L 17 U 283/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 15 U 54/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 283/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25. September 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist im Berufungsverfahren der Anspruch des Klägers auf Verletztenrente. Es geht dabei vor allem darum, ob das bei ihm operativ behandelte Thoracicoutlet Syndrom (TOS), das auch als Scalenus-Syndrom bzw. costoclaviculäres Syndrom bezeichnet wird, ursächlich auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen ist.

Der 1952 geborene Kläger, der als selbständiger Gartenbauingenieur tätig und als Unternehmer bei der Beklagten unfallversichert ist, erlitt am 20.01.1993 einen Arbeitsunfall. Bei dem Versuch, einen in weichem Untergrund eingesackten Kleinlader (Bob-Cat) mit einem Gabelstapler anzuheben und auf festen Untergrund zu schieben, war der Radlader langsam seitlich abgekippt, wobei der Kläger, der zwischen Radlader und einer Mauer stand, eingeklemmt und durch die Fahrerkabine sein Kopf hinuntergedrückt wurde. Dr. S ..., Leitender Arzt der Chirurgischen Abteilung des St. M ...-Krankenhauses in A ..., diagnostizierte im Durchgangsarztbericht vom Unfalltage eine Stauchung der Halswirbel- und Brustwirbelsäule (HWS/BWS). Die Röntgenuntersuchung hatte keinen Anhalt für knöcherne Verletzung des Schädels und der Wirbelsäule (WS) er geben. Als Befunde wurden eine endgradige Bewegungseinschränkung der HWS, eine Schonhaltung, deutliche Verspannung der Streckmuskulatur des Rückens und eine deutliche Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit der gesamten HWS und des oberen Teils der BWS beschrieben; neurologische Ausfälle und äußerlich sichtbare Verletzungszeichen wurden nicht festgestellt. Der Kläger wurde durch den Hausarzt B ... weiterbehandelt, der in Folgezeit fortlaufende Arbeitsunfähigkeit bei Nackenschmerzen, anhaltenden linksseitigen Kopfschmerzen sowie einem tauben Gefühl im linken Oberarm bescheinigte.

Bei einer Vorstellung des Klägers in der Abteilung für Rückenmarksverletzte der Berufsgenossenschaftlichen Krankenanstalten B ... - Universitätsklinik - in B ... diagnostizierte der Leitende Arzt Dr. B ... ein persistentes HWS-Schmerzsyndrom nach HWS-Zerrung am 20.01.1993 und empfahl eine intensive kranken gymnastische Behandlung zu einem Auftrainieren der HWS-Muskulatur bei Verzicht auf Halskrawatte (Bericht vom 15.04.1993). Nachdem diese keinen Erfolg gebracht hatte und sich die Beschwerden des Klägers verstärkten, veranlaßte die Beklagte nach Beiziehung weiterer Unterlagen - u.a. Berichte des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. J ... - die Einholung eines Zusammenhangs gutachtens durch Dr. B ... Dieser kam darin am 05.08.1993 zusammenfassend zu dem Ergebnis, das Unfallereignis habe lediglich zu einer Zerrung der Nacken- und oberen Rumpfmuskulatur, nicht aber zu substantiellen Schädigungen im Bereich von Gelenkkapselbändern, Bandscheiben oder Knochen geführt. Die ungewöhnliche aber glaubhafte Beschwerdesymptomatik lasse sich mit den objektivier baren klinischen und röntgenologischen Befunden nicht vereinbaren. Eine eingehende neurologische, psychiatrische Begutachtung sei erforderlich um festzustellen, inwieweit das anhaltende Beschwerdebild nicht Folge einer Fehlverarbeitung des Unfalles sei. Deshalb sei eine physio- und psychotherapeutische Behandlung z.B. in der H ...klinik in B ... Z ... anzuraten.

In der Zeit vom 05.10. bis 30.11.1993 wurde daraufhin eine stationäre Behandlung in dieser Klinik zu Lasten der Beklagten durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 28.01.1994 diagnostizierte der Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S ... ein unteres HWS-Syndrom nach schwerem Anteflexionstrauma der HWS und BWS im Rahmen eines Arbeitsunfalles vom 20.01.1993 sowie ein Sulcus-Ulnaris-Syndrom. Im psychiatrisch- psychotherapeutischen Gutachten vom Februar 1994 kam Dr. S ... unter Berücksichtigung von Zusatzgutachten der Diplom-Psychologin L ... (ohne Datum), des Neurologen Dr. L ... (22.11.1993) und der Orthopädin Dr. R ...-A ... (27.12.1993) zu dem Ergebnis, es bestehe ein unteres HWS-Syndrom mit deutlicher Bewegungseinschränkung in der unteren HWS und Ausstrahlung in die Ulnarisseite des linken Armes nach schwerem Anteflexionstrauma der HWS und BWS durch extreme einmalige Überlastung sowie ein Sulcus-Ulnaris- Syndrom links. Letzteres sei nicht auf den Unfall zurückzuführen. Auf psychiatrisch-psychotherapeutischem und psychologischem Fachgebiet seien keine Hinweise für eine Fehlverarbeitung des Arbeitsunfalles oder auf eine zu einer solchen Fehlverarbeitung prädisponierenden prämorbiden Persönlichkeit vorhanden. Es bestehe aufgrund des orthopädischen Zusatzgutachtens weiterhin eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit.

Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Orthopäden und Sozialmediziners Dr. S ... vom 14.03.1994, in der dieser das Vorliegen von Unfallfolgen verneinte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.04.1994 die Gewährung von Verletztenrente mit der Begründung ab, der Arbeitsunfall habe lediglich zu einer Zerrung der Nacken- und Rumpfmuskulatur geführt, strukturelle Schädigungen im Bereich der Gelenkkapseln, Bänder, Bandscheiben oder Knochen jedoch nicht hinterlassen. Die vorgebrachten Beschwerden seien nicht ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen. Mit Bescheid vom 05.04.1994 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztengeld über den 02.02.1993 hinaus mit der Begründung ab, die über diesen Zeitpunkt hinausgehende Arbeitsunfähigkeit sei nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen.

Der Kläger erhob fristgerecht gegen beide Bescheide Widerspruch. Er machte geltend, aufgrund des Arbeitsunfalles nicht mehr in der Lage zu sein, aktive Tätigkeiten in seinem Betrieb auszuüben. Er leide unter ständigen Kopfschmerzen wechselnden Ausmaßes. Diese strahlten von der Schädeldecke aus bis in die WS. Außerdem bestünden Schlafstörungen, eine morgendliche Nackensteifheit sowie Sensibilitätsstörungen am linken Arm.

Während des Widerspruchsverfahrens stellte sich der Kläger dem ehemaligen Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik in E ... Prof. Dr. S ... vor, der eine Untersuchung durch Prof. Dr. D ..., Direktor der Neurologischen Universitätsklinik E ... veranlaßte. Dieser diagnostizierte im Bericht vom 18.07.1994 posttraumatische Kopfschmerzen, ein TOS links sowie ein Sulcus- Ulnaris- Syndrom links. Er führte aus, es sei möglich, daß das vorbestehende Enge-Syndrom im Bereich der oberen Thorax-Apertur durch den Unfall symptomatisch geworden sei. Nachdem in der Gefäßchirurgischen Abteilung des Kurhessischen Diakonissenhauses in K ... (Chefarzt Prof. Dr. G ...) die Diagnose eines TOS mit venöser und neurogener Kompression links sowie eine Halsrippe links gestellt worden war, wurde dort am 24.08.1994 eine transachsiläre Resektion der 1. Rippe links und Teilresektion der Halsrippe links vorgenommen. Die Untersuchung der dabei entnommenen Präparate durch den Pathologen Dr. R ... ergab nach dem Bericht vom 25.08.1994 ein unauffälliges Rippenresektat sowie ein Muskelgewebe mit Vernarbung sowie lipomatöser Atrophie wie nach Trauma. Bei einer Revisionsoperation im Kurhessischen Diakonissenkrankenhaus K ... am 20.08.1996 wurde eine supraclaviculäre Resektion des Plexus brachialis und der Arteria brachialis links durchgeführt.

Über diese Behandlungen und Operationen wurden die Beklagte und das Sozialgericht (SG) zunächst nicht informiert.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 01.09.1994 wies sie die Widersprüche zurück.

Dagegen hat der Kläger am 20.09.1994 vor dem SG Münster Klage erhoben, das die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Der Kläger hat zunächst geltend gemacht, aus dem orthopädischen Gutachten von Frau Dr. R ...- A ... folge, daß Unfallfolgen vorhanden seien und weiterhin eine Arbeitsunfähigkeit bedingten. Hinweise auf eine psychische Fehlverarbeitung des Unfalls seien nach dem im Verwaltungsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachten nicht vorhanden, so daß die Beschwerden eine organische Ursache hätten.

Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung medizinischer Sachverständigengutachten. Prof. Dr. E ..., Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des St. R ...-Hospitals in C ...-R ... ist unter Berücksichtigung eines neurologisch und psychiatrischen Zu satzgutachtens von Dr. K ... in C ...-R ... vom 19.05.1995 im Gutachten vom 03.07.1995 zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, aus chirurgischer wie aus nervenärztlicher Sicht lägen keine Gesundheitsstörungen vor, die ursächlich i.S.d. Entstehung oder richtunggebenden Verschlimmerung auf den Arbeitsunfall vom 20.01.1993 zurückzuführen seien. Die vom Kläger gebotenen Symptome seien nicht über das Maß einer gewöhnlichen Zerrung der HWS hinausgegangen, so daß aus chirurgischer und neurologischer Sicht hätte erwartet werden können, daß spätestens nach Ablauf von drei Monaten wieder Arbeitsfähigkeit eingetreten wäre.

Auf Antrag des Klägers hat Prof. Dr. S ... gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 17.03.1996 ein Gutachten erstattet, nach dem zuvor der Kläger eine Stellungnahme von Dr. D ..., Leitender Arzt der Abteilung für Anaesthesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am St. A ...-Hospital vom 14.09.1995 vorgelegt und in dem dieser über die operative Behandlung des Klägers berichtet hatte. Prof. Dr. S ... hat zusammenfassend ausgeführt, beim Kläger bestehe ein TOS, das bei vorliegenden anatomischen Veränderungen im Bereich des cerviko-thorakalen Übergangs durch ein geeignetes Trauma ausgelöst und damit vorübergehend schmerzhaft geworden sei. Durch die operative Behandlung sei es zunächst zu einer deutlichen Befundbesserung der Beschwerden gekommen, die sich in der Folgezeit indes wieder verschlimmert hätten. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei abgestuft bis zum 20.03.1993 mit 100 v.H., danach bis zum 20.09.1994 mit 40 v.H. und sodann bis zum 20.10.1994 mit 20 v.H. einzuschätzen. Danach könne keine unfallbedingte MdE mehr angenommen werden. Dem Gutachten waren Auszüge aus einem von Prof. Dr. S ... zuvor für eine private Versicherung erstatteten Gutachten sowie Berichte von Prof. Dr. D ... vom 18.07., 17.08., 19.11.1994 und 15.03.1996 beigefügt.

Der Kläger hat daraufhin eine Stellungnahme des behandelnden Arztes B ... vom 31.05.1996 vorgelegt, dem der OP-Bericht des Kurhessischen Diakonissenhauses in K ... vom 24.08.1994 und der Befundbericht des Pathologen Dr. R ... beigefügt waren. Das SG hat zu dem Gutachten von Prof. Dr. S ... eine Stellungnahme von Prof. Dr. G ... eingeholt, der am 06.08.1996 zusammenfassend ausgeführt hat, er stimme im Grundsatz mit der Beurteilung der Zusammenhangsfrage durch Prof. Dr. S ... überein, meine aber, daß es durch den Unfall zu einem Dauerschaden gekommen sei.

Das SG hat sodann eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. E ... eingeholt, in der dieser am 19.08.1996 dargelegt hat, man könne davon ausgehen, daß es bei dem Unfall zu einer Einblutung in den Musculus scalenus gekommen sei, die ihrerseits zu einer mechanischen Irritation des Plexus brachialis geführt habe. Der Einschätzung der MdE durch Prof. Dr. S ... werde zugestimmt.

Nach Vorlage des Protokolls der Nachoperation vom 20.08.1996 sowie des dazu eingeholten Berichtes des Pathologen Dr. R ... vom 26.08.1996 hat die Beklagte eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. S ... vom 25.09.1996 eingeholt, in der dieser erhebliche Zweifel daran geäußert hat, daß es durch den Arbeitsunfall und der dabei aufgetretenen Stauchungsbelastung der WS tatsächlich zu einer Narbenbildung in der Scalenusmuskulatur gekommen sei.

Das SG hat daraufhin ein Gutachten von Prof. Dr. B ..., Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Evangelischen Krankenhauses in H ... eingeholt. Dieser ist darin am 22.02.1997 zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, es spreche viel dafür, daß es bei dem Arbeitsunfall nur zu einer leichten Schädelprellung und leichten Stauchung der HWS gekommen sei und die anschließend festgestellten Wurzelreizerscheinungen im Bereich des linken Armes bereits Ausdruck des zufällig etwa zur gleichen Zeit symptomatisch gewordenen TOS gewesen seien. Diese Auffassung finde ihre Stütze darin, daß nunmehr auch auf der rechten Seite beginnende Symptome eines TOS vorlägen. Sollte die von ihm vorgeschlagene pathologische Zusatzbegutachtung der bei der ersten Operation gewonnenen Präparate ergeben, daß es sich bei den Veränderungen des bei der Resektion der linken 1. Rippe und Teilresektion der linken Hals rippe mit entfernten Muskel- und Sehnengewebes nicht um Traumafolgen handele, könne man eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit durch die leichte Schädelprellung und leichte Stauchung der HWS nur für den Zeitraum bis zum Beginn der Behandlungsaufnahme durch den Neurologen und Psychiater Dr. J ... am 03.03.1993 annehmen. Danach sei die Arbeitsunfähigkeit ausschließlich Folge des TOS. Das SG hat schließlich ein Gutachten von Prof. Dr. B ..., Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M ... eingeholt. In seinem Gutachten vom 02.01.1998 gelangte dieser Sachverständige (SV) zu dem Ergebnis, daß die Untersuchung der bei der Operation des Klägers am 24.08.1994 entnommenen Biopsien keinen Anhalt für ein stattgefundenes Trauma ergeben und die dargestellte Muskulatur keine eindeutig pathologischen Veränderungen gezeigt habe.

Mit Urteil vom 25.09.1998 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt, dem Kläger über den 02.02.1993 hinaus bis zum 20.03.1993 Verletztengeld zu gewähren. Die Klage auf Gewährung von Verletztenrente hat es dagegen abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 19.10.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.11.1998 Berufung eingelegt, mit der er die Gewährung von Verletztenrente begehrt. Er macht geltend, daß mit Prof. Dr. G ... davon auszugehen sei, daß das TOS Unfallfolge sei und einen Dauerschaden hinterlassen habe. Davon sei auch Prof. Dr. C ... in F ... in einem Gutachten für die Gutachter und Schlichtungsstelle für Ärztliche Behandlungen bei der Landesärztekammer Hessen vom 28.01.1998 ausgegangen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25. September 1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. April 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01. September 1994 zu verurteilen, wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 20. Januar 1993 Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. Die Verwaltungsakte lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zu treffender Begründung hat das SG die Klage abgewiesen, denn die im Berufungsverfahren allein streitige Entscheidung der Beklagten über die Versagung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 20.01.1993 ist rechtmäßig.

Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der Arbeitsunfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Art. 36 des Unfallversicherungs - Einordnungsgesetzes [UVEG], § 212 SGB VII).

Nach § 580 Abs. 1 RVO besteht Anspruch auf Verletztenrente dann, wenn die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert. Verletztenrente wird nach § 581 Abs. 1 RVO gewährt, solange infolge des Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel (20 v.H.) gemindert ist.

Diese Anspruchsvoraussetzungen sind im Falle des Klägers nach dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht erfüllt. Der Senat stützt sich - wie das SG - auf die SV-Gutachten von Prof. Dr. B ... und Prof. Dr. B ... Soweit Prof. Dr. S ... für einen begrenzten Zeitraum eine unfallbedingte MdE angenommen hat und Prof. Dr. E ... in seiner ergänzenden Stellungnahme dieser Einschätzung gefolgt ist, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Dafür sind im einzelnen folgende Erwägungen maßgebend:

Der Kläger zog sich bei dem streitigen Arbeitsunfall eine leichte Schädelprellung und Stauchung der HWS - so Prof. Dr. B ... - bzw. eine Zerrung der Nacken- und oberen Rumpfmuskulatur - so der im Verwaltungsverfahren gehörte Gutachter Dr. B ..., dessen Darlegungen urkundsbeweislich zu verwerten waren - zu. Zu einer Bewußtlosigkeit oder einem Erbrechen kam es nach dem Durchgangsarzt bericht von Dr. S ..., der auch keine äußerlich sichtbaren Verletzungszeichen beschrieb, nicht. Danach muß davon ausgegangen werden, daß die Kopfprellung nicht einmal die Kriterien eines Schädel-Hirn-Traumas I. Grades (Commotio cerebri) erfüllt, das definitionsgemäß ohne Folgen ausheilt (vgl. dazu Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit 5. Aufl. S. 272 ff., 274). Schon die Commotio cerebri erfordert nämlich den Nachweis, daß eine anfängliche Bewußtseinsstörung oder mehr oder weniger ausgeprägte Erinnerungslücken vorliegen, was hier nicht der Fall war. Soweit der Kläger in der Folgezeit über zunehmende Kopfschmerzen geklagt hat, sind diese schon von den behandelnden Ärzten - u.a. dem Neurologen und Psychiater Dr. J ... - nicht als Folge der Kopfverletzung gewertet worden. Auch die von der Beklagten gehörten neurologisch - psychiatrischen Gutachter Dres. S ... und L ..., deren Ausführungen gleichfalls vom Senat urkundsbeweislich verwertet werden konnten, sowie der SV Dr. K ... haben keine Folgen der Schädelprellung und erst recht keine Hirnsubstanzschädigung feststellen können. Vom Vorliegen eines posttraumatischen Kopfschmerzsyndroms kann nach den vor genannten Gutachten gleichfalls nicht ausgegangen werden.

Der Unfall hat auch nicht zu knöchernen Verletzungen der HWS oder BWS geführt. Derartige Veränderungen hatte schon der Durchgangsarzt aufgrund seiner klinischen und röntgenologischen Untersuchung nicht nachweisen können. Auch die später durchgeführten computer- und kernspintomographischen Befunderhebungen haben - wie Dr. B ... dargelegt hat - keine Hinweise auf traumatische Schädigungen der knöchernen Strukturen des Rumpfes, der Bandscheiben oder Gelenkkapseln ergeben. Bei den nachfolgenden chirurgisch- orthopädischen Begutachtungen durch Frau Dr. R ...-A ... sowie die SVen Prof. Dr. E ..., Prof. Dr. S ... und Prof. Dr. B ... wurden diesbezüglich keine anderen Feststellungen getroffen. Soweit diese Ärzte die radiologischen Befunde ausgewertet haben, sind von keinem unfallbedingte pathologische Veränderungen festgestellt worden. Wenn Frau Dr. R ...-A ... von einem schweren Ante flexionstrauma der HWS und BWS durch eine extreme einmalige Überlastung ausgegangen ist, das zu einem unteren HWS-Syndrom mit deutlicher Bewegungseinschränkung in der unteren HWS mit Ausstrahlung in die Ulnarseite des linken Armes geführt habe, kann ihr schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sich ein solches schweres Trauma nach dem Unfallhergang und fehlenden äußerlich sichtbaren Verletzungszeichen überhaupt nicht sichern läßt. Wenn die Gutachterin die Beschwerden ausschließlich als Folge einer unfallbedingten Weichteilverletzung wertet und die von ihr als unfallunabhängig angesehenen stummelförmigen Halsrippen bei C6 nicht als Auslöser für die massive Beschwerdesymptomatik beim Kläger ansieht, kann ihre Auffassung nicht überzeugen. Vielmehr ist aufgrund der - außerhalb des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens - durchgeführten Untersuchungen durch Prof. Dr. D ... und die nachfolgende operative Behandlung durch Prof. Dr. G ... in Übereinstimmung mit Prof. Dr. S ... und Prof. Dr. B ... davon auszugehen, daß die Beschwerden des Klägers Folge des erstmals im Sommer 1994 diagnostizierten und später operativ behandelten TOS sind. Dieses ist indes - im Gegensatz zur Auffassung des Klägers - nicht i.S.d. unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 20.01.1993 zurückzuführen.

Unter dem Begriff des TOS fallen - wie das SG in Anlehnung an die Darlegungen von Prof. Dr. S ... ausgeführt hat - verschiedene strukturelle Anomalien im Bereich der oberen Thoraxöffnung, die zu Engpaß-Syndromen, d.h. zu Kompressionen des aus dem Truncus inserior des Armplexus und A. subclavia gebildeten neurovasculären Bündels führen. Es handelt sich um eine äußerst seltene Erkrankung, bei der sich - wie bei allen Engpaß-Syndromen - zu Beginn meist Reizerscheinungen in Form von Paraesthesien oder Schmerzen zunächst im Hautsegment am ulnaren Unterarm, danach auch an der ulnaren Handpartie zeigen. Später können - unter Umständen irreversible - sensomotorische Ausfälle in Form von Muskelatrophien und Paresen auftreten, die vorwiegend die Handmuskulatur betreffen. Die häufigste Ursache des TOS, bei der es verschiedene Unterformen gibt, stellen eine (oft teilweise) Halsrippe oder ein verlängerter Querfortsatz des 7. Halswirbelkörper (HWK) mit einem von dort zur 1. Rippe verlaufenden fibrösen Band oder auch andersartige fibromuskuläre Strukturen dar. Daß es sich bei dem TOS um eine angeborene Erkrankung handelt, ist unstreitig. Davon geht auch Prof. Dr. S ... aus und dies findet seine Bestätigung in den Darlegungen des Prof. Dr. C ... in seinem vom Kläger im ersten Rechtszug vorgelegten Gutachten vom 28.01.1998. Schon Prof. Dr. D ... hatte in seinem Bericht vom 18.07.1994 davon gesprochen, es sei aus der Literatur und eigenen Erfahrungen bekannt, daß vorbestehende Enge-Syndrome im Bereich der oberen Thorax Apertur durch ein entsprechendes Trauma durchaus symptomatisch werden könnten. Auch P ... Dr. B ... hatte darauf hingewiesen, daß im Schrifttum die Ansicht vertreten werde, das TOS solle häufig erstmals symptomatisch werden im Anschluß an ein Trauma oder an eine außergewöhnliche sportliche Leistung. Der SV Prof. Dr. S ... hatte - damit in Übereinstimmung - dargelegt, das TOS könne "durch ein geeignetes Trauma ausgelöst und damit vorübergehend schmerzhaft (werden)".

Damit ist indes die Frage noch nicht beantwortet, ob bei Abwägung der vorbestehenden Krankheitsanlage und der äußeren Einwirkung in Form eines Unfalles letzterer Ursache im Rechtssinne ist.

Nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung sind von den Bedingungen in natur wissenschaftlich - philosophischem Sinn als Ursache oder Mitursache unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur diejenigen Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSGE 1, 72, 76; 61, 127, 129; 63, 272, 278; Brackmann/ Krasney - Handbuch der Sozialversicherung - Gesetzliche Unfallversicherung -, 12. Aufl., § 8 Rdn. 309 ff. m.w.N.). Besteht im Unfallzeitpunkt eine Krankheitsanlage des geschädigten Körperteils, so muß abgegrenzt werden, ob der Körperschaden auch ohne das Unfallereignis zu etwa derselben Zeit durch andere alltäglich vorkommende Ereignisse hätte verursacht werden können, oder ob der Krankheitsanlage eine solch überragende Bedeutung nicht beigemessen werden kann und daher dem Unfallgeschehen ein wesentlicher Ursachenbeitrag zuzuerkennen ist (BSG Breithaupt 1968, 823, 824; Brackmann/ Krasney a.a.O. § 8 Rdn. 378; Erlenkämper, Arbeitsunfall, Schadensanlage und Gelegenheitsursache in: Die Sozialgerichtsbarkeit - SGb - 1997, S. 355, 358 m.w.N.). Dabei reicht für die Annahme einer wesentlichen (Mit)-Ursache nicht aus, daß das Unfallereignis stärker war als andere alltägliche Ereignisse (BSG a.a.O.; Brackmann/ Krasney a.a.O.; Ricke, Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII Rdn. 28). Hier läßt sich nicht feststellen, daß das Geschehen vom 20.01.1993 überhaupt ein Ursachenfaktor für das Hervortreten des bis dahin symptomlosen TOS gewesen ist.

Prof. Dr. B ... hat dies für den Senat einleuchtend und überzeugend verneint, indem er dargelegt hat, daß es bei einem Trauma oder bei einer außergewöhnlichen körperlichen Belastung in der Regel nicht zu einer Schädigung der sehr tiefliegenden, die Scalenuslücke bzw. die costoclaviculäre Lücke umgebenden Muskeln komme, sondern eher zu einer funktionellen Dekompensation der vorher schon latent vorhandenen Kompression. Das war nach den Darlegungen des SV auch beim Kläger der Fall. Nach dem Operationsbericht vom 24.08.1994 waren Ursache für die Kompression des Plexus brachialis und der Arteria subclavia nicht nur eine muskuläre Hypertrophie bzw. Fibrose des Musculus scalenus anterior und medius, sondern auch noch eine kurze Halsrippe, die mit ihrer knöchernen Spitze bis zum Plexus reichte und durch eine sehnige bogenförmige Platte mit dem Innenrand der 1. Rippe im Zusammenhang stand als angeborene Fehlbildung sowie ein relativ kräftiger Scalenus minimus. Im Operationsbericht wurden keine Traumafolgen beschrieben, insbesondere kein Narbengewebe, wie Prof. Dr. B ... aufgezeigt hat. Soweit der Pathologe Dr. R ... im histologischen Bericht vom 25.08.1994 das Muskelgewebe mit Vernarbung und lipomatöser Atrophie "wie nach Trauma" beschrieben hat, hat Prof. Dr. B ... diese Einschätzung, auf die auch Prof. Dr. S ... und Prof. Dr. G ... ihre positive Beurteilung der Zusammenhangsfrage maßgeblich gestützt hatten, in ihrer Richtigkeit bezweifelt und darauf hingewiesen, daß es auch im Sehnengewebe fettige Degenerationen gebe.

Die daraufhin durchgeführte ergänzende Begutachtung der Resektate durch Prof. Dr. B ... hat auch zur Überzeugung des erkennenden Senates die Vermutung von Dr. R ... nicht bestätigt. Ersterer hat aufgrund der eingehenden Untersuchung der Präparate dargelegt, daß diese bis auf eine Ausnahme mehr oder weniger unauffälliges Muskelgewebe darstellten, bei dem sich eindeutig vermehrtes Fett oder Bindegewebe nicht habe darstellen lassen, so daß es sich nicht um Ersatz von Muskulatur durch Bindegewebe handeln könne. Auch das eine, größere Präparat stelle eindeutig Muskelhaut und kein Ersatz von Muskulatur durch Bindegewebe dar, auch wenn sich deutliche Größenunterschiede zwischen den einzelnen Muskelfasern und zwar i.S.v. atrophierten und hypertrophierten sowie zentral ständigen Muskelfaserkernen und zwischen Muskelfasern eingewachsener Bindehaut ergeben hätten. Diese Schnitte seien aber eindeutig an der Grenze zur Muskelhaut lokalisiert und in diesem Bereich seien derartige Veränderungen als normal anzusehen, da sie in Muskelbiopsien anderer Personen jederzeit reproduzierbar seien. Schließlich hat der SV auch darauf hingewiesen, daß die durchgeführte Eisenfärbung zum Nachweis einer posttraumatischen Blutung durch Hämosiderin-Nachweis in allen Präparaten negativ gewesen sei, so daß die untersuchten Biopsien keinen Anhalt für ein stattgehabtes Trauma ergeben hätten und die dargestellte Muskulatur ohne eindeutige pathologische Veränderung gewesen sei.

Aufgrund dieser Feststellungen von Prof. Dr. B ... ist zur Überzeugung des Senates aber die von Dr. R ... aufgestellte These, es habe sich bei den Resektaten um Narbengewebe gehandelt, widerlegt und kein Beweis für eine unfallbedingte Entstehung des Enge-Syndroms mehr gegeben.

Soweit demgegenüber Prof. Dr. S ... und ihm folgend Prof. Dr. E ... einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Trauma und dem nahezu 1 1/2 Jahre später erstmals diagnostizierten TOS angenommen haben, waren dafür offenbar die Stellungnahme von Dr. R ... und der - lose - zeitliche Zusammenhang mit der einschlägigen Beschwerdesymptomatik maßgebend, ohne daß der Unfallhergang, die fehlenden Hinweise auf (primäre) äußerliche sowie intraoperative Verletzungsfolgen hinreichend berücksichtigt wurden. Diese Einschätzung kann daher nach den vorstehend referierten weiteren Ermittlungen, insbesondere des pathologischen Gutachtens von Prof. Dr. B ..., nicht mehr überzeugen. Hinzu kommt, daß sich zwischenzeitlich beim Kläger auch ein rechtsseitig symptomatisch werdendes TOS gezeigt hat, was von keinem der gehörten Gutachter ursächlich auf den Unfall bezogen worden ist und gleichfalls ein Indiz dafür ist, daß allein wesentlich für die TOS Symptomatik die vorbestehende Krankheitsanlage war.

Nach alledem muß davon ausgegangen werden, daß der Arbeitsunfall für die Entstehung der TOS-Symptomatik nicht mitursächlich war und nicht einmal die Bedeutung einer - rechtlich unerheblichen weil unwesentlichen - Gelegenheitsursache dargestellt hat.

Die Berufung mußte daher mit der Kostenfolge des § 193 SGG erfolg los bleiben.

Zur Revisionszulassung bestand kein Anlaß.
Rechtskraft
Aus
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