Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 206/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 297/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21. Oktober 1998 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 10. Februar 1999 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Verletztenrente auf Dauer wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls.
Der 1940 geborene Kläger erlitt am 08.08.1994 einen Arbeitsunfall, als er zum Entfernen von Strahlgut in den geöffneten Einlauf eines Becherförderers griff und dieser kurzzeitig anlief, wodurch der rechte Unterarm des Klägers erfaßt wurde. Im Durchgangsarztbericht vom Unfalltag diagnostizierte Prof.Dr. A ..., Leitender Arzt der Abteilung Unfall-Chirurgie des Klinikum L ..., eine dislozierte Unterarmfraktur I.-gradig offen rechts mit starker Weichteilquetschung. Der Kläger wurde bis zum 30.08.1994 stationär in der genannten Klinik aufgenommen und operativ durch Verplattung von Elle und Speiche sowie Faszienspaltung versorgt. Im Rahmen einer weiteren stationären Behandlung vom 24.11. bis 09.12.1994 wurde durch Prof. Dr. A ... eine Spongiosaplastik und Tenolyse der Strecker wegen der verzögerten Bruchheilung durchgeführt.
Mit Bescheid vom 14.02.1995 bewilligte die Beklagte vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - um 20 v.H. ab dem 07.02.1995. Als Unfallfolgen erkannte sie Muskelminderung des rechten Ober- und Unterarms sowie der rechten Hand, Bewegungseinschränkung des Ellenbogen- und Handgelenks sowie des Daumen rechts, Kraftminderung und Minderbeschwielung der rechten Hand, Kraftminderung des rechten Arms, liegendes Osteosynthesematerial im rechten Unterarm und Kalksalzminderung der rechten Hand an.
In seinem Gutachten vom 27.03.1996 kam der Chirurg Dr. W ... in D ... zu dem Ergebnis, als Unfallfolgen fänden sich noch eine Muskelminderung und Belastungsschwäche am rechten Unterarm und an der rechten Hand, ausgedehnte Narben am rechten Unterarm nach operativ versorgtem Unterarmbruch, leichte Behinderung der Beweglichkeit im Ellenbogengelenk, der Unterarmdrehung am rechten Handgelenk und des Sattel- und Endgelenks am rechten Daumen sowie Gefühlsstörungen im Ausbreitungsgebiet des Ellennerven rechts bei knöchern ausgeheiltem Unterarmbruch. Die hierdurch bedingte MdE schätzte er mit 10 v.H. ein.
Nach Anhörung des Klägers entzog die Beklagte mit Bescheid vom 25.04.1996 die vorläufige Rente zum 01.06.1996 und lehnte die Gewährung einer Dauerrente ab. Als Unfallfolgen stellte sie nun Muskelminderung und Belastungsschwäche am rechten Unterarm und an der rechten Hand, leichte Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogengelenks, der rechten Unterarmdrehung, des rechten Handgelenks sowie des Sattel- und Endgelenks des rechten Daumens fest.
Der Kläger legte am 20.05.1996 Widerspruch ein und machte geltend, er könne mit der rechten Hand nicht einmal mehr einen Hammerschlag durchführen ohne starke Schmerzen.
Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von dem Chirurgen/Unfallchirurgen Dr. L ..., der sich unter dem 05.07.1996 der Beurteilung von Dr. W ... anschloß, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.1996 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 06.09.1996 vor dem Sozialgericht - SG - Düsseldorf Klage erhoben und geltend gemacht, er müsse täglich schwere Lasten bewegen, wozu er mit seiner unfallgeschädigten Hand nicht mehr in der Lage sei.
Das SG hat ein Gutachten von dem Leitenden Arzt der Abteilung für Plastische- und Handchirurgie- Rheumatologie des St. Josef- Hospitals K ..., Dr. S ..., eingeholt. Dieser hat unter dem 01.04.1997 die unfallbedingte MdE seit dem 01.06.1996 eben falls mit 10 v.H. eingeschätzt. Zur Begründung hat er ausgeführt: Im Hinblick darauf, daß beim Kläger nur leichte Einschränkungen in beiden Bewegungsrichtungen bei der Unterarmdrehbewegung, alle wesentlichen Greiffunktionen und mäßig aber seitengleich entwickelte Arbeits- und Gebrauchsspuren im Bereich der Greifseiten aller Finger und eine seitengleiche Hohlhandbeschwielung gegeben seien, was die weitgehend normale Einsatz- und Belastungsfähigkeit der rechten Hand belege, lasse sich eine höhere MdE nicht rechtfertigen.
Der Kläger ist diesem Gutachten mit einem Gutachten des Dr. V ..., Chirurg in L ..., vom 26.09.1997 entgegengetreten. Dieser hat u.a. eine Bewegungseinschränkung im rechten Ellenbogengelenk in Form einer nicht möglichen Streckung und einer endgradig unvollständigen Beugung, einer erheblichen Einschränkung der Außendrehung des rechten Unterarms und geringgradige Einwärtsdrehung und eine endgradige Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk bei Beugung und Streckung sowie bei der Seitwärtsführung als Unfallfolgen beschrieben und die hieraus resultierende MdE mit 20 v.H. bewertet.
Das SG hat daraufhin ein weiteres Gutachten von dem Chefarzt der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Ev. Krankenhauses M ... R ..., Dr. I ..., eingeholt. Dieser hat darin am 09.12.1997 als Unfallfolgen einen achsengerecht verheilten osteosynthetisch versorgten Bruch von Elle und Speiche, Verschmächtigung des Weichteilmantels am Ober- und Unterarm, Minderverschwielung der Hand und Herabsetzung der groben Kraft, Narbenbildung am rechten Unterarm, Bewegungseinschränkung des Ellenbogen-, Handgelenks sowie des Daumens mit Störung der Handfunktion und eine Herabsetzung der Oberflächensensibilität an Ring- und Kleinfinger beschrieben. Zusätzlich beschrieb er aufgrund des Röntgenbefundes knöchern degenerative Veränderungen im Bereich des Ellenbogengelenks, woraus eine erhebliche Funktionsbehinderung des Unterarms resultiere. Zur Abklärung deren Unfallbedingtheit veranlaßte er die Beiziehung weiterer Röntgenbilder. Aufgrund ihrer Auswertung kam er unter dem 17.04.1998 zu dem Ergebnis, die Durchsicht der nunmehr vorliegenden Röntgenaufnahmen ergäbe einen verschobenen kompletten Bruch des rechten Unterarms. Daneben zeige das Röntgenbild im Bereich des Handgelenks einen relativen Ulnarvorschub sowie eine deutliche Arthrose des Radioulnargelenks; gleichzeitig sei eine degenerative Deformierung des Mondbeines festzustellen. Die Strukturenden des Ellenbogengelenks zeigten ebenfalls degenerative Veränderungen. Es sei davon auszugehen, daß bereits zum Unfallzeitpunkt am rechten Arm knöcherne Veränderungen i.S. eines Verschleißes vorgelegen hätten. Nach Aktenlage sei es bei einem Freizeitunfall vor 30 Jahren zu Verletzungen am rechten Arm gekommen, wobei eine exakte Beurteilung wegen fehlender Aktenverweise nicht habe durchgeführt werden können. Die unfallbedingten Frakturen seien im wesentlichen achsengerecht verheilt. Die noch bestehenden Funktionsbehinderungen seien diesem nur zu einem geringen Teil bezüglich der festgestellten Funktionsbehinderungen der benachbarten Gelenke anzulasten, so daß die unfallbedingte MdE lediglich mit 10 v.H. zu bewerten sei.
Mit Urteil vom 21.10.1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 20.11.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.11.1998 Berufung eingelegt. Er hat einen Brief des Orthopäden Dr. S ... vom 10.12.1998 vorgelegt, der auf die Möglichkeit der Feststellungen durch eine isokinetische Untersuchung verwiesen hat. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger einen Bericht des Orthopäden Dr. von B ... vom 05.05.1999 über eine entsprechende Untersuchung vom 25.02.1999 vorgelegt, auf welchen Bezug genommen wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 21.10.1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.04.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.1996 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.08.1994 auf Dauer Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Bescheid vom 10.02.1999 hat die Beklagte, die das angefochtene Urteil für zutreffend erachtet, wegen der Folgen des streitigen Arbeitsunfalls ab dem 01.06.1996 Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. gewährt, nachdem wegen der Folgen einer Berufskrankheit (Lärmschwerhörigkeit) eine entsprechende MdE zuerkannt worden war.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung sowie die Klage gegen den Bescheid vom 10.02.1999 sind zulässig, aber unbegründet.
Letzterer Bescheid ist nach § 96 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, denn durch ihn ist der ursprünglich angefochtene Bescheid vom 25.04.1996 teilweise abgeändert worden, indem die Beklagte aufgrund des zwischen zeitlich angetretenen Stützrenten-Tatbestandes (§ 581 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung - RVO -) wegen einer Berufskrankheit Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. ab dem 01.06.1996 bewilligt hat. Da der Kläger jedoch ab diesem Zeitpunkt weiterhin allein wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.08.1994 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. begehrt, gilt letzterer Bescheid nach § 96 SGG insoweit als mitangefochten, ohne daß es der Durchführung eines weiteren Widerspruchsverfahrens bedurft hätte.
Der Kläger wird durch den Bescheid vom 25.04.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.1996 sowie den Bescheid vom 10.02.1999 nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG beschwert, denn ihm steht kein Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu.
Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Bestimmungen der RVO, weil sich der Arbeitsunfall (Versicherungsfall), um dessen Entschädigung die Beteiligten streiten, vor dem Inkrafttreten des die RVO ablösenden Siebten Buches Sozialgesetz buch (Gesetzliche Unfallversicherung) - SGB VII - ereignet hat (Art. 36 des Unfallversicherungs- Einordnungsgesetzes - UVEG -, § 212 SGB VII).
Der Versicherungsträger ist nach § 1585 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 RVO berechtigt, zunächst eine vorläufige Rente zu gewähren, wobei er spätestens mit Ablauf von zwei Jahren nach dem Unfall die Dauerrente festzustellen hat. Deren Feststellung setzt eine Änderung der Verhältnisse nicht voraus; auch ist für sie die vorher getroffene Feststellung der Grundlagen für die Rentenberechnung nicht bindend (§ 1585 Abs. 2 Satz 2 RVO). Daß die im vorläufigen Rentenbescheid festgestellten Unfallfolgen mit Wirkung vom 01.06.1996 eine teilweise Besserung erfahren und jedenfalls auf Dauer nur noch eine MdE um 10 v.H. bedingen, steht aufgrund der Darlegungen von Dr. W ..., dessen Gutach ten der Senat urkundsbeweislich verwertet hat, sowie der Sachverständigen Dr. S ... und Dr. I ... zur Überzeugung des Senats fest. Danach ist es nämlich zu einer im wesentlichen achsengerechten Verheilung der Fraktur des Unterarms gekommen, wodurch insbesondere die Unterarmbeweglichkeit und die Handgebrauchsfähigkeiten nicht in einem so erheblichen Maße herab gesetzt sind, daß sie einem Zustand vergleichbar wären, der nach den Erfahrungssätzen zur Bewertung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung (zu deren Bedeutung vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 23, 27, 28) eine solche um 20 v.H. be dingt. Letzteres setzt eine Teilversteifung des Unterarms oder einen vergleichbaren Zustand voraus (vgl. Mehrhoff/ Muhr, Unfallbegutachtung, 10. Aufl., S. 147 f.; Bereiter-Hahn/ Schieke/ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl., Anhang 12 J 026). Demgegenüber ist aber der Kläger deutlich bessergestellt, wie insbesondere die Sachverständigen dargelegt haben.
Den schlechteren Befundungen von Dr. V ... vermag der Senat nicht zu folgen. Deren Richtigkeit setzte nämlich entweder falsche Ermittlungen der Sachverständigen oder eine wesentliche Verschlechterung der Bewegungsverhältnisse des geschädigten Unterarms nicht nur gegenüber denjenigen im Zeitpunkt der Untersuchung von Dr. S ..., sondern auch bezüglich der von Prof. Dr. A ... erhobenen Befunde im Juli 1995 - Einwärts-/ Auswärtsdrehung 60-0-40 (Prof. Dr. A ...) gegenüber 10-0-50 (Dr. V ...) - voraus. Eine solche Verschlechterung hat aber der Kläger nicht einmal selbst behauptet, so daß der Senat über zeugt ist, daß die Befunderhebungen des Dr. V ... fehlerhaft gewesen sind. Dies gilt umso mehr, als sie auch nicht durch den Bericht des Dr. von B ... bestätigt werden. Da sich aus letzterem auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Begutachtung und Schlußfolgerungen der Sachverständigen ergeben, ist der Senat mit der Beklagten und dem SG zu dem Ergebnis gelangt, daß die seit dem 01.06.1996 verbliebenen Unfallfolgen lediglich eine MdE um 10 v.H. bedingen.
Die Beklagte hat daher zu Recht die Gewährung einer Dauerrente zunächst abgelehnt und die vorläufige Rente nach Anhörung - § 24 Sozialgesetzbuch X - Verwaltungsverfahren (SGB X) - des Klägers entzogen. Letztere Entscheidung ist nicht zu beanstanden, auch wenn die Beklagte die im Widerspruchsverfahren eingeholte Stellungnahme des Dr. L ... dem Kläger nicht mehr zur Kenntnis gebracht hat. Der 9. Senat des BSG hat einen in einem solchen Verhalten liegenden möglichen Anhörungsfehler in einem Anfechtungsverfahren zum Anlaß genommen, in entsprechender Anwendung des § 79 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - die isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides zuzulassen (BSG SozR 3-1300 § 24 Nr. 13). Es kann dahinstehen, ob dieser Auffassung zu folgen ist, denn der Gesetzgeber hat bei seinen Novellierungen des SGG keinen Anlaß gesehen, eine entsprechende Bestimmung in das sozialgerichtliche Verfahren einzuführen. Unabhängig davon sind hier aber auch die Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht erfüllt. Eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides kommt danach nämlich nur in Betracht, wenn der Widerspruchsbescheid auf der Verletzung des Verfahrensrechts beruht und der Beschwerte ein rechtliches Interesse an der isolierten Aufhebung des Widerspruchsbescheides hat (vgl. BVerwGE 61, 45, 47; Eyermann, Kommentar zur VwGO, 10. Aufl., Rdn. 24; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 11. Aufl., Rdn. 11; Redeker/von Oertzen, Kommentar zur VwGO, 12. Aufl., Rdn. 9). Daran fehlt es vor liegend, weil zum einen - anders als in dem der genannten Entscheidung des BSG zugrundeliegenden Sachverhalt - Dr.L ... den Ausführungen von Dr. W ... vollinhaltlich zugestimmt hatte und zum anderen der mögliche Anhörungsmangel sich nur auf die Entziehung der vorläufigen Rente bezieht, Hauptverfügungssatz des angefochtenen Bescheides aber die Ablehnung der Dauerrente ist (vgl. dazu BSG SozR RVO § 622 Nr. 8). Da daher in jedem Falle die Entziehung der vorläufigen Rente auch bei einer erneuten Widerspruchs-Bescheidung hätte bestätigt werden müssen, kann für den Kläger kein Interesse an einer isolierten (Teil-)Anfechtung des Widerspruchsbescheides bestehen.
Berufung und Klage mußten daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Verletztenrente auf Dauer wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls.
Der 1940 geborene Kläger erlitt am 08.08.1994 einen Arbeitsunfall, als er zum Entfernen von Strahlgut in den geöffneten Einlauf eines Becherförderers griff und dieser kurzzeitig anlief, wodurch der rechte Unterarm des Klägers erfaßt wurde. Im Durchgangsarztbericht vom Unfalltag diagnostizierte Prof.Dr. A ..., Leitender Arzt der Abteilung Unfall-Chirurgie des Klinikum L ..., eine dislozierte Unterarmfraktur I.-gradig offen rechts mit starker Weichteilquetschung. Der Kläger wurde bis zum 30.08.1994 stationär in der genannten Klinik aufgenommen und operativ durch Verplattung von Elle und Speiche sowie Faszienspaltung versorgt. Im Rahmen einer weiteren stationären Behandlung vom 24.11. bis 09.12.1994 wurde durch Prof. Dr. A ... eine Spongiosaplastik und Tenolyse der Strecker wegen der verzögerten Bruchheilung durchgeführt.
Mit Bescheid vom 14.02.1995 bewilligte die Beklagte vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - um 20 v.H. ab dem 07.02.1995. Als Unfallfolgen erkannte sie Muskelminderung des rechten Ober- und Unterarms sowie der rechten Hand, Bewegungseinschränkung des Ellenbogen- und Handgelenks sowie des Daumen rechts, Kraftminderung und Minderbeschwielung der rechten Hand, Kraftminderung des rechten Arms, liegendes Osteosynthesematerial im rechten Unterarm und Kalksalzminderung der rechten Hand an.
In seinem Gutachten vom 27.03.1996 kam der Chirurg Dr. W ... in D ... zu dem Ergebnis, als Unfallfolgen fänden sich noch eine Muskelminderung und Belastungsschwäche am rechten Unterarm und an der rechten Hand, ausgedehnte Narben am rechten Unterarm nach operativ versorgtem Unterarmbruch, leichte Behinderung der Beweglichkeit im Ellenbogengelenk, der Unterarmdrehung am rechten Handgelenk und des Sattel- und Endgelenks am rechten Daumen sowie Gefühlsstörungen im Ausbreitungsgebiet des Ellennerven rechts bei knöchern ausgeheiltem Unterarmbruch. Die hierdurch bedingte MdE schätzte er mit 10 v.H. ein.
Nach Anhörung des Klägers entzog die Beklagte mit Bescheid vom 25.04.1996 die vorläufige Rente zum 01.06.1996 und lehnte die Gewährung einer Dauerrente ab. Als Unfallfolgen stellte sie nun Muskelminderung und Belastungsschwäche am rechten Unterarm und an der rechten Hand, leichte Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogengelenks, der rechten Unterarmdrehung, des rechten Handgelenks sowie des Sattel- und Endgelenks des rechten Daumens fest.
Der Kläger legte am 20.05.1996 Widerspruch ein und machte geltend, er könne mit der rechten Hand nicht einmal mehr einen Hammerschlag durchführen ohne starke Schmerzen.
Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von dem Chirurgen/Unfallchirurgen Dr. L ..., der sich unter dem 05.07.1996 der Beurteilung von Dr. W ... anschloß, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.1996 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 06.09.1996 vor dem Sozialgericht - SG - Düsseldorf Klage erhoben und geltend gemacht, er müsse täglich schwere Lasten bewegen, wozu er mit seiner unfallgeschädigten Hand nicht mehr in der Lage sei.
Das SG hat ein Gutachten von dem Leitenden Arzt der Abteilung für Plastische- und Handchirurgie- Rheumatologie des St. Josef- Hospitals K ..., Dr. S ..., eingeholt. Dieser hat unter dem 01.04.1997 die unfallbedingte MdE seit dem 01.06.1996 eben falls mit 10 v.H. eingeschätzt. Zur Begründung hat er ausgeführt: Im Hinblick darauf, daß beim Kläger nur leichte Einschränkungen in beiden Bewegungsrichtungen bei der Unterarmdrehbewegung, alle wesentlichen Greiffunktionen und mäßig aber seitengleich entwickelte Arbeits- und Gebrauchsspuren im Bereich der Greifseiten aller Finger und eine seitengleiche Hohlhandbeschwielung gegeben seien, was die weitgehend normale Einsatz- und Belastungsfähigkeit der rechten Hand belege, lasse sich eine höhere MdE nicht rechtfertigen.
Der Kläger ist diesem Gutachten mit einem Gutachten des Dr. V ..., Chirurg in L ..., vom 26.09.1997 entgegengetreten. Dieser hat u.a. eine Bewegungseinschränkung im rechten Ellenbogengelenk in Form einer nicht möglichen Streckung und einer endgradig unvollständigen Beugung, einer erheblichen Einschränkung der Außendrehung des rechten Unterarms und geringgradige Einwärtsdrehung und eine endgradige Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk bei Beugung und Streckung sowie bei der Seitwärtsführung als Unfallfolgen beschrieben und die hieraus resultierende MdE mit 20 v.H. bewertet.
Das SG hat daraufhin ein weiteres Gutachten von dem Chefarzt der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Ev. Krankenhauses M ... R ..., Dr. I ..., eingeholt. Dieser hat darin am 09.12.1997 als Unfallfolgen einen achsengerecht verheilten osteosynthetisch versorgten Bruch von Elle und Speiche, Verschmächtigung des Weichteilmantels am Ober- und Unterarm, Minderverschwielung der Hand und Herabsetzung der groben Kraft, Narbenbildung am rechten Unterarm, Bewegungseinschränkung des Ellenbogen-, Handgelenks sowie des Daumens mit Störung der Handfunktion und eine Herabsetzung der Oberflächensensibilität an Ring- und Kleinfinger beschrieben. Zusätzlich beschrieb er aufgrund des Röntgenbefundes knöchern degenerative Veränderungen im Bereich des Ellenbogengelenks, woraus eine erhebliche Funktionsbehinderung des Unterarms resultiere. Zur Abklärung deren Unfallbedingtheit veranlaßte er die Beiziehung weiterer Röntgenbilder. Aufgrund ihrer Auswertung kam er unter dem 17.04.1998 zu dem Ergebnis, die Durchsicht der nunmehr vorliegenden Röntgenaufnahmen ergäbe einen verschobenen kompletten Bruch des rechten Unterarms. Daneben zeige das Röntgenbild im Bereich des Handgelenks einen relativen Ulnarvorschub sowie eine deutliche Arthrose des Radioulnargelenks; gleichzeitig sei eine degenerative Deformierung des Mondbeines festzustellen. Die Strukturenden des Ellenbogengelenks zeigten ebenfalls degenerative Veränderungen. Es sei davon auszugehen, daß bereits zum Unfallzeitpunkt am rechten Arm knöcherne Veränderungen i.S. eines Verschleißes vorgelegen hätten. Nach Aktenlage sei es bei einem Freizeitunfall vor 30 Jahren zu Verletzungen am rechten Arm gekommen, wobei eine exakte Beurteilung wegen fehlender Aktenverweise nicht habe durchgeführt werden können. Die unfallbedingten Frakturen seien im wesentlichen achsengerecht verheilt. Die noch bestehenden Funktionsbehinderungen seien diesem nur zu einem geringen Teil bezüglich der festgestellten Funktionsbehinderungen der benachbarten Gelenke anzulasten, so daß die unfallbedingte MdE lediglich mit 10 v.H. zu bewerten sei.
Mit Urteil vom 21.10.1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 20.11.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.11.1998 Berufung eingelegt. Er hat einen Brief des Orthopäden Dr. S ... vom 10.12.1998 vorgelegt, der auf die Möglichkeit der Feststellungen durch eine isokinetische Untersuchung verwiesen hat. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger einen Bericht des Orthopäden Dr. von B ... vom 05.05.1999 über eine entsprechende Untersuchung vom 25.02.1999 vorgelegt, auf welchen Bezug genommen wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 21.10.1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.04.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.1996 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.08.1994 auf Dauer Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Bescheid vom 10.02.1999 hat die Beklagte, die das angefochtene Urteil für zutreffend erachtet, wegen der Folgen des streitigen Arbeitsunfalls ab dem 01.06.1996 Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. gewährt, nachdem wegen der Folgen einer Berufskrankheit (Lärmschwerhörigkeit) eine entsprechende MdE zuerkannt worden war.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung sowie die Klage gegen den Bescheid vom 10.02.1999 sind zulässig, aber unbegründet.
Letzterer Bescheid ist nach § 96 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, denn durch ihn ist der ursprünglich angefochtene Bescheid vom 25.04.1996 teilweise abgeändert worden, indem die Beklagte aufgrund des zwischen zeitlich angetretenen Stützrenten-Tatbestandes (§ 581 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung - RVO -) wegen einer Berufskrankheit Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. ab dem 01.06.1996 bewilligt hat. Da der Kläger jedoch ab diesem Zeitpunkt weiterhin allein wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.08.1994 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. begehrt, gilt letzterer Bescheid nach § 96 SGG insoweit als mitangefochten, ohne daß es der Durchführung eines weiteren Widerspruchsverfahrens bedurft hätte.
Der Kläger wird durch den Bescheid vom 25.04.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.1996 sowie den Bescheid vom 10.02.1999 nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG beschwert, denn ihm steht kein Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu.
Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Bestimmungen der RVO, weil sich der Arbeitsunfall (Versicherungsfall), um dessen Entschädigung die Beteiligten streiten, vor dem Inkrafttreten des die RVO ablösenden Siebten Buches Sozialgesetz buch (Gesetzliche Unfallversicherung) - SGB VII - ereignet hat (Art. 36 des Unfallversicherungs- Einordnungsgesetzes - UVEG -, § 212 SGB VII).
Der Versicherungsträger ist nach § 1585 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 RVO berechtigt, zunächst eine vorläufige Rente zu gewähren, wobei er spätestens mit Ablauf von zwei Jahren nach dem Unfall die Dauerrente festzustellen hat. Deren Feststellung setzt eine Änderung der Verhältnisse nicht voraus; auch ist für sie die vorher getroffene Feststellung der Grundlagen für die Rentenberechnung nicht bindend (§ 1585 Abs. 2 Satz 2 RVO). Daß die im vorläufigen Rentenbescheid festgestellten Unfallfolgen mit Wirkung vom 01.06.1996 eine teilweise Besserung erfahren und jedenfalls auf Dauer nur noch eine MdE um 10 v.H. bedingen, steht aufgrund der Darlegungen von Dr. W ..., dessen Gutach ten der Senat urkundsbeweislich verwertet hat, sowie der Sachverständigen Dr. S ... und Dr. I ... zur Überzeugung des Senats fest. Danach ist es nämlich zu einer im wesentlichen achsengerechten Verheilung der Fraktur des Unterarms gekommen, wodurch insbesondere die Unterarmbeweglichkeit und die Handgebrauchsfähigkeiten nicht in einem so erheblichen Maße herab gesetzt sind, daß sie einem Zustand vergleichbar wären, der nach den Erfahrungssätzen zur Bewertung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung (zu deren Bedeutung vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 23, 27, 28) eine solche um 20 v.H. be dingt. Letzteres setzt eine Teilversteifung des Unterarms oder einen vergleichbaren Zustand voraus (vgl. Mehrhoff/ Muhr, Unfallbegutachtung, 10. Aufl., S. 147 f.; Bereiter-Hahn/ Schieke/ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl., Anhang 12 J 026). Demgegenüber ist aber der Kläger deutlich bessergestellt, wie insbesondere die Sachverständigen dargelegt haben.
Den schlechteren Befundungen von Dr. V ... vermag der Senat nicht zu folgen. Deren Richtigkeit setzte nämlich entweder falsche Ermittlungen der Sachverständigen oder eine wesentliche Verschlechterung der Bewegungsverhältnisse des geschädigten Unterarms nicht nur gegenüber denjenigen im Zeitpunkt der Untersuchung von Dr. S ..., sondern auch bezüglich der von Prof. Dr. A ... erhobenen Befunde im Juli 1995 - Einwärts-/ Auswärtsdrehung 60-0-40 (Prof. Dr. A ...) gegenüber 10-0-50 (Dr. V ...) - voraus. Eine solche Verschlechterung hat aber der Kläger nicht einmal selbst behauptet, so daß der Senat über zeugt ist, daß die Befunderhebungen des Dr. V ... fehlerhaft gewesen sind. Dies gilt umso mehr, als sie auch nicht durch den Bericht des Dr. von B ... bestätigt werden. Da sich aus letzterem auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Begutachtung und Schlußfolgerungen der Sachverständigen ergeben, ist der Senat mit der Beklagten und dem SG zu dem Ergebnis gelangt, daß die seit dem 01.06.1996 verbliebenen Unfallfolgen lediglich eine MdE um 10 v.H. bedingen.
Die Beklagte hat daher zu Recht die Gewährung einer Dauerrente zunächst abgelehnt und die vorläufige Rente nach Anhörung - § 24 Sozialgesetzbuch X - Verwaltungsverfahren (SGB X) - des Klägers entzogen. Letztere Entscheidung ist nicht zu beanstanden, auch wenn die Beklagte die im Widerspruchsverfahren eingeholte Stellungnahme des Dr. L ... dem Kläger nicht mehr zur Kenntnis gebracht hat. Der 9. Senat des BSG hat einen in einem solchen Verhalten liegenden möglichen Anhörungsfehler in einem Anfechtungsverfahren zum Anlaß genommen, in entsprechender Anwendung des § 79 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - die isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides zuzulassen (BSG SozR 3-1300 § 24 Nr. 13). Es kann dahinstehen, ob dieser Auffassung zu folgen ist, denn der Gesetzgeber hat bei seinen Novellierungen des SGG keinen Anlaß gesehen, eine entsprechende Bestimmung in das sozialgerichtliche Verfahren einzuführen. Unabhängig davon sind hier aber auch die Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht erfüllt. Eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides kommt danach nämlich nur in Betracht, wenn der Widerspruchsbescheid auf der Verletzung des Verfahrensrechts beruht und der Beschwerte ein rechtliches Interesse an der isolierten Aufhebung des Widerspruchsbescheides hat (vgl. BVerwGE 61, 45, 47; Eyermann, Kommentar zur VwGO, 10. Aufl., Rdn. 24; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 11. Aufl., Rdn. 11; Redeker/von Oertzen, Kommentar zur VwGO, 12. Aufl., Rdn. 9). Daran fehlt es vor liegend, weil zum einen - anders als in dem der genannten Entscheidung des BSG zugrundeliegenden Sachverhalt - Dr.L ... den Ausführungen von Dr. W ... vollinhaltlich zugestimmt hatte und zum anderen der mögliche Anhörungsmangel sich nur auf die Entziehung der vorläufigen Rente bezieht, Hauptverfügungssatz des angefochtenen Bescheides aber die Ablehnung der Dauerrente ist (vgl. dazu BSG SozR RVO § 622 Nr. 8). Da daher in jedem Falle die Entziehung der vorläufigen Rente auch bei einer erneuten Widerspruchs-Bescheidung hätte bestätigt werden müssen, kann für den Kläger kein Interesse an einer isolierten (Teil-)Anfechtung des Widerspruchsbescheides bestehen.
Berufung und Klage mußten daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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