Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 18 U 67/95
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 46/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09. Dezember 1996 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Atemwegserkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) oder wie eine BK durch Gewährung von Verletztenrente zu entschädigen ist.
Der 1948 geborene Kläger erlernte von 1963 bis 1966 das Bäckerhandwerk, arbeitete zunächst als Verkäufer, diente sodann bei der Bundeswehr und war dann von 1968 bis 1970 im erlernten Beruf tätig. Nach Beschäftigungen in einer Druckerei von 1970 bis 1972 sowie in einer Lackfabrik von 1972 bis 1977 arbeitete der Kläger von 1977 bis 1979 wieder in einer Bäckerei. Von 1980 bis 1985 war er bei einem Wachdienstunternehmen als Pförtner und Fahrer beschäftigt. Von August 1985 bis September 1990 arbeitete der Kläger in der Endkontrolle bzw. im Lager/Versand der ... - ... GmbH in W ... Ab Juni 1991 war er bei einem Gebäudereinigungsunternehmen als Pförtner tätig. Seit Juli 1994 bezieht der Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Nachdem während eines medizinischen Heilverfahrens in der Allergie und Asthma-Klinik in B ... L ... nach dem Entlassungsbericht des Leitenden Arztes Prof. Dr. B ... vom 27.01.1994 die lungenfunktionsanalytischen Untersuchungen einschließlich Bodyplethysmographie sowie die allergologische Diagnostik unauffällig waren, aufgrund bronchoskopischer Untersuchung jedoch eine chronisch- atrophische Bronchitis mit deutlicher Atemwegsinstabilität und durch eine pathologisch- anatomische Begutachtung eine stark ausgeprägte chronisch- fibrosierende unspezifische Bronchitis des rechten Lungenoberlappens mit ausgedehnten Plattenepithel metaplasien und Hypertropie der Bronchialmuskulatur diagnostiziert worden waren, wurden die bei einer computertomographischen Untersuchung im Februar 1994 festgestellten vier intrapulmonalen Rundherde u.a. als interstitielle Lungenerkrankung gedeutet. Eine am 21.03.1994 in der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses S ... J ..., D ..., durchgeführte rechtsseitige Probethorako tomie mit histo-pathologischer Untersuchung durch Prof.Dr. S ... führte schließlich zu der Diagnose "interstitielle chronische Pneumonie" (Bericht des Chefarztes Priv.-Doz. Dr. D ... vom 06.04.1994).
Dr. D ... teilte der Beklagten unter dem 31.03.1994 mit, daß aufgrund der histologischen Befunde an das Vorliegen einer Berufserkrankung gedacht werden müsse. Der Kläger sei als Bäcker tätig gewesen und habe wegen einer Allergie an einen Arbeitsplatz mit Kunststoff- Staubexposition gewechselt. Am 20.05.1994 erstattete die Ärztin K. F ..., Krankenhaus B ..., S ..., die ärztliche Anzeige über eine BK und sah dabei die Bäckertätigkeit sowie die Tätigkeit des Klägers als Lagerarbeiter zwischen 1985 und 1990 als ursächlich für die Entstehung der BK an. Die Beklagte holte eine Arbeitgeberauskunft von der ... GmbH ein und ließ den Kläger sodann von Prof. Dr. R ..., Institut für Arbeitsmedizin an der R ...universität B ..., untersuchen und begutachten. Prof. Dr. R ... kam in seinem internistischen und arbeitsmedizinischen Gutachten vom 28.09.1994 zu dem Ergebnis, eine obstruktive Atemwegserkrankung i.S. einer Berufserkrankung nach Nr. 4301 bzw. 4302 der Anlage zur Berufskrankheiten- Verordnung (BKV) läge beim Kläger nicht vor. Der zur Zeit nachweisbare interstitielle fibrosierende Lungenprozeß im Unterlappenbereich beidseits lasse sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die berufliche Belastung zurückführen. Für die Landesanstalt für Arbeitsschutz stimmte Dr. S ... am 02.01.1995 gewerbeärztlich dieser Beurteilung zu. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.01.1995 die Gewährung einer Entschädigung wegen der Atemwegserkrankung des Klägers ab, weil diese nicht berufs-, sondern anlagebedingt sei. Den dagegen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.1995 als unbegründet zurück.
Am 26.05.1995 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben und weiterhin geltend gemacht, bei ihm liege eine BK vor.
Das SG hat medizinische Unterlagen der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz beigezogen und von Priv.-Doz. Dr. M ..., Chefarzt der Abteilung Pneumologie der Lungenklinik H ..., ein Gutachten vom 24.06.1996 erstatten lassen. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, bei der beim Kläger vorliegenden idiopathischen Lungenfibrose handele es sich nicht um eine obstruktive Atemwegserkrankung, so daß eine Anerkennung der Erkrankung als BK nicht erfolgen könne.
Mit Urteil vom 09.12.1996 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf dessen Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 29.01.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.02.1997 Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Ansicht, seine Erkrankung, die sich zudem zusehends verschlechtere, sei auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen. In der Knopf-Fabrik habe er Kunststoffschleifstaub und -partikel eingeatmet bzw. in die Lunge aufgenommen und die nachfolgende Erkrankung sei - ähnlich wie bei Asbesteinwirkungen - ausschließlich auf diese Kunststoffpartikel zurückzuführen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.12.1996 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.05.1995 zu verurteilen, die Atemwegserkrankung als BK oder wie eine BK durch Gewährung von Verletztenrente zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist unter Vorlage von Stellungnahmen ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 02.03., 05.05. und 23.07.1998, denen Feinstaubmessungen am ehemaligen Arbeitsplatz des Klägers sowie an der Granulatmühle zugrunde lagen, der Ansicht, eine BK läge beim Kläger nicht vor, und nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft lasse sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer Lungenfibrose und der Einwirkung von Polyester stäuben nicht herstellen.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein chirurgisches Gutachten von Priv.-Doz. Dr. D ... in W ... eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 12.01.1998 verwiesen, das unter Berücksichtigung einer lungenfunktions- und röntgenologischen Zusatzuntersuchung durch den Internisten und Pneumologen Dr. S ... vom 07.01.1998 erstattet worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der eben falls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 SGG. Dieser hat keinen Anspruch auf Verletztenrente, weil die bei ihm bestehende Atemwegserkrankung keine entschädigungspflichtige BK darstellt.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung - RVO -, da er seinen Entschädigungsanspruch auch für Zeiten vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) zum 01.01.1997 erhebt (Art. 36 des Unfallversicherungs- Einordnungsgesetzes [UVEG], § 212 SGB VII).
Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall, der nach § 547 RVO u.a. durch Gewährung von Verletztenrente zu entschädigen ist, auch eine BK. BK en sind nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO die Krankheiten, welche die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet. Die entschädigungspflichtigen BK en, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht werden, denen bestimmte Berufsgruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, wer den in der Liste der Anlage zur BKV bezeichnet.
Eine vom Verordnungsgeber in der Anlage (Liste der BK en) zur BKV aufgenommene BK liegt - wie die Beklagte zu Recht entschieden hat - beim Kläger nicht vor. Nach dem Verfügungssatz des Bescheides vom 26.01.1995 hat die Beklagte unter Bezugnahme auf §§ 551, 580, 581 RVO und die BKV die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Atemwegserkrankung des Klägers abgelehnt. Damit ist aber die Erkrankung des Klägers nicht nur bezogen auf die in den Gründen des Bescheides (beispielhaft) genannten BK en Nr. 4301 und 4302 geprüft worden, sondern die Entscheidung betrifft umfassend auch die anderen in Betracht kommenden Listenerkrankungen der Atemwege.
Die BK 4301 erfaßt durch allergisierende Stoffe, die BK 4302 durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Inwieweit die arbeitstechnischen Voraussetzungen für diese BK en erfüllt sind, kann vorliegend letztlich dahinstehen. Die vorgenannten BK en erfordern nämlich zunächst einmal das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung. Damit sind verschiedene akute und chronische Krankheitsbilder gemeint, die charakterisiert sind durch vorübergehende, sich wiederholende, meist reversible Zustände und Anfälle von Atemnot, die durch eine Erhöhung der Atemwegswiderstände verursacht werden (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 5. Aufl. S. 919 ff.).
Hiervon ausgehend fehlt es im Falle des Klägers bereits an einer obstruktiven Atemwegserkrankung. Die eingehende klinische und lungenfunktionsanalytische Begutachtung des Klägers durch Priv.-Doz. Dr. M ..., der als Chefarzt der Pneumologie der Lungenklinik H ... eine besondere Kompetenz zur Feststellung berufsbedingter Atemwegserkrankungen besitzt, hat in Übereinstimmung mit der Untersuchung durch Prof. Dr. R ..., dessen Gutachten urkundsbeweislich zu verwerten war, keine Anzeichen für eine relevante Atemwegsobstruktion ergeben. Der Sachverständige des Vertrauens des Klägers, Priv.-Doz. Dr. D ..., ist zum gleichen Ergebnis gelangt, so daß es medizinischerseits schon am Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung mangelt, die kennzeichnend für die von den Nrn. 4301 und 4302 der Anlage zur BKV erfaßten Krankheitsbilder ist. Darüber hinaus haben die Untersuchungen während des Heilverfahrens in B ... L ... wie auch in B ... durch Prof. Dr. R ... bei der allergischen Diagnostik unauffällige Befunde ergeben, worauf auch Priv.-Doz. Dr. M ... hinge wiesen hat. Die beim Kläger bestehende Lungenfibrose stellt nach übereinstimmender medizinischer Beurteilung keine Erkrankung dar, die unter die vorgenannten BK en einzuordnen ist.
Eine exogen-allergische Alveolitis (BK nach Nr. 4201 der Anlage zur BKV) liegt - wie schon das SG zutreffend dargelegt hat - gleichfalls nicht vor. Bei dieser Erkrankung handelt es sich um akute, subakute oder chronische Lungenentzündungen, die durch ein geatmete Antigene verursacht werden und die zur Lungenfibrose neigen (so das zu dieser BK vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebene Merkblatt zur ärztlichen Untersuchung vom 16.08.1989, abgedruckt in Mehrtens/ Perlebach, Die Berufskrankheiten- Verordnung - Kommentar - M 4201 S. 1 ff.). Eine derartige entzündliche Erkrankung ist aber zu keiner Zeit beim Kläger beschrieben worden, und der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M ... hat insoweit ausgeführt, daß die durchgeführten serologischen Untersuchungen das Vorliegen dieser Erkrankung - auch in bezug auf die frühere berufliche Tätigkeit als Bäcker - ausgeschlossen hätten. Die Einwirkungen von Stäuben ausgehärteter Polyesterteile können nach herrschender medizinischer Erkenntnis eine Lungenfibrose nicht verursachen. Dies hat auch Prof. Dr. R ... in Kenntnis der beruflichen Tätigkeit des Klägers so gesehen, indem er betont hat, daß der Kläger seit 1985 am Arbeitsplatz nicht mit antigen oder fibrogen wirkenden Inhalationsstoffen belastet gewesen sei.
Eine BK nach Nr. 4107 (Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen) scheidet deshalb ohne weiteres aus, weil der Kläger im Rahmen sei ner beruflichen Tätigkeit nicht entsprechend exponiert gewesen ist und es deshalb schon an der haftungsbegründenden Kausalität fehlt. Auch eine andere Listenerkrankung, insbesondere eine durch Stäube verursachte BK, kommt beim Kläger nicht in Betracht, weil Polyesterstäube nicht zu den BK-spezifischen Schadstoffen mit Beeinträchtigung der Lungenfunktion gehören (vgl. dazu die vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung insbesondere zu den BK en der Gruppe 4 - Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells und Bauchfells - herausgegebenen Merkblätter für die ärztliche Untersuchung, abgedruckt in Mehrtens/ Perlebach, a.a.O. M 4101 bis 4302).
Dementsprechend war der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. D ... auch nicht in der Lage anzugeben, ob eine Erkrankung der Gruppe 41 der BK en vorliegt. Im übrigen haben die vom Meßtechnischen Dienst der Beklagten nachträglich vorgenommenen Messungen ergeben, daß der Kläger während der Arbeit bei der ... - ... GmbH nur in geringem Maße gegenüber Staub exponiert war und Grenzwertüberschreitungen auch im Bereich der Granulatmühle, an der er zeitweise eingesetzt war, nicht festzustellen waren.
Soweit der Kläger eine Entschädigung der bei ihm vorliegenden Lungenfibrose wie eine BK gemäß § 551 Abs. 2 RVO begehrt, fehlt es schon an einer diesbezüglichen Verwaltungsentscheidung der Beklagten. Die Ermittlungen im Feststellungsverfahren haben sich ersichtlich nicht auch auf diese Entschädigungsmöglichkeit erstreckt und der Inhalt der angefochtenen Bescheide läßt eine andere Auslegung gleichfalls nicht zu. Bei dieser Sachlage kann das Gericht aber von sich aus § 551 Abs. 2 RVO nicht anwenden (vgl. Hessisches LSG, Breithaupt 1964, 950; Bereiter-Hahn/ Schieke/ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung - Handkommentar -, Stand 6/96, § 551 RVO Rdn. 9), so daß eine Einbeziehung derartiger Entschädigungsansprüche hier auch nicht nach §§ 153 Abs. 1, 99 SGG möglich ist. Unabhängig davon sei der Klarstellung halber und wegen der insoweit von dem Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. D ... gemachten Ausführungen auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen:
Nach § 551 Abs. 2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs. 1 RVO erfüllt sind. Wegen dieser Bezugnahme auf die Voraussetzungen des Abs. 1 muß feststehen, daß bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung solchen Einwirkungen aus gesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sind, Krankheiten dieser Art zu verursachen. Neue Erkenntnisse in diesem Sinne sind dann gegeben, wenn sie erst nach dem Erlaß der letzten Änderung der BKV gewonnen wurden oder zu diesem Zeitpunkt zwar im Ansatz vorhanden waren, sich aber erst danach zur "BK-Reife" verdichtet haben (BSGE 21, 296, 298; 35, 267, 268; 44, 90, 93 sowie BSG Urteil vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 -).
Hiervon ausgehend kann nicht festgestellt werden, daß jetzt in der medizinischen Wissenschaft hinreichend gefestigte Erkenntnisse über die Verursachung einer Lungenfibrose bzw. einer Staublunge durch Einwirkungen von Polyesterstäuben bestehen. Solche Erkenntnisse sind von Prof. Dr. R ... und Priv.-Doz. Dr. M ... ausdrücklich verneint worden. Die von Priv.-Doz. Dr. D ... im Rahmen seines Gutachtens durchgeführte Auswertung der neusten Fachliteratur hat lediglich Hinweise dafür erbracht, daß in Einzelfällen Atemwegsbeschwerden bzw. Lungenerkrankungen bei Beschäftigten an Arbeitsplätzen mit Polyester beschrieben worden sind und die Möglichkeit einer Entstehung oder Beeinflussung der Erkrankung durch Polyesterstäube wissenschaftlich erörtert wird. Allgemein und gesicherte medizinische Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Polyesterstäuben am Arbeitsplatz und der Entstehung einer Lungenfibrose liegen aber nicht vor, wie sich aus der von Priv.-Doz. Dr. D ... eingeholten und in seinem Gutachten referierten Auskunft des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 05.01.1998 ergibt. Danach wären aber auch die Entschädigungsvoraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO nicht gegeben.
Da die Beklagte somit zu Recht die Gewährung von Entschädigungsleistungen abgelehnt hat, weil die Lungenerkrankung des Klägers keine BK darstellt, mußten Klage und Berufung erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Zur Revisionszulassung bestand kein Anlaß.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Atemwegserkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) oder wie eine BK durch Gewährung von Verletztenrente zu entschädigen ist.
Der 1948 geborene Kläger erlernte von 1963 bis 1966 das Bäckerhandwerk, arbeitete zunächst als Verkäufer, diente sodann bei der Bundeswehr und war dann von 1968 bis 1970 im erlernten Beruf tätig. Nach Beschäftigungen in einer Druckerei von 1970 bis 1972 sowie in einer Lackfabrik von 1972 bis 1977 arbeitete der Kläger von 1977 bis 1979 wieder in einer Bäckerei. Von 1980 bis 1985 war er bei einem Wachdienstunternehmen als Pförtner und Fahrer beschäftigt. Von August 1985 bis September 1990 arbeitete der Kläger in der Endkontrolle bzw. im Lager/Versand der ... - ... GmbH in W ... Ab Juni 1991 war er bei einem Gebäudereinigungsunternehmen als Pförtner tätig. Seit Juli 1994 bezieht der Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Nachdem während eines medizinischen Heilverfahrens in der Allergie und Asthma-Klinik in B ... L ... nach dem Entlassungsbericht des Leitenden Arztes Prof. Dr. B ... vom 27.01.1994 die lungenfunktionsanalytischen Untersuchungen einschließlich Bodyplethysmographie sowie die allergologische Diagnostik unauffällig waren, aufgrund bronchoskopischer Untersuchung jedoch eine chronisch- atrophische Bronchitis mit deutlicher Atemwegsinstabilität und durch eine pathologisch- anatomische Begutachtung eine stark ausgeprägte chronisch- fibrosierende unspezifische Bronchitis des rechten Lungenoberlappens mit ausgedehnten Plattenepithel metaplasien und Hypertropie der Bronchialmuskulatur diagnostiziert worden waren, wurden die bei einer computertomographischen Untersuchung im Februar 1994 festgestellten vier intrapulmonalen Rundherde u.a. als interstitielle Lungenerkrankung gedeutet. Eine am 21.03.1994 in der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses S ... J ..., D ..., durchgeführte rechtsseitige Probethorako tomie mit histo-pathologischer Untersuchung durch Prof.Dr. S ... führte schließlich zu der Diagnose "interstitielle chronische Pneumonie" (Bericht des Chefarztes Priv.-Doz. Dr. D ... vom 06.04.1994).
Dr. D ... teilte der Beklagten unter dem 31.03.1994 mit, daß aufgrund der histologischen Befunde an das Vorliegen einer Berufserkrankung gedacht werden müsse. Der Kläger sei als Bäcker tätig gewesen und habe wegen einer Allergie an einen Arbeitsplatz mit Kunststoff- Staubexposition gewechselt. Am 20.05.1994 erstattete die Ärztin K. F ..., Krankenhaus B ..., S ..., die ärztliche Anzeige über eine BK und sah dabei die Bäckertätigkeit sowie die Tätigkeit des Klägers als Lagerarbeiter zwischen 1985 und 1990 als ursächlich für die Entstehung der BK an. Die Beklagte holte eine Arbeitgeberauskunft von der ... GmbH ein und ließ den Kläger sodann von Prof. Dr. R ..., Institut für Arbeitsmedizin an der R ...universität B ..., untersuchen und begutachten. Prof. Dr. R ... kam in seinem internistischen und arbeitsmedizinischen Gutachten vom 28.09.1994 zu dem Ergebnis, eine obstruktive Atemwegserkrankung i.S. einer Berufserkrankung nach Nr. 4301 bzw. 4302 der Anlage zur Berufskrankheiten- Verordnung (BKV) läge beim Kläger nicht vor. Der zur Zeit nachweisbare interstitielle fibrosierende Lungenprozeß im Unterlappenbereich beidseits lasse sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die berufliche Belastung zurückführen. Für die Landesanstalt für Arbeitsschutz stimmte Dr. S ... am 02.01.1995 gewerbeärztlich dieser Beurteilung zu. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.01.1995 die Gewährung einer Entschädigung wegen der Atemwegserkrankung des Klägers ab, weil diese nicht berufs-, sondern anlagebedingt sei. Den dagegen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.1995 als unbegründet zurück.
Am 26.05.1995 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben und weiterhin geltend gemacht, bei ihm liege eine BK vor.
Das SG hat medizinische Unterlagen der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz beigezogen und von Priv.-Doz. Dr. M ..., Chefarzt der Abteilung Pneumologie der Lungenklinik H ..., ein Gutachten vom 24.06.1996 erstatten lassen. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, bei der beim Kläger vorliegenden idiopathischen Lungenfibrose handele es sich nicht um eine obstruktive Atemwegserkrankung, so daß eine Anerkennung der Erkrankung als BK nicht erfolgen könne.
Mit Urteil vom 09.12.1996 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf dessen Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 29.01.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.02.1997 Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Ansicht, seine Erkrankung, die sich zudem zusehends verschlechtere, sei auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen. In der Knopf-Fabrik habe er Kunststoffschleifstaub und -partikel eingeatmet bzw. in die Lunge aufgenommen und die nachfolgende Erkrankung sei - ähnlich wie bei Asbesteinwirkungen - ausschließlich auf diese Kunststoffpartikel zurückzuführen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.12.1996 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.05.1995 zu verurteilen, die Atemwegserkrankung als BK oder wie eine BK durch Gewährung von Verletztenrente zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist unter Vorlage von Stellungnahmen ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 02.03., 05.05. und 23.07.1998, denen Feinstaubmessungen am ehemaligen Arbeitsplatz des Klägers sowie an der Granulatmühle zugrunde lagen, der Ansicht, eine BK läge beim Kläger nicht vor, und nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft lasse sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer Lungenfibrose und der Einwirkung von Polyester stäuben nicht herstellen.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein chirurgisches Gutachten von Priv.-Doz. Dr. D ... in W ... eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 12.01.1998 verwiesen, das unter Berücksichtigung einer lungenfunktions- und röntgenologischen Zusatzuntersuchung durch den Internisten und Pneumologen Dr. S ... vom 07.01.1998 erstattet worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der eben falls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 SGG. Dieser hat keinen Anspruch auf Verletztenrente, weil die bei ihm bestehende Atemwegserkrankung keine entschädigungspflichtige BK darstellt.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung - RVO -, da er seinen Entschädigungsanspruch auch für Zeiten vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) zum 01.01.1997 erhebt (Art. 36 des Unfallversicherungs- Einordnungsgesetzes [UVEG], § 212 SGB VII).
Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall, der nach § 547 RVO u.a. durch Gewährung von Verletztenrente zu entschädigen ist, auch eine BK. BK en sind nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO die Krankheiten, welche die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet. Die entschädigungspflichtigen BK en, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht werden, denen bestimmte Berufsgruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, wer den in der Liste der Anlage zur BKV bezeichnet.
Eine vom Verordnungsgeber in der Anlage (Liste der BK en) zur BKV aufgenommene BK liegt - wie die Beklagte zu Recht entschieden hat - beim Kläger nicht vor. Nach dem Verfügungssatz des Bescheides vom 26.01.1995 hat die Beklagte unter Bezugnahme auf §§ 551, 580, 581 RVO und die BKV die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Atemwegserkrankung des Klägers abgelehnt. Damit ist aber die Erkrankung des Klägers nicht nur bezogen auf die in den Gründen des Bescheides (beispielhaft) genannten BK en Nr. 4301 und 4302 geprüft worden, sondern die Entscheidung betrifft umfassend auch die anderen in Betracht kommenden Listenerkrankungen der Atemwege.
Die BK 4301 erfaßt durch allergisierende Stoffe, die BK 4302 durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Inwieweit die arbeitstechnischen Voraussetzungen für diese BK en erfüllt sind, kann vorliegend letztlich dahinstehen. Die vorgenannten BK en erfordern nämlich zunächst einmal das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung. Damit sind verschiedene akute und chronische Krankheitsbilder gemeint, die charakterisiert sind durch vorübergehende, sich wiederholende, meist reversible Zustände und Anfälle von Atemnot, die durch eine Erhöhung der Atemwegswiderstände verursacht werden (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 5. Aufl. S. 919 ff.).
Hiervon ausgehend fehlt es im Falle des Klägers bereits an einer obstruktiven Atemwegserkrankung. Die eingehende klinische und lungenfunktionsanalytische Begutachtung des Klägers durch Priv.-Doz. Dr. M ..., der als Chefarzt der Pneumologie der Lungenklinik H ... eine besondere Kompetenz zur Feststellung berufsbedingter Atemwegserkrankungen besitzt, hat in Übereinstimmung mit der Untersuchung durch Prof. Dr. R ..., dessen Gutachten urkundsbeweislich zu verwerten war, keine Anzeichen für eine relevante Atemwegsobstruktion ergeben. Der Sachverständige des Vertrauens des Klägers, Priv.-Doz. Dr. D ..., ist zum gleichen Ergebnis gelangt, so daß es medizinischerseits schon am Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung mangelt, die kennzeichnend für die von den Nrn. 4301 und 4302 der Anlage zur BKV erfaßten Krankheitsbilder ist. Darüber hinaus haben die Untersuchungen während des Heilverfahrens in B ... L ... wie auch in B ... durch Prof. Dr. R ... bei der allergischen Diagnostik unauffällige Befunde ergeben, worauf auch Priv.-Doz. Dr. M ... hinge wiesen hat. Die beim Kläger bestehende Lungenfibrose stellt nach übereinstimmender medizinischer Beurteilung keine Erkrankung dar, die unter die vorgenannten BK en einzuordnen ist.
Eine exogen-allergische Alveolitis (BK nach Nr. 4201 der Anlage zur BKV) liegt - wie schon das SG zutreffend dargelegt hat - gleichfalls nicht vor. Bei dieser Erkrankung handelt es sich um akute, subakute oder chronische Lungenentzündungen, die durch ein geatmete Antigene verursacht werden und die zur Lungenfibrose neigen (so das zu dieser BK vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebene Merkblatt zur ärztlichen Untersuchung vom 16.08.1989, abgedruckt in Mehrtens/ Perlebach, Die Berufskrankheiten- Verordnung - Kommentar - M 4201 S. 1 ff.). Eine derartige entzündliche Erkrankung ist aber zu keiner Zeit beim Kläger beschrieben worden, und der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M ... hat insoweit ausgeführt, daß die durchgeführten serologischen Untersuchungen das Vorliegen dieser Erkrankung - auch in bezug auf die frühere berufliche Tätigkeit als Bäcker - ausgeschlossen hätten. Die Einwirkungen von Stäuben ausgehärteter Polyesterteile können nach herrschender medizinischer Erkenntnis eine Lungenfibrose nicht verursachen. Dies hat auch Prof. Dr. R ... in Kenntnis der beruflichen Tätigkeit des Klägers so gesehen, indem er betont hat, daß der Kläger seit 1985 am Arbeitsplatz nicht mit antigen oder fibrogen wirkenden Inhalationsstoffen belastet gewesen sei.
Eine BK nach Nr. 4107 (Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen) scheidet deshalb ohne weiteres aus, weil der Kläger im Rahmen sei ner beruflichen Tätigkeit nicht entsprechend exponiert gewesen ist und es deshalb schon an der haftungsbegründenden Kausalität fehlt. Auch eine andere Listenerkrankung, insbesondere eine durch Stäube verursachte BK, kommt beim Kläger nicht in Betracht, weil Polyesterstäube nicht zu den BK-spezifischen Schadstoffen mit Beeinträchtigung der Lungenfunktion gehören (vgl. dazu die vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung insbesondere zu den BK en der Gruppe 4 - Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells und Bauchfells - herausgegebenen Merkblätter für die ärztliche Untersuchung, abgedruckt in Mehrtens/ Perlebach, a.a.O. M 4101 bis 4302).
Dementsprechend war der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. D ... auch nicht in der Lage anzugeben, ob eine Erkrankung der Gruppe 41 der BK en vorliegt. Im übrigen haben die vom Meßtechnischen Dienst der Beklagten nachträglich vorgenommenen Messungen ergeben, daß der Kläger während der Arbeit bei der ... - ... GmbH nur in geringem Maße gegenüber Staub exponiert war und Grenzwertüberschreitungen auch im Bereich der Granulatmühle, an der er zeitweise eingesetzt war, nicht festzustellen waren.
Soweit der Kläger eine Entschädigung der bei ihm vorliegenden Lungenfibrose wie eine BK gemäß § 551 Abs. 2 RVO begehrt, fehlt es schon an einer diesbezüglichen Verwaltungsentscheidung der Beklagten. Die Ermittlungen im Feststellungsverfahren haben sich ersichtlich nicht auch auf diese Entschädigungsmöglichkeit erstreckt und der Inhalt der angefochtenen Bescheide läßt eine andere Auslegung gleichfalls nicht zu. Bei dieser Sachlage kann das Gericht aber von sich aus § 551 Abs. 2 RVO nicht anwenden (vgl. Hessisches LSG, Breithaupt 1964, 950; Bereiter-Hahn/ Schieke/ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung - Handkommentar -, Stand 6/96, § 551 RVO Rdn. 9), so daß eine Einbeziehung derartiger Entschädigungsansprüche hier auch nicht nach §§ 153 Abs. 1, 99 SGG möglich ist. Unabhängig davon sei der Klarstellung halber und wegen der insoweit von dem Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. D ... gemachten Ausführungen auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen:
Nach § 551 Abs. 2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs. 1 RVO erfüllt sind. Wegen dieser Bezugnahme auf die Voraussetzungen des Abs. 1 muß feststehen, daß bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung solchen Einwirkungen aus gesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sind, Krankheiten dieser Art zu verursachen. Neue Erkenntnisse in diesem Sinne sind dann gegeben, wenn sie erst nach dem Erlaß der letzten Änderung der BKV gewonnen wurden oder zu diesem Zeitpunkt zwar im Ansatz vorhanden waren, sich aber erst danach zur "BK-Reife" verdichtet haben (BSGE 21, 296, 298; 35, 267, 268; 44, 90, 93 sowie BSG Urteil vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 -).
Hiervon ausgehend kann nicht festgestellt werden, daß jetzt in der medizinischen Wissenschaft hinreichend gefestigte Erkenntnisse über die Verursachung einer Lungenfibrose bzw. einer Staublunge durch Einwirkungen von Polyesterstäuben bestehen. Solche Erkenntnisse sind von Prof. Dr. R ... und Priv.-Doz. Dr. M ... ausdrücklich verneint worden. Die von Priv.-Doz. Dr. D ... im Rahmen seines Gutachtens durchgeführte Auswertung der neusten Fachliteratur hat lediglich Hinweise dafür erbracht, daß in Einzelfällen Atemwegsbeschwerden bzw. Lungenerkrankungen bei Beschäftigten an Arbeitsplätzen mit Polyester beschrieben worden sind und die Möglichkeit einer Entstehung oder Beeinflussung der Erkrankung durch Polyesterstäube wissenschaftlich erörtert wird. Allgemein und gesicherte medizinische Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Polyesterstäuben am Arbeitsplatz und der Entstehung einer Lungenfibrose liegen aber nicht vor, wie sich aus der von Priv.-Doz. Dr. D ... eingeholten und in seinem Gutachten referierten Auskunft des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 05.01.1998 ergibt. Danach wären aber auch die Entschädigungsvoraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO nicht gegeben.
Da die Beklagte somit zu Recht die Gewährung von Entschädigungsleistungen abgelehnt hat, weil die Lungenerkrankung des Klägers keine BK darstellt, mußten Klage und Berufung erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Zur Revisionszulassung bestand kein Anlaß.
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