L 17 U 259/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 13 U 63/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 259/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 06. September 2000 geändert. Unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 23. September 1998 in der Fassung des Widerspruchs bescheides vom 23. März 1999 wird festgestellt, dass die vom Kläger erlittene Fraktur des rechten oberen Sprunggelenkes Folge eines Arbeitsunfalls vom 07. Juni 1998 ist. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu tragen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten (nur noch) darüber, ob die vom Kläger am 07.06.1998 erlittene Sprunggelenksfraktur Folge eines Arbeitsunfalls ist.

Der 1947 geborene, hauptberuflich als technischer Beamter bei der Bundeswehrverwaltung beschäftigte Kläger bekleidete seinerzeit als Mitglied des Rates der Stadt H ... ein öffentlich-rechtliches Ehrenamt, für das er eine nicht der Bestreitung des laufenden Lebensunterhaltes dienende monatliche Aufwandsentschädigung erhielt.

Anlässlich des jährlich stattfindenden Fußball-Pokalturnieres der Schützenvereine der Gemarkung H ... standen sich am Sonntag, dem 07.06.1998, in einem Einlagespiel eine aus Mitgliedern des Rates und der Verwaltung der Stadt H ... gebildete Mannschaft, zu der auch der Kläger gehörte, und eine aus Vorstandsmitgliedern, Trainern und Betreuern des SC H ... bestehende Mannschaft gegenüber. Bei diesem Spiel verletzte sich der Kläger und zog sich eine Fraktur des oberen rechten Sprunggelenks zu, die operativ mit einer Plattenosteosynthese versorgt wurde.

Zur Teilnahme der Stadt-Mannschaft an dem Fußballspiel war es wie folgt gekommen:

Die Schützenvereine der Gemarkung H ... hatten beim damaligen Bürgermeister P ... angefragt, ob anlässlich jenes Pokalturnieres eine Mannschaft aus Rat und Verwaltung der Stadt H ... gegen eine Mannschaft aus Vorstand, Trainern und Betreuern des SCH ... ein Einlagespiel bestreiten könne. Die Teilnahme der Mann schaft "Rat und Verwaltung" war vom Bürgermeister (gem. dessen Erklärung vom 10.06.1998) zugesagt worden. Dieser gab zu Beginn der Ratssitzung am 19.05.1998 die Einladung zu dem Turnier bekannt. Während dieser Sitzung konnten sich dann interessierte Ratsmitglieder in eine Liste eintragen. Ein offizieller Stadtratsbeschluss zur Teilnahme an dem Turnier wurde nicht gefasst (Auskunft des Stadtdirektors der Stadt H ... vom 25.08.1998). Ende Mai 1998 übersandte der Bürgermeister die Liste der Teilnehmer "Rat und Verwaltung", zu denen auch er selbst sowie der Stadtdirektor zählten, an den Veranstalter mit der Bitte, die Namen und die Anfangszeit in der Presse bekannt zu geben. Durch die Annahme der Einladung zu dem Fußballturnier sollten die Kontakte zu den Bürgern gepflegt, Bürgernähe dokumentiert und der Schützenverein auf ideelle Weise unterstützt werden (Auskunft des Stadtdirektors vom 01.07.1998).

Der Beklagte zog nach Eingang des Durchgangsarztberichtes vom 07.06.1998 und der Unfallanzeige der Stadt H ... vom 12.06.1998, der die Erklärung des Bürgermeisters P ... vom 10.06.1998 und die Teilnehmer-Liste der Mannschaft "Rat und Verwaltung" beigefügt waren, ärztliche Berichte bei und holte Auskünfte des Stadtdirektors der Stadt H ... vom 01.07. und 25.08.1998 ein.

Mit Bescheid vom 23.09.1998, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 23.03.1999, lehnte der Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Unfallereignisses vom 07.06.1998 ab, weil ein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 des Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) nicht vorgelegen habe. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII bestehe u.a. für Personen gesetzlicher Unfallversicherungsschutz, die für eine Stadt ehrenamtlich tätig seien. Voraussetzung sei, dass die zum Unfall führende Tätigkeit mit der Wahrnehmung des ehrenamtlichen Mandats in einem ursächlichen Zusammenhang stehe. Dazu habe das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in seinem rechtskräftigen Urteil vom 23.09.1987 - L 3 U 75/86 - ausgeführt, dass zum Kernbereich des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes bei einem ehrenamtlich Tätigen all das gehöre, wozu ihn die übernommenen Amtspflichten nötigten, drängten oder zumindest in vernünftigen Grenzen veranlassten. Grundlage des Handelns müsse die Amtstätigkeit sein. Ein Zusammenhang mit der Amtstätigkeit könne z.B. bei der Begrüßung eines Fußballveranstalters und seiner Gäste durch einen Repräsentanten der Gemeinde bzw. Stadt und beim Anspielen eines Fußballes zum Spielbeginn gegeben sein. Die Grenze zu einer nicht mehr amtlich verknüpften Betätigung werde hingegen überschritten, sobald die Amtsperson voll an dem Spiel teilnehme. Sie schlüpfe dann aus der Rolle des Körperschaftsvertreters in die Rolle des privaten Fußballspielers. Von diesem Zeitpunkt an sei der gesetzliche Versicherungsschutz nicht mehr gegeben. Im übrigen habe die Bereitschaft des Klägers und seiner Stadtratskollegen zur Teilnahme an dem Fußballturnier auch nicht auf einem Stadtratsbeschluss beruht. Damit habe der Kläger seine Gemeinde weder rechtlich vertreten noch gesellschaftlich repräsentiert. Diese Entscheidungsgründe seien - wie der Beklagte weiter ausführte - in vollem Umfang auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Allein der Umstand, dass während der Ratssitzung eine Liste in Umlauf gegeben worden sei, in die sich die an der Teilnahme am Fußballturnier interessierten Ratsmitglieder eintragen konnten, genüge nicht zur Begründung des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes. Seine - des Klägers - Bereitschaft und die seiner Stadtratskollegen zur Teilnahme am Fußballturnier habe im übrigen auch nicht auf einem Stadtratsbeschluss beruht. Aber unabhängig davon gebe es eine Reihe von Dingen, die mit Rücksicht auf den Rechtsgrundsatz, dass niemand zu etwas ihm objektiv und subjektiv Unmöglichem verpflichtet werden könne, einer Beschlussfassung nicht zugänglich seien. Äußerstenfalls lasse es sich noch vertreten, einem Stadtratsmitglied aufzuerlegen, irgendwo im Namen der Gemeine Grußworte zu sprechen. Ob ihm auch die Fähigkeit und das Risiko zu einer weitergehenden Mitwirkung zugemutet werden könne, also etwa an einer sportlichen, technischen oder musikalischen Darbietung, könne jeder nur für sich selbst entscheiden, aber nicht für andere. Die jeweilige Bereiterklärung zur Mitwirkung als Spieler sei somit keine Stimmabgabe bei einem Stadt ratsbeschluss, sondern nur die ganz persönliche, private Zusage des Ratsmitglieds. Als solches vom Bürgermeister auf das Fußballspiel angesprochen zu sein, habe lediglich die Bedeutung eines Auswahlkriteriums. Insoweit habe er - der Kläger - den Unfall nicht in Ausübung seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Ratsherr erlitten. Vielmehr sei die Teilnahme an dem Fußballspiel seiner Privatsphäre zuzurechnen.

Am 09.04.1999 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Münster Klage erhoben. Er hat an seiner schon im Widerspruchsverfahren vertretenen Auffassung festgehalten, bei seiner Teilnahme am Fußballspiel habe es sich um eine repräsentative Aufgabe gehandelt, für die ein konkreter Ratsbeschluss nicht erforderlich gewesen sei. Jedenfalls hätten durch die Annahme der Einladung zu dem - das Turnier er öffnenden - Einlagespiel laut Schreiben des Stadtdirektors vom 01.07.1998 die Kontakte zu den Bürgern gepflegt, Bürgernähe dokumentiert und der Schützenverein auf ideelle Weise unterstützt werden sollen. Es liege auf der Hand, dass es sich insoweit um eine Repräsentationsaufgabe gehandelt habe. Auch der Umstand, dass der Bürgermeister P ... die Bekanntgabe der Anfangszeit des Einlage spiels und der Namen der Teilnehmer in der Presse veranlasst habe, mache besonders deutlich, dass auch der Rat der Stadt H ... für sich habe werben und Bürgernähe dokumentieren wollen. Im übrigen bestehe ein wesentlicher Unterschied zu dem vom LSG Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall darin, dass hier nicht die Teilnahme an einem gesamten Turnier, sondern lediglich am Einlagespiel - zur Unterstützung des Turniers und seines Veranstalters - im Vordergrund gestanden habe.

Der Beklagte hat sich auf die Gründe seiner Verwaltungsentscheidungen gestützt, auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31.01.1980 - 8a RU 46/79 - verwiesen und geltend gemacht, bei dem Einlagespiel habe es sich nicht um eine gemeindliche Aufgabe gehandelt. Sportliche Betätigungen der beschriebenen Art gehörten nicht zu den Repräsentationsaufgaben eines Bürgermeisters, die dieser vorrangig wahrzunehmen habe. Allgemeine Kontaktpflege zu den Bürgern durch die Annahme der Einladung zu einem Fußballspiel könne die Einbeziehung eines Ratsmitgliedes in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht begründen, da andernfalls die Gesetzesanwendung, die im Kern von einer ehrenamtlichen Tätigkeit im engeren Sinne ausgehe, grenzenlos zerfließen würde.

Mit Urteil vom 06.09.2000 hat das SG die auf Gewährung von Entschädigungsleistungen gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 29.09.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.10.2000 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Teilnahme an dem unfallbringenden Einlagespiel am 07.06.1998 habe in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit dem Kernbereich der nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII versicherten Tätigkeit gestanden, denn zum Unfallzeitpunkt sei er im Rahmen des Einlagespiels in seiner Funktion als Ratsmitglied repräsentativ tätig gewesen. Im Hinblick auf die bestehenden objektiven Gegebenheiten habe er davon ausgehen können, dass seine Teilnahme am Einlagespiel der Repräsen tation der Stadt H ... dienlich gewesen sei. Unter Wiederholung tatsächlichen Vorbringens mit Hinweisen insbesondere auf die Erklärung des Bürgermeisters P ... vom 10.06.1998 und die Auskunft des Stadtdirektors vom 01.07.1998 ist der Kläger der Ansicht, er habe bei seinem Unfall am 07.06.1998 unter Versicherungsschutz gestanden. Ergänzend trägt er vor, in kleinen Gemeinden, wie der Gemarkung H ..., die als ländlich strukturiert zu bewerten sei, werde die Teilnahme von Repräsentanten der Gebietskörperschaft bei Anlässen wie dem hier vorliegenden erwartet.

Von daher habe der Bürgermeister die Teilnahme der Mannschaft aus Rat und Verwaltung auch zugesagt gehabt. Dies verdeutliche, dass die Mannschaft im Rahmen des Einlagespiels die Stadt H ... repräsentiert habe, um insoweit auch den Kontakt zu den Bürgern etc. zu pflegen. Dass es an einem entsprechenden Stadtratsbeschluss gefehlt habe, sei unschädlich. Ein solcher Beschluss sei jedenfalls dann entbehrlich, wenn - wie hier - der Bürgermeister die Teilnahme der Mannschaft aus Rat und Verwaltung zugesagt habe. Der Kläger bezieht sich ferner auf das von ihm vorgelegte Schreiben des Bürgermeisters H ... der Stadt H ... vom 19.02.2001, auf dessen Inhalt verwiesen wird.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 06.09.2000 zu ändern, den Bescheid des Beklagten vom 23.09.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.03.1990 abzuändern und festzustellen, dass die Fraktur des oberen Sprunggelenkes rechts Folge eines Arbeitsunfalles vom 07.06.1998 ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und vertritt weiterhin die Auffassung, dass hier ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen der Teilnahme an der Veranstaltung und der versicherten Tätigkeit nicht bestanden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist bezogen auf die jetzt nur noch erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage auch begründet.

Zu Unrecht haben der Beklagte im Bescheid vom 23.09.1998 und das SG im angefochtenen Urteil verneint, dass der Kläger bei dem unfallbringenden Fußballspiel am 07.06.1998 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden und deshalb einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Beim Übergang von einer ursprünglich - gemäß Klageantrag vor dem SG auch im vorliegenden Fall - erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zu einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage - wie sie nunmehr vorliegt - handelt es sich gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) um keine Klageände rung (vgl. z.B. Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 6. Aufl., Rdnr. 4 zu § 99 m.w.N.). Selbst wenn man eine solche annehmen wollte, wäre sie zulässig, weil der Senat sie im Hinblick darauf, dass sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt - offenbar auch nach Auffassung des Klägers - ein Rentenanspruch noch nicht begründen läßt, für jedenfalls sachdienlich hält und im übrigen auch der Beklagte sich auf diese Änderung, ohne ihr zu widersprechen, eingelassen hat (§ 99 Abs. 1 und 2 SGG).

Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann mit der Klage u.a. die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalls ist. Dabei umfasst die im Rahmen einer solchen Klage zu klärende Frage des Ursachenzusammenhangs nicht nur - im engeren Sinne - die Kausalität zwischen Gesundheitsstörung und Arbeitsunfall, sondern die gesamte Kausalkette, also u.a. auch die Frage, ob das schädigende Ereignis überhaupt ein Arbeitsunfall ist (vgl. z.B. Meyer-Ladewig a.a.O., Rdnr. 13 zu § 55 m.w.N.).

Die Feststellungsklage erfordert - als besondere Prozessvoraussetzung (vgl. dazu z.B. BSG SozR 3-1500 § 55 Nr. 6) - das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der baldigen Feststellung. Nach der Rechtsprechung des BSG bezieht sich das Feststellungsinteresse i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ausschließlich auf den Folgezustand des schädigenden Ereignisses im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung (BSG a.a.O.). Ein Feststellungsurteil hat - so das BSG - zum Ziel, dem Verletzten für den Fall der Verschlimmerung oder des Hinzutretens von Spätfolgen eines Arbeitsunfalls bei der Realisierung zukünftiger Ansprüche vor allem die Beweisführungslast zu ersparen. Eine solche Feststellung kann ihrem Wesen nach nur für Gesundheitsstörungen getroffen werden, die in der Zukunft noch Folgen entwickeln können.

Im Hinblick auf die Art der hier beim Kläger entstandenen Verletzung - Fraktur des rechten oberen Sprunggelenks - kann eine künftig eintretende Verschlimmerung, etwa durch Hinzutreten arthrotischer Veränderungen im Sprunggelenksbereich mit daraus resultierenden Funktionseinschränkungen, ebensowenig ausgeschlossen werden wie die Möglichkeit, dass die Verletzungsfolgen künftig noch Behandlungsbedürftigkeit nach sich ziehen können. Eine solche nicht eben entfernt liegende Möglichkeit genügt aber für die Bejahung des Feststellungsinteresses (vgl. BSG SozR 3-1500 § 55 Nr. 6 m.w.N.), das im übrigen auch vom Beklagten nicht in Abrede gestellt worden ist.

Die hiernach zulässige Feststellungsklage ist auch begründet.

Die in Rede stehende Sprunggelenksfraktur ist Folge eines vom Kläger am 07.06.1998 erlittenen Arbeitsunfalls.

Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass der Kläger sich die Sprunggelenksfraktur beim Fußballspiel durch die Einwirkung eines äußeren Ereignisses zugezogen hat und mithin der Unfallbegriff i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII erfüllt ist.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG stand der Kläger bei der unfallbringenden Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, denn die Voraussetzungen der insoweit - auch nach Ansicht der Beteiligten - allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII sind gegeben.

Nach dieser Bestimmung, die im wesentlichen der Vorläufer-Vorschrift des § 539 Abs. 1 Nr. 13 Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. entspricht, sind kraft Gesetzes Personen versichert, die für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften oder für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.

Im Unfallzeitpunkt war der hauptberuflich als technischer Beamter bei der Bundeswehrverwaltung beschäftigte Kläger als Ratsmitglied dem Rat der Stadt H ... angehörig und übte als solches ein öffentlich-rechtliches Ehrenamt aus, für das er eine nicht der Bestreitung des laufenden Lebensunterhaltes dienende monatliche Aufwandsentschädigung erhielt. Er gehörte damit grundsätzlich zu dem von § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII erfassten Personenkreis. Nach Auffassung des erkennenden Senats stand die unfallbringende Tätigkeit des Klägers - Teilnahme an einem Fußballspiel (Einlagespiel) am 07.06.1998 - auch in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Kernbereich der versicherten (ehrenamtlichen) Tätigkeit. Entscheidend für die Beurteilung dieser Frage ist die Gesamtheit aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls (vgl. BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 31). Ebenso wie § 539 Abs. 1 Nr. 13 RVO a.F. enthält auch § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII keine eigene Umschreibung der Tätigkeit selbst, sondern setzt diese vielmehr in der Form voraus, in der sie im Einzelfall tatsächlich oder gesetzlich ausgestaltet ist (vgl. BSG SozR 2200 § 539 Nr. 11 und 38).

Nach der inzwischen fortentwickelten Rechtsprechung des BSG zum Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit i.S.d. § 539 Abs. 1 Nr. 13 RVO (= § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII) setzt die Vorschrift einen bestimmten, qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich der öffentlich-rechtlichen Körperschaft voraus, innerhalb dessen die ehrenamtliche Tätigkeit für die Körperschaft ausgeübt werden muss (BSG SozR 3-2200 § 539 Nrn. 11, 14, 31). Die im Schrifttum vereinzelt vertretene Auffassung, dass Versicherungsschutz nur im Rahmen des übernommenen Pflichtenkreises bestehen könne, ist aber zu eng, denn sie berücksichtigt nicht den Aspekt, ob der ehrenamtlich Tätige aus seiner Sicht die unfallbringende Tätigkeit zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich halten durfte (vgl. z.B. Brackmann/Krasney, Komm. zum SGB VII, Rdnr. 559a zu § 2 m.w.N.).

Nach Ansicht des Senats kann deshalb auch aus dem schon älteren Urteil des BSG vom 31.01.1980 - 8a RU 46/79 - (= SozR 2200 § 539 Nr. 63), auf das sich der Beklagte und das SG bezogen haben, nicht generell hergeleitet werden, dass zum Kernbereich der ehrenamtlichen Tätigkeit eines Ratsmitgliedes nur Tätigkeiten gehören, die sich aus der Wahrnehmung des Mandats ergeben.

Im vorliegenden Fall ist das Fußballturnier am 07.06.1998 zwar nicht von der Stadt H ... oder ihrem Rat organisiert und durch geführt worden. Veranstalter waren vielmehr die Schützenvereine der Gemarkung H ... Zum qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich der Stadt H ... bzw. ihres Rates gehört aber u.a. die Repräsentation. In § 40 Abs. 2 Satz 2 der Gemeinde-Ordnung (GO) für das Land Nordrhein-Westfalen ist allerdings bestimmt, dass die Vertretung und Repräsentation des Rates dem Bürgermeister obliegt, der gemäss § 40 Abs. 2 Satz 1 GO neben dem Rat die Bürgerschaft vertritt. Nach § 67 Abs. 1 GO wählt der Rat aus seiner Mitte ohne Aussprache ehrenamtliche Stellvertreter des Bürgermeisters. Sie vertreten den Bürgermeister bei der Leitung der Ratssitzungen und bei der Repräsentation.

Zu diesem Personenkreis gehörte der Kläger nicht. Dieser Umstand allein schließt indes im Hinblick auf andere Einzelheiten des vorliegenden Falles den Versicherungsschutz unter dem in Betracht kommenden Aspekt der Verrichtung repräsentativer Tätigkeit nicht aus. Der hier vom erkennenden Senat vorgenommenen Wertung steht das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 23.09.1987 - L 3 U 75/86 -, das die Teilnahme eines Stadtrates an einem Fußballturnier betraf, nicht entgegen, soweit es darin heißt, die Amtstätigkeit müsse unverkennbar Grundlage des Handelns sein, das treffe auf den Fall des Klägers (jenes Verfahrens) nicht zu, denn bei dem Fußballspiel selbst, d.h. durch seine persönliche Mitwirkung, habe er seine Gemeinde weder rechtlich vertreten noch gesellschaftlich repräsentieren können.

Im Vergleich zu jenem Fall weist der vorliegende Sachverhalt Unterschiede auf, die eine andere Beurteilung geboten erscheinen lassen. Anders als in dem vom LSG Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall sollte vorliegend die Mannschaft aus Angehörigen des Rates und der Verwaltung der Stadt H ..., mithin auch der Kläger, nur das sog. Einlagespiel, also das Eröffnungsspiel des Turniers bestreiten, ansonsten aber an dem Pokalturnier gegen alle anderen Mannschaften nicht teilnehmen. Schon dies spricht dafür, daß das Einlagespiel der Repräsentation der Stadt H ... bzw. ihres Rates dienen sollte. Darüber hinaus sind hier folgende Besonderheiten zu beachten:

Der Bürgermeister P ... hatte auf die Anfrage der Schützenvereine der Gemarkung H ... die Teilnahme der Mannschaft "Rat und Verwaltung" an dem Einlagespiel zugesagt und damit - wie dem vom Kläger vorgelegten Schreiben des Bürgermeisters der Stadt H ... vom 19.02.2001 entnommen werden kann - den Erwartungen der Schützenvereine an das Repräsentationsorgan "Rat" Rechnung getragen. Der Bürgermeister hatte dem Veranstalter des Turniers Ende Mai 1998 die Liste mit den Teilnehmern aus Rat und Verwaltung, zu denen auch er selbst gehörte, mit der ausdrücklichen Bitte zugesandt, die Namen und die Anfangszeit des Spiels in der Presse bekannt zu geben. Diese Umstände machen nach Auffassung des Senats deutlich, dass die Mannschaft im Rahmen des Einlagespiels die Stadt H ... und namentlich auch deren Rat repräsentieren sollte, zumal mit der Teilnahme an diesem Spiel die Kontakte zu den Bürgern gepflegt, Bürgernähe dokumentiert und der Schützenverein auf ideelle Weise unterstützt werden sollten.

Auch wenn die Repräsentation des Rates grundsätzlich allein dem Bürgermeister (§ 40 Abs. 2 Satz 2 GO) oder - im Vertretungsfall - seinen aus der Mitte des Rates gewählten ehrenamtlichen Stellvertretern (§ 67 Abs. 1 GO) obliegt, so kann bei der hier vorliegen den Fallkonstellation doch davon ausgegangen werden, dass der Bürgermeister in die von ihm nach den gegebenen Umständen in der Teilnahme an dem Einlagespiel gesehene Wahrnehmung einer Repräsentationsaufgabe auch die übrigen Mitglieder der Mannschaft aus Rat und Verwaltung einbinden und jedem einzelnen von ihnen sozusagen anteilmäßig diese Aufgabe mit übertragen wollte und übertragen hat. Denn ohne die Teilnahme der einzelnen Mannschaftsmitglieder hätte er allein diese Form der Repräsentation nicht wahrnehmen können, und er war darauf angewiesen, dass sich - wenn auch freiwillig - ausreichend viele an der Teilnahme am Einlagespiel interessierte Personen meldeten, weil er ansonsten die dem Veranstalter bereits erteilte Zusage nicht hätte einhalten können. Für diese Wertung spricht auch das Schreiben des Bürgermeisters der Stadt H ... vom 19.02.2001, wonach es seinerzeit zunächst schwierig war, die notwendige Zahl an Zusagen von Rats- und Verwaltungsmitgliedern für das Einlagespiel zu erhalten und vor die sem Hintergrund sowie aufgrund des nochmaligen Hinweises auf die Erwartungen des Schützenvereins an das Repräsentationsorgan "Rat" und damit an das einzelne Ratsmitglied auch der Kläger sich zur Teilnahme am Einlagespiel bereit erklärt hat. Der Senat teilt die Auffassung des Klägers, dass es unter den vorstehend beschriebenen Umständen eines offiziellen Stadtratsbeschlusses zur Teilnahme am Einlagespiel nicht bedurfte, um dieser den Charakter einer repräsentativen Tätigkeit zu verleihen.

Im übrigen würde der Unfallversicherungsschutz des Klägers nicht schon dann entfallen, wenn nur nach seinen subjektiven Vorstellungen die Teilnahme am unfallbringenden Einlagespiel im Interesse der Repräsentation der Stadt H ... bzw. ihres Rates sinnvoll gewesen wäre. Nach den für Versicherte, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, entwickelten Grundsätzen, die auch auf ehren amtlich tätige Versicherte anwendbar sind, kommt es für den erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen der zum Unfall führenden Verrichtung und der versicherten Tätigkeit darauf an, dass die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignete, dazu bestimmt war, den Zwecken des Unternehmens zu dienen (vgl. dazu z.B. BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 38 m.w.N. und Nr. 46). Maßgebend ist dabei die sich erkennbar ergebende Handlungstendenz. Ob eine Tätigkeit aber dem Unternehmen zu dienen bestimmt war, beurteilt sich nicht danach, ob die Tätigkeit dem Unternehmen objektiv tatsächlich dienlich war. Vielmehr ist es ausreichend, dass der Versicherte von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, dass die Tätigkeit geeignet sei, den Interessen des Unternehmens zu dienen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Versicherte aufgrund der objektiv vorliegenden oder objektiv nachzuvollziehenden Umstände davon ausgehen konnte, seine zum Unfall führende Verrichtung werde dem Unternehmen dienlich sein (BSG a.a.O.; s. auch Brackmann/Krasney a.a.O., Rdnr. 561a zu § 2).

Nach seinem glaubhaften und vom Beklagten nicht bestrittenen Vortrag war der Kläger jedenfalls von seinem Standpunkt aus der Auffassung, seine Tätigkeit - Teilnahme am Einlagespiel - sei geeignet, den Interessen des Unternehmens (Repräsentation der Stadt H ... bzw. ihres Rates) zu dienen, und diese Auffassung wird durch die vorstehend dargelegten, objektiv vorliegenden bzw. ob jektiv nachvollziehbaren Umstände hinreichend gestützt.

Ist hiernach aber der erforderliche innere Zusammenhang zwischen der unfallbringenden und der versicherten ehrenamtlichen Tätigkeit des Klägers zu bejahen, so hat er bei dem Einlagespiel am 07.06.1998 einen Arbeitsunfall mit der Folge einer Fraktur des rechten oberen Sprunggelenks erlitten.

Unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils und der Verwaltungsentscheidungen des Beklagten war daher der Feststellungsklage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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