L 17 U 24/94

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 26 (1,26) U 138/89
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 24/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 15. September 1993 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung unter Anerkennung der Leukämie des an ihren Folgen verstorbenen Versicherten als Berufskrankheit (BK).

Der 1947 in Korea geborene erste Ehemann der Klägerin zu 1) und leibliche Vater der Kläger zu 2) und 3) D. K. (im folgenden K. bzw. Versicherter) hielt sich seit April 1973 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er war von da an bis Oktober 1977 zunächst als Neubergmann beschäftigt. Nach Zeiten ohne Beschäftigung und Arbeitslosigkeitszeiten sowie einer Tätigkeit bei den M.- R. in D. war der Versicherte in der Zeit vom 23.04.1979 bis 13.07.1986 während seiner jeweils durch Arbeitslosigkeit unterbrochenen Beschäftigungszeiten als Montageschlosser bei der T. I. GmbH in O., einem Unternehmen für Beratung, Planung und Durchführung von Stahlbau- Rohrleitungsbau und Industriemontagen (jetzt P. I.), nachweislich auf Baustellen u.a. in Kernkraftwerken (KKW) und in Raffinerien wie folgt tätig: Vom 08.01. bis 30.01.1981 im KKW G., vom 13.03. bis 21.04.1983 im KKW S., vom 09.05. bis 14.06.1983 im KKW U., E., vom 14.06. bis 15.09.1983 im KKW W. und vom 03.08. bis 27.09.1984 im KKW K. Auf Baustellen in Raffinerien war K. nachweislich wie folgt tätig: Vom 24.02. bis 27.03.1981 in K.-G., vom 28.03. bis 30.04.1981 in W. vom 04.05. bis 16.06.1981 in W., vom 22.09. bis 27.09.1981 in H., vom 01.10. bis 05.10.1981 in G., vom 25.04. bis 06.05.1983 in H ... und vom 03.10. bis 18.10.1984 in H.

Bei einer hausärztlich veranlaßten stationären Untersuchung und Behandlung des Versicherten im Krankenhaus N., M., vom 02.08. bis 27.08.1986 wurde nach dem Bericht des Dr. v ... U., Chefarzt der inneren Abteilung, vom 01.09.1986 eine Praeleukämie ("Panmyelopathie mit hyperplastischem Knochenmark") bzw. ein myodysplastisches Syndrom diagnostiziert. In der Anamnese hatte der Versicherte angegeben, sich seit drei Jahren immer abgeschlagener und müder zu fühlen. Die Beschwerdesymptomatik habe sich im Laufe des letzten halben Jahres erheblich gesteigert.

In der Folgezeit wurde der Versicherte hausärztlich betreut, ohne daß eine kausale Therapie möglich war. Nach weiterer Verschlechterung seines Zustandes und Rückkehr nach Korea wurde der Versicherte am 20.10.1986 in die Hämatologische Abteilung des St. M. Hospital, C. M. C./S ... aufgenommen, wo die Diagnose einer sekundären akuten myeloischen Leukämie gestellt und am 30.12.1986 eine allogene Knochenmarkstransplantation von einem HLA-identischen Bruder des K. durchgeführt wurde. Am 02.03.1987 kehrte der Versicherte nach Deutschland zurück und wurde am selben Tag in der Abteilung für Knochenmarkstransplantation des Universitäts-Klinikums E. stationär aufgenommen. Dort wurde eine chronische Transplantat-gegen-Wirt-Erkrankung mit Haut- und Darmbeteiligung festgestellt, die zuvor auch schon in S. behandelt worden war. Weiter wurde ein Zustand nach Infekt unklarer Genese mit Verdacht auf eine interstitielle Pneumonie und eine periphere Panzytopenie bei hypoplastischem Knochenmark diagnostiziert. Nachdem die durch den Infekt mit begleitender Verbrauchskoagulopathie entstandene akute Situation zunächst gut beherrscht werden konnte, wurde K. am 13.03.1987 bereits im präfinalen Zustand in die Medizinische Klinik des heimatnahen Krankenhauses M., M., verlegt (Entlassungsbericht von Oberarzt Prof. Dr. S. vom 13.03.1987). Dort verstarb er am 18.03.1987 "unter dem Bild einer global dekompensierten respiratorischen Insuffizienz bei ausgeprägter, therapierefraktärer interstitieller Pneumonie" (Bericht Dr. B. vom 05.05.1987).

Im Zuge der von der Beklagten aufgenommenen Ermittlungen auf den am 28.10.1986 gestellten Antrag auf Anerkennung einer BK legte die T. Industrie-Montagen GmbH Kopien von Auszügen des Strahlenpasses des Versicherten vor, die Eintragungen von amtlichen und nichtamtlichen Personendosiswerten für die Monate Mai bis September sowie für November und Dezember 1983 enthielten. Danach lagen folgende amtliche Personendosiswerte vor: Mai 1983 5,50 mSv (Milli-Sievert), Juni 1983 2,60 mSv, Juli 1983 3,20 mSv und August 1983 6,0 mSv, September 1983 0 mSv. Die Beklagte ermittelte ferner, daß K. nach der Überwachung durch die deutsche B.- W. AG O. im November 1983 eine Personendosis von 1,0 mSv und nach der Überwachung durch das KKW W. im Dezember 1983 eine Personendosis von 1,6 mSv aufgenommen hatte. Der Technische Aufsichtsbeamte (TAB) und Strahlenschutzbeauftragte der Beklagten Dipl.-Ing. S. kam daraufhin in seiner Stellungnahme vom 04.06.1987 unter Zugrundelegung auch der nach der Überwachung durch das KKW W. sowie der nach der Überwachung durch die D. B.-W. AG O. vom Versicherten aufgenommenen Personendosiswerte zu dem Ergebnis, obgleich die zulässigen Quartals- bzw. Jahresdosen für strahlenexponierte Personen der Kategorie A nicht überschritten seien, lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer Strahlenkrankheit vor.

In dem von der Beklagten veranlaßten fachinternistischen Gutachten vom 16.06.1988 kam Dr. A., O. der Abteilung für Hämatologie, Onkologie und klinische Immunologie der Medizinischen Einrichtungen der Universität D., zu der folgenden abschließenden Beurteilung und Stellungnahme: Aufgrund des zur Zeit noch unzureichenden Kenntnisstandes über die Entstehung leukämischer Knochenmarkerkrankungen sei es im Einzelfall unmöglich, den Ausbruch der Erkrankung auf ein bestimmtes vorangegangenes Ereignis oder eine erbliche Veranlagung zurückzuführen. Es werde aber heute anerkannt, daß der Kontakt mit bestimmten chemischen Substanzen sowie die Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen das Risiko, an einer Leukämie zu erkranken, erhöhten. Die Frage, ob bei K. eine BK nach Nr. 2402 der Anlage zur Berufskrankheiten -Verordnung (BKV) - Erkrankung durch ionisierende Strahlen - bestanden habe, beantwortete er dahingehend, daß dies "nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden" könne. Aufgrund des unzureichenden Kenntnisstandes über die Ätiopathogenese von Leukämien sei "es aber nicht sicher möglich, hierfür einen bestimmten Wahrscheinlichkeitsgrad anzugeben." In dem daraufhin vom Staatlichen Gewerbearzt in Auftrag gegebenen Gutachten vom 10.04.1989 erstellte der Leiter der Nuklearmedizinischen Klinik der Medizinischen Einrichtungen der H.-H ... Universität D., Prof. Dr. L. E. F., eine Risikoanalyse. Er kam nach der abschließenden quantitativen Risikoabschätzung zu dem Ergebnis, daß nach den vorliegenden Daten ein ursächlicher Zusammenhang der Entstehung der akuten myeloischen Leukämie mit der Strahlenexposition - der Gutachter legte wie zuvor Dr. Aul eine berufliche Strahlenexposition von 30 mSv zugrunde - unwahrscheinlich und die Anerkennung der Erkrankung als BK nach Nr. 2402 der Anlage zur BKV daher nicht zu empfehlen sei.

Nach negativer gewerbeärztlicher Stellungnahme lehnte die Beklagte daraufhin mit dem an die Klägerin zu 1) als Sonderrechtsnachfolgerin gerichteten Bescheid vom 20.06.1989 die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der vorgenannten BK ab, weil die akute krankhafte Veränderung des Blutbildes des Versicherten mit dessen beruflicher Tätigkeit als Montageschlosser bei der T. Industrie-Montagen GmbH in keinem ursächlichen Zusammenhang gestanden habe.

Im Widerspruchsverfahren (Widerspruch vom 26.06.1989) machten die Kläger geltend, auch nach den vorliegenden Gutachten habe für K. berufsbedingt jedenfalls ein deutlich höheres Erkrankungsrisiko bestanden, da er innerhalb ca. eines halben Jahres das Dreißigfache der ganzjährigen natürlichen Strahlenbelastung aufgenommen habe und seine bis dahin durch natürliche Strahlung verursachte Belastung von 50 mSv in diesem kurzen Zeitraum um etwa 2/3 erhöht worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.1989 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück.

Am 16.10.1989 haben die Kläger beim Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben.

Das SG hat Prof. Dr. rer. nat. S., Institut für Medizinische Strahlenbiologie, Universitätsklinikum E., mit der Erstattung eines strahlenbiologischen Gutachtens beauftragt. Dieser hat unter dem 28.01.1991 weitere Ermittlungen über Einzelheiten der beruflichen Tätigkeit des Versicherten für erforderlich angesehen und darauf hingewiesen, daß die vom TAD ermittelte Personendosis von 29,5 mSv offenkundig zu hoch gewesen sei, weil für einzelne Monate eine Doppelanrechnung erfolgt sei. Sie dürfe vielmehr bei 20 mSv gelegen haben. Die Kläger haben daraufhin die noch vorhandenen Unterlagen über die Einsatzorte des K. vorgelegt und das SG hat den Bauingenieur P. P., Inhaber der Fa. T. Idustrie-Montagen, zu den von dem Sachverständigen gestellten Fragen gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.10.1991 verwiesen.

In seinem Gutachten vom 06.03.1992 ist Prof. Dr. S. sodann zu folgendem Ergebnis gelangt: Unter der Annahme einer sechs bis siebenjährigen Latenzzeit führe eine Strahlendosis von ca. 20 mSv bei einem Mann von etwa 30 Jahren zu einer akuten myeolischen Leukämie mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von etwa 32 %. Bei einer kombinierten Exposition von ionisierenden Strahlen (im vorgenannten Umfang) und Benzol (in beträchtlicher Höhe) sei zu erwarten, daß die Leukämie nach einer kürzeren Latenzzeit und mit einer höheren Eintrittwahrscheinlichkeit (Faktor 2 und mehr) eintrete. Unter Berücksichtigung dessen sei die Eintrittswahrscheinlichkeit für die Leukämie des Versicherten mit mehr als 60 % anzusetzen.

Aufgrund der vom SG durchgeführten Ermittlungen nahm die Beklagte ein Feststellungsverfahren zu der Frage auf, ob Ursache für die Blutkrebserkrankung des Versicherten die berufliche Einwirkung von Benzol oder seiner Homologe war. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten stellte nach einem Besuch der P. Industrie-Montagen fest, daß die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer Erkrankung nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV grundsätzlich gegeben gewesen seien, wobei jedoch Angaben zur Expositionsdauer gegenüber benzolhaltigen Produkten nicht mehr möglich seien, da Auskünfte über die Einsatzzeiten in den betreffenden Arbeitsbereichen nicht mehr eingeholt werden könnten (Bericht Dipl.-Ing. S. vom 07.07.1992).

Prof. Dr. Dr. B., Direktor der Abteilung Toxikologie und Arbeitsmedizin am Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität D., erstattete sodann für die Beklagte am 24.08.1992 ein Gutachten mit folgendem Ergebnis: Aus der lückenhaften Arbeitsanamnese des Versicherten sei anhand der vorliegenden Unterlagen lediglich eine ca. 7 Monate dauernde berufliche Tätigkeit in Betrieben der chemischen Industrie und in Raffinerien abzuleiten, bei der ein Kontakt mit Benzol anzunehmen sei. Aber selbst bei Zugrundelegung einer theoreti schmaximal anzunehmenden Expositionsdauer von ca. 7 Monaten, wobei aber Hinweise auf Art und Dauer der Exposition an den Arbeitsplätzen des Versicherten fehlten, sei ein höchstens gleichwertiges Erkrankungsrisiko wie in der Gruppe der bis zu 5 Jahren benzolexponierten Arbeiter in der amerikanischen Gummiindustrie anzunehmen, bei denen nach einer Kohortenstudie das nicht berufliche Risiko überwogen habe. Da somit bei K. nur ein Erkrankungsrisiko anzunehmen gewesen sei, das unterhalb einer Verdopplung des Erkrankungsrisikos der Normalbevölkerung gelegen habe, sei die Auslösung der Erkrankung des Versicherten allein durch die Benzolexposition als nicht überwiegend wahrscheinlich anzunehmen.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.10.1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.03.1993 die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, weil die zum Tode führende Erkrankung des Versicherten nicht durch die berufliche Einwirkung von Benzol oder seinen Homologen verursacht worden sei. Dagegen haben die Kläger am 15.04.1993 gleichfalls Klage erhoben.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, nach den vorliegenden Gutachten lasse sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zwar nicht nachweisen, daß K. bei isolierter Betrachtung der Exposition gegenüber Benzol einerseits und ionisierenden Strahlen andererseits an einer BK nach Nr. 1303 bzw. Nr. 2402 der Anlage zur BKV gelitten habe und hieran gestorben sei. Dabei würden jedoch die synergistischen Wechselwirkungen der beiden Einflüsse verkannt, worauf der Sachverständige (SV) Prof. Dr. S. überzeugend hingewiesen habe. Mit diesem sei davon auszugehen, daß beide Schadstoffexpositionen in ihrem Zusammenwirken hier wesentliche Ursache der bösartigen Erkrankung des Versicherten gewesen seien.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, es sei rechtlich nicht zulässig, den Tod des Versicherten auf die kumulative Wirkung von Benzol und ionisierende Strahlen zurückzuführen, wenn jede BK für sich nicht als gegeben angesehen werden könne.

Mit Urteil vom 15.09.1993 hat das SG - dem Gutachten von Prof. Dr. S. folgend - der Klage stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, unter Anerkennung der zum Tode führenden Leukämie des Versicherten als BK Nr. 2402 und BK Nr. 1303 die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

)Gegen das ihr am 12.01.1994 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.02.1994 Berufung eingelegt und zur Begründung wie folgt vorgetragen: Daß nach dem Gutachten Prof. Dr. S. das Strahlenkrebsrisiko um über 30 % erhöht gewesen sein solle, überzeuge nicht. Prof. Dr. F. habe nur ein um 3 bis 9 % erhöhtes Risiko angenommen, obwohl er irrtümlich von einer Strahlendosis von ca. 30 mSv statt zutreffend von ca. 20 mSv ausgegangen sei. Auch könne bei einer nur 7-monatigen Montageschlossertätigkeit in der chemischen Industrie und in Raffinerien nicht eine wesentliche Teilursächlichkeit angenommen werden ohne hinreichend sichere Anhaltspunkte für Art und Dauer der Exposition gegenüber Benzol. Bei der Beurteilung der kumulativen Wirkung beider Noxen sei zu berücksichtigen, daß Ergebnisse von Tierversuchen, auf die der vom SG gehörte SV hingewiesen habe, nicht ohne weiteres auf Menschen übertragbar seien. Im übrigen räume Prof. Dr. S. selbst ein, daß die Mechanismen der kombinierten Wirkung der Noxen bisher nur sehr unzureichend bekannt seien. Für eine Entschädigung wegen des kumulativen Vorliegens mehrerer Tatbestände der BKV-Liste fehle es bereits an dem Kriterium, daß jede Noxe für sich wesentlich teilursächlich für den Eintritt der Leukämie gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 15.09.1993 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und weisen darauf hin, daß der Versicherte nach einem Gespräch mit dem früheren Arbeitgeber auch dann noch gearbeitet habe, wenn sich andere Mitarbeiter wegen ungenügend gereinigter Leitungen geweigert hätten. Wenn die Beklagte von nur 7 Monate dauernden Tätigkeiten in Betrieben der chemischen Industrie und in Raffinerien ausgehe, verkenne sie, daß K. seit 1981 ständig und zum Teil über mehrere Wochen in Raffinerien eingesetzt gewesen sei.

Der Senat hat zunächst ein Gutachten von Prof. Dr. T. Leiter der Abteilung für Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum B. F. der Medizinischen Klinik und Poliklinik der Freien Universität B., vom 24.04.1996 eingeholt. Sodann hat er von den vom Zeugen P. angegebenen Raffinerien Auskünfte zu erlangen versucht über die jeweiligen Einsatzorte und Zeiträume sowie Tätigkeiten des Versicherten. Schließlich hat der Senat auf Antrag der Kläger ein fachinternistisches Gutachten gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von Prof. Dr. W., Chefarzt der Medizinischen Klinik II - Onkologie, Hämatologie, Immunologie - des St. J. D., vom 09.10.1997 eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Gutachten und auf die Auskünfte verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten verwiesen. Auf den Inhalt der den Versicherten betreffenden Verwaltungsakten sowie der beigezogenen Rentenakte der LVA Rheinprovinz, die ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Den Klägern stehen keine Hinterbliebenenleistungen (§§ 589, 590, 595 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) zu, wie aus den rechtmäßig erteilten Bescheiden vom 05.10.1992/18.03.1993 folgt. Die Klägerin zu 1) kann als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten auch keine sog. Lebzeitenleistungen wie z.B. Verletztenrente (§ 581 RVO) beanspruchen, wie die Beklagte mit Bescheiden vom 20.06./18.09.1989 ebenfalls zutreffend entschieden hat. Es läßt sich nämlich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachweisen, daß die akute myeloische Leukämie, an der K. erkrankt war und an deren Folgen er verstorben ist, eine BK war.

Die geltend gemachten Ansprüche richten sich nach den Vorschriften der RVO, da die Kläger diese auch für Zeiten vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) am 01.01.1997 erheben (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes - UVEG -, § 212 SGB VII). Nach § 551 Abs. 2 Satz 1 RVO sind BKn die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet.

Die Feststellung einer BK hat zur Voraussetzung, daß zum einen die arbeitstechnischen (haftungsbegründenden) Voraussetzungen in der Person des Versicherten gegeben sind, wobei insoweit der volle Nachweis erforderlich ist. Nachgewiesen sein muß auch eine der jeweiligen BK-Nr. entsprechende Erkrankung und diese muß i.S.d. unfallrechtlichen Kausalitätslehre (vgl. dazu Bundessozialgericht - BSG - in BSGE 1, 72, 76; BSG SozR 2200 § 551 Nr. 1; SozR 3-2200 § 548 Nr. 4, 11, 14; Bereiter-Hahn/ Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung - Stand 9/96 -, § 548 RVO Rdn. 3 und Rdn. 3.4) wesentlich ursächlich auf die belastende versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (haftungsausfüllende Kausalität). Der Ursachenzusammenhang muß zwar nicht i.S. des Vollbeweises nachgewiesen, aber wenigstens hinreichend wahrscheinlich gemacht sein. Das heißt, daß bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen müssen, daß darauf eine Entscheidung gestützt werden kann (BSGE 32, 203, 209; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; Landessozialgericht - LSG - Baden-Württemberg Breithaupt 1985, 399, 403; Bayerisches LSG Breithaupt 1985, 575, 576; Bereiter-Hahn/Schieke/ Mehrtens, a.a.O. Rdn. 3.4). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG Breithaupt 1963, 60, 61).

Die BK Nr. 2402 der Anlage zur BKV erfaßt Erkrankungen durch ionisierende Strahlen, die BK Nr. 1303 solche durch Benzol, seine Homologe oder Styrol. Daß ionisierende Strahlen zu einer Knochenmarkschädigung führen können, ist unbestritten (vgl. Anhang 2 zum Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK 2402 vom 13.05.1991, abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung - Kommentar -, M 2402 S. 1 ff., 6 c sowie die Kommentierung dazu - a.a.O. Anm. 3.2 - S. 8 "myeloische Leukämie"). Auch bezüglich der BK 1303 ist nach Abschnitt II des vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblatts vom 24.02.1964 (abgedruckt in Mehrtens/Perlebach, a.a.O. M 1303 S. 1 ff.) anerkannt, daß die Einwirkung von Benzol über einen längeren Zeitraum zu schweren Schädigungen des blutbildenden Systems (Knochenmark) führen kann. Benzol ist als krebserregender Arbeitsstoff bekannt; er kann neben akuter Leukämie auch zu chronischer myeloischer Leukämie führen (vgl. Mehrtens/ Perlebach, a.a.O. Anm. 4 S. 9).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Gerichtsverfahren und den Ermittlungen des TAD im Verwaltungsverfahren war der Versicherte während der Tätigkeit im KKW von Mai bis Dezember 1983 einer Belastung durch radioaktive Strahlen von insgesamt 19,9 mSv ausgesetzt. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer BK Nr. 2402 sind danach grundsätzlich gegeben. Soweit Dr. A. und Prof. Dr. F. von einer durch versicherte Tätigkeit entstandenen Strahlengesamtdosis von 29,5 mSv ausgegangen sind, haben diese sich auf den Bericht des TAB Dipl.-Ing. S. vom 04.06.1987 gestützt ohne zu bemerken, daß dabei die Strahlendosen teilweise doppelt angerechnet wurden, wie Prof. Dr. S. am 28.01.1991 nachgewiesen hat.

Eine Exposition des Versicherten gegenüber Benzol ist dagegen nicht mit einer auch nur annähernd ähnlichen Genauigkeit erwiesen. Aufgrund der Tatsache, daß der Versicherte Montagearbeiten in chemischen Werken und Raffinerien verrichtet hat, wird ein Kontakt mit Benzol für wahrscheinlich gehalten, wobei Prof. Dr. B. von einer maximalen Expositionsdauer von 7 Monaten, Prof.Dr. T. von einer solchen von 9 Monaten ausgeht. Beide Gutachter haben aber hervorgehoben, daß eine genauere Abschätzung der tatsächlichen Benzoleinwirkung nicht möglich sei, weil Angaben über Art, Intensität und Zeitdauer der Exposition fehlten. Insoweit haben auch die Ermittlungen des Senats durch Rückfragen bei der Beschäftigungsfirma des Versicherten, deren Geschäftsunterlagen für die in Rede stehenden Zeiträume größtenteils nicht mehr existieren, und durch Auskunftsersuchen bei den benannten Industriebetrieben keine weiteren Erkenntnisse erbracht. Wird - wie durch Prof. Dr. T. geschehen - eine berufliche Belastung durch Benzol für sogar 9 Monate angenommen und zugunsten der Kläger unterstellt, so ist - wovon auch die Beklagte ausgegangen ist - zwar die haftungsbegründende Kausalität auch für die Entstehung einer BK nach Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV dargetan. Es ist daher grundsätzlich möglich, daß die Erkrankung des K. ursächlich auf Schadstoffeinwirkungen infolge seiner beruflichen Tätigkeit zurückzuführen ist, wie der SV in Übereinstimmung mit Prof.Dr. B., dessen Feststellungen im Gutachten vom 24.08.1992 urkundsbeweislich zu verwerten waren, dargelegt hat und wovon auch Prof. Dr. W. ausgeht.

Der Senat hat aber unter Beachtung der oben dargelegten rechtlichen Voraussetzungen nach dem Gesamtergebnis der arbeitstechnischen und medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht feststellen können, daß die in Rede stehende tödliche Erkrankung des Versicherten mit Wahrscheinlichkeit auf Einwirkungen bzw. auf das Zusammentreffen von den in den BK en Nr. 2402 und 1303 der Anlage zur BKV erfaßten Schadstoffen zurückzuführen ist.

Dabei ist insoweit dem rechtlichen Ansatz des SG zu folgen, daß grundsätzlich das Zusammenwirken von ionisierenden Strahlen und von Benzol, seinen Homologen oder Styrol ausreichend wäre, um Entschädigungsansprüche wegen einer BK zu begründen. Nach der Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, wäre es unter dem Zweck des § 551 RVO sachlich nicht zu begründen, die Leistungen nur deshalb zu versagen, weil nicht eine einzelne in der BKV angeführte schädigende Einwirkung, sondern nur das Zusammenwirken mehrerer unter verschiedenen BK-Nrn. erfaßter schädigender Noxen für die Bluterkrankung des Versicherten verantwortlich wäre (vgl. BSG, Urteil vom 12.06.1990 - 2 RU 14/90 -).

Entgegen dem SG hat sich jedoch nicht erweisen lassen, daß hier ein solches Zusammenwirken die akute myeloische Leukämie verursacht hat. Der Senat stützt sich insoweit vor allem auf das einleuchtende und überzeugende Gutachten von Prof. Dr. T. Danach ist von folgendem auszugehen:

Die unmittelbare Todesursache beim Versicherten, die interstitielle Pneumonie als infektiöse Komplikation nach allogener Knochenmarkstransplantation, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der akuten myeloischen Leukämie. Damit ist K. an den Folgen dieser Grunderkrankung gestorben.

1. Hinsichtlich der Benzolexposition hat Prof. Dr. T. unter Erläuterung der Studie von Rinsky aus 1981 - fortgeführt 1987 - an benzolexponierten Arbeitern der amerikanischen Gummiindustrie, erweitert durch die Studie von Brett et. al. von 1989 ("PliofilmKohorte") als der umfassendsten zur Verfügung stehenden Grundlage zur Risikoabschätzung sowie unter Hinweis auf den relativ kurzen Zeitraum der möglichen Benzolexposition und die fehlenden Daten zu Art und Ausmaß einen ursächlichen Zusammenhang mit der Entstehung der Leukämie nicht für wahrscheinlich angesehen. Dies hat er u.a. damit begründet, daß sich in den erwähnten Studien zwar keine erhöhte Mortalität, auch keine erhöhte Mortalität an bösartigen Erkrankungen gefunden habe, aber mehr Leukämiefälle als statistisch erwartet. Es habe sich eine positive Korrelation zwischen kumulativer Benzolexposition und dem Leukämierisiko ergeben. Letzteres habe mit zunehmender kumulativer Benzolbelastung sehr stark zugenommen. Gehe man von einer technischen Richtkonzentration für Benzol von 5 ppm (parts per million) und einem Expositionszeitraum von 9 Monaten aus, sei von einer standardisierten Mortalitätsrate von 109 auszugehen, was einem relativen Risiko von 1,09 entspreche. Nach anderen Autoren sei ein zusätzliches Lebenszeit-Leukämierisiko von 0,5 - 6,4 pro 1000 Personen anzunehmen. Zu berücksichtigen sei auch, daß von manchen Autoren die heutige alltägliche Umweltbelastung durch Benzol mit einer erhöhten Leukämierate in Verbindung gebracht werde.

Da auch Prof. Dr. B. sowie der gemäß § 109 SGG gehörte SV Prof. Dr. W. zum selben Ergebnis gekommen sind, bestehen keine begründeten Zweifel daran, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Benzolexposition und der Leukämie des Versicherten nicht wahrscheinlich zu machen ist. Soweit in dem Zusammenhang Prof. Dr. S ... in seinem strahlenbiologischen Gutachten vom 06.03.1992 von "offensichtlich größeren Expositionen" des K. insbesondere gegenüber Benzol spricht, und die Kläger darauf hinweisen, daß der Versicherte auch dann noch weitergearbeitet habe, wenn sich andere Mitarbeiter (z.B. bei ungenügend gereinigten Leitungen) geweigert hätten, bzw. K. in den Raffinerien Reinigungsarbeiten an Kesseln und Rohren verrichtet habe und deshalb gegenüber Benzol besonders stark exponiert gewesen sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die von Prof. Dr. S. angenommenen "offensichtlich größeren Expositionen" gegenüber Benzol sind - wie die danach durchgeführten Ermittlungen ergeben haben - nicht nachgewiesen.

2. Zwischen der Leukämie des Versicherten und der Strahlenexposition ist ein ursächlicher Zusammenhang ebenfalls nicht wahrscheinlich.

Zu diesem Ergebnis gelangt Prof. Dr. T.in Übereinstimmung mit Dr. und Prof. Dr. F., deren Gutachten ebenfalls im Wege des Urkundsbeweises zu würdigen waren, sowie in Übereinstimmung mit Prof. Dr. S. Zur Begründung hat Prof. Dr. T. in einleuchtender Weise folgendes dargelegt: Es ist nicht möglich, eine durch Strahlenexposition entstandene Leukämie- oder Krebserkrankung eindeutig von einer nicht durch eine solche Exposition verursachten Erkrankung zu unterscheiden. Aufschluß über das Ausmaß der Leukämieentstehung bei Menschen nach Strahlenexpositionen geben daher epidemiologische Studien, in denen exponierte Personengruppen mit nicht exponierten verglichen werden. In dieser Hinsicht sind zum einen die Überlebenden der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki untersucht. Die Ergebnisse dieser sowie einer aktualisierten Untersuchung der Leukämiefälle, die in Hiroshima und Nagasaki zwischen 1950 und 1987 aufgetreten waren, weisen darauf hin, daß es auch unterhalb der statistisch signifikanten Erhöhung der Leukämiehäufigkeit bei Strahlendosen von 0,5 Gy (Gray) - was 500 mSv oder 50 rem entspricht -, ein statistisch erfaßbar erhöhtes Leukämierisiko gibt. Im niedrigen Dosisbereich sind diese Effekte statistisch jedoch nicht mehr meßbar. Da man bei durch ionisierende Strahlen verursachten malignen Erkrankungen prinzipiell davon ausgeht, daß es keinen Schwellenwert gibt (sogenannte stochastische Effekte), daß also jede noch so kleine Strahlendosis einen Schaden bewirken kann, extrapoliert man die Werte aus dem hohen in den niedrigen Dosisbereich, was jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet ist (vgl. dazu auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 5. Aufl. S. 1002 ff., 1007 sowie Mehrtens/Perlebach, a.a.O. M 2402 Anm. 3.2 S. 8).

Zur Auswirkung ionisierender Strahlen sind zudem epidemiologische Studien an Arbeitern der nuklearen Industrie in Großbritannien und in den USA durchgeführt sowie eine kombinierte Analyse aller Daten aus diesen beiden Ländern und Kanada vorgenommen worden, bei denen im Gegensatz zu Hiroshima und Nagasaki vor allem die Exposition gegenüber niedrigen Strahlendosen über lange Zeiträume eine Rolle spielt.

Sowohl bei der Extrapolation aus dem hohen Dosisbereich als auch bei der epidemiologischen Untersuchung der Beschäftigten der nuklearen Industrie ergeben sich aber so große Unsicherheiten bei der Abschätzung des relativen Risikos im niedrigen Dosisbereich, daß von diesen Daten eine direkte Ableitung einer Wahrscheinlichkeit für die Krankheitsverursachung im Einzelfall nicht möglich ist. Unter Zugrundelegung der in den USA entwickelten "Probability of Causation"-Tabellen, bei denen die Dosis, das Alter bei Exposition, die Latenzzeit von Exposition bis zur Diagnosestellung, die Strahlensensibilität des betroffenen Organs und das allgemeine Risiko berücksichtigt werden, hat Prof. Dr. F. für eine (zu hohe) Ganzkörperdosis von 30 mSv das Erkrankungsrisiko des Versicherten mit 1,2 % ermittelt. Nach Auffassung des vom Senat gehörten SV Prof. Dr. T. ist unter Berücksichtigung einer 1995 erstellten kombinierten Analyse von Daten aus den USA, Großbritannien und Kanada bei den dort ermittelten Fällen einer akuten myeloischen Leukämie ein relatives Risiko von 1,34 für 100 mSv ermittelt worden, was 1,068 bezogen auf 20 mSv entspricht.

Eine Erhöhung des Leukämierisikos durch berufliche Strahleneinwirkung um 1-2 % reicht aber zur Feststellung der Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhanges nicht aus, wie das BSG schon 1974 entschieden hat (BSG in Breithaupt 1974, 1021 ff; ebenso Mehrtens/ Perlebach, a.a.O.; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.).

War dies im Ergebnis auch die Einschätzung Prof. Dr. F. und Prof. Dr. S. - letzterer hat als hinreichend sichere Meßdaten für eine strahlenbedingte Induktion von Leukämien solche von 100 mSv und mehr angesehen -, so kann demgegenüber das Ergebnis des Gutachtens von Prof. Dr. W. nicht überzeugen. Ausgehend von denselben o.g. Grundlagen muß dieser SV einräumen, daß die Schwierigkeit darin liegt, die Wahrscheinlichkeit einer Leukämieentstehung bei sehr niedrigen Dosen ionisierender Strahlung zu quantifizieren. Wenn auch er die Durchführung einer genauen Quanitifzierung der Wahrscheinlichkeit sodann für ausgeschlossen hält, sie im Ergebnis aber "sicherlich höher (einschätzt) als die in Frage 1 (der Beweisanordnung) genannte bloße Möglichkeit der Verursachung", vermag er dies nicht hinreichend zu begründen. Denn er korrigiert die von Prof. Dr. S. errechnete Eintrittswahrscheinlichkeit sogar noch nach unten, weil die Erkrankung bei dem Versicherten nach einer nur ca. halb so langen Latenzzeit ausgebrochen sei. Und seine "verschiedenen Überlegungen", daß die Berechnung Prof. Dr. S, "die rein auf epidemiologischen Daten beruht, mit all ihren Schwierigkeiten (Schwierigkeiten der Datenerhebung der Hiroshima- und Nagasaki- Opfer, Schwierigkeiten bei der Definition einer Leukämie, die sicherlich auch stark vom Untersucher abhängig ist) eher wesentlich höher liegt", sind lediglich die folgenden: Außer der Exposition mit ionisierenden Strahlen und Benzolen bzw. dessen Derivaten hätten keine weiteren Ursachen, insbesondere eine medikamentöse Belastung, eruiert werden können und auch eine familiäre Tumorbelastung sei anhand der Unterlagen nicht zu erkennen.

Bei dieser Argumentation läßt Prof. Dr. W. jedoch außer acht, daß unbestritten von einer Vielzahl von Leukämiefällen auszugehen ist, bei denen eine Ursache gerade nicht zu finden ist. Selbst wenn also vorliegend "keine weiteren Ursachen" in Betracht kämen, ließe dies nicht den Schluß auf die ionisierende Strahlung als wahrscheinliche Ursache der Leukämieerkrankung zu.

Auch das Alter des K. spricht jedenfalls nicht mit der von Prof. Dr. W. angenommenen "hohen Wahrscheinlichkeit" für das der akuten myeloischen Leukämie vorangegangene sogenannte sekundäre myelodysplastische Syndrom (MDS). Dazu hat Prof. Dr. T. überzeugend ausgeführt, daß das relativ junge Alter zwar dafür sprechen könnte, daß eine Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen bei der Krankheitsentstehung eine Rolle gespielt haben könne - so auch schon Dr. A ... -. Wenn aber - so der SV - bereits 1983 Symptome vorhanden gewesen seien, die Ausdruck eines MDS sein können, und darauf deuteten die Angaben der Klägerin zu 1) über bereits 1983 vorliegende Symptome wie Haarausfall, Appetitlosigkeit, Müdigkeit und Abgeschlagenheit hin, spreche die Parallelität von Expositionen und Symptomen gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Nach Überzeugung des Senats relativiert sich damit die von Prof. Dr. W. wegen des Alters des Versicherten angenommene "hohe Wahrscheinlichkeit", wenn er bei seiner Annahme andere, dagegen sprechende klinische Aspekte unberücksichtigt läßt. Dazu gehört auch, daß nach Prof. Dr. T. der Befund der Beckenkammbiopsie des Krankenhauses N., wo im August 1986 eine deutliche Vermehrung der Zellelemente und keine Faservermehrung festgestellt wurde, eher untypisch für ein durch ionisierende Strahlen induziertes MDS ist, weil dies meist mit einer Verminderung der Zellzahl im Knochenmark sowie einer gesteigerten Fibrose (Faservermehrung) oder einem häufigeren Auftreten von Ringsideroblasten verbunden ist.

Eine entsprechende Relativierung enthält außerdem auch die zusammenfassende bejahende Antwort auf die Frage nach dem Vorliegen einer BK 2402, wenn Prof. Dr. W. ergänzend ausführt, hinzu komme, daß die berufliche Anamnese lückenhaft sei und den Berechnungen zur Wahrscheinlichkeit nur die gesicherte Strahlenbelastung zugrunde gelegt werde, die tatsächlicher Strahlenbelastung möglicherweise jedoch höher gewesen sei. Abgesehen davon, daß von der Strahlenbelastung als maßgeblicher tatsächlicher Gegebenheit nur die mit Gewißheit bewiesene berücksichtigt werden kann, deutet diese Aussage des SV auf einen geringeren Wahrscheinlichkeitsgrad für die Verursachung der Leukämie durch die bewiesene Strahlenbelastung hin.

3. Was das Zusammenwirken der ionisierenden Strahlen und des Benzols anbelangt, ist nach den insoweit übereinstimmenden Ausführungen von Prof. Dr. T. und Prof. Dr. S. eine synergistische Wirkung zwar denkbar, insgesamt sind die komplexen Wechselwirkungen zwischen Benzol und ionisierenden Strahlen jedoch nur unzureichend bekannt. Wenn Prof. Dr. T. daher bei dieser unzureichenden Kenntnis über die Wechselwirkungen eine potenzierende Wirkung der beiden Noxen zwar für möglich, jedoch für nicht ausreichend belegt hält, weil diese Wechselwirkungen auch von Faktoren der individuellen Strahlenempfindlichkeit, der Dosen und der zeitlichen Abfolge der Expositionen abhängen dürften, kommt er einleuchtend zu dem Schluß, daß eine synergistische Wirkung zwischen einer Benzolexposition und der Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen zwar denkbar und möglich ist, sich jedoch keine Aussage über ihre Wahrscheinlichkeit im Einzelfall machen läßt.

Demgegenüber kann Prof. Dr. S., der kein Mediziner ist und davon ausgeht, daß "bei einer kombinierten Exposition von ionisierenden Strahlen (etwa 20 mSv) und Benzol (in beträchtlicher Höhe) zu erwarten ist, daß die Leukämie früher nach Bestrahlung (kürzere Latenzzeit) und mit höherer Eintrittswahrscheinlichkeit (Faktor 2 und mehr) auftritt" und die Eintrittswahrscheinlichkeit bei dem Versicherten mit mehr als 60 % anzusetzen sei, sein Ergebnis nicht hinreichend nachvollziehbar begründen. Denn einerseits muß er zugestehen, daß die Unsicherheiten der Risikoabschätzung im Bereich der Beurteilung kombinierter Expositionen groß ist, und zum anderen vermag er zur Begründung nur anzugeben, daß in Tierexperimenten auch bei der Tumorinduktion nach kombinierten Expositionen von Strahlen und Substanzen Verstärkungsfaktoren von 2 und höher beobachtet worden seien. Abgesehen davon, daß Prof. Dr. S. ohne jeglichen Beleg unterstellt, der Versicherte sei vorliegend "erheblichen" Expositionen von Benzol bzw. einer Benzolexposition "in beträchtlicher Höhe" ausgesetzt gewesen, können Tierexperimente allenfalls als Hinweis darauf gewertet werden, daß die kombinierte Einwirkung dieser Noxen zu einer früheren Erkrankung führen oder eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit zur Folge haben kann. Darauf jedoch Aussagen zum konkret vorliegenden Einzelfall des Versicherten zu gründen, ist um so weniger einsehbar, als die Ergebnisse von Tierexperimenten, worauf Prof. Dr. T. hinweist, nicht ohne weiteres auf Menschen übertragbar sind und genaue Daten über die Höhe und Dauer der Benzolexpositionen des Versicherten eben nicht vorhanden sind.

Ebensowenig wie Prof. Dr. S. überzeugt Professor Dr. W., der das Ergebnis seiner Begutachtung, das zum Tode führende Leiden des K. sei sogar mit "größter Wahrscheinlichkeit" durch eine Kombination der Strahlen- und Benzolexpostion verursacht worden, ebenfalls nicht hinreichend zu begründen vermag. Denn wenn auch er einräumt, daß es über das Zusammenwirken von ionisierenden Strahlen und Benzolexpositionen wenig konkrete Daten gibt und im Hinblick auf die komplexen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Noxen wie Benzol und Strahlen noch viele Dinge nicht aufgeklärt wurden, bleibt auch er eine Begründung dafür schuldig, warum gleichwohl "auch bei dem Zusammenwirken von ionisierenden Strahlen und Benzolexpositionen von einer nicht nur additiven, sondern potenzierenden Wechselwirkung ausgegangen werden muß bzw., da möglicherweise Benzol eine promovierende Wirkung auf die Strahlenreaktion haben kann", hiervon ausgegangen werden müsse. Ihm ist zwar zuzustimmen, daß man der Sachlage sicherlich nicht gerecht wird, wenn hinsichtlich der einzelnen schädigenden Substanzen eine getrennte Risikobeurteilung vorgenommen wird, dies ändert jedoch nichts dran, daß insbesondere eine Risikobeurteilung für die Zusammenwirkung der beiden schädigenden Substanzen nach Stand von Wissenschaft und Forschung nicht quantifizierbar ist und darüber hinaus valide Daten über die Benzolexposition des Versicherten fehlen. Daß es aufgrund von Untersuchungen an Opfern der Hiroshima- und Nagasaki-Katastrophen lediglich "Anhaltspunkte" über die verstärkende Wirkung von Benzol auf die schädigenden Einflüsse der ionisierenden Strahlen auf das blutbildende System gibt, reicht zur Begründung des Gutachtenergebnisses Prof. Dr. W. jedenfalls nicht, sondern spricht eben nur für die Möglichkeit.

Da die Beklagte somit zu Recht die Gewährung von Entschädigungsleistungen abgelehnt hat, war auf ihre Berufung das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, denn die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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