L 15 U 50/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 256/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 50/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. September 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Ereignis vom 08.05.1998 als Arbeitsunfall anzuerkennen ist und der Kläger Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung hat. Insbesondere ist streitig, ob der Kläger zu den versicherten Personen in der gesetzlichen Unfallversicherung gehört.

Am 15.12.1992 schloss der Kläger als alleinvertretungsberechtigter und vom Verbot des Selbstkontrahierens befreiter Geschäftsführer der G ... GmbH einen Gesellschaftsvertrag mit seinem Vater H ... G ... Darin heißt es, der Vater des Klägers beteilige sich als Stiller Gesellschafter an dem Betrieb der GmbH. Der Betrieb werde von der GmbH ab 01.01.1993 im eigenen Namen, im Innenverhältnis jedoch für gemeinsame Rechnung der GmbH und Herrn H ... G ... als Stillen Gesellschafter geführt. Grundlage dieser Vereinbarung sei die Überlegung, dass nach der Eigenart der geschäftlichen Betätigung der qualifizierte Einsatz und die erheblichen speziellen Branchenerfahrungen des Herrn H ... G ... für den erwarteten Geschäftserfolg von ausschlaggebender Bedeutung seien, während dem erforderlichen Kapitaleinsatz wahrscheinlich nur eine untergeordnete Rolle beizumessen sei. Soweit nichts anderes vereinbart sei, gelte für die Rechtsbeziehungen zwischen der GmbH und dem Stillen Gesellschafter im Innenverhältnis das Recht einer in typischer Weise gestalteten GmbH & Co.KG sinngemäß, wobei der GmbH die Rechte einer Komplementärin und Herrn H ... G ... die eines Kommanditisten zustünden. Über die Stammeinlage der GmbH hinaus stelle Herr H ... G ... die für den Geschäftsbetrieb erforderlichen Kapitalbeträge bis zu einem Betrag von 50.000,- DM als Einlage zur Verfügung. Zur Verteilung von Gewinn und Verlust heißt es, davon entfielen auf Herrn H ... G ... 60 % und auf die GmbH 40 %, mindestens jedoch ein Betrag von 5.000,- DM.

Am gleichen Tage schloss der Kläger als alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter der G ... GmbH in Gründung mit sich selbst einen Anstellungsvertrag, worin es u.a. heißt, der alleinige Geschäftsführer vertrete die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Zur Vornahme von Rechtsgeschäften, welche über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgingen, sei die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich. Der Geschäftsführer sei von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit. Er nehme die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr. Der Geschäftsführer stelle seine volle Arbeitskraft und sein ganzes Wissen und Können der Gesellschaft zur Verfügung. Er sei in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei, habe jedoch jederzeit, soweit es das Wohl der Gesellschaft erfordere, ihr zur Verfügung zu stehen. Der Geschäftsführer erhalte ein festes Jahresgehalt in Höhe von 70.200,- DM in zwölf gleichen Raten am Monatsende. Darüber hinaus könne die Gesellschafterversammlung über eine Tantieme und eine Versorgungszusage beschließen. Im Krankheitsfall werde das Gehalt für die Dauer der für Angestellte gesetzlich vorgeschriebenen Frist fortgezahlt. Dem Geschäftsführer stehe jährlich ein Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen zu.

Nach Anmeldung der G ... GmbH teilte die Beklagte dem Unternehmen mit, die Firma ...GmbH, H ... und Co. KG sei zum 31.12.1992 ruhend gestellt worden. In der Folgezeit forderte die Beklagte mehrfach dazu auf, das Unternehmen näher zu beschreiben, damit über die Mitgliedschaft und die Veranlagung zu den Gefahrklassen entschieden werden könne. Anschließend bat die Beklagte, den Gegenstand und die Art des Unternehmens, die Zahl der Versicherten sowie den Eröffnungstag oder den Tag der Aufnahme der vorbereitenden Arbeiten für das Unternehmen mitzuteilen. Die Schreiben der Beklagten vom 26.05.1993 und 21.04.1994 sowie nachfolgende Erinnerungsschreiben blieben unbeantwortet.

Am 18.03.1994 wurde der Gesellschaftsvertrag über die Gründung der G ... GmbH notariell beurkundet. Als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ist der Kläger angegeben. Am 21.03.1994 vereinbarten die G ... GmbH und die "G ...", vertreten durch den Kläger und seinen Vater Herrn H ... G ..., unter der Überschrift "Gesellschafterbeschlüsse", der zuvor geschlossene Gesellschaftsvertrag sowie der Anstellungsvertrag des Klägers vom 15.12.1992 würden vollinhaltlich übernommen und bestätigt. Im Außenverhältnis trete die GmbH auf, im Innenverhältnis regelten die Beteiligten ihre Rechtspositionen im Sinne einer "Mitunternehmerschaft ähnlich einer oHG oder KG". Der Kläger sei auf Grund des Gesellschaftsvertrages und des Anstellungsvertrages zur tätigen Mitarbeit verpflichtet. Er sei auch weisungsgebunden, da er in der Mitunternehmerschaft nicht gegen den Willen des atypisch stillen Gesellschafters handeln und wichtige Entscheidungen treffen dürfe. Mit Wirkung vom 25.05.1994 wurde die GmbH ins Handelsregister eingetragen.

Durch Bescheid vom 08.05.1995 teilte die Beklagte die Aufnahme der G ... GmbH in das Unternehmerverzeichnis mit und veranlagte das Unternehmen zum Gefahrtarif. In der Folgezeit reichte das Unternehmen Lohnnachweise für die Jahre 1993 bis 1995 ein. In den Lohnnachweisen für 1993 und 1994 wurde das im Anstellungsvertrag des Klägers angegebene Bruttoentgelt von 70.200,- DM dem kaufmännischen und verwaltenden Teil des Unternehmens zugeordnet, im Lohnnachweis für 1995 wird dort ein Betrag von 74.412,- DM angegeben. Darüber hinaus sind jeweils weitere Bruttoentgelte für den Unternehmensbereich "Herstellung von Maschinenteilen, mechanische Werkstatt" angegeben. Ferner ergaben die Ermittlungen der Beklagten, dass der Kläger zunächst bei der Deutschen Angestellten-Krankenkasse, dann bei der Innungskrankenkasse freiwillig krankenversichert war.

Am 08.05.1998 wurde die rechte Hand des Versicherten in eine Fräsmaschine hineingezogen und gequetscht. Auf Grund der dabei erlittenen Verletzungen musste schließlich die rechte Hand amputiert werden. Durch Bescheid vom 23.07.1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Heilbehandlung und einer Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 08.05.1998 ab mit der Begründung, der Kläger sei als Gesellschafter-Geschäftsführer in dem Unternehmen tätig und deshalb wie ein Unternehmer zu beurteilen. Als Unternehmer gehöre er nicht zum Kreis der kraft Gesetzes pflichtversicherten Personen. Von der Möglichkeit, eine freiwillige Unternehmerversicherung abzuschließen, habe er keinen Gebrauch gemacht. Deshalb habe er zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Bescheid vom 29.10.1998 zurück. Ergänzend führte sie aus, die GmbH sei nach außen hin ausschließlich durch den Kläger als Alleinge schäftsführer vertreten worden. Trotz Weisungsgebundenheit des Klägers im Innenverhältnis zu der atypisch Stillen Gesellschaft sei es dieser nicht möglich gewesen, gegen den Willen der GmbH rechtsverbindlich tätig zu werden.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe lediglich formal die Position des Geschäftsführers bekleidet, habe jedoch den Weisungen seines Vaters unterlegen und sei von ihm abhängig gewesen. Außerdem bestehe Versicherungsschutz im Rahmen der Formalversicherung, weil die Beklagte jahrelang Pflichtbeiträge für ihn entgegengenommen habe.

Durch Urteil vom 14.09.2000 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, an den Kläger Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Der Kläger sei Unternehmer und gehöre deshalb nicht zu den nach § 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) versicherten Personen. Weder sehe die Satzung der Beklagten eine Pflichtversicherung für Unternehmer vor (vgl. § 3 SGB VII) noch habe der Kläger eine freiwillige Versicherung nach § 6 SGB VII abgeschlossen. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien sei der Kläger als Unternehmer anzusehen, weil er das gesamte Stammkapital der GmbH auf sich vereinige und allein vertretungsberechtigt sei. Es sei unschädlich, dass er bei bestimmten Geschäften laut Anstellungsvertrag der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfe. Unabhängig davon, was zwischen ihm als Vertreter der GmbH, der atypisch Stillen Gesellschaft und seinem Vater vereinbart worden sei, könne keine Rede davon sein, dass er als Beschäftigter der GmbH oder der atypisch Stillen Gesellschaft aufgetreten sei, weil ausschließlich er allein rechtsverbindlich für die GmbH habe handeln können. Hinzu komme, dass er für die Ausführung der handwerklichen Arbeiten allein verantwortlich und in der Einteilung seiner Arbeitszeit weitgehend frei sei. Ferner sei zu berücksichtigen, dass familiäre Beziehungen der Gesellschafter nicht selten dazu führten, dass die Geschäftsführertätigkeit überwiegend durch familiäre Rücksichtnahmen geprägt sei und es faktisch gar nicht zur Ausübung des Direktionsrechts durch die Gesellschafter komme. Der Gesellschafter sei Mitunternehmer, wie es auch im Gesellschafterbeschluss vom 21.03.1994 formuliert sei. Es sei für die Beklagte nicht ersichtlich gewesen, dass in den Lohnnachweisen des Unternehmens die an den Kläger gezahlten Einkünfte enthalten gewesen seien, weil das Unternehmen trotz mehrfacher Aufforderungen erst nach dem Unfall Angaben zur versicherungsrechtlichen Stellung des Klägers gemacht habe. Weil der Kläger zuvor seinen Mitwirkungspflichten bei der Aufklärung des Sachverhalts nicht nachgekommen sei, verstoße die ablehnende Entscheidung der Beklagten nicht gegen den Grundsatz des "venire contra factum proprium".

Gegen das am 24.01.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 26.02.2001, Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und führt ergänzend aus, er habe in Wirklichkeit nur Arbeiten in der Werkstatt ausgeführt. Die Bürotätigkeiten habe seine Schwester verrichtet, die gemeinsam mit dem Vater die Geschicke der Gesellschaft geleitet habe. Er selbst sei als Geschäftsführer faktisch nur ein "Stohmann" gewesen. Angesichts der 60-prozentigen Beteiligung seines Vaters als Stiller Gesellschafter habe er mit seinem 40-prozentigen Anteil keinen entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft gehabt. Es sei unerheblich, dass im Gesellschafterbeschluss vom 21.03.1994 vermerkt sei, damit sei keine Außenwirkung verbunden. Nach diesem Beschluss sei er vielmehr weisungsgebunden. Es komme nicht darauf an, wie jemand nach außen auftrete, sondern welche Entscheidungsbefugnisse er tatsächlich habe. In allen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Dingen sei der Vater der Gesprächspartner gewesen. Er habe den Kontakt mit dem Steuerberater gehalten. Auch Bankgeschäfte habe er, der Kläger, nicht allein verrichtet. Er habe alle wesentlichen Dinge mit seinem Vater besprochen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.09.2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 23.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.1998 zu verurteilen, seinen Unfall vom 08.05.1998 als Arbeitsunfall zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug.

Auf die Anfrage des Senats, für welche Zeiträume Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung für den Kläger entrichtet und entgegengenommen worden seien, hat die Beklagte die Beitragsakten übersandt und dargelegt, für den Kläger seien ab 1993 Beiträge entrichtet worden. Diese Beiträge seien dem Unternehmen erstattet worden. Für das Jahr 1998 habe das Unternehmen wiederum die Lohnsumme für den Kläger angegeben. Der Beitrag sei aber ohne Berücksichtigung der auf ihn entfallenden Lohnsumme berechnet worden. In den Jahren 1999 und 2000 habe der Kläger nach Angaben des Betriebes keine Entgelte bezogen. Es habe sich erst bei der am 08.09.1998 aus Anlass des Unfalls durchgeführten Lohnbuchprüfung herausgestellt, dass in den Lohnnachweisen die aufgeführten Lohnsummen unter der Gefahrklasse 0,7 für den Kläger als einen ausschließlich im Büro tätigen Mitarbeiter enthalten gewesen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten (zwei Bände) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, den Unfall des Klägers vom 08.05.1998 als Arbeitsunfall zu entschädigen.

Arbeitsunfälle sind gem. § 8 Abs. 1 Satz Sozialgesetzbuch siebtes Buch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenen Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Der Kläger hat keine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter verrichtet. Beschäftigung ist nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 SGB IV, die für sämtliche Bereiche der Sozialversicherung gilt, die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Danach ist Arbeitnehmer, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die persönliche Abhängigkeit stellt das wesentliche, das charakteristische Merkmal des Beschäftigungsverhältnisses dar. Persönliche Abhängigkeit bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Das Weisungsrecht kann allerdings besonders bei Diensten höherer Art erheblich eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert" sein (BSG, Urteil vom 30.06.1999 - B 2 U 35/98 R -, SozR 3-2200 § 723 RVO Nr. 4 m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung aller Senate des BSG). Ob ein Weisungsrecht besteht und ob es gegenüber den für die selbstständige Tätigkeit kenn zeichnenden Merkmalen des Unternehmerrisikos, der Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und der Möglichkeit, frei über Arbeitszeit und Arbeitsort zu verfügen, überwiegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die allerdings dann zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (BSG a.a.O.).

Bei einem Geschäftsführer, der - wie der Kläger - zugleich Gesellschafter der GmbH ist, welche das Unternehmen innehat, ist für die Beurteilung, ob ein abhängiges, die Versicherungspflicht auslösendes Arbeitsverhältnis vorliegt, maßgebend, ob er einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft ausübt. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt dann nicht vor, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist und er allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, a.a.O.). Dies ist bei dem Kläger als Alleingesellschafter der GmbH ohne Zweifel der Fall.

Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, er habe seine Rechtsmacht als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der GmbH nach außen nicht ausgeübt, so führt dies gleichwohl zu keinem anderen Ergebnis. Hat der Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund seiner Gesellschafterstellung die Rechtsmacht, nicht genehme Weisungen zu verhindern, so liegt auch dann keine abhängige Beschäftigung vor, wenn er von seinen Rechten tatsächlich keinen Gebrauch macht und die Entscheidungen anderen überlässt (BSG SozR 3-2400 § 7 SGB IV Nr. 4). Daher macht es keinen Unterschied, wenn man die Angaben des Klägers als zutreffend zugrunde legt, sein Vater sei nach außen hin in allen handels- und steuerrechtlichen Angelegenheiten der Handelnde gewesen. Er habe den Kontakt mit dem Steuerberater wahrgenommen und alle Bankgeschäfte allein verrichtet.

Aus den gesellschaftsinternen Rechtsbeziehungen der GmbH und der Stillen Gesellschaft ergibt sich ebenfalls nicht, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt abhängig beschäftigt war. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur zivilrechtlichen Haftung bei Gesellschaftsgründungen ist nur dann ausnahmsweise auf die gesellschaftsinternen Vorgänge abzustellen, wenn der Alleingesellschafter als bloßer Strohmann anzusehen ist (BGHZ 118, 107 und 114 = NJW 1992, 223 und 224 f.; zitiert von BSG SozR 3-4100 § 168 AFG Nr. 18). Dies hat das BSG dann angenommen, wenn im Rahmen eines Treuhandverhältnisses der Treugeber sich nicht mit einem schuldrechtlichen Weisungsrecht zufrieden gegeben, sondern sich die Ausübung des Stimmrechts persönlich vorbehalten hat. Nur dann ist es gerechtfertigt, die Gesellschafterstellung des Alleingesellschafters der GmbH nicht anhand der allgemeinen Regeln zu bestimmen.

Derartige besonders gelagerte Rechtsbeziehungen lassen sich hier nicht feststellen. Der Gesellschaftsvertrag vom 15.12.1992 über die Gründung der atypischen Stillen Gesellschaft sieht kein umfassendes Weisungsrecht des Stillen Gesellschafters gegenüber dem Kläger als Alleingesellschafter der GmbH vor, das die Ausübung des Stimmrechts in der GmbH ausdrücklich den Weisungen des Stillen Gesellschafters vorbehält. Der Kläger kann schon deshalb nicht ausnahmsweise als Strohmann und damit als abhängig Beschäftigter angesehen werden, weil die tatsächlichen Verhältnisse, wie etwa das Bestimmungsrecht über die Arbeitszeit und die übrigen vertragsrechtlichen Gegebenheiten nicht in diese Richtung deuten. Gemäß § 1 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages soll für die Rechtsbeziehungen zwischen der GmbH und der Stillen Gesellschaft im Innenverhältnis das Recht einer in typischer Weise gestalteten GmbH & Co. KG sinngemäß gelten, wonach die GmbH die Rechte einer Komplementärin und dem Vater des Klägers, dem Stillen Gesellschafter H ... G ..., die Rechte eines Kommanditisten zustehen sol len. Eine solche Rechtsstellung beinhaltet aber gerade nicht ein umfassendes Geschäftsführungs- und Weisungsrecht; dieses steht allein dem Komplementär zu. Dies gilt auch dann, wenn der Kommanditist, wie es bei der Rechtsform der GmbH & Co. KG häufig der Fall ist, zum überwiegenden Teil an Gewinn und Verlust der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Es führt daher zu keiner anderen Betrachtung, dass der Vater des Klägers zu 60 % und der Kläger lediglich zu 40 % am Gewinn und Verlust der Stillen Gesellschaft beteiligt sind. Diese Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag der Stillen Gesellschaft werden durch die "Gesellschafterbeschlüsse" vom 21.03.1994 ausdrücklich übernommen und bestätigt. Die dort anschließend erwähnte Weisungsgebundenheit des Klägers beinhaltet lediglich, dass er als Mitunternehmer im Innenverhältnis zur Stillen Gesellschaft nicht gegen den Willen des Stillen Gesellschafters, seines Vaters, handeln, sondern diesen bei wichtigen Entscheidungen beteiligen sollte. Solche intern zwischen einem selbständig tätigen Unternehmer und einem Stillen Gesellschafter regelmäßig bestehenden Bindungen machen den Kläger nicht nach außen hin zu einem bloßen Strohmann des Stillen. Sie sind mit einem Treuhandverhältnis, bei dem der Treugeber sich die Ausübung des gesellschaftsrechtlich eigentlich dem Treuhänder zustehenden Stimmrechts vorbehält, nicht vergleichbar.

Ein Unfallversicherungsschutz des Klägers nach der Rechtsfigur des Formalversicherungsverhältnisses kommt ebenfalls nicht in Betracht. Eine Formalversicherung liegt allenfalls vor, wenn der Unfallversicherungsträger für eine nicht versicherte Person unbeanstandet Beiträge entgegennimmt und das Fehlen der Versicherteneigenschaft bei gehöriger Prüfung hätte erkennen können. Denn die gesetzlich nicht verankerte Formalversicherung gründet sich auf den Rechtsgedanken des venire contra factum proprium (§ 242 BGB), der auch im öffentlichen Recht Anwendung findet (Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 136 SGB VII, Rdz. 5.2). Voraussetzung ist, dass der Haftungsgrund dem Unfallversicherungsträger zurechenbar war, dass er den Rechtsfehler in seinem Verantwortungsbereich begangen hat und ihn auch im Rahmen seiner Aufklärungs- und Ermittlungspflicht hätte vermeiden können. Dies ist hier zu verneinen, weil aus den Lohnnachweisen für die Beklagte nicht ersichtlich war, dass unter anderem der dem Kläger zustehende Lohn dort nachgewiesen war. Die Anfragen der Beklagten zu den im Betrieb Beschäftigten hat das Unternehmen bis zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls nicht beantwortet. Die konkreten Anfragen der Beklagten zur Prüfung, ob Geschäftsführer und Gesellschafter kraft Gesetzes versichert seien oder den Versicherungsschutz gegen Arbeitsunfall durch freiwilligen Beitritt erlangen könnten, hat der Kläger seinerzeit ebenfalls nicht beantwortet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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