L 17 U 134/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 14 U 60/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 134/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 7/00 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 07. April 1999 abgeändert. Die Klagen werden abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Hinterbliebenenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Klägerin zu 3) war die Ehefrau, die 1985, 1987 und 1994 geborenen Kläger zu 1), 2) und 4) die leiblichen Abkömmlinge des 1958 geborenen und am 20.05.1997 bei einem Verkehrsunfall tödlich verletzten Versicherten J ... H ... (H.). Der Versicherte wohnte mit seiner Familie in R ...-V ..., Ortsteil L ..., und war seit 1985 als Gußabnehmer bei der Firma C ... G ... GmbH - R ... E ... - in B ... beschäftigt. Den Weg zur Arbeitsstelle legte er üblicherweise mit einem PKW bzw. Motorrad zurück. Dabei fuhr er von seiner Wohnung aus über die B 239 in südliche Richtung über E ..., L ... und H ..., wo er auf der B 61 zu der in B ..., A ... gelegenen Arbeitsstätte weiterfuhr (vgl. die Straßenkarte Bl. 5 der Verwaltungsakte). Bei der Rückkehr zur Wohnung benutzte er regelmäßig die gleiche - gut 60 km lange - Wegstrecke.

Am Unfalltage beabsichtigte der Versicherte, sein Motorrad vom Typ Suzuki Intruder 750 auf dem Rückweg bei dem in H ...-E ..., H ..., gelegenen Motorrad-Shop V ... abzugeben, damit dort am folgenden Tage eine Inspektion mit Überprüfung der Bremsanlage durchgeführt werden sollte. Für die Weiterfahrt sollte ihm eine Leihmaschine von dem Vertragshändler zur Verfügung gestellt werden. Der Termin war zuvor telefonisch vereinbart worden.

H. hatte nach Beendigung seiner Arbeitszeit um 14.15 Uhr die Rückfahrt angetreten und war - nachdem er über die B 61 in nördlicher Richtung über H ... und dann auf der B 239 nach L ... weitergefahren war - dort auf die B 65 abgebogen, die in östliche Richtung nach M ... führt. Auf halber Strecke zu der in H ...- E ... gelegenen Werkstatt verunglückte er um 15.39 Uhr im Ortsteil N ..., als er beim Überholen eines vor ihm fahrenden PKW s wegen eines entgegenkommenden LKW s plötzlich stark bremsen mußte, ins Schleudern kam, auf die Gegenfahrbahn prallte und unter den LKW geriet. Der Versicherte erlitt schwerste Kompressionsverletzungen von Brust und Bauchraum und verstarb an der Unfallstelle.

Die Beklagte holte u.a. Auskünfte des Arbeitgebers des Versicherten sowie der Firma Motorrad-Shop V ... ein und zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft B ... bei, die u.a. das Leichenöffnungsprotokoll des Priv.-Doz. Dr. B ... vom 22.05.1997 sowie ein Gutachten des Dipl.-Ing. B ..., DEKRA Automobil AG in M ... vom 11.06.1997 enthielten. Der technische Sachverständige war zu dem Ergebnis gelangt, die Vorderradbremsanlage des vom Versicherten gefahrenen Motorrades sei im Unfallzeitpunkt defekt gewesen, habe bei normaler Betätigung keine Bremswirkung mehr erzielt und beim Einsetzen eines höheren Handbremskraftaufwandes zu einer plötzlichen Vorderradbremswirkung bis zum Blockieren des Vorderrades geführt. Der verkehrsunsichere Zustand der Bremsanlage sei mitursächlich für den Sturz des H. gewesen.

Im Rahmen des Feststellungsverfahrens konnte nicht ermittelt werden, welchen weiteren Weg der Versicherte nach Abgabe seines Motorrades und Übernahme einer Leihmaschine zum Erreichen seiner Wohnung genommen hätte. Seine Schwester gab am 26.06.1997 an, H. wäre dann von E ... über H ... auf Landstraßen in Richtung R ... und von dort zu der in V ... gelegenen Wohnung gefahren. Seitens der Firma V ... konnten insoweit keine sicheren Angaben über die weitere Fahrroute des H. gemacht werden. Es wurde aber angenommen, daß eine Weiterfahrt über H ... und nicht zurück über Lübbecke erfolgt wäre. Dadurch hätte sich der Fahrtweg um ca. 11 km und die Fahrtdauer um etwa 10 Minuten verlängert.

Mit Bescheiden vom 24.09.1997 lehnte die Beklagte die Gewährung von Witwen- und Waisenrente aus Anlaß des tödlichen Unfalles des Versicherten ab. Sie begründete dies damit, H. habe keinen Wegeunfall erlitten, weil er aus eigenwirtschaftlichen Gründen den direkten Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnung verlassen und einen Umweg eingeschlagen habe, um einen vereinbarten Reparaturtermin für sein Motorrad wahrzunehmen. Angesichts der Länge dieses Umweges von ca. 11 km könne bei der normalen Wegstrecke von 60 km nicht mehr von einem unbedeutenden Umweg gesprochen werden, der den Versicherungsschutz nicht unterbrochen habe.

Dagegen erhoben die Kläger am 24.10.1997 Widerspruch. Sie machten geltend, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine schematische Betrachtung bezüglich der Wegstreckenverhältnisse und der Länge der Umwege nicht zulässig, so daß angesichts der üblichen Wegstrecke von 60 km eine Verlängerung des Weges um 11 km als unerheblich anzusehen sei. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß nur eine wenige Minuten dauernde Unterbrechung des Weges zur Abgabe des Motorrades und zum Empfang der Leihmaschine geplant gewesen sei, so daß der Umweg als "gleichsam im Vorübergehen unternommen" zu qualifizieren sei. Schließlich sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, daß bei der Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit eines Kraftfahrzeuges auf den damit verbundenen Umwegen zur Werkstatt Versicherungsschutz bestehe. Deshalb sei der innere Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges und der versicherten Tätigkeit gegeben.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 18.02.1998 wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Versicherte sei in erheblichem Maße von dem üblichen Heimweg abgewichen, um eine private Verrichtung - Reparatur seines Motorrades - durchführen zu lassen. Das Einschieben dieses Weges in die eigentliche Wegstrecke, bei der zudem die Zielrichtung "Wohnung" nicht eingehalten worden sei, bewirke bereits mit dem ersten Schritt eine so deutliche Zäsur, daß auf dem weiteren Weg kein Versicherungsschutz mehr bestanden habe, weil sich dieser Weg sowohl nach seiner Zweckbestimmung als auch nach seiner Zielrichtung von dem ursprünglich eingeschlagenen Weg unterscheide. Auf die Länge des Abweges komme es nicht an.

Dagegen haben die Kläger am 19.03.1998 vor dem Sozialgericht (SG) Detmold Klage erhoben, das die Streitverfahren mit Beschlüssen vom 11.05. und 24.06.1998 gemäß § 113 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat.

Zur Klagebegründung haben die Kläger ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt. Die Klägerin zu 3) hat in der mündlichen Verhandlung am 07.04.1999 erklärt, bei der Firma Motorrad-Shop V ... habe es sich um die dem Wohnort des Versicherten am nächsten gelegene Reparaturwerkstatt gehandelt. Sie sei sicher, daß H. für die Fortsetzung des Weges die Nebenstrecke über H ... nach R ... genommen hätte, wie er dies auch schon bei früherer Gelegenheit nach Aufsuchen der Reparaturwerkstatt getan habe.

Mit Urteil vom 07.04.1999 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide antragsgemäß verurteilt, den Klägern aus Anlaß des Todes des Jürgen H ... am 20.05.1997 Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 30.04.1999 zugestellte Urteil am 28.05.1999 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, der Wohnort des Versicherten in R ...-V ..., Ortsteil L ..., befinde sich etwa 2 km westlich von der üblichen Heimwegstrecke, der B 239. Mit dem Abbiegen in L ... nach Osten auf die B 65 sei der Versicherte von der Richtung zum Wohnort um etwa 100° abgewichen. Selbst wenn man unterstelle, daß H. nach Erledigung des Reparaturauftrages über H ... und R ... nach Hause habe weiterfahren wollen, läge darin kein versicherter Umweg, weil die Strecke L ...-H ...- R ...-L ... etwa doppelt so lang sei wie die übliche Heimwegstrecke L ...-V ... -L ... Der Versicherte habe sich daher zum Unfallzeitpunkt auf einem Abweg befunden, der grundsätzlich nicht unter Versicherungsschutz stehe. Die vom SG vorgenommene Gleichsetzung zwischen Abwegen und Wegen vom und zum dritten Ort sei mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Einklang zu bringen, wie sich auch aus dem Urteil selbst ergebe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 7. April 1999 abzuändern und die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie pflichten dem angefochtenen Urteil bei und sind der Ansicht, das SG habe zu Recht darauf abgestellt, daß es bei dem Weg über E ... und H ... lediglich zu einer geringfügigen Verlängerung des üblichen Arbeitsweges gekommen und ein längerer Aufenthalt in der Reparaturwerkstatt auch gar nicht beabsichtigt gewesen sei. H. habe lediglich sein Motorrad abgeben und ein Ersatzfahrzeug in Empfang nehmen wollen, um mit diesem den Weg zur Wohnung und am nächsten Tag zur Arbeitsstätte zurückzulegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die Verwaltungsakte lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet.

Zu Unrecht hat das SG die Beklagte zur Gewährung von Hinterbliebenenleistungen verurteilt, denn die angefochtenen Bescheide, mit denen lediglich über die Gewährung von Witwen- und Halbwaisenrenten i.S.v. § 63 Abs. 1 Nr. 3, 65, 67 des Siebten Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII), nicht aber auch über weitere Hinterbliebenenleistungen nach § 64 SGB VII (Sterbegeld bzw. Überführungskosten) entschieden worden ist, sind rechtmäßig.

Nach § 63 Abs. 1 SGB VII haben Hinterbliebene Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Versicherungsfälle in diesem Sinne sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 und 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Gemäß Abs. 2 sind versicherte Tätigkeit auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (sog. Wegeunfälle).

Entgegen der Auffassung des SG hat H. am 20.05.1997 keinen Wegeunfall erlitten und ist demzufolge auch nicht an den Folgen eines Arbeitsunfalles i.S.v. § 8 SGB VII verstorben. Zwar begab sich der Versicherte nach Ende seiner Arbeitszeit um 14.15 Uhr bei der Firma C ... G ... GmbH in B ... auf den Heimweg zu der in R ...-V ..., Ortsteil L ... gelegenen Wohnung und war damit auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII geschützten Weg, jedoch hat sich der Unfall nicht auf einer Wegstrecke ereignet, die unmittel bar dem Erreichen der Wohnung diente. Der Versicherte ist vielmehr - nachdem er etwa 2/3 der üblichen Wegstrecke zurückgelegt hatte - in L ... von der B 239, auf der er in nördlicher Richtung hätte weiterfahren müssen, abgebogen und ist in östlicher Richtung auf der B 65 weitergefahren, um sein Motorrad zu einem vorher vereinbarten Reparaturtermin zu dem in H ...-E ... gelegenen Motorrad-Shop V ... zu bringen und sodann von dort - auf welchem Wege auch immer - weiter nach Hause zu fahren. Auf der Wegstrecke zur Werkstatt, die nicht mit dem üblichen Weg von der Arbeitsstelle zur Wohnung identisch war, verunglückte H. tödlich.

§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII verlangt einen inneren (sachlichen Zusammenhang) zwischen dem Zurücklegen des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit und der versicherten Tätigkeit (BSGE 37, 98, 100; BSG SozR 2200 § 550 Nr. 52, 62, 81; vgl. m.w.N. Bereiter-Hahn/ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung - Handkommentar - § 8 SGB VII Rdn. 12.1 ff.). Das bedeutet, daß zwischen dem Vorgehen des Versicherten und seiner Arbeitsleistung bzw. der Zurücklegung des Weges von und nach dem Ort der Tätigkeit eine Beziehung bestehen muß, welche sein Verhalten entweder mit der Arbeitstätigkeit als solcher oder mit der Zurücklegung des Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit zusammenfaßt (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 23). Der innere Zusammenhang muß so eng und gewichtig sein, daß es gerechtfertigt ist, den Weg der versicherten Tätigkeit zuzuordnen, was dann der Fall ist, wenn der zurückgelegte Weg wesentlich dazu diente, entweder die versicherte Tätigkeit aufzunehmen oder nach Beendigung der Betriebstätigkeit - in der Regel - die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt des Weges (sog. dritter Ort) von dem Ort der Tätigkeit zu erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1991, HV-Info 1991 1844). Dies ist wertend zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 4, 16). Fehlt es an einem inneren Zusammenhang in diesem Sinne, scheidet Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn der Unfall sich auf derselben Wegstrecke ereignet, die der Versicherte auf dem Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (BSG, a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 11.08.1998 - B 2 U 29/97 R -).

Zwar ist der Versicherte in der Wahl des Verkehrsmittels frei und auch nicht gezwungen, den entfernungsmäßig kürzesten Weg zu wählen (BSGE 49, 16; Bereiter-Hahn/ Mehrtens, a.a.O. Rdn. 12.2; Brackmann/ Krasney, Handbuch der Sozialversicherung - Gesetzliche Unfallversicherung - § 8 Rdn. 211) ). Versicherungsschutz ist daher auch dann gegeben, wenn die Wahl der weiteren Wegstrecke aus den durch objektive Gegebenheiten erklärbaren Sicht des Versicherten noch dem Zurücklegen des Weges von und nach dem Ort der Tätigkeit zuzurechnen ist, was bei verkehrsbedingten Gründen regelmäßig angenommen werden kann (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 10; SozR-2200 § 550 Nr. 7). Derartige Umstände waren hier für das Verlassen der üblichen Wegstrecke in L ... und die Weiterfahrt auf der B 65 aber nicht gegeben. Der direkt zur Wohnung führende Weg wurde dadurch unterbrochen; die Weiterfahrt nach H ...-E ... erfolgte, um das Motorrad zur Reparatur abzugeben. Damit war für diesen Teil der Wegstrecke, den man als Abweg oder Umweg bezeichnen kann (vgl. zur Terminologie Bereiter-Hahn/ Mehrtens, a.a.O. Rdn. 12.30), die Handlungstendenz des Versicherten nicht auf das Erreichen der häuslichen Wohnung gerichtet, sondern dieser Weg diente allein eigenwirtschaftlichen (privaten) Zwecken.

Zutreffend hat insoweit das SG ausgeführt, daß nach der höchst richterlichen Rechtsprechung die Reparatur an dem für die Zurücklegung des Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit benutzten eigenen Verkehrsmittel nicht unter Versicherungsschutz steht, weil dies regelmäßig - so auch hier - kein Arbeitsgerät i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII darstellt (vgl. BSGE 24, 243; 41, 102; BSG SozR 2200 § 549 Nr. 7; Bereiter-Hahn/ Mehrtens, a.a.O. Rdn. 17.11; Brackmann/ Krasney, a.a.O. Rdn. 291). Dementsprechend sind auch Wege zum Aufsuchen der Reparaturwerkstatt oder einer Tankstelle grundsätzlich nicht versichert. Soweit die Kläger darauf hingewiesen haben, das BSG habe anerkannt, daß auch bei der Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit eines Kraftfahrzeuges auf den damit verbundenen Umwegen zur Werkstatt Versicherungsschutz bestehe, trifft dies zu, gilt aber nur in den Fällen, bei denen - entweder auf einem Betriebsweg oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Weg - plötzlich und unvorhergesehen die Notwendigkeit einer Reparatur bzw. des Tankens auftrat, um sodann den Weg fortzusetzen (BSGE 16, 245, 247; BSG SozR 2200 § 550 Nr. 39; Bereiter-Hahn/ Mehrtens, a.a.O. Rdn. 12.28). Ein damit vergleichbarer Sachverhalt ist hier nicht gegeben. Das Aufsuchen der Werkstatt diente eigenwirtschaftlichen Zwecken mit der Folge, daß auf dem Teilstück des Weges von Lübbecke nach H ...-E ... kein Versicherungsschutz bestand.

Soweit das SG gleichwohl auch für diesen Weg das Fortbestehen des Versicherungsschutzes unter dem Gesichtpunkt einer unwesentlichen Verlängerung des üblichen Weges angenommen und diesbezüglich auf die Rechtsprechung des BSG zum Weg zum "dritten Ort" hingewiesen hat, kann der Senat den Erwägungen des SG aus folgenden Gründen nicht beitreten:

Zeitliche oder räumliche Unterbrechungen des versicherten Weges sind nur dann unerheblich, wenn es sich bei natürlicher Betrachtungsweise um geringfügige und belanglose handelt und sie - trotz eigenwirtschaftlicher Handlung - den Zusammenhang des Weges nicht beseitigen, was z.B. beim Wechsel der Straßenseite, beim Betrachten eines Schaufensters, beim Einwurf eines Briefes in einen Briefkasten oder beim Kauf einer Zeitung am Kiosk an der Straße der Fall ist (BSG SozR 2200 § 550 Nrn. 44, 69; BSG Breithaupt 1990, 903, 906; Bereiter-Hahn/ Mehrtens, a.a.O. Rdn. 12, 31; Brackmann/ Krasney, a.a.O. Rdn. 228). Hiervon ausgehend kann bei dem Einschieben eines privaten Zwecken dienenden Weges von mehreren Kilometern Länge grundsätzlich nicht von einer unerheblichen Unterbrechung oder Verlängerung des versicherten Weges die Rede sein.

Der Senat vermag - anders als das SG - hier auch nicht eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu den Versicherten zu sehen, die einen Unfall auf einem Weg zum sog. dritten Ort erleiden. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII benennt den Ort der Tätigkeit als einen Endpunkt des Weges, nicht aber den anderen. Wenn dieser auch in aller Regel die Wohnung sein wird, muß der Weg nicht von dort aus angetreten sein oder dorthin zurückführen (BSGE 1, 171, 172; 32, 38, 41; vgl. zum folgenden auch Bereiter-Hahn/ Mehrtens, a.a.O. Rdn. 12.20; Brackmann/ Krasney, a.a.O. Rdn. 192). Voraussetzung für die Annahme eines dritten Ortes als anderem Endpunkt des Weges mit der Folge, daß mit dessen Erreichen der versicherte Weg endet, ist, daß der Versicherte sich dort eine erhebliche Zeit - mindestens zwei Stunden - aufgehalten haben muß (BSGE 62, 113, 115; 82, 138). Ist die Aufenthaltszeit geringer, handelt es sich rechtlich um einen Zwischenort mit der Konsequenz, daß der einheitliche Gesamtweg unter dem Gesichtspunkt des Um- oder Abweges zu beurteilen ist (BSGE 22, 60; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 2). Daraus folgt, daß - was das SG richtig erkannt hat - hier Versicherungsschutz nicht damit begründet werden kann, der Motorrad-Shop V ... sei im o.a. Sinne "dritter Ort" gewesen, denn H. wollte sich - was unstreitig ist - dort nicht längere Zeit aufhalten. Wenn das BSG weiter fordert, daß ein solcher, nicht von der Wohnung angetretene und nicht dorthin zurückführende Weg nach Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg des Versicherten nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen müsse, insbesondere nicht ein Vielfaches des üblichen Weges von der Wohnung betragen dürfe, damit das Wegeunfallrisiko nicht über Gebühr erhöht werde, und alle Umstände - auch das Motiv für das Aufsuchen des dritten Ortes - zu berücksichtigen seien (vgl. BSGE 22, 60, 62; 62, 113, BSG SozR 3-2200 § 550 Nrn. 2, 10), leuchtet dies ohne weiteres ein. Zugleich wird daraus aber deutlich, daß diese Erwägungen gänzlich ungeeignet sind, einen Versicherungsschutz auf eigen wirtschaftlichen Um- oder Abwegen zu begründen, denn dadurch würden die vorstehend aufgezeigten und in langjähriger Rechtsprechung und nachfolgender Verwaltungspraxis bewährten Kriterien zur Feststellung des inneren Zusammenhanges zwischen dem Weg und der versicherten Tätigkeit aufgegeben, ohne sie durch sinnvollere und praktikabelere zu ersetzen.

Das angefochtene Urteil steht - wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat - mit der Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, nicht in Einklang und konnte dementsprechend keinen Bestand haben. Auf die Berufung der Beklagten war es abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat hat keinen Anlaß gesehen, die Revision zuzulassen, denn er folgt insoweit der gefestigten Rechtsprechung des BSG.
Rechtskraft
Aus
Saved