L 17 U 290/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 17 U 324/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 290/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 14/99 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 2. September 1997 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger, der als Profi-Fußballer tätig gewesen ist, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des besonderen beruflichen Betroffenseins wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls Verletztenrente zu gewähren ist.

Der 1968 geborene Kläger, der nach Erwerb der mittleren Reife den Beruf eines Schmelzschweißers erlernte, wurde vom ... B ... 1848, Fußballgemeinschaft e.V., für die Zeit vom 01.07.1989 bis 30.06.1991 als Vertragsamateur für den Fußballsport gegen eine monatliche Vergütung von 4.000,-- DM brutto verpflichtet. Für die Zeit bis zum 30.06.1992 wurde er gegen eine monatliche Zahlung von 4.500,-- DM brutto als Vertragsamateur weiter verpflichtet. Durch Arbeitsvertrag vom 09.04.1992 wurde er als Lizenzspieler für die Zeit vom 01.07.1992 bis 30.06.1994 bei einem monatlichen Grundgehalt von 5.000,-- DM angestellt. Durch Zusatzvereinbarung vom 06.06.1993 wurde eine Jahresleistungsprämie in Höhe von 102.000,-- DM zusätzlich zu dem Grundgehalt je nach Anzahl der prozentual bestrittenen Meisterschaftsspiele vereinbart.

Am 11.08.1992 erlitt der Kläger beim Fußballtraining einen Zusammenstoß mit einem anderen Spieler. Dr. R ... diagnosti zierte im Durchgangsarztbericht vom 12.08.1992 eine Zerrung der Bauchmuskulatur rechts. Arbeitsfähigkeit wurde zum 30.10.1992 attestiert. Wegen anhaltender Beschwerden und Schmerzen war der Kläger jedoch ab dem 29.11.1992 wieder arbeitsunfähig. Wegen dieser Beschwerden erfolgte am 14.12.1992 eine Operation in der A ...-Klinik in A ... Der Operateur Prof. Dr. M ... bescheinigte eine posttraumatische Läsion. Der Chirurg/ Unfallchirurg Dr. G ... hielt unter dem 18.01.1993 diesen Befund für zutreffend. Demgegenüber befand der Oberarzt der Abteilung für Chirurgie der H ...-Stiftung E ..., R ..., in seinem Gutachten vom 29.04.1993 lediglich noch eine Narbenbildung im Bereich der rechten und linken Leiste und schätzte die verbliebene Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - mit 10 v.H. ein.

Nachdem der Kläger vom 03.04. bis 24.08.1993 wieder als arbeitsfähig bei weiterhin bestehenden Beschwerden angesehen und in drei Spielen der 2. Bundesliga eingesetzt worden war, stellte er sich am 24.08.1993 bei Dr. G ... als Durchgangsarzt erneut vor und gab an, er sei bei einem Trainingszweikampf am 19.08.1993 vom Gegner weggedrückt worden und habe anschließend Schmerzen in der linken Leiste verspürt. Dr. G ... diagnostizierte eine Zerrung der linken Leiste bei Vorschaden, bescheinigte unter dem 08.10.1993 eine Lückenbildung im Bereich der früheren Operation und nahm infolgedessen eine nunmehr festgestellte Schmerzhaftigkeit unterhalb der Leiste und Verhärtung in der linken Kniekehle als Unfallfolge an. Arbeitsfähigkeit bescheinigte er zum 19.11.1993. Wegen anhaltender Beschwerden und mangelndem Leistungsvermögen nahm der Kläger jedoch nur noch am Training teil und beantragte, nachdem der ... B ... eine Vertragsverlängerung abgelehnt hatte, die Gewährung beruflicher Rehabilitationsleistungen.

Bezüglich des zuvor gestellten Antrages auf Gewährung von Verletztenrente veranlaßte die Beklagte eine Begutachtung durch Prof. Dr. E ..., Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des St. R ...-H ... C ...-R ... Dieser führte unter dem 19.04.1994 aus, Verletzungsfolgen seien nicht objektivierbar. Seitens des Operateurs, der entsprechende Fälle offensichtlich an sich zu ziehen verstehe, seien keine klaren Befunde festgehalten worden. Der Kläger gebe lediglich Schmerzen im Ansatzbereich der Adduktoren am Schambein links als Unfallfolge an. Objektive Daten, die für eine Minderbelastung des linken Beins sprächen, seien kaum zu erhalten. Ein Muskeldefizit von 1 cm bis 1,5 cm an den Ober- bzw. Unterschenkeln sei mit der Tatsache zu erklären, daß der Kläger Rechtshänder sei. Der Kläger gebe ferner Beschwerden bei Extrembewegungen wie dem Sprint, Hochsprung etc. an. Solche Extrembelastungen kämen jedoch relativ selten vor, so daß sie die Minderbemuskelung nicht erklärten. Plausibel sei aber, daß der Kläger behaupte, durch diese Momente, insbesondere im Zweikampf, benachteiligt zu sein. Geprüft werden müsse daher das Vorliegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit. Gehe man von der Glaubwürdigkeit des Klägers aus, so bestünde eine bei Höchstbelastung auftretende Schmerzhaftigkeit der Adduktorenansätze am linken Schambein, die das Erbringen von Höchstleistungen verhindere. Unter diesen Umständen könne die MdE auf 20 v.H. geschätzt werden.

Mit Bescheid vom 26.07.1994 erkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalls vom 11.08.1992 einen Zustand nach operativ versorgter Zerrung der geraden Bauchmuskulatur im Übergang von den Muskelbäuchen auf den Muskelansatz am Schambein rechts an, lehnte aber die Gewährung einer Rente ab, weil diese Verletzungsfolgen keine MdE in rentenberechtigendem Grade begründeten und ein besonderes berufliches Betroffensein des Klägers nicht gegeben sei. Als 25-Jähriger habe er noch kein hohes Lebensalter erreicht und es handele sich bei der Tätigkeit als Fußballprofi nicht um einen Ausbildungsberuf oder einen solchen, in dem Spezialkenntnisse erworben würden. Schließlich sei der Kläger gegenüber anderen zumutbaren Tätigkeiten noch nicht entfremdet.

Der Kläger legte am 29.08.1994 Widerspruch ein und berief sich auf die Darlegungen von Prof. Dr. E ... Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.1994 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 21.11.1994 vor dem Sozialgericht - SG - Dortmund Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, es sei allgemein bekannt, daß die Tätigkeit eines Lizenz-Fußballspielers grundsätzlich nur innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums ausgeübt werden könne und er im Unfallzeitpunkt daher die Hälfte seiner voraussehbaren überhaupt möglichen Karrierezeit geleistet habe. Der Kläger hat des weiteren für private Versicherungen erstellte Gutachten von dem Orthopäden Dr. K ...-D ... (20.12.1994), dem Chefarzt der Orthopädischen Abteilung C des Krankenhauses für Sportverletzte H ..., Dr. W ... (18.12.1994) und Prof. Dr. R ... von der Chirurgischen Klinik der Medizinischen Einrichtungen der H ...- H ...-Universität D ... (07.12.1995), vorgelegt, auf welche Bezug genommen wird.

Das SG hat den Kläger angehört und ein Gutachten von dem Orthopäden/Chirurgen Dr. W ... in B ... eingeholt. Dieser ist unter dem 05.03.1997 zu dem Ergebnis gelangt, als Folge der am 11.08.1992 erlittenen Verletzung fände sich eine linksseitige, chronisch persistierende Tendinose der hüftanspreizenden Muskulatur am linken oberen und unteren Schambeinast mit glaubhafter Schmerzsymptomatik beim aktiven Anführen und maximalen Abspreizen des linken Hüftgelenks ohne wesentliche Funktionseinschränkung. Von einem akuten Adduktorensyndrom sei eine bei den Fußballern häufig vorkommende Insertionstendinopathie und Überlastungssyndrom im Bereich der Leiste - Gracilessyndrom - zu unterscheiden. Bei letzterem komme es durch häufige kleinere Traumata zu Verletzungen der Muskel-Sehnenansätze. Ursache seien chronisch funktionelle Überlastungen. Die Patienten berichteten über ständig wiederkehrende Sehnenansatzschmerzen ohne akutes Unfallereignis. Da der Kläger bis zum 11.08.1992 keine Beschwerden gehabt habe und der Unfallmechanismus geeignet gewesen sei, die hüftanspreizende Muskulatur an der rechten Leiste zu verletzen, müßten die genannten Gesundheitsstörungen auf das Unfallereignis vom 11.08.1992 zurückgeführt werden. Unabhängig von dem zuletzt ausgeübten Beruf sei die MdE mit 10 v.H. einzuschätzen. Ob die Voraussetzungen einer besonderen beruflichen Betroffenheit gegeben seien, könne vom medizinischen Standpunkt aus nicht geklärt werden.

Mit Urteil vom 02.09.1997 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 02.10.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.10.1997 Berufung eingelegt. Er macht geltend, schon aus medizinischen Gründen sei seine Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. gemindert. Da er infolge der Verletzungen eine berufliche Neuorientierung habe vornehmen müssen, sei auch ein besonderes berufliches Betroffensein gegeben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Dortmund vom 02.09.1997 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.07.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.1994 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 11.08.1992 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu bewilligen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, daß die Voraussetzungen für ein besonderes berufliches Betroffensein beim Kläger nicht gegeben sei en. Die insoweit erforderlichen Merkmale eines höheren Alters des Verletzten und längere Dauer der Ausübung einer speziellen beruflichen Tätigkeit seien nicht erfüllt. Die Tätigkeit als Profi-Fußballer sei allein schon aufgrund der körperlichen Anforderungen befristet. Eine Neuorientierung des Klägers sei durch Gewährung einer beruflichen Rehabilitation eingeleitet und eine Umschulung zum Reiseverkehrskaufmann bewilligt worden, welches eine sozial gleichwertige Maßnahme gegenüber der abgeschlossenen Ausbildung zum Schmelzschweißer bedeute. Ein Großteil des Einkommens des Klägers sei an leistungsabhängige Prämien gebunden gewesen. Die vereinbarten Grundgehälter lägen hingegen in einer Größenordnung, die unterhalb der bisher von der Beklagten erbrachten Sozialleistungen - Verletztengeld und Übergangsgeld - lägen. Ein eventueller Erwerbsschaden allein rechtfertige nicht die Annahme einer beruflichen Betroffenheit. Die gegenteilige Annahme unter den gegebenen Voraussetzungen, daß der Kläger erst sechs Wochen den Status eines Lizenzspielers und nach eigenen Angaben noch keinen Stammplatz in der ersten Mannschaft gehabt habe, würde zu weitreichenden Konsequenzen im Bereich des Profi-Fußballertums führen.

Mit Bescheid vom 28.07.1998 hat die Beklagte die gewährte Umschulungsmaßnahme abgebrochen, nachdem der Umschulungsbetrieb aus Verhaltensgründen das Ausbildungsverhältnis gekündigt hatte.

Der Senat hat den Kläger angehört und eine Auskunft des ... B ... 1848, Fußballgemeinschaft e.V., eingeholt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22.04.1998 und das Schreiben der Rechtsanwälte P ... und B ... als Bevollmächtigte des ... B ... vom 15.06.1998 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung den Rechtsstreit entscheiden, denn die Beteiligten haben sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger auf grund des Arbeitsunfalls vom 11.08.1992 keinen Anspruch auf Verletztenrente hat.

Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung - RVO -, weil sich der Unfall, dessen Entschädigung der Kläger begehrt, vor dem Inkrafttreten des Siebten Sozialgesetzbuchs - SGB VII - zum 01.01.1997 ereignet hat (Art. 36 Unfallversicherungs- Einordnungsgesetz - UVEG -, § 212 SGB VII).

Gemäß §§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO erhält der Verletzte eine Rente, wenn die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert und die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel gemindert ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, weil die Verletzungsfolgen des Arbeitsunfalls vom 11.08.1992 keine MdE um 20 v.H. bedingen.

Diese stellen sich, wie der gerichtliche Sachverständige Dr. W ... zur Überzeugung des Senats dargelegt hat, im wesentlichen als eine ausgeheilte rechtsseitige und chronisch persistierende linksseitige Insertionstendopathie (Reizzustände der Muskelansätze) der hüftanspreizenden Muskulatur am linken oberen und unteren Schambeinast ohne wesentliche Funktionseinschränkung des linken Hüftgelenkes bei Zustand nach beiderseitiger operativer Einkerbung der geraden Bauchmuskulatur und der hüftanspreizenden Muskulatur sowie operativer Revision der linken Leiste und Verschluß eines direkten Leistenbruchs in der Technik nach Shouldice dar. Diese Beurteilung entspricht derjenigen des Prof. Dr. E ..., die vom Senaturkundsbe weislich zu verwerten war, wie auch teilweise der in den vom Kläger im Gerichtsverfahren vorgelegten Gutachten für seine Privatversicherungen. Diese Gesundheitsstörungen bedingen allenfalls eine MdE um 10 v.H ... Zwar fehlen in bezug auf derartige Verletzungen einschlägige Erfahrungswerte für die Bewertung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung (zu deren Bedeutung vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 23, 27 und 28); angesichts der mit diesen Verletzungen einhergehenden Beeinträchtigung der Beweglichkeit insbesondere im Hüftgelenksbereich bietet sich aber ein Vergleich mit den für letztere Beeinträchtigung geltenden Erfahrungswerten an. Eine MdE um 20 v.H. wird aber bei der Hüftgelenksverletzung erst bei einer infolgedessen eingetretenen deutlichen Muskelminderung von mehr als 2 cm mit Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk bis 30-50° und leichter Gangbehinderung (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl., S. 612) oder eine solche um 25 v.H. bei einer sog. schnappenden Hüfte mit Schwächung der Standfestigkeit des Beines (Mehrhoff/ Muhr, Unfallbegutachtung, 10. Aufl., S. 152) erreicht. Daß ein entsprechender Zustand beim Kläger nicht gegeben ist, ist offensichtlich. Bei ihm liegt weder eine wesentliche Muskelminderung noch Funktionsein buße vor und er wird durch die Verletzungsfolgen lediglich gehindert, extreme Belastungen, wie sie insbesondere im Profisport vorkommen, auszuhalten bzw. besonders schnelle Bewegungen auszuüben.

Obwohl der Senat danach mit den Gutachtern Prof.Dr. E ... und Dr. W ... davon ausgeht, daß der Kläger infolge seiner Unfallverletzungen seinen Beruf als Fußballprofi nicht mehr ausüben kann, rechtfertigt dieser Umstand nicht die Erhöhung der MdE unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 581 Abs. 2 RVO auf wenigstens 20 v.H ... Nach § 581 Abs. 2 RVO sind bei der Bemesserung der MdE Nachteile zu berücksichtigen, die der Verletzte dadurch erleidet, daß er bestimmte, von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Unfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen kann, soweit sie nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihm zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Durch diese Vorschrift soll nicht der für die Bemessung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung geltende Grundsatz der abstrakten Schadensbestimmung durchbrochen werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 1 m.w.N.; Brackmann/ Burchardt, Handbuch der Sozialversicherung - Gesetzliche Unfallversicherung -, 12. Aufl., § 56 Rdn. 98; Kater/ Leube, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII, § 56 Rdn. 73, Schmitt, Kommentar zum SGB VII, § 56 Rdn. 30). Ermöglicht wird jedoch die Berücksichtigung einer individuellen Sonderstellung des Verletzten (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 2 = BSGE 38, 118), um im Einzelfall unbillige Härten zu vermeiden, die infolge der verletzungsbedingten Aufgabe des Berufs und des Fortfalls der Verwertbarkeit erlernter Fähigkeit im Erwerbsleben entstanden sind (BSG SozR 3- 2200 § 581 Nr. 1; Brackmann/ Burchardt a.a.O. § 56 Rdn. 99; Ricke, Kasseler Kommentar, § 581 RVO Rdn. 15). Eine solche unbillige Härte wird aber nicht schon allein durch den Umstand der Berufsaufgabe begründet (BSG SozR Nrn. 9, 10 und 12 zu § 581 RVO; Brackmann/ Burchardt a.a.O. § 56 Rdn. 101 m.w.N.). Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob besondere Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten unfallbedingt auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens nicht mehr in derselben Weise wirtschaftlich genutzt werden können wie vor dem Unfall (BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 2, 3, 8). Bei dieser Einzelfallbetrachtung sind sowohl das Alter des Versicherten, als auch die Dauer der Ausbildung und Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit sowie der Umstand zu berücksichtigen, ob die bisher ausgeübte Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 1; Brackmann/ Burchardt a.a.O. § 56 Rdn. 103; Ricke a.a.O. § 581 Rdn. 16).

In diesem Zusammenhang hat das BSG der Dauer der speziellen Berufsausübung besondere Bedeutung beigemessen (so ausdrücklich BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 1 S. 3; BSG NZS 1996, 393, 394, vgl. ferner BSGE 4, 294, 298; BSG Breithaupt 1971, 910, 912; BSG Urt. v. 30.03.1962 - 2 RU 50/59 -). Zwar ist bei einem Profifußballer, wie bei den meisten Profisportlern, von einer zeitlichen Begrenzung dieser Berufsausübung auszugehen, so daß der zeitliche Maßstab nicht in gleicher Weise wie bei sonstigen Tätigkeiten angelegt werden kann (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nr. 2; Kater/ Leube a.a.O. § 56 Rdn. 76), jedoch reicht die hier bis zum Eintritt des Arbeitsunfalls lediglich sechswöchige bzw. ca. 1 1/2 Jahre danach ohne nennenswerten Einsatz bei Liga spielen noch fortgesetzte Ausübung des Profifußballsports nicht aus. Eine derartig kurzfristige Betätigung führt nämlich weder zu einer Lösung vom allgemeinen Arbeitsmarkt noch verschafft sie eine gesicherte Position in dem entsprechenden Berufsbereich. Zwar hat der ... B ... auf Anfrage des Senats mitgeteilt, daß einer Vertragsverlängerung grundsätzlich bei Gesundheit des Klägers nichts entgegengestanden hätte, es ist jedoch bereits darauf hingewiesen worden, daß die Höhe der Vergütung von der sportlichen Form des Klägers abhängig gewesen wäre. Ob aber die sportlichen Fähigkeiten und die sportliche Entwicklung des Klägers ihm einen Stammplatz in der ersten Mannschaft des Vereins und damit die Inanspruchnahme der vereinbarten Prämienleistungen verschafft hätte, läßt sich angesichts eines so kurzen Einsatzes nicht bestätigen. Das vereinbarte Grundgehalt von 5.000,-- DM war - wenn auch überdurchschnittlich im Hinblick auf das Lebensalter und die bisherige Ausbildung des Klägers - jedenfalls aber nicht so hoch, daß es gegenüber einem Facharbeiterlohn (vgl. z.B. Lohntarifvertrag für das Maschinenbaumechaniker-, Metallbauer-, Werkzeugmacher-, Dreher-, Metallformer- und Metallgießerhand werk Nordrhein-Westfalen ab 01.01.1992 Lohngruppe 4 bis 6 mit Facharbeiterlöhnen von 18,06 DM bis 20,32 DM plus Zulagen) als erheblich günstiger angesehen werden müßte. Da der Anstellungsvertrag ohnehin auf zwei Jahre befristet war, muß im Hinblick auf die Kürze und tatsächliche Erfüllung der vertraglichen Hauptpflicht seitens des Klägers bei mehrfacher Unterbrechung der Tätigkeit durch längerfristige Arbeitsunfähigkeitszeiten das Erreichen einer gesicherten günstigen Stellung im Erwerbsleben verneint werden. Zwar bestand für ihn bei "normaler" sportlicher und gesundheitlicher Entwicklung die Aussicht, noch sieben bis acht oder sogar mehr Jahre unter deutlicher Erhöhung seiner Bezüge und Prämien den Profifußballsport auszuüben, jedoch muß eine solche im Hinblick auf die bisher erreichte Stellung letztlich ungesicherte Zukunft, wie bei der Beurteilung jeder anderen Berufstätigkeit, als bloße Chance außer Betracht bleiben (vgl. Brackmann/ Burchardt a.a.O., Rdn. 106 m.w.N.; Kater/ Leube a.a.O. § 56 Rdn. 78).

An dieser Bewertung ändert sich auch nichts, wenn man die Zeit, in der der Kläger als Vertragsamateur gespielt hat, mit berücksichtigt. Gegen deren Einbeziehung spricht allerdings schon, daß der Amateur per definitionem nur im "Nebenberuf" Sport ausübt, was regelmäßig im Rahmen des § 581 Abs. 2 RVO keine Berücksichtigung finden kann (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nr. 2; Kater/ Leube a.a.O. § 56 Rdn. 77). Unabhängig davon ist die sich dann auf etwas mehr als drei bzw. ca. 4 1/2 bis 5 Jahre verlängernde Ausübung der vertraglichen Fußballspielertätigkeit nicht geeignet, die Dauer der Ausübung der Tätigkeit und hierdurch erlangte Stellung im Erwerbsleben als für die Annahme einer unbilligen Härte i.S.d. § 581 Abs. 2 RVO wesentlich anzusehen. Weder der Verdienst, den der Kläger in dieser Zeit erzielt hat - 4.000,-- bis 4.500,-- DM - noch sein diese Tätigkeitszeit prägender Status als Amateur lassen die Feststellung zu, daß der Kläger bereits eine gefestigte oder bedeutsame Stellung im Bereich des Profisports erworben hatte.

Schließlich spricht auch das Alter, in dem der Kläger den Unfall erlitten hat, gegen die Annahme einer unbilligen Härte. Zu diesem Zeitpunkt war er 23 und im Zeitpunkt der endgültigen Aufgabe der Ausübung des Profifußballsports Ende 1993/Anfang 1994 25 Jahre alt. Ein solch jugendliches Alter schließt zwar jedenfalls dann nicht grundsätzlich die Annahme des § 581 Abs. 2 RVO aus, wenn - entsprechend obigen Ausführungen - im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit Besonderheiten gelten (BSG wie vor; Kater/ Leube wie vor). Nach der Auskunft des ... B ... entspricht es aber der Regel, daß die Spieler bis zu einem Alter von 34 bis 35 Jahren eingesetzt werden. Gleichzeitig hat der ... B ... auf das Durchschnittsalter der Spieler, die an der letzten Weltmeisterschaft teilgenommen haben, von 29,8 Jahren hingewiesen. Von einem solchen Alter war der Kläger aber weit entfernt, so daß er auch altersmäßig erst am Anfang einer Fußballer-Karriere stand und noch nicht einmal annähernd deren Höhepunkt erreicht hatte (s. dazu auch BSG SozR 2200 § 581 Nr. 2).

Insbesondere im Hinblick auf das Alter des Klägers sieht der Senat keine für diesen unzumutbaren Hindernisse einer angemessenen beruflichen Neuorientierung. Selbst wenn man aufgrund der von der Beklagten gewährten Umschulungsmaßnahme davon ausgeht, daß der Kläger seinen Lehrberuf nicht mehr ausüben kann - was durch die im vorliegenden Verfahren eingeholten Gutachten allerdings nicht gestützt wird -, und unter Berücksichtigung des Abbruchs dieser Maßnahme sind keine Umstände ersichtlich, die gegen eine erfolgreiche Wiedereingliederung des Klägers in ein adäquates Berufsleben sprächen. Der Abbruch beruhte auf Fehlzeiten, die in keinem wesentlichen Zusammenhang mit den Unfallverletzungen gestanden haben. Unabhängig davon hat der Kläger gegen den Aufhebungsbescheid der Beklagten Widerspruch eingelegt, da er sich auch selbst durchaus in der Lage sieht, das Umschulungsziel zu erreichen.

Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände vermag allein der vom Kläger beklagte Verlust eines Teils seiner Lebensfreude und Leidenschaft, die er bei der Ausübung des Fußballsports genossen hat, die Annahme einer unbilligen Härte nicht zu begründen.

Schließlich kommt die Anwendung des § 581 Abs. 2 RVO auch nicht in bezug auf den erlernten Beruf eines Schmelzschweißers in Be tracht, selbst wenn man unterstellt, daß dieser unfallbedingt ebenfalls nicht mehr ausgeübt werden kann. Hierbei handelt es sich nämlich weder um einen Beruf, in dem der Kläger besondere Fähigkeiten und Kenntnisse erworben hat, noch hat der Kläger diesen zur Grundlage seines Lebensunterhalts gemacht.

Bedingen die Verletzungsfolgen des Arbeitsunfalls vom 11.08.1992 demzufolge lediglich eine MdE um 10 v.H. - die ab weichende Meinung von Prof. Dr. E ... beruhte auf der unzutreffenden Annahme eines besonderen beruflichen Betroffen seins -, so steht dem Kläger kein Anspruch auf Verletztenrente zu, da er die Voraussetzungen eines Anspruchs, welcher als Minus in seinem Klageantrag mit enthalten ist, i.S. eines sog. Stützrententatbestandes nach § 581 Abs. 3 RVO nicht erfüllt. Ist die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert und erreichen die Hundertsätze der durch die einzelnen Arbeitsunfälle verursachten Minderung zusammen wenigstens die Zahl 20, so ist für jeden, auch einen früheren Arbeitsunfall Verletztenrente zu gewähren (§ 581 Abs. 3 Satz 1 RVO). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

Der weitere Trainingsunfall vom 19.08.1993 hat keine eigenständigen Verletzungsfolgen, die eine meßbare MdE bedingen, hinter lassen, sondern anläßlich dessen sind lediglich die durch den Unfall vom 11.08.1992 erlittenen Verletzungen erneut zu Tage getreten, wovon sowohl der gerichtliche Sachverständige Dr. W ... als auch Prof. Dr. E ... ausgegangen sind.

Die Berufung mußte daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Bedeutung des Profisports in der Gesellschaft und im Erwerbsleben in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen hat und die Beurteilung eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 581 Abs. 2 RVO in diesem Zusammenhang eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Rechtskraft
Aus
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