L 1 AL 41/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AL 146/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 41/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 29.03.2001 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen die ab dem Vorverfahren ergangenen im Antrag vom 12.12.2002 aufgeführten Bescheide der Beklagten ab 09.01.1997 wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Arbeitslosenhilfe ab 1993.

Der 1944 geborene Kläger steht seit vielen Jahren bei der Beklagten im Arbeitslosenhilfebezug. Am 22.08.1996 beantragte er die Erstattung der bei der Feststellung seines Leistungssatzes berücksichtigten Kirchensteuer, da er seit dem 25. März 1993 aus der Kirche ausgetreten sei.

Dies lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 06.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.1997 unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.03.1994 (BVerfGE 90, 226 ff.) ab.

Hiergegen hat der Kläger unter dem Aktenzeichen S 15 AL 45/97 Klage beim Sozialgericht Aachen erhoben. Das Verfahren wurde im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 01.07.1993 (BVerfG - 1 BvL 10/93) ausgesetzt, unter dem Aktenzeichen S 15 AL 161/98 wieder aufgenommen, durch Beschluss vom 01.10.1999 erneut zum Ruhen gebracht und auf Antrag des Klägers unter dem Aktenzeichen S 15 AL 146/00 erneut wieder aufgenommen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der fiktive Abzug von Kirchensteuern für konfessionslose Arbeitslosenhilfebezieher sei verfassungswidrig, und beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.1997 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 25.03.1993 die einbehaltene Kirchensteuer zu erstatten, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 111 AFG bzw. § 136 SGB III insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar sind, als auch für nicht konfessionsgebundene Arbeitslose ein Kirchensteuer-Hebesatz erhoben wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid bezogen.

Mit Urteil vom 29.03.2001 hat das Sozialgericht Aachen die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen das ihm am 03.05.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.06.2001 Berufung eingelegt. Er wiederholt seinen Vortrag, die Einstellung von Kirchensteuer als gewöhnlich anfallender Abzug verletze ihn in seinen Grundrechten. Es sei zu berücksichtigen, dass bei jedem Einkommensteuer- und Lohnsteuerausgleich die im Vorjahr bezahlte Kirchensteuer in der Erklärung als Vorwegabzug berücksichtigt werde. Die Reduzierung der zu berücksichtigenden Kirchensteuer finde keine parallele Anwendung in den angegriffenen Vorschriften des § 111 Abs. 2 AFG bzw. § 151 Abs. 2 SGB III. Dies stelle für ihn eine Benachteiligung i.S.d. Gleichheitsgrundsatzes dar.

Der Kläger weist darüber hinaus auf eine Fernsehsendung (Plus-Minus) vom 26.02.2002 über die Kirchensteuer für Arbeitslose und Schwerbehinderte hin. Darin werde die Regelung des AFG bzw. SGB III von kompetenter Seite als absurd bezeichnet. Die individuelle und nicht die pauschale Berechnung des Arbeitslosengeldes sei zu fordern.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 29.03.2001 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.09.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.02.1997 sowie unter Abänderung der Bescheide vom 01.02.1993, 07.05.1993, 11.05.1993, 14.01.1994, des Widerspruchsbescheides vom 22.03.1994, der Bescheide vom 08.07.1994 und 12.01.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.03.1995, des Bescheides vom 18.05.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.08.1995, der Bescheide vom 02.05. und 07.05.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.08.1996, des Bescheides vom 11.07.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.08.1996, des Bescheides vom 09.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.02.1997, des Bescheides vom 07.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.07.1997, des Änderungsbescheides vom 10.07.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.09.1997, des Änderungsbescheides vom 23.01.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.04.1998, des Bescheides vom 20.05.1998 und des Änderungsbescheides vom 28.05.1998, des Bescheides vom 15.01.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.03.1999, des Bescheides vom 22.04.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.07.1999, der Änderungsbescheide vom 27.07. und 07.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.11.1999, des Änderungsbescheides und Widerspruchsbescheides vom 10.11.1999, des Änderungsbescheides vom 10.01.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2000, des Bescheides vom 14.04.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2000, des Bescheides vom 26.07.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2000, des Bescheides vom 23.11.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2001, des Änderungsbescheides vom 12.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2001, des Bescheides vom 16.05.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2001, des Bescheides vom 26.07.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2001, des Bescheides vom 14.01.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2002, des Bescheides vom 27.05.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2002, des Bescheides vom 26.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2002 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 25.03.1993 Arbeitslosenhilfe ohne rechnerisch berücksichtigter angerechneter Kirchensteuer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Begründung des angefochtenen Urteils sowie den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.03.1994 (1 BvL 8/85), wonach § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AFG nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Danach sei Art. 3 Grundgesetz nur dann verletzt, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte ein vernünftiger und einleuchtender Grund fehle. Ein solcher Grund sei aber vorliegend die Beitragsäquivalenz, wonach zwar grundsätzlich eine Äquivalenz von Beitrag und Leistung bestehe, hierbei jedoch keine volle Äquivalenz vorausgesetzt werde.

Auf Anfrage des Senats hat das Statistische Bundesamt unter dem 26.03.2002 folgendes mitgeteilt: Die aktuellsten Daten aus der Lohn- und Einkommensteuerstatistik stammten aus dem Jahre 1995. Die Ergebnisse der Folgestatistik für das Jahr 1998 würden erst Ende des Jahres verfügbar sein.

Aus der Übersicht 2 der Lohn- und Einkommensteuerstatistik 1995 ergibt sich für Nordrhein-Westfalen ein Anteil von 71,3 % von kirchensteuerpflichtigen Personen unter den überwiegend nicht Selbständigen mit ungekürzter Vorsorgepauschale. Für Deutschland ergibt dies einen Prozentsatz von 59,9 % (alte Bundesländer: 69,2 %, neue Bundesländer 19,3 %). Nach der Übersicht beträgt der Anteil der kirchensteuerpflichtigen Personen unter den überwiegend nicht Selbständigen mit gekürzter Vorsorgepauschale in Deutschland 68,1 %, in Nordrhein-Westfalen 78,9 %.

Wird der Anteil der kirchensteuerpflichtigen Personen unter den überwiegend nicht Selbständigen mit gekürzter und ungekürzter Vorsorgepauschale zusammen gerechnet, ergibt dies für Nordrhein-Westfalen einen Prozentsatz von 72 %, für Deutschland von 60,7 %.

Der Anteil der kirchensteuerpflichtigen Personen unter den überwiegend Selbständigen mit Bruttolohn beträgt in Deutschland lediglich 31,4 %, in Nordrhein -Westfalen 38,2 %.

Werden alle Lohnempfänger, d.h. alle überwiegend nicht Selbständigen mit gekürzter und ungekürzter Vorsorgepauschale sowie die überwiegend Selbständigen mit Bruttolohn zusammengerechnet, beträgt der Anteil der kirchensteuerpflichtigen Personen in Deutschland 59,5 %, in Nordrhein-Westfalen 70,6 %.

Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat am 13.05.2002 folgendes mitgeteilt: das Statistische Bundesamt werde vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in Abständen von jeweils drei Jahren mit den notwendigen Auswertungen bezüglich des Anteils der Arbeitnehmer, die Kirchensteuern zahlten, beauftragt. Im Jahr 1992 habe der Anteil der Arbeitnehmer, die Kirchensteuer bezahlt hätten, 69 % und im Jahr 1995 60 % betragen.

Die jeweiligen Kirchenmitgliedszahlen würden von der Evangelischen Kirche und dem Verband der Diözesen Deutschlands jeweils zum Jahresende erfragt. Die neuesten Zahlen bezögen sich auf den 31.12.2000. Im Jahre 1995 seien 60 % der Arbeitnehmer kirchensteuerpflichtig gewesen und 68 % der Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt Mitglied der Evangelischen oder Katholischen Kirche. Der Anteil der Kirchenmitglieder unter den Arbeitnehmern habe damit (1995) um 8 Prozentpunkte unter dem Anteil der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung gelegen. Die Differenz zwischen dem Anteil der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung und an den Arbeitnehmern sei über lange Zeit annähernd konstant geblieben.

Zum Jahresende 2000 seien nach den Meldungen der Evangelischen Kirche Deutschlands und der Deutschen Bischofskonferenz 64,9 % der Bevölkerung Mitglied einer Kirche. Analog zu den Ergebnissen aus dem Jahre 1995 könne damit auch weiterhin angenommen werden, dass eine Mehrheit der Arbeitnehmer einer die Kirchensteuer erhebenden Kirche angehöre.

Das Statistische Bundesamt hat am 05.12.2002 mitgeteilt, die Zahlen für 1998 würden voraussichtlich erst Mitte 2003 vorliegen.

Dem Senat haben die Gerichtsakten L 12 AL 226/01, L 12 AL 108/01 LSG NRW sowie die Verwaltungsunterlagen der Beklagten vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf ihren Inhalt wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klage gegen die von der Berufung nicht ergriffenen Bescheide der Beklagten ist ebenfalls unbegründet.

Das Sozialgericht hat mit seinem Urteil vom 29.03.2001 die Klage zu Recht abgewiesen. Dabei wurde vom Sozialgericht die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Beklagten vom 06.09.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.02.1997, durch den der incidenter gestellte Antrag des Klägers vom 22.08.1996 auf Aufhebung der nach dem Kirchenaustritt des Klägers am 25.03.1993 ergangenen Bescheide (vom 07.05.1993 bis 30.08.1996) abgelehnt worden ist, in nicht zu beanstandender Weise bestätigt.

Über die nach diesem Zeitpunkt ab Beginn des Vorverfahrens ergangenen Bescheide (ab dem 09.01.1997) hat das Sozialgericht nicht ausdrücklich entschieden, so dass diese Bescheide, da sie gemäß §§ 86, 96 SGG Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden sind, ebenso wie die nach Erlass des angefochtenen Urteils vom 29.03.2001 ergangenen Bescheide (ab dem 16.05.2001) im anhängigen Verfahren nicht Gegenstand eines Berufungs-, sondern eines Klageverfahrens geworden sind.

Der Kläger hat weder für die Zeit ab dem 25.03.1993 noch für einen späteren Zeitraum Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld. Maßgebend für die Beurteilung der Rechtslage sind grundsätzlich die Vorschriften der §§ 111 Abs. 1 Nr. 1, 112 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der Fassung des Gesetzes vom 18.12.1992 (BGBl. I 2044) sowie des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21.12.1993 - BGBl. I, S. 2353 - und den nachfolgenden Fassungen sowie für die Zeit ab 01.01.1998 die Vorschriften der §§ 129 ff., 136 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 24.03.1997 (BGBl. I 594) und den nachfolgenden Fassungen.

Nach § 111 AFG bzw. § 129 SGB III beträgt das Arbeitslosengeld für Arbeitslose, die nicht mindestens ein Kind haben, 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelts), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt).

Die Beklagte hat den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe im gesamten strittigen Zeitraum (ab 1993) nach einem zutreffenden Bemessungsentgelt von 600 bzw. 640 DM ansteigend auf 660 DM (1996) und absteigend bis 590 DM bzw. 300 Euro (2002) ausgehend von einem Bemessungsentgelt von 485 DM, das dem vorhergehen den Arbeitslosengeld 1981, 1982 zugrundegelegt worden war, berechnet.

Des weiteren hat sie zu Recht der Berechnung des Arbeitslosengeldes/der Arbeitslosenhilfe die Leistungsgruppe A - Kindermerkmal O - zugrundegelegt. Dies ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten Steuerkarte, auf der die Steuerklasse I/O eingetragen war.

Das solcher Art errechnete Arbeitslosengeld/die Arbeitslosenhilfe ist in nicht zu beanstandender Weise nach § 136 Abs. 2 b AFG bzw. § 201 SGB III angepasst worden.

Die Faktoren der Berechnung der Arbeitslosenhilfe sind zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Die dem Kläger gewährte Arbeitslosenhilfe entspricht den gesetzlichen Vorschriften.

Der Kläger kann sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei der Berechnung der Arbeitslosenhilfe der Kirchensteuer-Hebesatz als Berechnungsfaktor hätte unberücksichtigt bleiben müssen. § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AFG schreibt dies ebenso wie § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III ausdrücklich vor. Nach dieser Vorschrift ist bei der Bestimmung der pauschalierten Entgeltabzüge, "die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen", für die Kirchensteuer die Steuer nach dem im Vorjahr in den Ländern geltenden niedrigsten Kirchensteuer-Hebesatz zugrundezulegen.

Der erkennende Senat vermag sich den vom Kläger geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Rechtslage, die die Berücksichtigung des Kirchensteuer-Hebesatzes als gewöhnlichen Entgeltabzug weiterhin vorsieht, nicht anzuschließen. Der Senat bezieht sich insoweit auf das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Aachen sowie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23.03.1994 (1 BvL 8/85 - BVerfGE 90, 226 ff. = SGb 1995, 121 ff. = NZS 1994, 417).

Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass § 111 AFG bzw. § 136 SGB III verfassungswidrig sind, weil sie gegen Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 1 oder Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz verstoßen. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des BSG an, wie sie in den Entscheidungen vom 08.11.2001 (B 11 AL 43/01 R) sowie 21.03.2002 (B 7 AL 18/01 R - SGb 2002, 446 = NZA 2002, 1026) niedergelegt worden ist. Der erkennende Senat kann sich aufgrund des verfügbaren Zahlenmaterials, das das Statistische Bundesamt dem Gericht unter dem 26.03.2002 sowie das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung unter dem 13.05.2002 vorgelegt hat, nicht davon überzeugen, dass es sich bei der Kirchensteuer inzwischen nicht mehr um einen "gewöhnlich anfallenden Abzug" vom Arbeitsentgelt handelt. Nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes waren 1995 59,9 % kirchensteuerpflichtige Personen unter den überwiegend nicht Selbständigen mit ungekürzter Vorsorgepauschale und 68,1 % kirchensteuerpflichtige Personen unter den überwiegend nicht Selbständigen mit gekürzter Vorsorgepauschale. Bei Zusammenrechnung des Anteils der kirchensteuerpflichtigen Personen unter den überwiegend nicht Selbständigen mit gekürzter und ungekürzter Vorsorgepauschale ergibt dies für Deutschland einen Prozentsatz von 60,7 (alle Zahlen für 1995). Aktuellere Zahlen würden - so die Auskunft vom 05.12.2002 - erst Mitte 2003 vorliegen. Bezogen auf den 31.12.2000 sind nach Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung Zahlen von der Evangelischen Kirche und dem Verband der Diözesen Deutschlands mitgeteilt worden. Danach war der Anteil der Kirchenmitglieder unter den Arbeitnehmern seit vielen Jahren stabil und gleichmäßig (8 %) unter dem Anteil der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung. Die Differenz zwischen dem Anteil der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung und an den Arbeitnehmern sei über lange Zeit annähernd konstant geblieben (8 %). Zum Jahresende 2000 seien nach den Meldungen der Evangelischen Kirche Deutschlands und der Deutschen Bischofskonferenz 64,9 % der Bevölkerung Mitglied einer Kirche gewesen. Analog zu den Ergebnissen aus den Vorjahren könne damit angenommen werden, dass 56,9 % Arbeitnehmer einer die Kirchensteuer erhebenden Kirche angehörten. Der Anteil der Arbeitnehmer, die nicht kirchensteuerpflichtig waren, beläuft sich demgegenüber auf etwa 43,1 %. Damit kann weder für die Zeit bis zum 31.12.2000 noch für den gegenwärtigen Zeitpunkt mit Überzeugung festgestellt werden, dass nicht mehr eine deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer einer zur Erhebung von Kirchensteuern ermächtigten Kirche angehört und es sich bei der Kirchensteuer inzwischen nicht mehr um einen "gewöhnlich anfallenden" Abzug vom Arbeitsentgelt handelt.

Der Senat verkennt nicht, dass sich das Verhältnis der Kirchensteuer entrichtenden Arbeitnehmer zu denjenigen Arbeitnehmern, die keine Kirchensteuer )entrichten, auf einen Grenzwert zubewegt, der das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Gebot der Normenklarheit künftig beeinträchtigen könnte. Dieser Grenzwert ist gegenwärtig aber noch nicht erreicht. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass von einer deutlichen Mehrheit von Arbeitnehmern, die einer steuererhebenden Kirche angehören, erst dann nicht mehr gesprochen werden kann, wenn ihr Anteil zu den Arbeitnehmern, die keiner kirchensteuererhebenden Kirche angehören, unter 55 % gesunken ist (BSG, Urteil vom 25.06.2002, B 11 AL 55/01 R - SGb 2002, 559).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, die Revision zuzulassen, da die in § 160 Abs. 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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