Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AL 208/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 101/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 25/01 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 19. Mai 1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Klägerin zur Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
Der am ...19 ... geborene Arbeitnehmer K ... S ... (S) war vom 17.10.1967 bis 31.08.1995 bei der Klägerin beschäftigt. Diese beabsichtigte, das Arbeitsverhältnis im Rahmen von Personaleinsparungen zu kündigen. Sie schaltete deshalb den Betriebsrat ein, der am 12.01.1995 einer Kündigung zustimmte, weil S nach der Sozialauswahl am wenigsten betroffen sei. Er empfahl im Hinblick auf die langjährige Betriebszugehörigkeit des S eine gütliche Einigung durch Auflösungsvertrag. Die Klägerin kündigte dem S daraufhin mit Schreiben vom 16.01.1995 zum 31.08.1995. Am 25./27.01.1995 unterzeichneten sodann beide einen Aufhebungsvertrag. Nach dessen Ziffer 1 waren sich die Parteien darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der Klägerin betriebsbedingt mit Ablauf des 31.08.1995 endet. Gemäß Ziffer 2 des Vertrages zahlte die Klägerin aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem S eine Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Höhe von 28.000,00 DM. Dieser meldete sich am 29.08.1995 arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte ihm dieses durch Bescheid vom 14.09.1995 ab 01.09.1995 für die Dauer von 832 Kalendertagen. Er bezog die Leistung bis 31.08.1996, weil ihm ab 01.09.1996 die Altersrente zustand.
Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 26.10.1995 die Erstattungspflicht der Klägerin für die Zeit ab 01.01.1995 für längstens 624 Tage dem Grunde nach fest, weil keine Umstände, die nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 7 AFG von der Erstattungspflicht befreiten, vorlägen - insbesondere das Arbeitsverhältnisnicht durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung im Sinne der Nr. 4 beendet worden sei. Die Klägerin erhob hiergegen am 30.11.1995 Widerspruch. Sie führte aus, sie habe aus wirtschaftlichen Gründen Personal abbauen und die Stelle eines Fertigungsmeisters im gewerblichen Bereich streichen müssen. Für die hierfür erforderliche Kündigung habe sie eine ordnungsgemäße Sozialauswahl getroffen und dem S gekündigt, weil er den Anforderungen der zukünftigen Tätigkeitsbereiche nicht mehr entsprochen habe. Der nach der ausgesprochenen Kündigung geschlossene Aufhebungsvertrag rechtfertige nicht den Eintritt der Erstattungspflicht. Sie sei nämlich zu dessen Abschluss auf Grund einer Betriebsvereinbarung verpflichtet gewesen. Darüber hinaus sei das Arbeitsverhältnis mit S durch die Kündigung beendet worden, nicht aber durch den Aufhebungsvertrag. Es handele sich hierbei lediglich um einen Abwicklungsvertrag. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 24.04.1996 zurück, weil von einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugehen sei. Zusätzlich zur Kündigung sei ein Aufhebungsvertrag mit einer Abfindungsvereinbarung geschlossen worden (zugestellt am 29.04.1996).
Hiergegen richtet sich die am 29.05.1996 erhobene Klage. Die Klägerin hat zu deren Begründung vorgetragen, die Beklagte verkenne, dass das Arbeitsverhältnis mit S nicht auf Grund eines Aufhebungsvertrages, sondern auf Grund einer sozial gerechtfertigten Kündigung geendet habe. Hieran ändere sich nichts dadurch, dass sie auch bei einer solchen Kündigung durch eine Betriebsvereinbarung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Mitarbeiter verpflichtet sei. S habe die Kündigung zudem akzeptiert.
Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 16.09.1998 erneut zur Erstattungspflicht nach § 128 AFG an und erläuterte ihr mit weiterem Schreiben vom 22.10.1998 die Bemessungsgrundlagen für das an den S gezahlte Alg. Sie hob schließlich mit Bescheid vom 21.01.1999 den Grundlagenbescheid vom 26.10.1995 auf und forderte mit Leistungsbescheid vom selben Tage die Erstattung der von ihr erbrachten Leistungen an S für die Zeit vom 01.09.1995 bis 31.08.1996 in Höhe von insgesamt 45.510,00 DM. Wegen der Berechnungsgrundlagen (Erstattungsanspruch und Alg) wird auf die Schreiben vom 16.09. und 22.10.1998 sowie ergänzend auf die in der Leistungsakte enthaltenen Zahlungsnachweise Bezug genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26.10.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.1996 und des Ersetzungsbescheides vom 21.01.1999 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide für Rechtens gehalten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 19.05.1999 abgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für den Eintritt der Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG seien erfüllt. Diese sei auch nicht nach dem allein in Betracht kommenden Befreiungstatbestand des Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG entfallen, weil die Klägerin das Arbeitsverhältnis nicht durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung beendet habe. Sie habe dem S zwar unter dem 16.01.1995 zum 31.08.1995 gekündigt. Ob diese Kündigung sozial gerechtfertigt gewesen sei, könne dahinstehen. Denn sie sei jedenfalls kurze Zeit später in der zwischen der Klägerin und dem S geschlossenen Aufhebungsvereinbarung aufgegangen, so dass es sich letztlich nicht mehr um eine Kündigung im Sinne des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr. 4 AFG gehandelt habe. Es sei zwar denkbar, dass ein solcher Aufhebungsvertrag nichts am Vorhandensein einer sozialgerechtfertigten Kündigung ändere. Hier spreche aber die zu großezeitliche Nähe des nachfolgenden Aufhebungsvertrages zur Kündigung dafür, dass das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag und nicht durch Kündigung beendet worden sei. Der Vertrag sei nämlich noch während des Laufs der Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage abgeschlossen worden. Mit der Unterzeichnung des Vertrageshabe sich S dieser Schutzmöglichkeit begeben. Darüber hinaus habe er eine Abfindung in Höhe von 28.000,00 DM erhalten. Den vorgelegten Betriebsvereinbarungen 2/90 und 2/84 sei auch nicht zu entnehmen, dass die Klägerin nach Ausspruch der Kündigung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages verpflichtet gewesen sei. Darin seien lediglich Auflösungsmodalitäten für solche Arbeitnehmer geregelt, die freiwillig einen Auflösungsvertrag eingehen wollten. Da somit keine Kündigung im Sinne des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr. 4 AFG vorliege sei auch ein Auflösungsvertrag, wie ihn die Klägerin mit S geschlossen habe, nach Sinn und Zweck der Vorschrift einer sozialgerechtfertigten Kündigung nichts gleichzusetzen. Denn bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages setze sich der Arbeitgeber nicht der Prüfung der die Kündigung sozial rechtfertigenden Gründe durch das Arbeitsgericht aus.
Gegen das am 02.06.1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 08.06.1999 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie wiederholt zu deren Begründung ihr erstinstanzliches Vorbringen und verweist erneut darauf, dass im vorliegenden Fall im Anschluss an die ausgesprochene Kündigung ein Abwicklungsvertrag abgeschlossen worden sei. Mit diesem sei lediglich geregelt worden, wie es bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses weitergehen sollte. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, ein Aufhebungsvertrag oder ähnliches sei einer sozial gerechtfertigten Kündigung nicht gleichzusetzen, leuchte nicht ein. Es sei nicht nachvollziehbar, warum ein Arbeitgeber in einen Arbeitsgerichtsprozess getrieben werden solle, wenn er wie im vorliegenden Fall alle Voraussetzungen und Schritte für den Ausspruch einer sozial gerechtfertigten Kündigung ordnungsgemäß erfüllt habe. Darüber hinaus sei es ungerechtfertigt, dem Arbeitgeber wegen der Durchführung eines Arbeitsgerichtsprozesses allein das wirtschaftliche Risiko einer erheblichen Lohnnachzahlung aufzubürden. Die Beklagte sei im Hinblick auf die ausgesprochene Kündigung verpflichtet gewesen, selbst zu prüfen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 19.05.1999 zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakte der Beklagten - Stammnummer: ... - Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Der allein noch streitbefangene Erstattungsbescheid vom 21.01.19999 ist rechtmäßig.
Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe im Wesentlichen ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist (§ 153 Abs 2 SGG). Das Sozialgericht hat insbesondere zutreffend dargelegt, dass die Erstattungspflicht der Klägerin nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG eingetreten ist und nicht nach Abs 1 Satz 2 oder Absatz 2 dieser Vorschrift entfallen ist, weil die Befreiungstatbestände - insbesondere der des Satzes 2 Nr 4 - nicht erfüllt sind.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin ist erneut darauf hinzuweisen, dass auch bei sog. Abwicklungsverträgen (vgl.Niesel AFG 2. Aufl. § 119 Rn 23) zu prüfen bleibt, ob die Kündigung und der folgende Abwicklungsvertrag in Wirklichkeit die Vereinbarung einer einverständlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses darstellen. Die Umstände des Einzelfalles sind immer darauf- hin zu untersuchen, ob das Verhalten der Arbeitsvertragsparteien nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Abschluss eines Aufhebungsvertrages aufzufassen ist (vgl. BSG SozR 3- 4100 § 119 Nr 9 zur Sperrzeit). Das gilt auch im Rahmen des § 128 AFG, um Manipulation entgegenwirken zu können (vgl. Gagel AFG, Stand 1998, § 128 Rn 154; Niesel, AFG, 2. Auflage, § 128 Rn 35). Im vorliegenden Fall ist eine einverständliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses angestrebt und vereinbart worden. Zum einen ist, obwohl der Betriebsrat der Klägerin zur Kündigung gehört worden ist und ihr zugestimmt hat, von diesem im Hinblick auf die langjährige Betriebszugehörigkeit des S in seiner Stellungnahme bereits der Abschluss eines Auflösungsvertrags anstelle einer Kündigung empfohlen worden. Zum anderen hat die Klägerin selbst in ihrem Schreiben vom 20.09.1995 an die Beklagte ausgeführt, "zur Vermeidung einer Kündigungsschutzklage hätte sie nach erfolgter Kündigung mit S einen Auflösungsvertrag abgeschlossen". Da dieser Vertrag noch innerhalb der Klagefrist von drei Wochen für eine Kündigungsschutzklage (§ 4 KSCHG) vereinbart worden ist und S ausserdem eine Abfindung erhalten hat, haben dieser und die Klägerin einvernehmlich bewirkt, dass sich diese nicht der Prüfung der die Kündigung sozial rechtfertigenden Gründe auszusetzen hat. Der frühere Arbeitnehmer S hat sich - gegen Zahlung einer Abfindung - der Möglichkeit begeben, die Rechtswidrigkeit der ausgesprochenen Kündigung geltend zu machen. Hier ist die vorangegangene Kündigung sogar in dem noch innerhalb des Laufs der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage abgeschlossenen Aufhebungsvertrag "auf gangen" (vgl. Niesel aaO Rn 38) oder durch den Vertrag verdrängt worden.
Die streng an die Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfende Rechtsprechung des BSG (keine Austauschbarkeit von sozial gerechtfertigter Kündigung und Aufhebungsvertrag - vgl BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 5 sowie Urteil vom 25.06.1998 - B 7 AL 80/97 R und 16.09.1998 - B 11 AL 59/97 R -) beruht gerade darauf, dass sich der Arbeitgeber uneingeschränkt der Prüfung der die Kündigung sozial rechtfertigenden Gründe aussetzt. Die Klägerin kann dem auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, sie werde bei einer Ablehnung der Gleichstellung des Abwicklungsvertrages mit der sozialgerechtfertigten Kündigung in arbeitsgerichtliche Prozesse mit erheblichem Kostenrisiko gedrängt. Dieses Risiko ist nicht erheblich, wenn sozial rechtfertigende Gründe der Kündigung wirklich zu Grunde liegen. Das BSG (aaO) hat zudem dargelegt, dass der Gesetz geber durch das strenge Formerfordernis sicherstellen wollte, die Frage der Verantwortung des Arbeitgebers für die Trennung von einem Arbeitnehmer nach eindeutigen Kriterien beurteilen zu können. Der vorliegende Fall, in dem sich der Arbeitnehmer während des Laufs der Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage das Klagerecht durch Abschluss eines Vertrags nehmen lässt, zeigt, dass die strenge Anlehnung an die Form der Beendigung sinnvoll ist. Denn ohne den Vertrag hätte die Klägerin - was sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat - nach Ausspruch der Kündigung weiterhin mit einer Klage zur Überprüfung der angenommenen sozial rechtfertigenden Gründe rechnen müssen. Da somit vorliegend trotz der ausgesprochenen Kündigung ein diese einschließender einvernehmlicher Vertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob die eine Kündigung soziarechtfertigenden Gründe tatsächlich vorgelegen haben (vgl BSG aaO).
Die Auffassung der Klägerin, trotz der erfolgten Kündigung zum Abschluss eines Abwicklungsvertrags verpflichtet gewesen zu sein, ist unzutreffend. Das Sozialgericht hat bereits zu Recht dargelegt, dass sich eine derartige Pflicht den von der Klägerin vorgelegten Betriebsvereinbarungen nicht entnehmen lässt. Abgesehen davon, dass sich die Regelungen zum Abschluss eines Auflösungsvertrags nach Punkt I Nr 1 der BV 2/84 nur auf die freiwillige Lösung des Arbeitsverhältnisses beziehen, wäre diese Betriebsvereinbarung nach Punkt III Nr 1 auf S gerade nicht anwendbar gewesen. Denn die genannte Bestimmung galt nicht für solche Mitarbeiter, die nach 52 Wochen Arbeitslosigkeit und nach Vollendung des 60. Lebensjahres vorzeitiges Arbeitslosenaltersruhegeld erhalten können. S zählte aber zu diesem Personenkreis, weil er nach einjähriger Arbeitslosigkeit (Leistungsbezug 01.09.1995 bis 31.08.1996) und nach Vollendung des 60. Lebensjahres (am 21.06.1996) die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 01.09.1996 bezogen hat (Rentenbescheid vom 20.06.1996).
Die Höhe der Erstattungsforderung ist zutreffend ermittelt worden. Auf die Erläuterungen der Beklagten dazu, die von der Klägerin nicht beanstandet worden sind, wird Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen. (Abgrenzung zu dem Urteil des Senats vom 14.12.2000 - L 9 AL 41/00 - zur Anerkennung der Rechtfertigung der Kündigung in einem arbeitsgerichtlichen Prozessvergleich - Revision ebenfalls zugelassen).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Klägerin zur Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
Der am ...19 ... geborene Arbeitnehmer K ... S ... (S) war vom 17.10.1967 bis 31.08.1995 bei der Klägerin beschäftigt. Diese beabsichtigte, das Arbeitsverhältnis im Rahmen von Personaleinsparungen zu kündigen. Sie schaltete deshalb den Betriebsrat ein, der am 12.01.1995 einer Kündigung zustimmte, weil S nach der Sozialauswahl am wenigsten betroffen sei. Er empfahl im Hinblick auf die langjährige Betriebszugehörigkeit des S eine gütliche Einigung durch Auflösungsvertrag. Die Klägerin kündigte dem S daraufhin mit Schreiben vom 16.01.1995 zum 31.08.1995. Am 25./27.01.1995 unterzeichneten sodann beide einen Aufhebungsvertrag. Nach dessen Ziffer 1 waren sich die Parteien darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der Klägerin betriebsbedingt mit Ablauf des 31.08.1995 endet. Gemäß Ziffer 2 des Vertrages zahlte die Klägerin aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem S eine Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Höhe von 28.000,00 DM. Dieser meldete sich am 29.08.1995 arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte ihm dieses durch Bescheid vom 14.09.1995 ab 01.09.1995 für die Dauer von 832 Kalendertagen. Er bezog die Leistung bis 31.08.1996, weil ihm ab 01.09.1996 die Altersrente zustand.
Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 26.10.1995 die Erstattungspflicht der Klägerin für die Zeit ab 01.01.1995 für längstens 624 Tage dem Grunde nach fest, weil keine Umstände, die nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 7 AFG von der Erstattungspflicht befreiten, vorlägen - insbesondere das Arbeitsverhältnisnicht durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung im Sinne der Nr. 4 beendet worden sei. Die Klägerin erhob hiergegen am 30.11.1995 Widerspruch. Sie führte aus, sie habe aus wirtschaftlichen Gründen Personal abbauen und die Stelle eines Fertigungsmeisters im gewerblichen Bereich streichen müssen. Für die hierfür erforderliche Kündigung habe sie eine ordnungsgemäße Sozialauswahl getroffen und dem S gekündigt, weil er den Anforderungen der zukünftigen Tätigkeitsbereiche nicht mehr entsprochen habe. Der nach der ausgesprochenen Kündigung geschlossene Aufhebungsvertrag rechtfertige nicht den Eintritt der Erstattungspflicht. Sie sei nämlich zu dessen Abschluss auf Grund einer Betriebsvereinbarung verpflichtet gewesen. Darüber hinaus sei das Arbeitsverhältnis mit S durch die Kündigung beendet worden, nicht aber durch den Aufhebungsvertrag. Es handele sich hierbei lediglich um einen Abwicklungsvertrag. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 24.04.1996 zurück, weil von einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugehen sei. Zusätzlich zur Kündigung sei ein Aufhebungsvertrag mit einer Abfindungsvereinbarung geschlossen worden (zugestellt am 29.04.1996).
Hiergegen richtet sich die am 29.05.1996 erhobene Klage. Die Klägerin hat zu deren Begründung vorgetragen, die Beklagte verkenne, dass das Arbeitsverhältnis mit S nicht auf Grund eines Aufhebungsvertrages, sondern auf Grund einer sozial gerechtfertigten Kündigung geendet habe. Hieran ändere sich nichts dadurch, dass sie auch bei einer solchen Kündigung durch eine Betriebsvereinbarung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Mitarbeiter verpflichtet sei. S habe die Kündigung zudem akzeptiert.
Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 16.09.1998 erneut zur Erstattungspflicht nach § 128 AFG an und erläuterte ihr mit weiterem Schreiben vom 22.10.1998 die Bemessungsgrundlagen für das an den S gezahlte Alg. Sie hob schließlich mit Bescheid vom 21.01.1999 den Grundlagenbescheid vom 26.10.1995 auf und forderte mit Leistungsbescheid vom selben Tage die Erstattung der von ihr erbrachten Leistungen an S für die Zeit vom 01.09.1995 bis 31.08.1996 in Höhe von insgesamt 45.510,00 DM. Wegen der Berechnungsgrundlagen (Erstattungsanspruch und Alg) wird auf die Schreiben vom 16.09. und 22.10.1998 sowie ergänzend auf die in der Leistungsakte enthaltenen Zahlungsnachweise Bezug genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26.10.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.1996 und des Ersetzungsbescheides vom 21.01.1999 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide für Rechtens gehalten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 19.05.1999 abgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für den Eintritt der Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG seien erfüllt. Diese sei auch nicht nach dem allein in Betracht kommenden Befreiungstatbestand des Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG entfallen, weil die Klägerin das Arbeitsverhältnis nicht durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung beendet habe. Sie habe dem S zwar unter dem 16.01.1995 zum 31.08.1995 gekündigt. Ob diese Kündigung sozial gerechtfertigt gewesen sei, könne dahinstehen. Denn sie sei jedenfalls kurze Zeit später in der zwischen der Klägerin und dem S geschlossenen Aufhebungsvereinbarung aufgegangen, so dass es sich letztlich nicht mehr um eine Kündigung im Sinne des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr. 4 AFG gehandelt habe. Es sei zwar denkbar, dass ein solcher Aufhebungsvertrag nichts am Vorhandensein einer sozialgerechtfertigten Kündigung ändere. Hier spreche aber die zu großezeitliche Nähe des nachfolgenden Aufhebungsvertrages zur Kündigung dafür, dass das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag und nicht durch Kündigung beendet worden sei. Der Vertrag sei nämlich noch während des Laufs der Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage abgeschlossen worden. Mit der Unterzeichnung des Vertrageshabe sich S dieser Schutzmöglichkeit begeben. Darüber hinaus habe er eine Abfindung in Höhe von 28.000,00 DM erhalten. Den vorgelegten Betriebsvereinbarungen 2/90 und 2/84 sei auch nicht zu entnehmen, dass die Klägerin nach Ausspruch der Kündigung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages verpflichtet gewesen sei. Darin seien lediglich Auflösungsmodalitäten für solche Arbeitnehmer geregelt, die freiwillig einen Auflösungsvertrag eingehen wollten. Da somit keine Kündigung im Sinne des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr. 4 AFG vorliege sei auch ein Auflösungsvertrag, wie ihn die Klägerin mit S geschlossen habe, nach Sinn und Zweck der Vorschrift einer sozialgerechtfertigten Kündigung nichts gleichzusetzen. Denn bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages setze sich der Arbeitgeber nicht der Prüfung der die Kündigung sozial rechtfertigenden Gründe durch das Arbeitsgericht aus.
Gegen das am 02.06.1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 08.06.1999 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie wiederholt zu deren Begründung ihr erstinstanzliches Vorbringen und verweist erneut darauf, dass im vorliegenden Fall im Anschluss an die ausgesprochene Kündigung ein Abwicklungsvertrag abgeschlossen worden sei. Mit diesem sei lediglich geregelt worden, wie es bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses weitergehen sollte. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, ein Aufhebungsvertrag oder ähnliches sei einer sozial gerechtfertigten Kündigung nicht gleichzusetzen, leuchte nicht ein. Es sei nicht nachvollziehbar, warum ein Arbeitgeber in einen Arbeitsgerichtsprozess getrieben werden solle, wenn er wie im vorliegenden Fall alle Voraussetzungen und Schritte für den Ausspruch einer sozial gerechtfertigten Kündigung ordnungsgemäß erfüllt habe. Darüber hinaus sei es ungerechtfertigt, dem Arbeitgeber wegen der Durchführung eines Arbeitsgerichtsprozesses allein das wirtschaftliche Risiko einer erheblichen Lohnnachzahlung aufzubürden. Die Beklagte sei im Hinblick auf die ausgesprochene Kündigung verpflichtet gewesen, selbst zu prüfen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 19.05.1999 zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakte der Beklagten - Stammnummer: ... - Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Der allein noch streitbefangene Erstattungsbescheid vom 21.01.19999 ist rechtmäßig.
Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe im Wesentlichen ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist (§ 153 Abs 2 SGG). Das Sozialgericht hat insbesondere zutreffend dargelegt, dass die Erstattungspflicht der Klägerin nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG eingetreten ist und nicht nach Abs 1 Satz 2 oder Absatz 2 dieser Vorschrift entfallen ist, weil die Befreiungstatbestände - insbesondere der des Satzes 2 Nr 4 - nicht erfüllt sind.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin ist erneut darauf hinzuweisen, dass auch bei sog. Abwicklungsverträgen (vgl.Niesel AFG 2. Aufl. § 119 Rn 23) zu prüfen bleibt, ob die Kündigung und der folgende Abwicklungsvertrag in Wirklichkeit die Vereinbarung einer einverständlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses darstellen. Die Umstände des Einzelfalles sind immer darauf- hin zu untersuchen, ob das Verhalten der Arbeitsvertragsparteien nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Abschluss eines Aufhebungsvertrages aufzufassen ist (vgl. BSG SozR 3- 4100 § 119 Nr 9 zur Sperrzeit). Das gilt auch im Rahmen des § 128 AFG, um Manipulation entgegenwirken zu können (vgl. Gagel AFG, Stand 1998, § 128 Rn 154; Niesel, AFG, 2. Auflage, § 128 Rn 35). Im vorliegenden Fall ist eine einverständliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses angestrebt und vereinbart worden. Zum einen ist, obwohl der Betriebsrat der Klägerin zur Kündigung gehört worden ist und ihr zugestimmt hat, von diesem im Hinblick auf die langjährige Betriebszugehörigkeit des S in seiner Stellungnahme bereits der Abschluss eines Auflösungsvertrags anstelle einer Kündigung empfohlen worden. Zum anderen hat die Klägerin selbst in ihrem Schreiben vom 20.09.1995 an die Beklagte ausgeführt, "zur Vermeidung einer Kündigungsschutzklage hätte sie nach erfolgter Kündigung mit S einen Auflösungsvertrag abgeschlossen". Da dieser Vertrag noch innerhalb der Klagefrist von drei Wochen für eine Kündigungsschutzklage (§ 4 KSCHG) vereinbart worden ist und S ausserdem eine Abfindung erhalten hat, haben dieser und die Klägerin einvernehmlich bewirkt, dass sich diese nicht der Prüfung der die Kündigung sozial rechtfertigenden Gründe auszusetzen hat. Der frühere Arbeitnehmer S hat sich - gegen Zahlung einer Abfindung - der Möglichkeit begeben, die Rechtswidrigkeit der ausgesprochenen Kündigung geltend zu machen. Hier ist die vorangegangene Kündigung sogar in dem noch innerhalb des Laufs der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage abgeschlossenen Aufhebungsvertrag "auf gangen" (vgl. Niesel aaO Rn 38) oder durch den Vertrag verdrängt worden.
Die streng an die Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfende Rechtsprechung des BSG (keine Austauschbarkeit von sozial gerechtfertigter Kündigung und Aufhebungsvertrag - vgl BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 5 sowie Urteil vom 25.06.1998 - B 7 AL 80/97 R und 16.09.1998 - B 11 AL 59/97 R -) beruht gerade darauf, dass sich der Arbeitgeber uneingeschränkt der Prüfung der die Kündigung sozial rechtfertigenden Gründe aussetzt. Die Klägerin kann dem auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, sie werde bei einer Ablehnung der Gleichstellung des Abwicklungsvertrages mit der sozialgerechtfertigten Kündigung in arbeitsgerichtliche Prozesse mit erheblichem Kostenrisiko gedrängt. Dieses Risiko ist nicht erheblich, wenn sozial rechtfertigende Gründe der Kündigung wirklich zu Grunde liegen. Das BSG (aaO) hat zudem dargelegt, dass der Gesetz geber durch das strenge Formerfordernis sicherstellen wollte, die Frage der Verantwortung des Arbeitgebers für die Trennung von einem Arbeitnehmer nach eindeutigen Kriterien beurteilen zu können. Der vorliegende Fall, in dem sich der Arbeitnehmer während des Laufs der Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage das Klagerecht durch Abschluss eines Vertrags nehmen lässt, zeigt, dass die strenge Anlehnung an die Form der Beendigung sinnvoll ist. Denn ohne den Vertrag hätte die Klägerin - was sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat - nach Ausspruch der Kündigung weiterhin mit einer Klage zur Überprüfung der angenommenen sozial rechtfertigenden Gründe rechnen müssen. Da somit vorliegend trotz der ausgesprochenen Kündigung ein diese einschließender einvernehmlicher Vertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob die eine Kündigung soziarechtfertigenden Gründe tatsächlich vorgelegen haben (vgl BSG aaO).
Die Auffassung der Klägerin, trotz der erfolgten Kündigung zum Abschluss eines Abwicklungsvertrags verpflichtet gewesen zu sein, ist unzutreffend. Das Sozialgericht hat bereits zu Recht dargelegt, dass sich eine derartige Pflicht den von der Klägerin vorgelegten Betriebsvereinbarungen nicht entnehmen lässt. Abgesehen davon, dass sich die Regelungen zum Abschluss eines Auflösungsvertrags nach Punkt I Nr 1 der BV 2/84 nur auf die freiwillige Lösung des Arbeitsverhältnisses beziehen, wäre diese Betriebsvereinbarung nach Punkt III Nr 1 auf S gerade nicht anwendbar gewesen. Denn die genannte Bestimmung galt nicht für solche Mitarbeiter, die nach 52 Wochen Arbeitslosigkeit und nach Vollendung des 60. Lebensjahres vorzeitiges Arbeitslosenaltersruhegeld erhalten können. S zählte aber zu diesem Personenkreis, weil er nach einjähriger Arbeitslosigkeit (Leistungsbezug 01.09.1995 bis 31.08.1996) und nach Vollendung des 60. Lebensjahres (am 21.06.1996) die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 01.09.1996 bezogen hat (Rentenbescheid vom 20.06.1996).
Die Höhe der Erstattungsforderung ist zutreffend ermittelt worden. Auf die Erläuterungen der Beklagten dazu, die von der Klägerin nicht beanstandet worden sind, wird Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen. (Abgrenzung zu dem Urteil des Senats vom 14.12.2000 - L 9 AL 41/00 - zur Anerkennung der Rechtfertigung der Kündigung in einem arbeitsgerichtlichen Prozessvergleich - Revision ebenfalls zugelassen).
Rechtskraft
Aus
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