Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AL 198/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 241/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 180/02 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13. November 2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten.
Der 1947 geborene Kläger, Lehrer für Mathematik, Physik und Informatik am ...Gymnasium in ..., steht seit 1972 im Schuldienst, seit 1979 ist er Beamter auf Lebenszeit. Der bei ihm von der Versorgungsverwaltung festgestellte Grad der Behinderung -GdB- liegt bei 30 wegen der folgenden Gesundheitsstörungen: Funktionsstörungen der Wirbelsäule, Gicht, chronische Schleimbeutelentzündung am rechten Kniegelenk bei Zustand nach Operation.
Am 20.09.2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten. Zur Begründung trug er vor, das beigeladene Land, das ihm für das Schuljahr 1999/2000 bei entsprechender Kürzung der Dienstbezüge eine Reduzierung der Pflichtstundenzahlen um wöchentlich 4 ermöglicht habe, lehne trotz der weiter bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und einer dringenden ärztlichen Empfehlung eine Verlängerung ab. Er fürchte, auf Dauer seine Dienstfähigkeit zu gefährden, wenn ihm nicht seiner Behinderung entsprechende, angemessene Einsatzmöglichkeiten im Schuldienst geboten würden, wie Rücksichtnahme bei der Stundenplangestaltung, Befreiung von der Pausenaufsicht, verstärkter Einsatz in der Oberstufe und Stundenermäßigungen.
Das zu diesem Antrag angehörte beigeladene Land erklärte, es sei nicht erkennbar, welche Vergünstigungen für den Kläger mit einer Gleichstellung verbunden sein könnten. Sein Arbeitsplatz sei weder aus behinderungsbedingten noch aus sonstigen Gründen gefährdet. Eine übereinstimmende Auffassung vertrat die Schwerbehindertenvertretung für Lehrer und Lehrerinnen am Gymnasium bei der Bezirksregierung D ...
Mit Bescheid vom 13.11.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2001 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag ab, da eine akute behinderungsbedingte Arbeitsplatzgefährdung nicht erkennbar und der Kläger zur Erhaltung seines Arbeitsplatzes nicht auf den Schutz des Schwerbehindertengesetzes -SchwbG- angewiesen sei. Zudem unterliege er als Lebenszeitbeamter einer besonderen Fürsorgepflicht des Dienstherrn, über die hinaus er durch eine Gleichstellung keine Vorteile erlangen könne.
Am 02.07.2001 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Duisburg erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, wenn er nicht die auf Grund seiner Behinderung erforderliche Rücksichtnahme erfahre, die nur bei einer Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten zu verwirklichen sei, werde er auf Dauer keine Vollzeittätigkeit ausüben können. Er erhoffe sich, bei einer Gleichstellung die Rücksichtnahme zu erfahren, auf die er ohne die Gleichstellung keinen Anspruch habe. Insbesondere erhoffe er sich, von Aufsichten befreit zu werden, was zu einer psychischen und physischen Entlastung führe, und schließlich eine für seinen Einkommensstatus ungefährliche Reduzierung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl um 4 zu erhalten. Die sich auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn stützende Annahme, er könne außerhalb der Gleichstellung eine seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen entsprechende Entlastung und Gestaltung seines Arbeitsplatzes reklamieren, sei unrealistisch. Auch unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht könne der Dienstherr schon aus organisatorischen Gründen im Hinblick auf das Gleichheitsgebot, das eine Gleichbehandlung aller Beamten fordere, ohne anerkannte Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten nicht die entsprechende Rücksicht auf seine Belange nehmen. Dadurch sei im Ergebnis sein Arbeitsplatz gefährdet.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.11.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2001 zu verurteilen, ihn einem Schwerbehinderten gleich zu stellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides verwiesen.
Für eine behinderungsbedingte Arbeitsplatzgefährdung bestehe kein Anhaltspunkt. Sowohl der Arbeitgeber als auch die Schwerbehindertenvertretung hätten dies bestätigt. Der Kläger sei Beamter auf Lebenszeit. Für diese Berufsgruppe sei eine Arbeitsplatzgefährdung allenfalls dann denkbar, wenn der Dienstherr ein Verfahren auf Versetzung in den Ruhestand einleite. Dies sei vorliegend nicht ersichtlich.
Das beigeladene Land hat keinen Antrag gestellt.
Es hat die Auffassung vertreten, dass weiterhin keine Gefährdung des Arbeitsplatzes zu erkennen sei. Es bestehe keinerlei Veranlassung, an der Dienstfähigkeit des Klägers zu zweifeln, so dass auch die Einleitung eines Ruhesetzungsverfahrens nicht beabsichtigt sei. Bei entsprechendem Nachweis von behinderungsbedingter Einschränkung der dienstlichen Leistungsfähigkeit durch ärztliches Attest oder amtsärztliches Gutachten könnten solche Einschränkungen bei der Gestaltung des Dienstplanes im Rahmen der Fürsorgepflicht Berücksichtigung finden. Allerdings könne auch ein schwerbehinderter Beamter nicht ohne Einbuße bei den Bezügen dauerhaft eine Stundenreduzierung erhalten.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 13. November 2001 die Klage abgewiesen.
Zu Recht habe die Beklagte die Gleichstellung des Klägers mit einem Schwerbehinderten abgelehnt.
Die Beurteilung des Rechtsstreits richte sich nach dem seit dem 01.07.2001 geltenden Sozialgesetzbuch -Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen- (SGB IX), das das bis dahin geltende SchwbG abgelöst habe. Nach § 2 Abs. 3 SGB IX sollten behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30 schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie in Folge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten könnten. Eine inhaltliche Änderung zu § 2 Abs. 1 SchwbG ergebe sich durch die Rechtsänderung nicht.
Der Kläger erfülle zwar die persönlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX, denn bei ihm liege ein GdB von 30 vor. Die sachlichen Voraussetzungen für eine Gleichstellung lägen aber nicht vor. Da der Kläger einen Arbeitsplatz inne habe, komme es nur darauf an, ob er in Folge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht behalten könne. Sein Arbeitsplatz sei auch ohne die Gleichstellung hinreichend geschützt. Der Kläger sei Beamter auf Lebenszeit in der höheren Beamtenlaufbahn. Für Beamte scheide eine Gleichstellung aus, denn ihr Arbeitsplatz sei gesichert (Dörner, SchwbG, 96./116. Lieferung, § 2 RdNr 18; Neumann/Pahlen, SchwbG, 8. Auflage, § 2 RdNr 14; SG Duisburg, Urteil vom 26.05.1992, Az.: S 14 (12) Ar 220/91, und Urteil vom 20.04.1993, Az.: S 14 Ar 39/92; offen gelassen LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.11.1995, Az.: L 6 Ar 159/94, SGB 1996, Seite 429, das lediglich für fraglich halte, ob die Gleichstellungsvorschrift des § 2 SchwbG überhaupt auf Lebenszeitbeamte angewendet werden könne, aber eine konkrete Arbeitsplatzbedrohung eines Beamten auf Lebenszeit frühestens dann sehe, wenn der Dienstherr unter Angabe der Gründe und des Ergebnisses eines amtsärztlichen Gutachtens dem Beamten mitteilte, dass er ihn wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhenstand zu versetzen beabsichtige). Dies folge aus der besonderen Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wie sie in § 85 des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen -LBG NRW- niedergelegt sei. Durch eine Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten könne ein Lebenszeitbeamter keinen zusätzlichen Schutz erreichen. Das Gericht teile die Bedenken des Klägers zur Ausübung der Fürsorgepflicht nicht. Das von ihm ausgemalte Szenario bis hin zum Zusammenbruch des Schulsystems sei nicht überzeugend.
Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn sei kein Abstraktum. Sie werde von Menschen für Menschen ausgeübt. Dienstherr in diesem Sinne sei nicht abstrakt eine Behörde fern des Arbeitsplatzes des Klägers, als Dienstherr fungierten vielmehr alle Mitarbeiter, die für den tatsächlichen Einsatz des Klägers als Lehrer verantwortlich seien. In diesem Sinne komme der Schulleitung eine besondere Bedeutung zu. Bei entsprechendem Nachweis behinderungsbedingter Einschränkungen der dienstlichen Leistungsfähigkeit seien diese Einschränkungen im Rahmen der Fürsorgepflicht zu berücksichtigen. Bei Nichtbeachtung seiner Belange könne der Kläger im Rahmen der dafür vorgesehenen rechtlichen Möglichkeiten auf die Durchsetzung der Fürsorgepflicht drängen. Dies habe nicht in einem Verfahren auf Gleichstellung als Schwerbehinderter zu geschehen, sondern notfalls durch Beschreiten des Rechtsweges zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 26.11.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.12.2001 Berufung eingelegt. Er trägt ergänzend vor, es bestehe das Risiko, dass das ...Gymnasium in naher Zukunft geschlossen werde und damit sein Arbeitsplatz wegfalle. Da er Mangelfächer unterrichte, sei die Gefahr einer jederzeitigen Versetzung an eine andere Schule - innerhalb Essens - besonders groß. Der von der Beklagten vertretenen Auffassung, dass Beamte grundsätzlich nicht dem Schutzbereich des SGB IX unterfielen, stehe entgegen, dass in der BASS die Personen, die Schwerbehinderten gleichgestellt sind, ausdrückliche Erwähnung fänden. Die Regelungen in der Bereinigten Amtlichen Sammlung der Schulvorschriften des Landes NRW -BASS 2001/2002- bezögen sich auf die behindertengerechte Ausgestaltung des Dienstverhältnisses, die über die Fürsorgepflicht des Dienstherrn allein nicht sicher gestellt werden könne. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass seine Erkrankung bei zu erwartendem progredientem Verlauf dazu führen könne, dass zu einem späteren Zeitpunkt in seine Belange eingegriffen werden könne, wenn er aus gesundheitlichen Gründen nur noch Teilzeittätigkeiten ausüben könne oder Dienstunfähigkeit eintrete.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13. November 2001 zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Eine behinderungsbedingte Arbeitsplatzgefährdung bestehe auch dann nicht, wenn die Schule, an der der Kläger derzeit tätig sein, geschlossen werde; denn von einer Schulschließung seien sämtliche behinderten und nicht behinderten Lehrkräfte gleichermaßen betroffen. Der Umstand, dass der Kläger Mangelfächer unterrichte, führe zu einer für ihn günstigeren Konkurrenzsituation und benachteilige ihn gerade nicht. Schließlich könne auch nicht der Einwand der zu befürchtenden Gesundheitsverschlechterung zu einer Anerkennung als Gleichgestellter führen. Im Rahmen des § 2 SGB IX gehe es um die Erhaltung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes. Geeignet und damit erhaltenswert sei jedoch nur ein den Behinderungen entsprechender Arbeitsplatz. Bei Verschlechterung seines Gesundheitszustandes müsse dagegen geprüft werden, ob und in welchem zeitlichen Umfang der Kläger überhaupt tätig sein könne.
Das beigeladene Land stellt keinen Antrag. Es weist darauf hin, dass eine behindertenbedingte Herabsetzung der Pflichtunterrichtsstunden im Sinne von § 3 Abs. 3 der Verordnung zur Ausführung des § 5 Schulfinanzgesetzes (VO zu § 5 SchFG) in der Fassung vom 22.05.1997 nur bei Vorliegen einer Schwerbehinderung, nicht bei einer Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten in Betracht komme. Die Schulleitung berücksichtige im Übrigen, dass den Kläger eine möglichst geringe Belastung durch Korrekturen treffe.
Mit Schreiben vom 28.10.2001 hat der Kläger bei dem beigeladenen Land einen Antrag auf Feststellung seiner Dienstunfähigkeit und auf Versetzung in den Ruhestand gestellt. Nach amtsärztlichen Untersuchungen am 20.12.2001 und 22.01.2002 hat das beigeladene Land den Antrag mit Bescheid vom 13.02.2002 abgelehnt, weil ärztlicherseits volle Dienstfähigkeit festgestellt worden sei. Über den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers ist noch nicht entschieden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 13.11.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2001 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX. Zur Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG- auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug, denen er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage anschließt. Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Entscheidung. Voraussetzung für eine Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten ist, dass der Kläger in Folge der Behinderung ohne die Gleichstellung weder einen Arbeitsplatz erlangen noch den vorhandenen behalten könnte. Die Regelung bezweckt den Schutz des Behinderten vor einer für ihn ungünstigen Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt Großmann/Schimanski, GK-SchwbG, 2. Auflage, 2000, § 2 RdNrn. 8 ff. m.w.N.). Eine solche tritt ein, wenn der inne gehabte Arbeitsplatz verloren zu gehen droht oder der Behinderte nicht über einen Arbeitsplatz verfügt, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ausweichen muss und dort in Konkurrenz treten muss mit gesunden Arbeitnehmern. Beamte auf Lebenszeit sind einer solchen Konkurrenzsituation grundsätzlich nicht ausgesetzt. In Ausnahmefällen kann allerdings auch der Arbeitsplatz von Beamten auf Lebenszeit gefährdet sein: wenn die Behörde aufgelöst wird (Cramer, a.a.O., § 2 RdNr.5) oder der Dienstherr ein Verfahren auf Zur-Ruhe-Setzung wegen Dienstunfähigkeit einleitet. Solche Ausnahmefällen liegen nicht vor. Ob das ...-Gymnasium zu Beginn des nächsten Schuljahres aufgelöst wird, hängt unter anderem von der Zahl der neu angemeldeten Schülerinnen und Schüler ab, die derzeit nicht voraussehbar ist. Die konkrete Gefahr einer Versetzung an eine andere Schule aus anderen Gründen (Mangelfächer) ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ein Verfahren auf Versetzung in den Ruhestand hat nicht die Beigeladene, sondern der Kläger eingeleitet; zudem liegt bei dem Kläger nach dem Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung uneingeschränkte Dienstfähigkeit vor. Im Übrigen hat die Beigeladene glaubhaft versichert - und in der Vergangenheit durch entsprechende Maßnahmen bewiesen -, dass sie dem Kläger bestimmte Vergünstigungen, wie verstärkten Einsatz in der Oberstufe, Befreiung von Pausenaufsichten, gewährt. Es ist Sache des Klägers, geeignete und erforderliche Maßnahmen im Rahmen der Fürsorgepflicht von der Beigeladenen einzufordern und gegebenenfalls auf dem Verwaltungsgerichtsweg durchzusetzen. Des Schutzes des § 2 Abs. 3 SGB IX bedarf der Kläger dazu nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, hat nicht bestanden.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten.
Der 1947 geborene Kläger, Lehrer für Mathematik, Physik und Informatik am ...Gymnasium in ..., steht seit 1972 im Schuldienst, seit 1979 ist er Beamter auf Lebenszeit. Der bei ihm von der Versorgungsverwaltung festgestellte Grad der Behinderung -GdB- liegt bei 30 wegen der folgenden Gesundheitsstörungen: Funktionsstörungen der Wirbelsäule, Gicht, chronische Schleimbeutelentzündung am rechten Kniegelenk bei Zustand nach Operation.
Am 20.09.2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten. Zur Begründung trug er vor, das beigeladene Land, das ihm für das Schuljahr 1999/2000 bei entsprechender Kürzung der Dienstbezüge eine Reduzierung der Pflichtstundenzahlen um wöchentlich 4 ermöglicht habe, lehne trotz der weiter bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und einer dringenden ärztlichen Empfehlung eine Verlängerung ab. Er fürchte, auf Dauer seine Dienstfähigkeit zu gefährden, wenn ihm nicht seiner Behinderung entsprechende, angemessene Einsatzmöglichkeiten im Schuldienst geboten würden, wie Rücksichtnahme bei der Stundenplangestaltung, Befreiung von der Pausenaufsicht, verstärkter Einsatz in der Oberstufe und Stundenermäßigungen.
Das zu diesem Antrag angehörte beigeladene Land erklärte, es sei nicht erkennbar, welche Vergünstigungen für den Kläger mit einer Gleichstellung verbunden sein könnten. Sein Arbeitsplatz sei weder aus behinderungsbedingten noch aus sonstigen Gründen gefährdet. Eine übereinstimmende Auffassung vertrat die Schwerbehindertenvertretung für Lehrer und Lehrerinnen am Gymnasium bei der Bezirksregierung D ...
Mit Bescheid vom 13.11.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2001 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag ab, da eine akute behinderungsbedingte Arbeitsplatzgefährdung nicht erkennbar und der Kläger zur Erhaltung seines Arbeitsplatzes nicht auf den Schutz des Schwerbehindertengesetzes -SchwbG- angewiesen sei. Zudem unterliege er als Lebenszeitbeamter einer besonderen Fürsorgepflicht des Dienstherrn, über die hinaus er durch eine Gleichstellung keine Vorteile erlangen könne.
Am 02.07.2001 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Duisburg erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, wenn er nicht die auf Grund seiner Behinderung erforderliche Rücksichtnahme erfahre, die nur bei einer Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten zu verwirklichen sei, werde er auf Dauer keine Vollzeittätigkeit ausüben können. Er erhoffe sich, bei einer Gleichstellung die Rücksichtnahme zu erfahren, auf die er ohne die Gleichstellung keinen Anspruch habe. Insbesondere erhoffe er sich, von Aufsichten befreit zu werden, was zu einer psychischen und physischen Entlastung führe, und schließlich eine für seinen Einkommensstatus ungefährliche Reduzierung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl um 4 zu erhalten. Die sich auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn stützende Annahme, er könne außerhalb der Gleichstellung eine seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen entsprechende Entlastung und Gestaltung seines Arbeitsplatzes reklamieren, sei unrealistisch. Auch unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht könne der Dienstherr schon aus organisatorischen Gründen im Hinblick auf das Gleichheitsgebot, das eine Gleichbehandlung aller Beamten fordere, ohne anerkannte Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten nicht die entsprechende Rücksicht auf seine Belange nehmen. Dadurch sei im Ergebnis sein Arbeitsplatz gefährdet.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.11.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2001 zu verurteilen, ihn einem Schwerbehinderten gleich zu stellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides verwiesen.
Für eine behinderungsbedingte Arbeitsplatzgefährdung bestehe kein Anhaltspunkt. Sowohl der Arbeitgeber als auch die Schwerbehindertenvertretung hätten dies bestätigt. Der Kläger sei Beamter auf Lebenszeit. Für diese Berufsgruppe sei eine Arbeitsplatzgefährdung allenfalls dann denkbar, wenn der Dienstherr ein Verfahren auf Versetzung in den Ruhestand einleite. Dies sei vorliegend nicht ersichtlich.
Das beigeladene Land hat keinen Antrag gestellt.
Es hat die Auffassung vertreten, dass weiterhin keine Gefährdung des Arbeitsplatzes zu erkennen sei. Es bestehe keinerlei Veranlassung, an der Dienstfähigkeit des Klägers zu zweifeln, so dass auch die Einleitung eines Ruhesetzungsverfahrens nicht beabsichtigt sei. Bei entsprechendem Nachweis von behinderungsbedingter Einschränkung der dienstlichen Leistungsfähigkeit durch ärztliches Attest oder amtsärztliches Gutachten könnten solche Einschränkungen bei der Gestaltung des Dienstplanes im Rahmen der Fürsorgepflicht Berücksichtigung finden. Allerdings könne auch ein schwerbehinderter Beamter nicht ohne Einbuße bei den Bezügen dauerhaft eine Stundenreduzierung erhalten.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 13. November 2001 die Klage abgewiesen.
Zu Recht habe die Beklagte die Gleichstellung des Klägers mit einem Schwerbehinderten abgelehnt.
Die Beurteilung des Rechtsstreits richte sich nach dem seit dem 01.07.2001 geltenden Sozialgesetzbuch -Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen- (SGB IX), das das bis dahin geltende SchwbG abgelöst habe. Nach § 2 Abs. 3 SGB IX sollten behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30 schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie in Folge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten könnten. Eine inhaltliche Änderung zu § 2 Abs. 1 SchwbG ergebe sich durch die Rechtsänderung nicht.
Der Kläger erfülle zwar die persönlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX, denn bei ihm liege ein GdB von 30 vor. Die sachlichen Voraussetzungen für eine Gleichstellung lägen aber nicht vor. Da der Kläger einen Arbeitsplatz inne habe, komme es nur darauf an, ob er in Folge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht behalten könne. Sein Arbeitsplatz sei auch ohne die Gleichstellung hinreichend geschützt. Der Kläger sei Beamter auf Lebenszeit in der höheren Beamtenlaufbahn. Für Beamte scheide eine Gleichstellung aus, denn ihr Arbeitsplatz sei gesichert (Dörner, SchwbG, 96./116. Lieferung, § 2 RdNr 18; Neumann/Pahlen, SchwbG, 8. Auflage, § 2 RdNr 14; SG Duisburg, Urteil vom 26.05.1992, Az.: S 14 (12) Ar 220/91, und Urteil vom 20.04.1993, Az.: S 14 Ar 39/92; offen gelassen LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.11.1995, Az.: L 6 Ar 159/94, SGB 1996, Seite 429, das lediglich für fraglich halte, ob die Gleichstellungsvorschrift des § 2 SchwbG überhaupt auf Lebenszeitbeamte angewendet werden könne, aber eine konkrete Arbeitsplatzbedrohung eines Beamten auf Lebenszeit frühestens dann sehe, wenn der Dienstherr unter Angabe der Gründe und des Ergebnisses eines amtsärztlichen Gutachtens dem Beamten mitteilte, dass er ihn wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhenstand zu versetzen beabsichtige). Dies folge aus der besonderen Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wie sie in § 85 des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen -LBG NRW- niedergelegt sei. Durch eine Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten könne ein Lebenszeitbeamter keinen zusätzlichen Schutz erreichen. Das Gericht teile die Bedenken des Klägers zur Ausübung der Fürsorgepflicht nicht. Das von ihm ausgemalte Szenario bis hin zum Zusammenbruch des Schulsystems sei nicht überzeugend.
Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn sei kein Abstraktum. Sie werde von Menschen für Menschen ausgeübt. Dienstherr in diesem Sinne sei nicht abstrakt eine Behörde fern des Arbeitsplatzes des Klägers, als Dienstherr fungierten vielmehr alle Mitarbeiter, die für den tatsächlichen Einsatz des Klägers als Lehrer verantwortlich seien. In diesem Sinne komme der Schulleitung eine besondere Bedeutung zu. Bei entsprechendem Nachweis behinderungsbedingter Einschränkungen der dienstlichen Leistungsfähigkeit seien diese Einschränkungen im Rahmen der Fürsorgepflicht zu berücksichtigen. Bei Nichtbeachtung seiner Belange könne der Kläger im Rahmen der dafür vorgesehenen rechtlichen Möglichkeiten auf die Durchsetzung der Fürsorgepflicht drängen. Dies habe nicht in einem Verfahren auf Gleichstellung als Schwerbehinderter zu geschehen, sondern notfalls durch Beschreiten des Rechtsweges zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 26.11.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.12.2001 Berufung eingelegt. Er trägt ergänzend vor, es bestehe das Risiko, dass das ...Gymnasium in naher Zukunft geschlossen werde und damit sein Arbeitsplatz wegfalle. Da er Mangelfächer unterrichte, sei die Gefahr einer jederzeitigen Versetzung an eine andere Schule - innerhalb Essens - besonders groß. Der von der Beklagten vertretenen Auffassung, dass Beamte grundsätzlich nicht dem Schutzbereich des SGB IX unterfielen, stehe entgegen, dass in der BASS die Personen, die Schwerbehinderten gleichgestellt sind, ausdrückliche Erwähnung fänden. Die Regelungen in der Bereinigten Amtlichen Sammlung der Schulvorschriften des Landes NRW -BASS 2001/2002- bezögen sich auf die behindertengerechte Ausgestaltung des Dienstverhältnisses, die über die Fürsorgepflicht des Dienstherrn allein nicht sicher gestellt werden könne. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass seine Erkrankung bei zu erwartendem progredientem Verlauf dazu führen könne, dass zu einem späteren Zeitpunkt in seine Belange eingegriffen werden könne, wenn er aus gesundheitlichen Gründen nur noch Teilzeittätigkeiten ausüben könne oder Dienstunfähigkeit eintrete.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13. November 2001 zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Eine behinderungsbedingte Arbeitsplatzgefährdung bestehe auch dann nicht, wenn die Schule, an der der Kläger derzeit tätig sein, geschlossen werde; denn von einer Schulschließung seien sämtliche behinderten und nicht behinderten Lehrkräfte gleichermaßen betroffen. Der Umstand, dass der Kläger Mangelfächer unterrichte, führe zu einer für ihn günstigeren Konkurrenzsituation und benachteilige ihn gerade nicht. Schließlich könne auch nicht der Einwand der zu befürchtenden Gesundheitsverschlechterung zu einer Anerkennung als Gleichgestellter führen. Im Rahmen des § 2 SGB IX gehe es um die Erhaltung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes. Geeignet und damit erhaltenswert sei jedoch nur ein den Behinderungen entsprechender Arbeitsplatz. Bei Verschlechterung seines Gesundheitszustandes müsse dagegen geprüft werden, ob und in welchem zeitlichen Umfang der Kläger überhaupt tätig sein könne.
Das beigeladene Land stellt keinen Antrag. Es weist darauf hin, dass eine behindertenbedingte Herabsetzung der Pflichtunterrichtsstunden im Sinne von § 3 Abs. 3 der Verordnung zur Ausführung des § 5 Schulfinanzgesetzes (VO zu § 5 SchFG) in der Fassung vom 22.05.1997 nur bei Vorliegen einer Schwerbehinderung, nicht bei einer Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten in Betracht komme. Die Schulleitung berücksichtige im Übrigen, dass den Kläger eine möglichst geringe Belastung durch Korrekturen treffe.
Mit Schreiben vom 28.10.2001 hat der Kläger bei dem beigeladenen Land einen Antrag auf Feststellung seiner Dienstunfähigkeit und auf Versetzung in den Ruhestand gestellt. Nach amtsärztlichen Untersuchungen am 20.12.2001 und 22.01.2002 hat das beigeladene Land den Antrag mit Bescheid vom 13.02.2002 abgelehnt, weil ärztlicherseits volle Dienstfähigkeit festgestellt worden sei. Über den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers ist noch nicht entschieden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 13.11.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2001 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX. Zur Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG- auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug, denen er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage anschließt. Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Entscheidung. Voraussetzung für eine Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten ist, dass der Kläger in Folge der Behinderung ohne die Gleichstellung weder einen Arbeitsplatz erlangen noch den vorhandenen behalten könnte. Die Regelung bezweckt den Schutz des Behinderten vor einer für ihn ungünstigen Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt Großmann/Schimanski, GK-SchwbG, 2. Auflage, 2000, § 2 RdNrn. 8 ff. m.w.N.). Eine solche tritt ein, wenn der inne gehabte Arbeitsplatz verloren zu gehen droht oder der Behinderte nicht über einen Arbeitsplatz verfügt, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ausweichen muss und dort in Konkurrenz treten muss mit gesunden Arbeitnehmern. Beamte auf Lebenszeit sind einer solchen Konkurrenzsituation grundsätzlich nicht ausgesetzt. In Ausnahmefällen kann allerdings auch der Arbeitsplatz von Beamten auf Lebenszeit gefährdet sein: wenn die Behörde aufgelöst wird (Cramer, a.a.O., § 2 RdNr.5) oder der Dienstherr ein Verfahren auf Zur-Ruhe-Setzung wegen Dienstunfähigkeit einleitet. Solche Ausnahmefällen liegen nicht vor. Ob das ...-Gymnasium zu Beginn des nächsten Schuljahres aufgelöst wird, hängt unter anderem von der Zahl der neu angemeldeten Schülerinnen und Schüler ab, die derzeit nicht voraussehbar ist. Die konkrete Gefahr einer Versetzung an eine andere Schule aus anderen Gründen (Mangelfächer) ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ein Verfahren auf Versetzung in den Ruhestand hat nicht die Beigeladene, sondern der Kläger eingeleitet; zudem liegt bei dem Kläger nach dem Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung uneingeschränkte Dienstfähigkeit vor. Im Übrigen hat die Beigeladene glaubhaft versichert - und in der Vergangenheit durch entsprechende Maßnahmen bewiesen -, dass sie dem Kläger bestimmte Vergünstigungen, wie verstärkten Einsatz in der Oberstufe, Befreiung von Pausenaufsichten, gewährt. Es ist Sache des Klägers, geeignete und erforderliche Maßnahmen im Rahmen der Fürsorgepflicht von der Beigeladenen einzufordern und gegebenenfalls auf dem Verwaltungsgerichtsweg durchzusetzen. Des Schutzes des § 2 Abs. 3 SGB IX bedarf der Kläger dazu nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, hat nicht bestanden.
Rechtskraft
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