Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 36 U 168/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 U 8/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 03.12.1998 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte einen Unfall des verstorbenen Ehemannes der Klägerin bzw. des Versicherten vom 07.08.1996 als Arbeitsunfall anzuerkennen und demgemäß Entschädigungsleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren hat.
Der am ... geborene Versicherte war als Bäckermeister bzw. Unternehmer bei der Beklagten versichert. Außer seinem Hauptgeschäft betrieb er zwei Filialen in B.-W. sowie eine Filiale in E.-K ... Am 07.08.1996 holte er sein Sportmotorrad der Marke Ducati nach durchgeführter 5000 km-Inspektion in der Werkstatt in D.-W. ab. Von dort wollte er zu einer Filiale in B.-W. fahren, um wie üblich die Tageseinnahmen abzuholen. Auf dem Weg dorthin erlitt er einen Verkehrsunfall, an dessen Folgen er am 21.03.1997 verstarb.
Mit Bescheid vom 07.11.1996 lehnte die Beklagte es ab, eine Entschädigung für den Unfall vom 07.08.1996 zu gewähren. Zur Begründung führte sie aus, bei der Fahrt von D.-W. nach B.-W. habe es sich um eine unversicherte Tätigkeit gehandelt, da sie eigen wirtschaftlichen Interessen gedient habe.
Am 04.12.1996 wurde mit der Begründung Widerspruch erhoben, der Versicherte habe am Unfalltag wie üblich mit seinem Motorrad seine Filialen abfahren wollen, um die Tageseinnahmen zu kassieren. Es sei unerheblich, daß er zu diesem Zweck wegen der Inspektion direkt von D.-W. und nicht von seiner Hauptfiliale aus nach B.-W. gefahren sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, ob eine Tätigkeit, die zum Unfall geführt habe, versichert sei, entscheide sich danach, ob sie in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammen hang zum Betrieb stehe. Die Fahrt von D.-W. nach B.- W. sei dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen; sie sei versicherungsrechtlich als unversicherter Umweg zu bezeichnen.
Am 16.06.1997 hat die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten Klage erhoben und die Auffassung vertreten, bei dem Motorrad des Versicherten handele es sich um ein Arbeitsgerät. Sie selbst habe das Motorrad dem Versicherten am xx.xx.1996 zum Geburtstag geschenkt. Weil es eine Überraschung habe werden sollen, sei das Motorrad auf ihren Namen zugelassen worden. Der Versicherte habe das Motorrad nahezu ausschließlich für betriebliche Zwecke genutzt. Hätte sich der Unfall nicht ereignet, so hätte man sehr wahrscheinlich in Kürze mit dem Steuerberater gesprochen, um das Motorrad auf den Betrieb umzumelden. Die Tankrechnungen seien genauso wie sonstige das Motorrad betreffende Rechnungen über die Firma gelaufen.
Das Sozialgericht hat den Zeugen B. sowie die Zeuginnen E., K. und T. vernommen. Wegen des Inhalts ihrer Aussagen wird auf die Niederschrift vom 10.09.1998 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 03.12.1998 verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte, den Unfall vom 07.08.1996 als Arbeitsunfall anzuerkennen und Entschädigungsleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung führte es aus, es stehe nach der Beweisaufnahme fest, daß es sich bei dem Motorrad des Versicherten um ein Arbeitsgerät im Sinne von § 549 RVO handele. Der Unfall habe sich auf dem Weg von der Instandsetzung bzw. Instandhaltung dieses Arbeitsgerätes ereignet. Das Motorrad sei hauptsächlich für die Tätigkeit im Unternehmen des Versicherten gebraucht worden. Zwar spreche gegen eine solche Zweckbestimmung, daß das Motorrad nicht auf den Betrieb angemeldet worden sei. Je doch sei die von der Klägerin dafür gelieferte Erklärung, daß sie den Überraschungseffekt nicht habe gefährden wollen, verständlich. Angesichts der Kürze der Zeit zwischen der Anmeldung im April 1996 und dem Unfall sei es auch nachvollziehbar, daß die Klägerin bzw. der Versicherte noch nicht mit dem Steuerberater gesprochen gehabt hätten, um die Ummeldung des Motorrades durchzuführen. Aus den Zeugenaussagen ergebe sich, daß der verstorbene Versicherte das Motorrad hauptsächlich betrieblich genutzt habe. Gelegentliche Privatfahrten, die er damit sicher auch durchgeführt habe, schlössen den Versicherungsschutz nicht aus. Allein durch das Anfahren der Filialen zwecks Kassierens der täglichen Einnahmen sei der Versicherte in der Zeit zwischen seinem Geburtstag und dem Unfall ca. 2000 km (6 x pro Woche bzw. 18 km x 96 Arbeitstage) gefahren. Es stehe fest, daß er außer diesen täglichen Fahrten zu den Filialen auch alle anderen Fahrten, die betrieblich hätten durch geführt werden müssen, wenn eben möglich mit dem Motorrad durch geführt habe. Daß es sich bei dem Motorrad um eine Rennmaschine handele, ändere nichts an dessen Arbeitsgeräteeigenschaft. Es könne keinen Unterschied machen, ob jemand ein Motorrad, gleich welcher Marke, oder einen Pkw für betriebliche Fahrten nutze.
Gegen dieses ihr am 08.01.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.01.1999 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die hauptsächliche Nutzung des Motorrades für die Tätigkeit im Unternehmen sei nicht bewiesen. Bewiesen sei lediglich, daß der Versicherte das Motorrad anläßlich seines Geburtstages von der Klägerin als "Traumgeschenk" bekommen und bis zu seinem Unfall etwa 5000 km zurückgelegt habe. Das Sozialgericht habe für das tägliche Anfahren der Filialen zwecks Kassierens der Tageseinnahmen lediglich eine Fahrstrecke von ca. 2000 km berechnet. Diese Berechnung sei fragwürdig, weil nach den Angaben der Zeugen das Motorrad nur bei trockenem Wetter benutzt worden sei, das Sozialgericht aber einen Einsatz an allen Arbeitstagen seiner Berechnung zugrunde gelegt habe. Darüber hinaus sei der Umfang der behaupteten weiteren geschäftlichen Fahrten nicht bewiesen. Die Aussagen der Zeugen B. und K. überzeugten nicht, weil sich keine Hinweise fänden, daß die Anschaffung des Motorrades notwendig gewesen sei, um es hauptsächlich betrieblich einzusetzen. Gegen die Arbeitsgeräteeigenschaft des Motorrades spreche auch, daß offenbar kein Fahrtenbuch für das Finanzamt geführt worden sei und es anderen Mitarbeitern des Betriebes nicht zur Verfügung gestanden habe.
Die Beklagte beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das Motorrad habe selbstverständlich jedem Beschäftigten zur Verfügung gestanden. Keiner der Beschäftigten sei allerdings Inhaber der erforderlichen Fahrerlaubnis gewesen. Die Berechnung des Sozialgerichts über die mit dem Motorrad für betriebliche Zwecke zurückgelegte Strecke sei zutreffend. Wenn der Versicherte an wenigen Tagen - möglicherweise aufgrund schlechten Wetters - das Motorrad nicht genutzt habe, so falle dies nicht ins Gewicht. Im übrigen sei bei der gefahrenen Gesamtstrecke von ca. 5000 km zu berücksichtigen, daß der Versicherte außerdem Kontrollfahrten sowie Fahrten zwecks Durchführung von Reparaturen und Fahrten zum Steuerberater habe durchführen müssen. Schließlich komme es nicht darauf an, ob die Anschaffung des Motorrades für betriebliche Zwecke notwendig gewesen sei. Es gehe die Beklagte nichts an, wie ein Versicherter die Betriebsabläufe und den betrieblichen Zuschnitt seines Unternehmens bestimme.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, den Unfall vom 07.08.1996 als Arbeitsunfall anzuerkennen und demgemäß Entschädigungsleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Nach dem gemäß § 212 SGB VII noch anwendbaren § 549 RVO gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall bei einer mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung und Erneuerung des Arbeitsgerätes. Diese Vorschrift ist im vorliegenden Fall einschlägig.
Das Abholen des Motorrades in der Werkstatt in D.-W. bzw. der Weg von dort nach B.-W. stand im Zusammenhang mit der Instandhaltung eines für die unternehmerische Tätigkeit des Versicherten im Sinne von § 543 Abs. 1 RVO verwandten Arbeitsgerätes. Bei der Inspektion des Motorrades handelte es sich um dessen Instandhaltung, bei dem Motorrad selbst um ein Arbeitsgerät. Wege, die u.a. zwecks Instandhaltung eines Arbeitsgerätes zurückzulegen sind, werden vom Versicherungsschutz nach § 549 RVO erfaßt. Da der Senat den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils uneingeschränkt folgt, wird hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.
Zum Berufungsvorbringen merkt der Senat ergänzend an:
In nicht zu beanstandender Weise hat das Sozialgericht für das Kassieren der Tageseinnahmen der Filialen eine Gesamtfahrstrecke von ca. 2000 km errechnet, indem es davon ausging, daß der Versicherte das Motorrad an nahezu allen Arbeitstagen für diesen Zweck benutzt hatte. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist aufgrund der vom Sozialgericht durchgeführten Beweisaufnahme widerlegt, daß der Versicherte nur bei trockenem Wetter seine Filialen mit dem Motorrad aufsuchte. Vielmehr steht aufgrund der einhelligen Bekundungen der Zeugen B., K. und T. auch zur Überzeugung des Senats fest, daß der Versicherte das Motorrad bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit bzw. in aller Regel für seine unternehmerische Tätigkeit einsetzte. An diesem Beweisergebnis vermag schließlich die Aussage der Zeugin E. nichts zu ändern. Diese Zeugin räumte nämlich ein, wegen ihrer sehr begrenzten Teilzeitbeschäftigung nicht genau sagen zu können, ob der Versicherte bei Regenwetter das Motorrad für betriebliche Zwecke nicht nutzte.
Zu Unrecht bezweifelt die Beklagte, daß die mit dem Motorrad gefahrene Gesamtstrecke von etwa 5000 km für betriebliche Zwecke zurückgelegt worden ist. Dabei war der Versicherte als Unternehmer rechtlich nicht dazu verpflichtet, ein Fahrtenbuch für das Motor rad zu führen. Deswegen sind die einzelnen Fahrten im nachhinein nicht mehr bis auf den letzten Kilometer zu spezifizieren. Daß die gefahrene Gesamtstrecke nahezu ausschließlich auf eine betrieblich bedingte Nutzung zurückzuführen ist, folgt allerdings aus der den Senat überzeugenden Bekundung des Zeugen B. Danach hatte der Versicherte nicht die nötige Freizeit, um das Motorrad für private Zwecke nutzen zu können. Vielmehr nutzte er seine spärlich bemessene Freizeit, um sie mit seiner Familie zu verbringen. Im übrigen ist es nach allgemeiner Lebenserfahrung durchaus nachzuvollziehen, daß ein selbständiger Bäckermeister bzw. der Versicherte mit einem Hauptgeschäft und drei Filialen kaum über nennenswerte Freizeit verfügen kann bzw. verfügt haben kann, wenn er zugleich in der Backstube arbeitet, seine Geschäftsbetriebe zu kontrollieren, im Unternehmen anfallende Reparaturarbeiten durchzuführen, die Tages einnahmen abzurechnen und die erforderlichen Termine beim Steuerberater wahrzunehmen hat.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles bzw. die Arbeitsgeräteeigenschaft des Motorrades unerheblich, ob dessen Anschaffung aus betrieblichen Gründen erforderlich war. Die gesetzlich eindeutig geregelten Versicherungsrisiken - hier § 549 RVO - sehen kein solches Notwendigkeitskriterium vor. Demgemäß ist die Beklagte nicht befugt, die von einem versicherten Unternehmer ausgeübte Disposition bei der Gestaltung der betrieblichen Abläufe und des Zuschnitts seines Unternehmens in Zweifel zu ziehen, um zu einer Einschränkung des Versicherungsschutzes zu gelangen.
Schließlich ist es entgegen der Ansicht der Beklagten für die Arbeitsgeräteeigenschaft des Motorrades nicht von Bedeutung, ob und inwieweit die Mitarbeiter des Versicherten das Motorrad für betriebliche Zwecke ebenfalls nutzen konnten. Selbst wenn nämlich die hauptsächliche Nutzung eines Gerätes für betriebliche Zwecke nur durch einen einzigen Mitarbeiter bzw. einen Unternehmer erfolgt, ändert das nichts daran, daß ein solches Gerät als Mittel zur Erledigung der versicherten Tätigkeit geeignet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte einen Unfall des verstorbenen Ehemannes der Klägerin bzw. des Versicherten vom 07.08.1996 als Arbeitsunfall anzuerkennen und demgemäß Entschädigungsleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren hat.
Der am ... geborene Versicherte war als Bäckermeister bzw. Unternehmer bei der Beklagten versichert. Außer seinem Hauptgeschäft betrieb er zwei Filialen in B.-W. sowie eine Filiale in E.-K ... Am 07.08.1996 holte er sein Sportmotorrad der Marke Ducati nach durchgeführter 5000 km-Inspektion in der Werkstatt in D.-W. ab. Von dort wollte er zu einer Filiale in B.-W. fahren, um wie üblich die Tageseinnahmen abzuholen. Auf dem Weg dorthin erlitt er einen Verkehrsunfall, an dessen Folgen er am 21.03.1997 verstarb.
Mit Bescheid vom 07.11.1996 lehnte die Beklagte es ab, eine Entschädigung für den Unfall vom 07.08.1996 zu gewähren. Zur Begründung führte sie aus, bei der Fahrt von D.-W. nach B.-W. habe es sich um eine unversicherte Tätigkeit gehandelt, da sie eigen wirtschaftlichen Interessen gedient habe.
Am 04.12.1996 wurde mit der Begründung Widerspruch erhoben, der Versicherte habe am Unfalltag wie üblich mit seinem Motorrad seine Filialen abfahren wollen, um die Tageseinnahmen zu kassieren. Es sei unerheblich, daß er zu diesem Zweck wegen der Inspektion direkt von D.-W. und nicht von seiner Hauptfiliale aus nach B.-W. gefahren sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, ob eine Tätigkeit, die zum Unfall geführt habe, versichert sei, entscheide sich danach, ob sie in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammen hang zum Betrieb stehe. Die Fahrt von D.-W. nach B.- W. sei dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen; sie sei versicherungsrechtlich als unversicherter Umweg zu bezeichnen.
Am 16.06.1997 hat die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten Klage erhoben und die Auffassung vertreten, bei dem Motorrad des Versicherten handele es sich um ein Arbeitsgerät. Sie selbst habe das Motorrad dem Versicherten am xx.xx.1996 zum Geburtstag geschenkt. Weil es eine Überraschung habe werden sollen, sei das Motorrad auf ihren Namen zugelassen worden. Der Versicherte habe das Motorrad nahezu ausschließlich für betriebliche Zwecke genutzt. Hätte sich der Unfall nicht ereignet, so hätte man sehr wahrscheinlich in Kürze mit dem Steuerberater gesprochen, um das Motorrad auf den Betrieb umzumelden. Die Tankrechnungen seien genauso wie sonstige das Motorrad betreffende Rechnungen über die Firma gelaufen.
Das Sozialgericht hat den Zeugen B. sowie die Zeuginnen E., K. und T. vernommen. Wegen des Inhalts ihrer Aussagen wird auf die Niederschrift vom 10.09.1998 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 03.12.1998 verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte, den Unfall vom 07.08.1996 als Arbeitsunfall anzuerkennen und Entschädigungsleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung führte es aus, es stehe nach der Beweisaufnahme fest, daß es sich bei dem Motorrad des Versicherten um ein Arbeitsgerät im Sinne von § 549 RVO handele. Der Unfall habe sich auf dem Weg von der Instandsetzung bzw. Instandhaltung dieses Arbeitsgerätes ereignet. Das Motorrad sei hauptsächlich für die Tätigkeit im Unternehmen des Versicherten gebraucht worden. Zwar spreche gegen eine solche Zweckbestimmung, daß das Motorrad nicht auf den Betrieb angemeldet worden sei. Je doch sei die von der Klägerin dafür gelieferte Erklärung, daß sie den Überraschungseffekt nicht habe gefährden wollen, verständlich. Angesichts der Kürze der Zeit zwischen der Anmeldung im April 1996 und dem Unfall sei es auch nachvollziehbar, daß die Klägerin bzw. der Versicherte noch nicht mit dem Steuerberater gesprochen gehabt hätten, um die Ummeldung des Motorrades durchzuführen. Aus den Zeugenaussagen ergebe sich, daß der verstorbene Versicherte das Motorrad hauptsächlich betrieblich genutzt habe. Gelegentliche Privatfahrten, die er damit sicher auch durchgeführt habe, schlössen den Versicherungsschutz nicht aus. Allein durch das Anfahren der Filialen zwecks Kassierens der täglichen Einnahmen sei der Versicherte in der Zeit zwischen seinem Geburtstag und dem Unfall ca. 2000 km (6 x pro Woche bzw. 18 km x 96 Arbeitstage) gefahren. Es stehe fest, daß er außer diesen täglichen Fahrten zu den Filialen auch alle anderen Fahrten, die betrieblich hätten durch geführt werden müssen, wenn eben möglich mit dem Motorrad durch geführt habe. Daß es sich bei dem Motorrad um eine Rennmaschine handele, ändere nichts an dessen Arbeitsgeräteeigenschaft. Es könne keinen Unterschied machen, ob jemand ein Motorrad, gleich welcher Marke, oder einen Pkw für betriebliche Fahrten nutze.
Gegen dieses ihr am 08.01.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.01.1999 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die hauptsächliche Nutzung des Motorrades für die Tätigkeit im Unternehmen sei nicht bewiesen. Bewiesen sei lediglich, daß der Versicherte das Motorrad anläßlich seines Geburtstages von der Klägerin als "Traumgeschenk" bekommen und bis zu seinem Unfall etwa 5000 km zurückgelegt habe. Das Sozialgericht habe für das tägliche Anfahren der Filialen zwecks Kassierens der Tageseinnahmen lediglich eine Fahrstrecke von ca. 2000 km berechnet. Diese Berechnung sei fragwürdig, weil nach den Angaben der Zeugen das Motorrad nur bei trockenem Wetter benutzt worden sei, das Sozialgericht aber einen Einsatz an allen Arbeitstagen seiner Berechnung zugrunde gelegt habe. Darüber hinaus sei der Umfang der behaupteten weiteren geschäftlichen Fahrten nicht bewiesen. Die Aussagen der Zeugen B. und K. überzeugten nicht, weil sich keine Hinweise fänden, daß die Anschaffung des Motorrades notwendig gewesen sei, um es hauptsächlich betrieblich einzusetzen. Gegen die Arbeitsgeräteeigenschaft des Motorrades spreche auch, daß offenbar kein Fahrtenbuch für das Finanzamt geführt worden sei und es anderen Mitarbeitern des Betriebes nicht zur Verfügung gestanden habe.
Die Beklagte beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das Motorrad habe selbstverständlich jedem Beschäftigten zur Verfügung gestanden. Keiner der Beschäftigten sei allerdings Inhaber der erforderlichen Fahrerlaubnis gewesen. Die Berechnung des Sozialgerichts über die mit dem Motorrad für betriebliche Zwecke zurückgelegte Strecke sei zutreffend. Wenn der Versicherte an wenigen Tagen - möglicherweise aufgrund schlechten Wetters - das Motorrad nicht genutzt habe, so falle dies nicht ins Gewicht. Im übrigen sei bei der gefahrenen Gesamtstrecke von ca. 5000 km zu berücksichtigen, daß der Versicherte außerdem Kontrollfahrten sowie Fahrten zwecks Durchführung von Reparaturen und Fahrten zum Steuerberater habe durchführen müssen. Schließlich komme es nicht darauf an, ob die Anschaffung des Motorrades für betriebliche Zwecke notwendig gewesen sei. Es gehe die Beklagte nichts an, wie ein Versicherter die Betriebsabläufe und den betrieblichen Zuschnitt seines Unternehmens bestimme.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, den Unfall vom 07.08.1996 als Arbeitsunfall anzuerkennen und demgemäß Entschädigungsleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Nach dem gemäß § 212 SGB VII noch anwendbaren § 549 RVO gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall bei einer mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung und Erneuerung des Arbeitsgerätes. Diese Vorschrift ist im vorliegenden Fall einschlägig.
Das Abholen des Motorrades in der Werkstatt in D.-W. bzw. der Weg von dort nach B.-W. stand im Zusammenhang mit der Instandhaltung eines für die unternehmerische Tätigkeit des Versicherten im Sinne von § 543 Abs. 1 RVO verwandten Arbeitsgerätes. Bei der Inspektion des Motorrades handelte es sich um dessen Instandhaltung, bei dem Motorrad selbst um ein Arbeitsgerät. Wege, die u.a. zwecks Instandhaltung eines Arbeitsgerätes zurückzulegen sind, werden vom Versicherungsschutz nach § 549 RVO erfaßt. Da der Senat den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils uneingeschränkt folgt, wird hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.
Zum Berufungsvorbringen merkt der Senat ergänzend an:
In nicht zu beanstandender Weise hat das Sozialgericht für das Kassieren der Tageseinnahmen der Filialen eine Gesamtfahrstrecke von ca. 2000 km errechnet, indem es davon ausging, daß der Versicherte das Motorrad an nahezu allen Arbeitstagen für diesen Zweck benutzt hatte. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist aufgrund der vom Sozialgericht durchgeführten Beweisaufnahme widerlegt, daß der Versicherte nur bei trockenem Wetter seine Filialen mit dem Motorrad aufsuchte. Vielmehr steht aufgrund der einhelligen Bekundungen der Zeugen B., K. und T. auch zur Überzeugung des Senats fest, daß der Versicherte das Motorrad bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit bzw. in aller Regel für seine unternehmerische Tätigkeit einsetzte. An diesem Beweisergebnis vermag schließlich die Aussage der Zeugin E. nichts zu ändern. Diese Zeugin räumte nämlich ein, wegen ihrer sehr begrenzten Teilzeitbeschäftigung nicht genau sagen zu können, ob der Versicherte bei Regenwetter das Motorrad für betriebliche Zwecke nicht nutzte.
Zu Unrecht bezweifelt die Beklagte, daß die mit dem Motorrad gefahrene Gesamtstrecke von etwa 5000 km für betriebliche Zwecke zurückgelegt worden ist. Dabei war der Versicherte als Unternehmer rechtlich nicht dazu verpflichtet, ein Fahrtenbuch für das Motor rad zu führen. Deswegen sind die einzelnen Fahrten im nachhinein nicht mehr bis auf den letzten Kilometer zu spezifizieren. Daß die gefahrene Gesamtstrecke nahezu ausschließlich auf eine betrieblich bedingte Nutzung zurückzuführen ist, folgt allerdings aus der den Senat überzeugenden Bekundung des Zeugen B. Danach hatte der Versicherte nicht die nötige Freizeit, um das Motorrad für private Zwecke nutzen zu können. Vielmehr nutzte er seine spärlich bemessene Freizeit, um sie mit seiner Familie zu verbringen. Im übrigen ist es nach allgemeiner Lebenserfahrung durchaus nachzuvollziehen, daß ein selbständiger Bäckermeister bzw. der Versicherte mit einem Hauptgeschäft und drei Filialen kaum über nennenswerte Freizeit verfügen kann bzw. verfügt haben kann, wenn er zugleich in der Backstube arbeitet, seine Geschäftsbetriebe zu kontrollieren, im Unternehmen anfallende Reparaturarbeiten durchzuführen, die Tages einnahmen abzurechnen und die erforderlichen Termine beim Steuerberater wahrzunehmen hat.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles bzw. die Arbeitsgeräteeigenschaft des Motorrades unerheblich, ob dessen Anschaffung aus betrieblichen Gründen erforderlich war. Die gesetzlich eindeutig geregelten Versicherungsrisiken - hier § 549 RVO - sehen kein solches Notwendigkeitskriterium vor. Demgemäß ist die Beklagte nicht befugt, die von einem versicherten Unternehmer ausgeübte Disposition bei der Gestaltung der betrieblichen Abläufe und des Zuschnitts seines Unternehmens in Zweifel zu ziehen, um zu einer Einschränkung des Versicherungsschutzes zu gelangen.
Schließlich ist es entgegen der Ansicht der Beklagten für die Arbeitsgeräteeigenschaft des Motorrades nicht von Bedeutung, ob und inwieweit die Mitarbeiter des Versicherten das Motorrad für betriebliche Zwecke ebenfalls nutzen konnten. Selbst wenn nämlich die hauptsächliche Nutzung eines Gerätes für betriebliche Zwecke nur durch einen einzigen Mitarbeiter bzw. einen Unternehmer erfolgt, ändert das nichts daran, daß ein solches Gerät als Mittel zur Erledigung der versicherten Tätigkeit geeignet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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