L 17 U 240/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 6 (17) U 202/91
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 240/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 17. August 1999 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2103 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1949 in Jugoslawien geborene Kläger war nach Absolvierung eines sechsmonatigen Maurerkurses vom 09.07.1973 bis 17.04.1991 bei der Firma P ... H ... AG in D ... als Spezialbaufacharbeiter tätig, wobei er überwiegend in einer Betonbaukolonne arbeitete. Dabei bediente er einen Betoninnenrüttler der Fa. N ...Elektro-Innenvibrator Typ NCZ 800. Seit Dezember 1991 ist er bei seiner bisherigen Arbeitgeberin mit Säuberungs-, Putz- und Ausbesserungstätigkeiten betraut.

Seit dem 19.10.1989 befand sich der Kläger wegen einer rechtsseitigen Lunatummalazie Stadium III (Mondbeintod) in der Unfallchirurgischen Abteilung des Universitätsklinikums E ... in Behandlung. Am 07.10.1989 erfolgte dort eine Resektion des Oslunatum. Nachdem der weitere ambulante Krankheitsverlauf zunächst komplikationslos verlief, traten Anfang Dezember 1989 Schmerzen und Schwellung und lokale Entzündungszeichen im Bereich des rechten Handgelenkes auf, die am 12.01.1990 einen weiteren Eingriff erforderlich machten. Die eingebrachten allogenen Sehneninterponate wurden entfernt, Carpaltunnel und Sehnenscheiden auf der Beugeseite sowie die Sehnenscheiden auf der Streckseite gespalten. Am 22.05.1990 erfolgte die Implantation einer Silastic-Prothese.

Mit Schreiben vom 03.10.1990 erstattete der Kläger und mit weiterem Schreiben vom 09.10.1990 der Oberarzt Dr. H ..., Abteilung für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums E ... eine BK-Anzeige. Im Rahmen des nunmehr eingeleiteten Feststellungsverfahrens zog die Beklagte zunächst Unterlagen über einen 1976 erlittenen häuslichen Unfall, bei dem der Kläger eine proximale Ulnafraktur rechts erlitten hatte bei und holte eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK nach Nr. 2103 der Anlage zur BKV ein. In seiner Stellungnahme vom 13.03.1991 führte der Technische Aufsichtsbeamte (TAB) K ... u.a. aus, bei bestimmungsgemäßer Verwendung komme es sowohl im eingetauchten Zustand als auch beim Umsetzen der Rüttelflasche nur zu geringen Vibrationsübertragungen auf die handhabende Person. Dies liege daran, dass von dem Beschäftigten der Innenrüttler etwa 1 m oberhalb der eigentlichen Rüttelflasche am Zuführungsschlauch gehalten werde, so dass die durch eine um laufende Unwucht innerhalb des Flaschenkopfes erzeugte Vibration unmittelbar auf den umgebenden Beton übertragen werde. Insoweit seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK nach Nr. 2103 der Anlage zur BKV nicht erfüllt.

Nachdem der Staatliche Gewerbearzt Dr. P ... sich in seiner Stellungnahme vom 22.04.1991 der vorgenannten Auffassung angeschlossen hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.06.1991 die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen einer BK nach Nr. 2103 der Anlage zur BKV ab. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass der Kläger keiner schädigenden Einwirkung i. S. der vorgenannten BK ausgesetzt gewesen sei. - Den vom Kläger fristgemäß eingelegten Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 19.11.1991 zu rück.

Dagegen hat der Kläger am 17.12.1991 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben und im wesentlichen geltend gemacht, es sei nicht richtig, dass der Innenrüttler etwa 1 m oberhalb der eigentlichen Rüttelflasche am Zuführungsschlauch gehalten werde. Er habe den Rüttler selbst gehalten. Wegen der Vielzahl der damit verbundenen Vorgänge würden sehr wohl Vibrationen durch den Innenrüttler auf den Bediener übertragen, so dass es so zu der Erkrankung gekommen sei.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme des TAB W ... vom 18.03.1992 vorgelegt in der dieser die Handhabung des Innenrüttlers beschreibt und zusammenfassend ausführt, da es nur zu einem sporadischen Berühren der Rüttelflasche komme, erfolgte auch nur eine "passive Miterschütterung" des Handbereiches, so dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2301 nicht zu bejahen seien.

Das SG hat zur Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität Beweis erhoben durch Anhörung des Klägers und Vernehmung der Arbeitskollegen W ... W ... und K ... I ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 19.08.1992 verwiesen. Des weiteren hat das SG ein arbeitstechnisches Gutachten des Dr. Ing. S ... in D ... vom 05.07.1993 und 25.01.1995 ein geholt. Darin ist der Sachverständige (SV) zu dem Ergebnis gelangt, dass der Einsatz des Klägers an dem Innenrüttler infolge Höhe und insbesondere Langzeitwirkung der Schwingungen zu den bestehenden Schäden geführt habe.

Daraufhin hat das SG in medizinischer Hinsicht Beweis erhoben durch Einholung eines chirurgischen Gutachtens von Dr. V ... in G ... Dieser hat darin am 27.04.1995 die Auffassung vertreten, bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK nach Nr. 2103 seien nicht gegeben, jedenfalls aber fehle es an den medizinischen Voraussetzungen. Die röntgenologischen Untersuchungen bei dem Kläger hätten eindeutige Befunde einer Minusvariante der Elle am rechten Handgelenk ergeben. Dadurch sei es zu einer wesentlichen Änderung der Druckbelastung des rechten Mondbeines im negativen Sinne gekommen, so daß es zwangsläufig zu einer "Zermörserung" des Mondbeines gekommen sei. Diese Veränderung habe schon vor der ersten Operation des Klägers am 27.10.1989 vorgelegen. Ursache der Ellenverkürzung sei der frühere proximale Ellenbruch rechts vom 29.08.1976 infolge eines häuslichen Unfalles. Bei einer solchen deutlichen Ellenverkürzung im Handgelenksbereich komme es auch ohne besondere berufliche Belastung zu einem allmählichen, sich über Monate bis Jahre hinziehende Mondbeintod. Eine berufliche Verursachung scheide damit aus, so dass die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK nach Nr. 2103 der Anlage zur BKV nicht erfüllt seien.

Auf Antrag des Klägers hat das SG nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein weiteres Gutachten des Oberarztes der Abteilung für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums E ... Dr. S ... einge holt. Darin hat dieser am 13.02.1998 und 24.11.1998 die Auffassung vertreten, der Kläger leide an einer Erkrankung i.S. der BK Nr. 2103 der Anlage zur BKV. Bei der Tätigkeit mit Innenrüttlern entstehe unabhängig von der Antriebsart eine hohe Krafteinwirkung auf Hände und Arme in einer Handstellung, die zu Durchblutungsstörungen des Mondbeines führe. Zwar sei erwiesen, dass bei dem Kläger der Bruch der körpernahen Elle 1976 mit Verkürzungen um 6 mm eingetreten sei. Es habe somit seitdem eine gestörte Biomechanik bestanden, so dass die Krafteinwirkung durch das Bedienen der Rüttelflasche zur Mondbeinschädigung und -untergang geführt hätten. Anzuschuldigen sei aber nicht die Verkürzung der Elle, sondern die jahrelang einwirkenden Erschütterungen durch das Bedienen der Rüttelflasche. Wenn die 1976 erworbene Verkürzung der Elle die Ursache für die Mondbeinnekrose gewesen wäre, hätten die Beschwerden viel früher bemerkbar machen müssen, was hier nicht der Fall gewesen sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 40 v.H. das erste Jahr nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit und sodann mit 30 v.H. zu bewerten.

Zu diesem Gutachten hat die Beklagte eine Stellungnahme des TAB Dipl. Ing. P ... vom 16.04.1998 vorgelegt, der das Vorliegen der haftungsbegründenden Kausalität verneint hat. Weiter hat sie eine Stellungnahme von Dr. W ..., Arzt für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin in C ...-R ... zu den Akten gereicht, in der dieser darauf hingewiesen hat, dass nach den Stellungnahmen des TAD eine zu berücksichtigende Erschütterungseinwirkung auf das Hand-Arm-System bei der Tätigkeit mit der Rüttelflasche nicht vor liege. Eine Rüttelflasche gehöre zu den Werkzeugen, die einen drehenden Antrieb besäßen. Dies führe nicht zu einer aktiven Erschütterung, sondern nur zu einer Vibrationsexposition. Damit handele es sich aber um ein Werkzeug, das nicht als gleichartig wirkende Maschine oder Werkzeug im Sinne der BK 2103 der Anlage zur BKV an gesehen werden könne. Allenfalls gehe von der Rüttelflasche eine Vibration aus, die geeignet sei eine typische Durchblutungsstörung (Angeospasmus) und damit ggf. eine BK nach Nr. 2104, nicht jedoch eine Mondbeinmalazie hervorgerufen. Der Minusvariante der rechten Elle komme daher die überragende Bedeutung beim Zustandekommen der Lunatummalazie zu.

Mit Urteil vom 17.08.1999 hat das SG die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Rente aufgrund einer BK 2103 der Anlage zur BKV nach einer MdE von 40 ab dem 15.04.1993 und von 30 v.H. ab dem 15.04.1992 zu gewähren. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen das am 27.08.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.09.1999 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung ihres bisherigen Vortrages macht sie geltend, schon die arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitigen BK seien nicht erfüllt. Die Bedienung der Rüttelflasche führe nicht zur Einwirkung von Rückstosserschütte rungen, wie sie die BK verlange. Im übrigen sei auch die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der Einwirkung der Rüttelflasche und dem Mondbeintod nicht gegeben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 17.08.1999 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger, der dem erstinstanzlichen Urteil beipflichtet, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zunächst Auskünfte des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 10.03.2000 und des Berufsgenossenschaft lichen Institutes für Arbeitssicherheit (BIA) im St. Augustin vom 08.05. und 16.05.2000 zur Frage des Entstehens einer BK nach Nr. 2103 der Anlage zur BKV durch Betoninnenrüttler eingeholt. Des weiteren hat der Senat den Kläger untersuchen und begutachten lassen durch Dr. S ..., Leitender Arzt des Bereichs Handchirurgie St. J ... Hospitals E ...-K ..., Katholische Kliniken R ... GmbH. In seinem Gutachten vom 03.07.2000 ist der SV zu dem Ergebnis gelangt, eine BK nach Nr. 2103 der Anlage zur BKV liege mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht vor. Auf den Inhalt des Gutachtens wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte, die von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte, die vorlag, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das SG hat zu Unrecht der Klage stattgegeben, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente, weil eine BK nach Nr. 2103 der Anlage zur BKV nicht vorliegt.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung - RVO - da er Verletztenrente auch für Zeiten vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) zum 01.01.1997 begehrt (Artikel 36 Unfallversicherungs- Einordnungsgesetzes [UVEG], § 212 SGB VII).

Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine BK. BKen sind nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Die entschädigungspflichtigen BKen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht werden, denen bestimmte Berufsgruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, werden in der Liste der Anlage zur BKV bezeichnet.

Die BK 2103 erfasst Erkrankungen durch Erschütterungen bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen. Nach dem zu dieser BK herausgegebenen Merkblatt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung [Kommentar] M 2103, 1 ff., kommen die Erkrankungen bei Arbeiten mit bestimmten Werkzeugen oder Maschinen vor, die rhythmische Rückstosserschüt terungen oder schnelle Vibrationen an den haltenden oder stützenden Körperteilen bewirken. Gefahrquellen sind z.B. gegeben bei Arbeiten mit Pressluftwerkzeugen (Hämmer, Meißel, Bohrer, Stampfer) oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen, die im Bergbau, in Steinbrüchen, in Gussputzereien, in Kesselschmieden, beim Schiffsbau und beim Straßenbau Verwendung finden. Die Erkrankungen beruhen vorwiegend auf rhythmischen Rückstosserschütterungen, die durch aktiven Andruck oder Gegendruck des menschlichen Körpers abgefangen werden. Neben Ellenbogenge lenk, Schulter- Schlüsselbeingelenk, handgelenksnahen Ellen-, Speichengelenk sind auch Handwurzelknochen betroffen, da das Handgelenk die Stöße nicht abfangen kann (vgl. Abschnitt II des Merkblattes, a. a. O.). Eine mögliche Erkrankung ist u. a. die Lunatummalazie am Handgelenk (s. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit 6. Auflage S. 594). Hierbei handelt es sich um eine aseptische Nekrose des Mondbeines, der nach neuerer medizinischer Erkenntnis eine Störung der arteriellen Gefäßversorgung vorausgeht. Die Gefäßversorgung des Mondbeines ist bei Pressluftarbeiten besonders gefährdet, da durch sie eine Mikrotraumatisierung des Mondbeines hervorgerufen wird, dass in der Anbruchstelle die Elle teleskopartig hin und her gefedert wird und damit eine unphysiologische Beanspruchung des Mondbeines hervortritt (vgl. auch Mehrtens/Perlebach, a. a. O. M 2103 Anm. 7 S. 8).

Die Anerkennung einer BK setzt voraus, dass zum einen in der Person des Versicherten die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, d. h. er im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen i. S. der BK ausgesetzt war, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken (haftungsbegründende Kausalität). Zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen (haftungsfüllende Kausalität). Während schädigende Einwirkungen und Gesundheitsschaden (sicher) nachgewiesen sein müssen, reicht zur Feststellung des Kausalzusammenhangs aus, dass dieser medizinisch hinreichend wahrscheinlich gemacht ist (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; § 551 Nr. 1). Letzteres ist erst dann der Fall, wenn nach geltender ärztlicher wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel an einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG Breithaupt 1963, 60, 61; BSGE 32, 303, 309; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38). Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen danach die gegenteiligen deutlich überwiegen (BSG Urteil vom 14.05.1968 = Meso B 320/11; Schulz-Weidner, SGb 1992, 59).

Hiervon ausgehend steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des Gesamtergebnisses der arbeitstechnischen und medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren fest, dass jedenfalls die haftungsausfüllende Kausalität i. S. d. ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Tätigkeit des Klägers an dem Innenrüttler und der bei ihm bestehenden Lunatummalazie nicht wahrscheinlich zu machen ist. Unter Berücksichtigung der in dem zur BK 2103 herausgegebenen Merkblattes und aufgrund der arbeitstechnischen Ermittlungen der Beklagten hat der Senat erhebliche Zweifel, dass es sich bei dem vom benutzten Betoninnenrüttler um ein gleichartig wirkendes Werkzeug oder Maschine i. S. der BK Nr. 2103 der Anlage zur BKV handelt. Der geltende Text des Merkblattes bezieht sich hinsichtlich der BK nach Nr. 2103 ursächlichen auf "bestimmte handgeführte Geräte, vorwiegend solche, die gradlinige Bewegungen - und nicht Dreh- oder Vibrationsbelastung der arbeitenden Teile ausführen", also auf sog. "schlagende Werkzeuge" mit Rückstosserschütterung in gerader, direkter axialer Richtung von Gerät und bedienender Hand/Arm. Erforderlich ist daher eine rhythmische Rückstosserschütterung, die durch aktiven An- und Gegendruck, d.h. durch muskuläre gelenkige Gegenwirkung "in gerader, direkter, axialer Richtung abgefangen wird" (Mehrtens/Perlebach, a. a. O. Anm. 3 S. 4; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O.). Eine rein passive, nur weitergeleitete Miterschütterung (z. B. der Finger, Schulter mit Ausnahme des Schultereckgelenkes) soll danach diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Bedeutsam ist auch, welche Art (Frequenz) und Intensität von Vibrationen über den Handgriff des Gerätes oder Werkzeuges die Hände erreicht und durch entsprechenden Kraftschluss zwischen Hand und Griff ("Ankoppelung") auf das Hand-Arm-System übergeleitet wird. Entscheidend ist, ob hohe Schwingungsenergie im tieffrequenten Bereich - also nicht bei hohen "Schlagzahlen" - über die Griffe bei starker Ankoppelung der Hände an diese auf das Hand-Arm-System übertragen wird und dieses zu besonders belastenden Resonanzschwingungen anregt. Nicht die hohen Frequenzen gefährden die Knochen und Gelenke des Hand-Arm-Systems i.S. vorzeitiger degenerativer Veränderungen, sondern vorrangig die tiefen Frequenzen (8 bis 50 Hz), insbesondere in Verbindung mit starker Ankoppelung der Hände. Frequenzen zwischen 15 und 30 Hz führen zu Resonanzen und belasten die Gelenke daher besonders stark (s. Mehrtens/Perlebach, a.a.O.; Urteil des LSG Baden-Würtemberg vom 16.12.1998 - L 2 U 894/96; Rompe/Erlenkämper, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 3. Auflage 1998, S. 356 f.).

Nach den Feststellungen des TAD und von Dr. W ... handelt es sich bei der von dem Kläger benutzten Rüttelflasche um ein Werkzeug, dass einen drehenden Antrieb besitzt. Dies bedeutet, das die Tätigkeit an einer Rüttelflasche nicht zu einer aktiven Erschütterung, sondern zu einer Vibrationsexposition führt. Da der Innenrüttler NCZ 800 aber mit Frequenzen von 200 Hz. arbeitet, kann er noch dem oben Dargelegten nicht als "gleichartig" i.S. der BK Nr. 2103 der Anlage zur BKV angesehen werden.

Der Senat hat insoweit von weiteren Ermittlungen in arbeitstechnischer Hinsicht abgesehen, da jedenfalls die haftungsausfüllende Kausalität nicht gegeben ist. Es ist nicht wahrscheinlich gemacht, dass die Lunatummalazie der rechten Hand des Klägers hinreichend wahrscheinlich auf seine Tätigkeit an dem Innenrüttler zurückzuführen ist. Der Senat stützt sich dabei in der medizinischen Beurteilung in erster Linie auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des SV Dr. S ... sowie auf das im ersten Rechtszug erstattete Gutachten von Dr. V ... Danach ist von folgendem medizinischen Sachverhalt auszugehen:

Das Mondbein nimmt unter den Handwurzelknochen eine Sonderstellung ein. Es stellt den Schlussstein eines "romanischen Rundbogens" dar, den die Knochen der proximalen Handwurzelreihe bilden. Das Mondbein ist normalerweise in der Lage, einem starken Flächendruck stand zu halten. Bei der Lunatummalazie handelt es sich um eine aseptische Nekrose des Mondbeines (vgl. zum folgenden Schönber ger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 591 ff). Diese kann entweder Folge einer vorausgegangenen Unfallverletzung, einer lokalen Fehlbelastung, einer Formvariante, einer chronischen Erschütterung oder - bei nichterkennbarer Ursache - ein eigenständiges Leiden, i.S. der sog. Kienböck sche Erkrankung sein. Ein wesentlicher Faktor ist die veränderte Druckbelastung des Mondbeines, die durch eine verkürzte Elle hervorgerufen wird (Minusvariante). Das Mondbein "reitet" gleichsam auf einem zu hohen Radiusfirst, so dass es fast zwangsläufig im Verlauf von Monaten bis Jahren zu einer Zermörserung des Lunatum kommt. Die Ernährungsstörung des Knochengewebes führt zu einem allmählichen Absterben (Mondbeintod) mit daraus sich ergebender Deformierung und isoliertem Dichter werden des Kalksalzgehaltes nur dieser Handwurzelknochen.

Nach den vorliegenden röntgenologischen Befunden besteht bei dem Kläger nur am rechten Handgelenk eine deutliche Verkürzung der rechten Elle gegenüber der rechten Speiche um etwa 5 mm; linksseitig bestehen regelrechte Längenverhältnisse der distalen Speiche und der Elle. Dieser röntgenologische Befund ist in gleicher Weise bereits auf den von Dr. K ... angefertigten Rönt genaufnahmen vom 18.10.1989 vorhanden gewesen. Das bedeutet, dass die deutliche Minusvariante der Elle bereits zeitlich vor der ersten Operation der rechten Hand vom 27.10.1989 vorgelegen hat. Als Ursache dieser Ellenverkürzung mit der nachfolgend negativ veränderten Druckbelastung ist der proximale Ellenbruch rechts vom 29.08.1976 anzusehen. Bei einer solch deutlichen Ellenverkürzung im Handgelenksbereich kommt es auch ohne besondere berufliche Belastung zu einer Änderung der Druckbelastung des Mondbeines und damit in der Folgezeit zu einem Mondbeintod mit den typischen klinischen und röntgenologischen Veränderungen. Für eine berufliche Verursachung des Mondbeintodes würde hingegen allenfalls das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen sprechen, die hier allerdings - wie oben dargelegt - sehr zweifelhaft und keinesfalls erwiesen sind. Allein hieraus könnte aber nicht auf einen Kausalzusammenhang zwischen Schadensbild und beruflicher Belastung geschlossen werden. Da die genaue Genese des Mondbeintodes - wie der SV Dr. S ... dargelegt hat - wissenschaftlich nicht abschließend geklärt ist, müssen insgesamt mehr Gründe für eine wesentliche Beteiligung der beruflichen Exposition als für eine anlagebedingte Schädigung sprechen. Dies gilt in gleicher Weise für den Mondbeintod als Unfallfolge; insoweit werden strenge Anforderungen an den Nachweis des Kausalzusammenhanges gestellt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 592). Hiervon ausgehend fehlt es danach an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der beruflichen Verursachung beim Kläger. Die postraumatische Ellenverkürzung spricht hier entscheidend gegen eine beruflich bedingte Verursachung der Lunatummalazie.

Der von Dr. S ... vertretenen Auffassung, die Tätigkeit an der Rüttelflasche habe zur Mondbeinnekrose geführt, vermag der Senat sich hingegen nicht anzuschließen. Er stellt die jahrelang einwirkende Erschütterung durch das Bedienen der Rüttelflasche als Ursache in den Vordergrund, wobei die Mondbeinnekrose Folge von Durchblutungsstörungen der Knochen sei. Die Bedienung der Rüttelflasche führe dazu, daß die Hand im Handgelenk zur Streckseite gehalten werde, wodurch es zu Durchblutungsstörungen des Mondbeines komme. Diese Annahme, es komme so zu einer dauernden extremen Überstreckung des Handgelenkes, ist nach den arbeitstechnischen Ermittlungen indes nicht nachvollziehbar. Wie Dr. S ... angeführt hat, ergeben sich medizinischerseits im Gegenteil keine Anhaltspunkte für eine durch die Arbeitsverrich tung verursachte ungünstige Gefäßversorgung. Darüberhinaus sind die von dem SV Dr. Schmidt diskutierten vibrationsinduzierten Durchblutungsstörungen nicht Gegenstand der BK Nr. 2103 der Anlage zur BKV, sondern der einer BK nach Nr. 2104 der Anlage zur BKV, der der Mondbeintod aber nicht unterfällt. Hinzu kommt schließlich, dass die röntgenologischen Befunde der oberen Extremitäten im übrigen keine Hinweise auf altersvorauseilende knöcherne Veränderungen zeigen, wie sie als Folge einer langjährigen Exposition i. S. der streitigen BK häufig beobachtet werden (vgl. die Nachweise bei Mehrtens/Perlebach, a.a.O. Anm. 5 S. 6 f.). Auch dies spricht - wie Dr. V ... einleuchtend dargelegt hat - dagegen, daß die krankhaften Veränderungen im rechten Handgelenk des Klägers wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sind.

Nach alledem ist nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht, dass die beim Kläger allein an der rechten Hand bestehende Lunatummalazie eine Erkrankung i. S. d. BK Nr. 2103 der Anlage zur BKV darstellt. Die Beklagte hat deshalb zutreffend die Gewährung von Entschädigungsleistungen abgelehnt, weshalb auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG zu ändern und die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Zur Revisionszulassung bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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