeiten könne.

Mit seiner Klage vom 23.11.1994 hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.

Das Sozialgericht hat zunächst die in der Streitsache SG Axxxxx S 5 BU 100/93 (Klage des Klägers gegen die Bergbau-BG) eingeholten Gutachten des Orthopäden und Chirurgen Dr. Mxxxxx-Axxxxxxxx vom 21.04.1994 und des Orthopäden Prof.Dr. Schxxxxx vom 03.09.1994 beigezogen, auf die Bezug genommen wird.

Der Kläger ist dann im Auftrag des Sozialgerichts am 06.12.1995 durch den Arzt für innere Medizin Kxxxx und am 16.02.1996 durch den Arzt für Orthopädie Dr. Txxxxx untersucht worden. Die beiden Sachverständigen haben bei ihm im wesentlichen folgendes festgestellt:

1. auf internistischem Fachgebiet:

a) eine Fettleber

b) eine Fettstoffwechselstörung

c) eine Nierenzyste links

d) Unterschenkelvaricosis beidseits.

2. auf orthopädischem Fachgebiet:

a) ein statisches Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom bei linkskonvexer Lendenkrümmung und Beinverkürzung links um 0,3 cm

b) eine funktionelle Einsteifung der rechten Hüfte

c) einen beginnenden Kniegelenksverschleiß rechts bei Zustand nach unfallbedingter Kniescheibenverrenkung mit nachfolgender sechsmaliger Operation.

Sie haben die Auffassung vertreten, diese Gesundheitsstörungen hinderten den Kläger nicht, leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Er solle aber mit Rücksicht auf die Veränderungen des rechten Kniegelenks nicht überwiegend im Gehen, nicht auf Leitern und Treppen und nicht im Hocken arbeiten.

Durch Gerichtsbescheid vom 30.12.1996 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich der Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers durch die Sachverständigen angeschlossen und hieraus gefolgert, daß der Kläger bis zu seiner Abkehr vom Bergbau noch die Tätigkeiten eines Werkzeugausgebers, eines Betriebsschreibers, eines Magazinarbeiters, eines Einrichters und eines Verwiegers ausüben könne und außerhalb des Bergbaus auch noch als Kassierer an Selbstbedienungstankstellen, als Apparate- und Schalttafelwärter und als Maßprüfer arbeiten könne.

Gegen den ihm am 05.02.1997 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 05.03.1997 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die von seinem rechten Kniegelenk ausgehenden Beschwerden hätten weiter zugenommen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Rechtsmittel auf Anregung des Senats auf die Zeit nach seiner Abkehr vom Bergbau beschränkt. Er beantragt noch,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 30.12.1996 zu ändern und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 05.10.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.10.1994 zu verurteilen, ihm ab 01.03.1997 Rente wegen Berufsunfähigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, daß sich der Kläger auch für die im zweiten Rechtszug nur noch streitige Zeit ab 01.03.1997 nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen müsse, als sei er noch nicht vom Bergbau abgekehrt. Er habe den mit der Ruhrkohle Bxxxxxx xx geschlossenen Übernahmevertrag nicht einfach rückgängig machen dürfen. Der Umstand, daß der Kläger die entsprechenden Erklärungen vom 12. und 13.02.1997 eine Woche nach der Zustellung des angefochtenen Gerichtsbescheides abgegeben habe, lasse vermuten, daß er aus prozeßtaktischen Gründen vom Bergbau abgekehrt sei.

Der Kläger stellt in Abrede, daß für seine Erklärungen vom 12. und 13.02.1997 prozeßtaktische Gründe maßgeblich waren. Ihm selbst - so der Kläger - sei der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln erst mit dem Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 11.02.1997 über mittelt worden, das er am 13.02.1997 zu einem Zeitpunkt erhalten habe, als der Aufhebungsvertrag mit der Sxxxxx Jxxxxx xxxx schon unterschrieben gewesen sei. Für seinen Entschluß, nicht zur Ruhrkohle xxxxxxx xx zu wechseln, sei wesentlich gewesen, daß seine Verwendung auf dem Bergwerk Pxxxxxx Hxxxxx im Arbeitsvertrag nur sehr unbestimmt beschrieben gewesen sei und er deshalb befürchtet habe, dort auf Dauer keinen leidensgerechten Arbeitsplatz zu erhalten. Hinzu gekommen sei, daß er keinen Führerschein habe und es ihm - so meint der Kläger - ohne Auto nicht möglich gewesen wäre, von seinem Wohnort Hxxxxxxxxx nach Bxxxxxx zu gelangen.

Das Straßenverkehrsamt des Kreises Hxxxxxxxx hat dem Senat auf Anfrage am 05.02.1998 mitgeteilt, daß der Kläger seit 04.06.1993 nicht mehr im Besitz einer Fahrerlaubnis sei.

Der Senat hat ein Gutachten vom Chefarzt der orthopädischen Abteilung des St. Fxxxxxxxxx-Hxxxxxxxx Kxxx, Prof. Dr. Bxxxx, eingeholt, der den Kläger am 23.09.1997 untersucht und auf seinem Fachgebiet folgen des festgestellt hat:

a) ein Halswirbelsäulensyndrom mit zur Zeit bestehendem radikulären Syndrom C 5 links

b) ein Lendenwirbelsäulensyndrom bei linkskonvexer LWS-Skoliose

c) einen Reizzustand der rechten Hüfte mit Kapselmuster

d) eine initiale Retropatellararthrose rechts bei Zustand nach unfallbedingter Kniescheibenverrenkung mit nachfolgender sechsmaliger Operation.

e) einen Zustand nach Mittelhandknochenbruch rechts.

Das Leistungsvermögen des Klägers beurteilt Prof. Dr. Bxxxx so wie die im ersten Rechtszug gehörten Sachverständigen. Wegen der Schädigung des rechten Kniegelenks des Klägers schließt er zusätzlich auch Arbeiten auf Leitern und Gerüsten aus. Überkopfarbeiten mit erhobenen Armen könne der Kläger - so Prof. Dr. Bxxxx - erst dann wieder aus führen, wenn das Halswirbelsäulensyndrom mit Ausstrahlung in den linken Arm erfolgreich behandelt worden sei.

Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und bezüglich des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die Prozeßakte und die Rentenakte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist in dem Umfang des vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am 17.11.1998 gestellten Antrags begründet, denn der geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit steht ihm seit seiner Abkehr vom Bergbau am 28.02.1997 zu.

Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Der Kläger erfüllt die genannten Voraussetzungen jedenfalls für die im zweiten Rechtszug nur noch streitige Zeit ab 01.03.1997.

Ungeachtet des Umstandes, daß der Kläger zuletzt als Hilfsarbeiter im Handwerk gearbeitet hat, ist sein bisheriger Beruf der des Hauers, denn der Kläger hat diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf geben müssen. Als Hauer hatte er - was die Beklagte auch nicht in Frage stellt - die Stellung eines Facharbeiters im Sinne des vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten sogenannten Mehrstufenschemas (zum Mehrstufenschema vgl. etwa BSG SozR § 1246 Nrn. 150 und 153; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5). Dies ergibt sich aus der tariflichen Eingruppierung des Klägers durch seinen Arbeitgeber in eine gehobene Facharbeiterlohngruppe (Lohngrupe 11 der Lohnordnung für den Rxxxxxxxx-Wxxxxxxxxxxxx Steinkohlenbergbau), die die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Hauers als Tätigkeitsbezeichnung auch ausdrücklich erwähnt. Anhaltspunkte dafür, daß die tarifliche Eingruppierung des Klägers fehlerhaft gewesen sein könnte, bietet der für einen Hauer typische berufliche Werdegang des Klägers nicht.

Der Kläger ist nach den Feststellungen des Senats - und auch hierüber besteht unter den Beteiligten kein Streit - gesundheitlich nicht mehr in der Lage, seinen bisherigen Beruf als Hauer auszuüben. Der Senat stützt seine Feststellungen auf die im ersten und im zweiten Rechtszug eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, wonach der Kläger nur noch leichte und mittelschwere Arbeiten verrichten darf und Zwa ngshaltungen, längeres Gehen sowie Arbeiten im Bücken, Knien und Hocken ausgeschlossen sind. Die schwere Untertagetätigkeit eines Hauers läßt sich mit den genannten Einschränkungen des Leistungsvermögens des Klägers nicht vereinbaren.

Als Facharbeiter darf der Kläger unter Berücksichtigung der Grundsätze des bereits genannten Mehrstufenschemas allenfalls auf solche Tätigkeiten verwiesen werden, die eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten erfordern und sich aus dem Kreis ungelernter Tätigkeiten innerhalb des Betriebs im Ansehen, aber auch unter Berücksichtigung ihrer tariflichen Eingruppierung im Vergleich mit anderen Tätigkeiten besonders hervorheben, sofern er die für diese Tätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt oder sie doch innerhalb von nicht mehr als drei Monaten erlernen kann. Derartige Verweisungstätigkeiten sieht der Senat unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands sowie des Ausbildungs- und Kenntnisstandes des Klägers nicht.

Der Kläger kann entgegen der Auffassung der Beklagten für die im zweiten Rechtszug allein noch streitige Zeit ab 01.03.1997 nicht auf Tätigkeiten im Bergbau - etwa auf die Arbeit eines Lampenwärters oder die eines Verwiegers - verwiesen werden. Der bergbauliche Arbeitsmarkt ist ihm nämlich seit seiner Abkehr vom Bergbau am 28.02.1997 verschlossen. Die Stellen für Lampenwärter oder Verwieger, deren Zahl ohnehin kontinuierlich abnimmt, werden nämlich - wie der Senat schon in einer Vielzahl von Verfahren festgestellt hat und was die Beklagte auch nicht in Abrede stellt - nur noch mit - zumeist leistungsgeminderten - Bergarbeitern besetzt, die noch in einem Betrieb der Ruhrkohle Bxxxxxx xx beschäftigt sind. Versicherte, die bereits vom Bergbau abgekehrt sind, haben deshalb überhaupt keine Chance, einen Arbeitsplatz im Bergbau zu erlangen.

Der Anspruch des Klägers auf Rente wegen Berufsunfähigkeit scheitert entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht daran, daß er das Arbeitsangebot der Ruhrkohle Bxxxxxx xx ausgeschlagen und mit der Sxxxx Jxxxxx GmbH einen Vertrag zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geschlossen hat, obwohl mit diesem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis jede Möglichkeit seiner Verweisung auf zumutbare bergmännische Tätigkeiten wegen Verschlossenheit des entsprechenden Arbeitsmarktes entfiel. Der Senat schließt sich hier der vom 8. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 30.06.1997 (8 RKn 21/96) vertretenen Rechtsauffassung an. Das BSG hat in jenem Fall, in dem der Kläger durch eigenes Verhalten seinem Arbeitgeber Anlaß zur Kündigung gegeben und auf diese Weise seinen Arbeitsplatz im Bergbau verloren hatte, eine Berufung des Klägers auf die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben im Sinne einer Zuwiderhandlung gegen eigenes früheres Verhalten angesehen. Die vom BSG dazu angestellten Erwägungen gelten auch hier. Im SGB VI finden sich zwar in den §§ 103 bis 105 Sondervorschriften für den Fall, daß der Versicherte den Versicherungsfall selbst zurechenbar herbei geführt hat. So schließt § 103 SGB VI einen Rentenanspruch dann aus, wenn der Leistungsberechtigte eine für die Rentenleistung erforderliche gesundheitliche Beeinträchtigung absichtlich herbeigeführt hat. Nach § 104 SGB VI kann eine Rente ganz oder teilweise versagt werden,wenn sich ein Berechtigter eine entsprechende gesundheitliche Beeinträchtigung bei einem Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen zugezogen hat. Schließlich besteht nach § 105 SGB VI kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente für Personen, die den Tod des Versicherten vorsätzlich herbeigeführt haben. Die hiernach am ehesten in Frage kommende Vorschrift des § 103 SGB VI beschränkt ihren Anwendungsbereich aber auf die absichtliche Herbeiführung einer für den Rentenanspruch erheblichen gesundheitlichen

Beeinträchtigung. Eine Vorschrift, die einen Rentenanspruch auch dann ausschließt, wenn für die Gewährung der Rente berufliche Umstände ausschlaggebend sind (der 8. Senat des BSG zitiert in der a.a.O. genannten Entscheidung beispielhaft gerade den § 102 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI für einen von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängigen Rentenanspruch) fehlt jedoch, obgleich dem Gesetzgeber eine Bestimmung wie die eben genannte Vorschrift bekannt war. Wenn der Gesetzgeber gleichwohl in § 103 SGB VI lediglich auf absichtlich herbeigeführte gesundheitliche Beeinträchtigungen abstellt, besteht kein Spielraum für eine Rechtsanwendung, die - unter Berufung auf Treu und Glauben - auch die Herbeiführung bestimmter beruflicher Umstände für die Ablehnung eines Rentenanspruchs ausreichen läßt (BSG a.a.O.; so auch schon Urteil des Senats vom 27.10.1998, L 18 - 2 - KN 158/97). Der Senat mußte deshalb auch nicht ermitteln, ob der Kläger mit der Auflösung seines Beschäftigungsverhältnisses absichtlich die "beruflichen Umstände" herbeiführen, nämlich sich der Verweisbarkeit auf ihm noch zumutbare bergbauliche Tätigkeiten durch Berufung auf einen - ihm jetzt - verschlossenen Arbeitsmarkt entziehen wollte, abgesehen davon, daß auch dann, wie der Kläger geltend gemacht hat, in erster Linie die Ungewißheit über seine künftige Verwendung auf dem Bergwerk Pxxxxxx Hxxxxx in Bxxxxxx und die Scheu vor dem Umzug aus dem Raum Axxxxx in das nördliche Ruhrgebiet für die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses maßgebend gewesen sein können. Etwas anderes läßt sich auch nicht dem letzten Satz auf Seite 7 des o.a. Urteils des BSG entnehmen, in dem es heißt, "eine solche entsprechende Anwendung (gemeint ist die entsprechende Anwendung des § 103 SGB VI) könnte im übrigen allenfalls dann diskutiert werden, wenn auch die rentenerhebliche berufliche Beeinträchtigung, wie es die genannte Vorschrift bei Gesundheitsschäden verlangt, "absichtlich herbeigeführt" wurde. Denn wenn schon nach § 103 SGB VI nur eine absichtliche Herbeiführung der für die Rentenleistung erforderlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen Rentenanspruch ausschließt, ist es selbstverständlich, daß es einer Diskussion über eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung auch für die Fälle, in denen die Gewährung der Rente von beruflichen Umständen abhängt, von vornherein nicht bedarf, wenn es schon an der Absicht fehlt, diese Umstände herbeizuführen, wie sie das BSG im übrigen in dem entschiedenen Rechtsstreit für sehr fraglich gehalten hat. Zudem hat das BSG in dem vorangegangenen vorletzten Satz der Seite 7 seines o.a. Urteils ausdrücklich klargestellt, daß § 103 SGB VI eine Ausnahmevorschrift mit Sanktionscharakter ist, die sich einer entsprechenden Anwendung auf weitere hierin nicht geregelte Fälle verschließt. Dem schließt sich der Senat an, wobei er nicht verkennt, daß diese Gesetzeslage nicht immer befriedigend sein mag.

Außerhalb des Bergbaus sieht der Senat keine dem Kläger sozial und gesundheitlich zumutbaren Verweisungstätigkeiten.

Der Tätigkeit eines Hauswarts in der Wohnungswirtschaft ist der Kläger schon aus gesundheitlichen Gründen nicht gewachsen, denn er darf wegen seines Kniegelenkschadens nicht auf Leitern steigen, was einem Hauswart in größeren Wohnanlagen aber zweifellos möglich sein muß. Unabhängig hiervon wäre der Kläger auch nicht in der Lage, die Arbeiten eines Hauswarts in der Wohnungswirtschaft nach drei Monaten vollwertig zu verrichten. Dies setzt nämlich nach den in mehreren anderen Verfahren eingeholten berufskundlichen Gutachten des Prokuristen der Dxxxxxxxxx Gxxxxxxxxxxxxx Wohnungsgesellschaft (xxxxxx), Herrn Hxxx-Jxxxxxx Lxxxxxx, die der Beklagten bekannt sind, eine handwerkliche Fachausbildung und Berufserfahrung in einem Handwerksberuf vor aus, die der Kläger nicht besitzt. Außerdem obliegen dem Hauswart in der Wohnungswirtschaft - wie sich ebenfalls aus den bereits erwähnten berufskundlichen Gutachten des Herrn Lxxxxxx ergibt - vielfältige Verwaltungsaufgaben, die der Kläger nach den Feststellungen im Berufsförderungswerk Vxxxxxxxx nicht leisten kann, weil er kaum über verwertbare Rechenkenntnisse verfügt und auch seine Rechtschreibkenntnisse sowie das sprachlogisch-begriffliche Denken für büroorganisatorische Arbeiten nicht ausreichen.

Der Kläger kann auch nicht als Auslieferungsfahrer im Arzneimittelgroßhandel arbeiten, denn die Fahrerlaubnis ist ihm, wie das Straßenverkehrsamt des Kreises Hxxxxxxxx dem Senat bestätigt hat, am 04.06.1993 entzogen und bis heute nicht wieder erteilt worden.

Die Tätigkeiten eines Apparate- und Schlattafelwärters, Maßprüfers, Serienprüfers im Wareneingang in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie scheiden - soweit es diese Tätigkeiten überhaupt noch in nennenswerter Zahl gibt und sie nicht Betriebsfremden verschlossen sind - ersichtlich schon wegen der fehlenden beruflichen Vorbildung des Klägers aus. Auf solche Tätigkeiten können allenfalls Versicherte verwiesen werden, die über eine Ausbildung in metallverarbeitenden Berufen verfügen.

Die dem Kläger vom Sozialgericht benannte Tätigkeit eines Kassierers in Selbstbedienungstankstellen ist ihm sozial nicht zumutbar. Als Facharbeiter kann der Kläger nur auf Anlerntätigkeiten verwiesen wer den, die sich aus dem Kreis ungelernter Tätigkeiten im Ansehen, aber auch unter Berücksichtigung ihrer tariflichen Eingruppierung im Vergleich mit anderen Tätigkeiten besonders hervorheben. Die bloße Tätigkeit eines Kassierers in Selbstbedienungstankstellen erfüllt diese Voraussetzungen nicht, wie sich aus den der Beklagten bekannten Auskünften des Fachverbandes Tankstellengewerbe (FTG), Exxxx , vom 07.01.1998 und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, Bezirksverwaltung Bxxxxx, Abteilung Transport und Verkehr, vom 15.01.1998 - jeweils erteilt zu dem Verfahren L 2 KN 130/96 - ergibt. Danach beträgt die Einarbeitungszeit für einen Tankstellenkassierer ohne Vorkenntnisse maximal zwei Wochen. Der Kassierer an Selbstbedienungstankstellen wird als ungelernte Kraft in die Gehaltsgruppe K 1 des seit 01.04.1992 gültigen Tarifvertrags für das Tankstellen- und Garagengewerbe NRW eingestuft ("Angestellte mit einfachen und schematischen Tätigkeiten, für die eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht erforderlich ist"). Unabhängig hiervon kommt für den Kläger eine Tätigkeit als Kassierer auch schon deshalb nicht in Betracht, weil bei ihm, wie der Dxxxxx-Pxxxxxxxxx Schxxxxxxx während der Berufsfindungsmaßnahmen im Berufsförderungswerk Vxxxxxxxx festgestellt hat, kaum über verwertbare Rechenkenntnisse verfügt.

Sonstige Tätigkeiten, auf die der Kläger zumutbar verwiesen werden könnte, sieht der Senat nicht; auch die Beklagte hat keine genannt.

Auch die weiteren Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente wegen Berufsunfähigkeit sind gegeben. Der Kläger hatte zum Zeitpunkt seiner Abkehr vom Bergbau sowohl die allgemeine Wartezeit (§§ 43 Abs. 1 Nr. 3, 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) als auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Er hat sich zwar dem Urteil des BSG vom 30.06.1997 (8 RKn 21/96) angeschlossen. Dort lag der Abkehr vom Bergbau allerdings eine seitens des Arbeitgebers ausgesprochene verhaltensbedingte fristlose Kündigung zugrunde, während hier die Bedeutung des "Rücktritts" des Klägers von dem mit der Ruhrkohle Bxxxxxxx AG geschlossenen Übernahmevertrag im Streit steht.
Rechtskraft
Aus
Saved