L 17 U 186/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 23 U 152/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 186/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 89/02 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30. Mai 2001 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat der Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Unfall der Beigeladenen vom 27.02.1994 ein Arbeitsunfall war.

Die im Jahre 1983 geborene Beigeladene lebte seit August 1993 in dem von der Klägerin geleiteten Internat "Hof S ..." in W ..., das von der Internat F ... GmbH mit dem Ehemann der Klägerin als Geschäftsführer unterhalten wurde. Die Beigeladene besuchte die örtliche Schule in W ... und konnte u.a. die Internatsleistungen in Form einer Grundausbildung im Reiten und der Möglichkeit des täglichen Umgangs mit Pferden in Anspruch nehmen. Auf dem Gehöft wurden außerdem Reiterferien für Kinder angeboten und auch fremde Pferde betreut.

Am 27.02.1994 bat die Klägerin die Beigeladene, einer Gruppe von Besuchern die Stallungen und Pferde zu zeigen. Dabei wurde die Beigeladene von einem Ponyhengst in die Wange gebissen. Als Spätfolgen entwickelte sich ein Abszess mit Narbenbildung.

Im Rahmen des gegen das Internat bzw. die Klägerin und deren Ehemann anhängig gemachten Klageverfahrens beim Landgericht A ... (Az.: .../ ...) wegen der Gewährung von Schmerzensgeld und Schadensersatz wies das Gericht auf einen möglichen Betriebsunfall hin und setzte ihr Verfahren bis zur Entscheidung aus.

Nachdem die Beigeladene im Juni 1997 einen entsprechenden Antrag bei der Beklagten gestellt hatte, gab die Klägerin am 18.02.1999 zum Unfallgeschehen an, dass seinerzeit Eltern auf dem Hof gewesen seien, um sich diesen für Reiterferien der Kinder anzusehen. Die Beigeladene habe auf ihren Auftrag hin die Eltern durch die Ställe führen sollen, was etwa 10 bis 15 Min. in Anspruch genommen hätte. Es habe sich um ein Gefallen der im Umgang mit den Ponys vertrauten Beigeladenen gehandelt. Zwar hätten die Kinder im Internat feste Aufgaben wie Ordnungsdienst, Tischdienst, Milchholen etc. gehabt, weitere Tätigkeiten seien aber nicht vorgesehen gewesen. Wenn die Beigeladene die Aufgabe nicht übernommen hätte, hätte ein anderes Kind diese übernommen. Sie habe mit den Internatskindern - zu denen Sie ein Vertrauensverhältnis gehabt habe - und den eigenen Kindern zusammengelebt.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.03.1999 - gegenüber der Beigeladenen - eine Entschädigung ab, da die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nicht erfüllt seien. Zur Begründung führte sie aus, diese sei nicht i.S.d. § 539 Abs. 2 i.V.m. Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) wie ein Arbeitnehmer tätig gewesen. Die Tätigkeit habe bereits wegen des geringen zeitlichen Aufwandes keine Ähnlichkeit mit einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses. Außerdem habe zu der Klägerin ein enges Vertrauensverhältnis bestanden und sei als reine Gefälligkeit auch bei einem 11-jährigen Kind üblich und allgemein zu erwarten gewesen. Der Bescheid wurde von der Beigeladenen nicht angefochten. Am 23.06.1999 wandte sich die Klägerin gegen diesen Bescheid. Die Beklagte lehnte daraufhin gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 03.08.1999 die Anerkennung eines Arbeitsunfalls mit gleichlautender Begründung ab. Mit dem hiergegen am 05.08.1999 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Tätigkeit der Beigeladenen sei keinesfalls eine bloße Gefälligkeitsleistung in geringem zeitlichen Umfang gewesen. Diese sei mit der Begleitung der Interessenten beauftragt worden, weil sie - die Klägerin - selbst keine Zeit gehabt habe. Eine derartige Führung stelle eine unabdingbare Voraussetzung für den Abschluss eines Vertrages über die in Aussicht genommenen Reiterferien dar. Es sei auch nicht zu verantworten gewesen, die Besucher unbegleitet in den Stall gehen zu lassen. - Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der zeitliche Aufwand spreche gegen einen Beschäftigungsverhältnis. Es habe auch keine unabdingbare Notwendigkeit dafür bestanden, dass die Beigeladene die Tätigkeit durch führe. Auch hätte die Klägerin es akzeptiert, wenn die Beigeladene die Hilfeleistung abgelehnt hätte. Hinzu komme, dass die Kinder immer aus Neugier angelaufen seien, wenn Interessenten den Betrieb besichtigt hätten, die Kinder hätten diese gern herumgeführt. Da die Bei geladene zufällig in der Nähe gewesen sei und sich gut ausgekannt habe, sei von einer zufälligen Beauftragung auszugehen.

Die Klägerin hat am 15.12.1999 bei dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei der von der Beigeladenen übernommenen Aufgabe habe es sich um eine komplette Besichtigung des Hofes gehandelt, die die Klägerin aus Zeitgründen nicht selbst habe vornehmen können. Dementsprechend habe es sich keineswegs um eine zufällige Beauftragung von untergeordneter Bedeutung gehandelt. Insbesondere vor den Ferien herrsche an Wochenenden Hochbetrieb, da jede Familie, die ein Kind für die Reiterferien anmelden wolle, den Betrieb zunächst besichtige. Da sie - die Klägerin - selbst noch ein Gespräch mit anderen Eltern geführt habe, habe sie selbst nicht die Zeit gehabt, die gesamte Örtlichkeit zu zeigen. Insoweit habe es sich auch nicht um eine einmalige Tätigkeit gehandelt. Vielmehr sei die Klägerin bei durchschnittlich 15 bis 20 Interessenten pro Wochenende nicht in der Lage gewesen, dies allein zu bewältigen. Ihres Wissens nach habe sie die Beigeladene mehrere Male gebeten, derartige Führungen vorzunehmen.

Die Beigeladene hat demgegenüber die Auffassung vertreten, der Tätigkeit sei keine wirtschaftliche Bedeutung zugekommen, die dem Betrieb ernstlich dienlich gewesen sei. Aus ihrer Sicht sollte das Herumführen nicht dem Unternehmen dienen, sondern eine durch die persönliche Nähe geprägte geringfügige Gefälligkeitshandlung darstellen. Bis zu dem Unfall sei sie auch nie durch die Klägerin aufgefordert worden, eine Führung zu tätigen.

Mit Urteil vom 30.05.2001, auf dessen Begründung verwiesen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen das am 03.07.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.07.2001 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Voraussetzungen für die Anerkennung als Arbeitsunfall seien in vollem Umfang erfüllt, soweit auch das SG richtigerweise davon ausgegangen sei, dass der Zeitaspekt unberücksichtigt bleibe und die Tätigkeit der Beigeladenen dem Unternehmen dienlich sei. Der zusätzlich vom SG bemühte Gesichtspunkt der nicht arbeitnehmerähnlich verstandenen "Handlungstendenz" sei nicht erforderlich. Es sei vielmehr entscheidend, dass die betreffen de Person eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit ausgeübt habe. Aufgrund der besondere Vertrautheit der Internatsschüler mit dem Stallgebäude und den dort untergebrachten Pferden habe es sich von selbst verstanden, dass diese die immer wieder einmal anstehenden Führungen durchführten. Andernfalls hätte die Klägerin selbst oder andere fest angestellte Arbeitnehmer solche Tätigkeiten übernehmen müssen. Derartige Führungen seien auch für das Internat von großem gewerblichen Interesse gewesen, um den Eltern die hohe Integration der Schüler und den vertrauten Umgang mit Tieren und Räumlichkeiten zu demonstrieren. An dem besagten Wochenende seien weder die zuständige Pferdewirtschaftsmeisterin im Dienst, noch ihre beiden Töchter anwesend gewesen, die normalerweise auch die Besucher herumführten, so dass von den Internatskindern lediglich die Beigeladene und ein weiteres Mädchen für evtl. Aufgaben in Zusammenhang mit der Pferdebetreuung in Betracht gekommen seien. Das Herumführen sei sowohl von ihren Töchtern als auch von diesen Kindern in etwa gleichem Umfang durchgeführt worden. Die Tätigkeit habe sich darauf beschränkt, den Besuchern allein die Örtlichkeit des Hofes zu zeigen, weitergehende Fragen hätten diese nicht beantworten können.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.05.2001 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheides vom 03.08.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.11.1999 festzustellen, dass die Beigeladene am 27.02.1994 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil ebenfalls für zutreffend und ist - ebenso wie die Beklagte - der Ansicht, dass sie nicht arbeitnehmerähnlich tätig geworden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Die Klage ist zulässig. Wie das SG zu Recht entschieden hat, hat die Klägerin ungeachtet des von der Beigeladenen nicht angefochtenen und damit bestandskräftig gewordenen Bescheides der Beklagten vom 04.03.1999 gem. § 109 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) einen Anspruch auf die Feststellung, ob die Beigeladene einen Arbeitsunfall erlitten hat, weil der von der Beigeladenen nicht eingelegte Widerspruch ihr gegenüber solange keine Wirkung entfaltet, als ihr dieser Bescheid nicht bekanntgemacht worden ist (§ 109 Satz 2 SGB VII). Die Klägerin als Mitinhaberin des "Hof S ..." hat auch gem. §§ 108, 109 SGB VII die Feststellungs- und Klagebefugnis, im sozialgerichtlichen Verfahren die Feststellung, dass die Beigeladene einen Arbeitsunfall erlitten hat, zu beantragen, weil sich die Haftungsbeschränkung der §§ 104 ff. SGB VII zu ihren Gunsten auswirken kann und die Beigeladene u.a. gegen sie Schadensersatzforderungen erhebt. Das SG hat auch zu Recht die Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die zum Unfall führende Tätigkeit der Beigeladenen am 27.02.1994 stand nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der von der Klägerin erhobene Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da das als Arbeitsunfall geltend gemachte Ereignis vor dem zum 01.01.1997 erfolgten Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) eingetreten ist (Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz - UVEG - § 212 SGB VII).

Bei dem Ereignis vom 27.02.1994 hat es sich um keinen Arbeitsunfall gehandelt.

Ein Arbeitsunfall ist gem. § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet. Gem. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO sind die aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnis Beschäftigten in der Unfallversicherung gegen Arbeitsunfall versichert. Dass ein Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 7 Abs. 1 des Vierten Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialverischerung - (SGB IV) nicht vorgelegen hat, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Die Beigeladene stand aber auch nicht unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 539 Abs. 2 RVO. Nach die ser Vorschrift sind gegen Arbeitsunfall auch Personen versichert, die wie ein nach Abs. 1 Versicherter tätig werden, wobei dies auch bei nur vorübergehender Tätigkeit gilt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, ist für die Anwendung des § 539 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 RVO entscheidend, dass es sich um eine ernstliche, dem in Betracht kommenden Unternehmen die nende Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht (BSGE 5, 168, 171; 14, 1; 19, 117; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 15). Dabei braucht weder eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit zu bestehen, noch sind die Beweggründe des Handelnden für das Tätigwerden maßgebend. Gefälligkeitsdienste schließen daher allein den Versicherungsschutz nicht von vornherein aus. (vgl. BSGE 5,168, 172; 18, 143, 147; BSG SozR 2200 § 539 Nrn. 43, 55; SozR 3-2200 § 539 Nr. 15). Es muss sich aber um eine Tätigkeit handeln, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 43; SozR. 3-2200 § 529 Nr. 15). Nicht jede unter diesen Voraussetzungen geleistete Tätigkeit unterliegt dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Vielmehr muss die Verrichtung nach ihrer Art und nach den Umständen, unter denen sie geleistet worden ist, einer Tätigkeit aufgrund eines (abhängigen) Beschäftigungsverhältnisses der in § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO bezeichneten Art ähneln (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 119 m.w.N.; SozR 3-2200 § 529 Nr. 15). Ob dies der Fall ist, kann nicht losgelöst von den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen beurteilt werden, unter denen sich die Tätigkeit vollzieht. Die isolierte Betrachtung der einzelnen Verrichtung reicht allein nicht aus, um die Tätigkeit als arbeitnehmerähnlich zu kennzeichnen (BSGE 31, 275, 277; 57, 91, 92; BSG SozR 2200 § 539 Nrn. 43, 49, 55, 134; SozR 3-2200 § 539 Nr. 15). Andernfalls wäre nahezu jede auch nur vorübergehende und noch so geringfügige Tätigkeit versichert und damit fast jeder Unfall bei jedweder Tätigkeit ein versicherter Arbeitsunfall (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 49; SozR 3-2200 § 539 Nr. 15). Das würde aber dem sich aus der Entstehungsgeschichte des § 539 Abs. 2 RVO ergebenden Sinn und Zweck dieser Vorschrift widersprechen (BSG, Urteil vom 15.12.1977 - 8 RU 42/77 - USK 77246; SozR 3-2200 § 539 Nr. 15). Insbesondere bei Gefälligkeitshandlungen aufgrund innerfamiliärer Beziehung besteht nach der Vorschrift ebensowenig Unfallversicherungsschutz, wie etwa bei Verrichtungen aufgrund mitgliedschaftlicher, gesellschaftlicher oder körperschaftlicher Verpflichtungen. Verrichtungen aufgrund freundschaftlicher und nachbarschaftlicher Beziehungen schließen zwar eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit des Verletzten nicht von vornherein aus. Handelt es sich jedoch um einen aufgrund der konkreten sozialen Beziehungen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst (BSG, Urteil vom 26.04.1990 - 2 RU 39/89 - HV-Info 1990, 1349; SozR 3-2200 § 539 Nr. 15) oder ist die zum Unfall führende Verrichtung als Erfüllung gesellschaftlicher, nicht rechtlicher Verpflichtungen anzusehen, die bei besonders engen Beziehungen zwischen Freunden oder Nachbarn typisch, üblich und deshalb zu erwarten sind (vgl. BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 15) besteht kein Versicherungsschutz. Auch auf die Zeitdauer der Verrichtung kommt es allein nicht an. Das BSG hat der Zeitdauer lediglich innerhalb des Gesamtbildes vor allem bei Hilfeleistungen unter Verwandten und Bekannten und bei Tätigkeiten im Rahmen von mitgliedschaftlichen, gesellschaftlichen oder körperschaftlichen Verpflichtungen die ihr zukommende, nicht aber eine selbstständige entscheidende Bedeutung zugemessen (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 134). Es sind - wie bei allen Zurechnungsentscheidungen - die gesamten Umstände des Einzelfalles zu beachten; dabei ist eine lebensnahe, natürliche Betrachtungsweise geboten (vgl. BSG SozR 2200 § 539 Nrn. 43, 134; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 15).

Unter Beachtung dieser Grundsätze lässt sich hier zwar feststellen, dass die Verrichtung der Beigeladenen dem tatsächlichen Willen des Unternehmens entsprach, diesem auch objektiv nützlich und ihrer Art nach üblicherweise sonst dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich war.

Auch wenn die Beigeladene der Klägerin lediglich aus Gefälligkeit geholfen hat, würde dies den Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO nicht von vornherein ausschließen. Dies alles genügt indes nicht für die Bejahung des hier streitigen Versicherungsschutzes. Wie das BSG in seinem Urteil vom 30.06.1993 - 2 RU 40/92 - zum "Trockenreiten" eines Pferdes ausgeführt hat, ist darauf abzustellen, ob die unfallbringende Handlung entsprechend den allgemeinen auch für den hier vorliegenden Versicherungsschutz geltenden Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung in einem inneren Zusammenhang mit dem in Betracht kommenden Unternehmen gestanden hat. Danach reicht es für einen Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO nicht aus, dass die einzelne Verrichtung losgelöst von den sie tragenden Umständen dem Unternehmen nützlich und ihrer Art nach üblicherweise sonst dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist. Dementsprechend ist es nicht allein maßgebend, dass die Tätigkeit sonst von einer anderen Person hätte durchgeführt werden müssen. Nicht alles, was einem Unternehmen objektiv nützlich und der Art der Verrichtung nach üblicherweise sonst dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, wird in unternehmerähnlicher Tätigkeit verrichtet. Vielmehr kommt der mit dem - objektiv arbeitnehmerähnlichen - Tun verbundenen Handlungstendenz ausschlaggebende Bedeutung zu (BSG a.a.O.; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 119; LSG NW, Urteil vom 25.03.1998 - L 17 U 61/96). Verfolgt eine Person mit solchem Verhalten in Wirklichkeit wesentlich allein ihre eigenen Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 539 Abs. 2 RVO wie eine nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift Tätige unter Versicherungsschutz (vgl. BSG, a.a.O. mit Hinweis auf ein Urteil vom 25.11.1992 - 2 RU 48/91 - in HV-Info 1993, 305). Ob die Tätigkeit der Beigeladenen - wie das SG ausgeführt hat - nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung erfolgt ist, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen. Dafür spricht zwar die Einlassung der Klägerin vom 18.02.1999, wonach die Internatskinder immer aus Neugier angelaufen seien, wenn der Hof von Interessenten für die Reiterferien besichtigt worden seien. Auch sei die Beigeladene mit einem weitere Mädchen diejenige gewesen, die sich am besten mit den Pferden ausgekannt und gerne die Leute herumgeführt habe. Die Beigeladene hat ebenfalls schriftsätzlich dargelegt, die Tätigkeit habe u.a. ihren Ursprung in dem Interesse bzw. der Neugier an den Pferden. Gleichwohl spricht der Umstand, dass die Tätigkeit einer persönlichen Neigung der Beigeladenen entsprochen haben könnte, der Charakterisierung als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit nicht entgegen.

Von entscheidender Bedeutung für den Senat war jedoch der Umstand, dass es sich bei dem Herumführen der Besucher durch die Beigeladene um eine im Rahmen enger persönlicher, fast schon familiärer Beziehungen, durchgeführte Gefälligkeitshandlung gehandelt hat, die bei besonders engen Beziehungen typisch, üblich und deshalb zu erwarten ist. Zwar war die Beigeladene mit der Klägerin im Rechtssinne nicht verwandt, gleichwohl bestanden insoweit Beziehungen, die einer engen familienhaften Ausprägung sehr nahe kamen. Die Klägerin lebte mit ihren eigenen Kindern und den Internatskindern nicht nur räumlich eng zusammen, es bestand nach ihren eigenen Angaben auch ein Vertrauensverhältnis zu diesen Internatskindern. Auch der Umstand, dass die Klägerin als Leiterin des Internates nach den Geschäftsbedingungen während des Aufenthaltes der Beigeladenen im Internat die Elternpflichten und -rechte ausübte (§ 4 der Geschäftsbedingungen) bestätigt, dass zwischen der Klägerin und der Beigeladenen nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich ein derartig enges persönliches Verhältnis bestand, dass dies einer familienhaften Beziehung sehr nahe kommt. Bei einem derart gestaltenen familienhaften Gemeinschaftsverhältnis übernehmen natürlicherweise die einzelnen Mitglieder dieser Gemeinschaft mehr oder weniger selbstverständlich und ohne feste, bestimmte Abreden Verpflichtungen auch gegenüber den anderen, wie sie ihren jeweiligen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten entsprechen. In diesem Rahmen erhalten die Tätigkeiten ihr Gepräge aus der Zugehörigkeit zu der Gemeinschaft. Sie spielen sich innerhalb der Gemeinschaft ab und unterscheiden sich so in ihrem Wesen von Tätigkeiten eines Außenstehenden, der "in ein Unternehmen unterstützend eingreift". Je enger eine Gemeinschaft ist, um so größer wird der Rahmen sein, innerhalb dessen bestimmte Tätigkeiten ihr Gepräge daraus erhalten (vgl. BSG SozR 2200 § 539 Nr. 49). Nach den übereinstimmenden Angaben der Klägerin und der Beigeladenen war es für diese selbstverständlich, der Klägerin behilflich zu sein. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Klägerin die Hilfeleistungen im selben Umfang auch von den eigenen Kindern erwartete, soweit sie selbst verhindert war. Art und Umfang sowie Zeitdauer der verrichteten Tätigkeit bestätigen ebenfalls die Annahme einer rein durch die persönliche Nähe geprägten Gefälligkeitshandlung. Das Herumführen auf dem Hof und des Zeigen der Stallungen erforderte keine besondere Sachkenntnis der Beigeladenen, da es ausschließlich um eine Besichtigung der Örtlichkeiten ging, nicht aber darum, sachdienliche Fragen zu beantworten. Auch rechtfertigt die Zeitdauer - ungeachtet dessen, ob die Beigeladene erstmalig diese Hilfeleistung verrichtet hat oder - wie die Klägerin im Rahmen des Klageverfahrens vorgetragen hat, wiederholt zu diesen Arbeiten herangezogen worden ist - die Zuordnung einer Gefälligkeit im Rahmen eines engen persönlichen Verhältnisses.

Insoweit misst der Senat - ebenso wie das SG - dem ursprünglichen Vorbringen der Klägerin eine größere Glaubwürdigkeit zu, als den im Rahmen des Klageverfahrens als zweckgerichtet anzusehenden Äußerungen zu einem mehr oder weniger wirtschaftlichen und rechtsgeschäftlichen Charakter der Tätigkeit.

Das Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 14 b) und c) RVO nicht in Betracht kommt, wurde den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung dargelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat konnte zu Gunsten der Beigeladenen die Kostenentscheidung des Sozialgerichts ändern, obwohl nur die Klägerin Berufung eingelegt hat. Insoweit gilt das Verbot der reformatio in peius nicht, denn dieses Verbot bezieht sich nur auf den der Disposition der Beteiligten unterliegenden Streitgegenstand, nicht aber auf die Kosten, über die von Amts wegen zu entscheiden ist (BSG, Urteil vom 10.09.1987 - 10 RAr 10/86 - m.w.N.; LSG NRW, Urt. v. 23.10.2001 - L 15 U 70/00 -).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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