L 12 (13) AL 14/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 15 Ar 84/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 (13) AL 14/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 10. Januar 1997 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Höhe des Bemessungsentgeltes, welches die Beklagte ihren Leistungen zugrundezulegen hat.

Der am ... geborene Kläger war früher jugoslawischer Staatsangehöriger, jetzt ist er Mazedonier. Zuletzt hatte er bis zum 30.10.1989 als Eisenflechter versicherungspflichtig gearbeitet. Danach hat er abwechselnd Arbeitslosenhilfe (Alhi) von der Beklagten und Krankengeld von der AOK Hamm bezogen. Vom 10.10.1991 bis zum 06.06.1992 durchlief er eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit Unterhaltsgeldbezug, welcher sich nach einem Bemessungsentgelt (BE) von 1.250,-- DM richtete. Danach bezog der Kläger folgende Leistungen:

08.06.1992 bis 31.10.1992 Alhi, BE 1.250,-- DM

02.11.1992 bis 24.01.1993 Krankengeld AOK

25.01.1993 bis 07.10.1993 Alhi, BE 1.330,-- DM

08.10.1993 bis 14.12.1993 Krankengeld AOK

15.12.1993 bis 30.12.1993 krank ohne Leistungsbezug

31.12.1993 bis 02.06.1994 Alhi, BE 1.400,-- DM

Im Mai 1994 bemerkte die Beklagte, daß dem Kläger aufgrund des vorhergehenden Krankengeldbezuges Arbeitslosengeld statt Arbeitslosenhilfe zugestanden hätte. Sie veranlaßte eine Überprüfung des Leistungsfalles und kam zu dem Ergebnis, daß dem Kläger ab dem 31.12.1993 Arbeitslosengeld zu gewähren sei, das BE aber nach § 112 Abs. 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) fiktiv festzusetzen sei, weil der Kläger sein früheres Arbeitsentgelt nicht mehr erzielen könne. Die Beklagte ging nunmehr wie folgt vor:

Sie stellte ab dem 03.06.1994 die Zahlung von Arbeitslosenhilfe zunächst formlos ein. Mit Bescheid vom 20.06.1994 hob sie die Bewilligung von Alhi ab dem 03.06.1994 auf. Bereits zuvor hatte sie mit Bescheid vom 17.06.1994 die Bewilligung von Alhi ab dem 31.12.1993 wegen des bestehenden Anspruchs auf Arbeitslosengeld ab dem 31.12.1993 aufgehoben. Mit Bescheid vom 23.06.1994 bewilligte sie Arbeitslosengeld für 156 Leistungstage ab dem 31.12.1993 nach einem BE von 820,-- DM/Woche bis zum 02.06.1994. Bis zum 02.06.1994 beließ es die Beklagte bei der gewährten Arbeitslosenhilfeleistungshöhe. Für die Zeit ab dem 04.06.1994 bewilligte sie mit Bescheid vom 19.07.1994 Arbeitslosengeld ebenfalls nach einem BE von 820,-- DM. Diese Zahlung endete am 01.07.1994 wegen Erschöpfung des Anspruchs. Einen Antrag auf Anschlußarbeitslosenhilfe stellte der Kläger zunächst nicht. Er bezog vom 02.07.1994 bis zum 31.12.1994 Krankengeld von der Krankenkasse. Vom 02.01.1995 an wurde ihm Alhi nach einem BE von 840,-- DM zuerkannt.

Gegen den Bescheid vom 23.06.1994 - Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 31.12.1993 - legte der Kläger am 28.06.1994 Wider spruch ein. Er führte aus, der Widerspruch richte sich allein gegen die neu festgesetzte Höhe des wöchentlichen BE. Er sei Eisenflechter und habe in der Vergangenheit die Position des Vorarbeiters und Werkpoliers ausgeübt. Ein Vermittlungsangebot sei ihm vom Arbeitsamt nicht vorgelegt worden. Die Herabstufung sei nicht gerechtfertigt. Die Beklagte ging davon aus, daß von diesem Widerspruch auch der Bescheid vom 19.07.1994 - Bewilligung und tatsächliche Auszahlung von Arbeitslosengeld ab dem 04.06.1994 - erfaßt werde.

Die Beklagte hatte bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 31.12.1993 die Auffassung vertreten, daß wegen des mehr als drei Jahre zurückliegenden Bemessungszeitraumes das maßgebliche BE fiktiv nach § 112 Abs. 7 AFG festzusetzen sei. In einer Stellungnahme hierzu wurde von dem Arbeitsvermittler O ... dargelegt, der Kläger komme für eine Tätigkeit als Eisenflechter in Betracht mit einer Einstufung in die Lohngruppe IV des Manteltarifvertrages für das Baugewerbe, Stand 01.04.1993, mit einem Stundenlohn von 21,13 DM bei einer 39 Stunden umfassenden wöchentlichen Arbeitszeit. Für eine Vermittlung in eine Poliertätigkeit komme der Kläger nicht in Betracht, da er innerhalb der letzten 13 Jahre nur ca. 20 Monate als Eisenflechter gearbeitet habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.1994 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zu rück. Sie führte aus, der Kläger habe ab dem 31.12.1993 Anspruch auf Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von 820,-- DM. Das BE sei gemäß § 112 Abs. 7 AFG fiktiv festzusetzen gewesen. Ein höheres Arbeitsentgelt könne der Kläger nicht mehr erzielen.

Hiergegen hat der Kläger am 01.12.1994 Klage vor dem Sozialgericht in Münster erhoben. Im Klageverfahren war der Kläger, wie bereits im Vorverfahren, durch Rechtssekretäre des DGB vertreten. Zur Begründung seiner Klage hat er vorgetragen, er habe in seiner Heimat Mazedonien vier Jahre das Bauschulzentrum besucht und den Abschluß eines Bautechnikers erlangt. In seiner Heimat sei der zweijährige Besuch des Bauschulzentrums ausreichend, um für Vorarbeiter- und Poliertätigkeiten qualifiziert zu sein. Er habe von 1969 bis Juni 1970 als Eisenflechter gearbeitet und danach bis 1975 Vorarbeitertätigkeiten ausgeübt. Die Herabstufung beim BE sei in keiner Weise gerechtfertigt. In der Klageschrift hatte der Kläger noch begehrt, die Beklagte zu verurteilen, bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes von einem höheren Tariflohn auszugehen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dann beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 23.06.1994 und vom 19.07.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.10.1994 sowie der Folgebescheide hinsichtlich der Höhe des zugrundegelegten Bemessungsentgelts zu verurteilen, ihm über dem 02.06.1994 Arbeitslosenhilfe nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.400,-- DM einschließlich weiterer Dynamisierungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger sei ab dem 31.12.1993 zu Recht Arbeitslosengeld zuerkannt worden. Ein höheres wöchentliches BE komme jedoch nicht in Betracht. Insoweit hat sie Bezug genommen auf ihre im Verwaltungsverfahren vertretene Rechtsauffassung.

Das Sozialgericht hat zu den Kriterien für die fiktive Einstufung des Klägers den Arbeitsvermittler O. als Zeugen gehört und sodann mit Urteil vom 10.01.1996 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld zu Recht nur ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 820,-- DM zugrundegelegt. Der Kläger habe zuletzt bis zum 30.10.1989 in einem Beschäftigungsverhältnis als Eisenflechter gestanden. Da seither mehr als drei Jahre vergangen seien, komme die Regelung des § 112 Abs. 7 AFG zur Anwendung, die die Beklagte auch zutreffend angewendet habe. Die Einstufung des Klägers als Eisenflechter in die Lohngruppe IV des Manteltarifvertrages des Baugewerbes, Stand 01.04.1993, mit einem Stundenlohn von 21,13 DM sei zutreffend. Das Sozialgericht hat sich hierbei maßgeblich von der Aussage des Zeugen O. leiten lassen. Eine Einstufung in eine bessere Tarifgruppe lasse sich nicht rechtfertigen, da der Kläger hierfür nur zu kurze Tätigkeiten als Eisenflechter vorweisen könne und über keine weitere berufliche Qualifikation verfüge.

Gegen dieses ihm am 31.01.1997 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.02.1997 eingegangene Berufung des Klägers. Die Berufungsschrift ist von der Landesrechtsstelle des DGB verfaßt worden. Der Kläger wendet sich gegen die Höhe der Arbeitslosenhilfe. Er vertritt die Auffassung, daß ihm Arbeitslosenhilfe über den 02.06.1994 hinaus nach einem wöchentlichen BE von 1.400,-- DM zu gewähren sei. Unter Berücksichtigung seiner beruflichen Entwicklung und seiner Ausbildung sei er als Facharbeiter zu beurteilen. Er meint, daß er zumindest in die Lohngruppe III des Bautarifvertrages einzustufen sei, bei korrekter Berücksichtigung seines beruflichen Werdeganges müsse er jedoch als Vorarbeiter oder Polier eingestuft werden. Hiernach müsse sich sein wöchentliches BE richten. Als Hilfspolier komme bereits die Lohngruppe I des Bautarifvertrages in Betracht. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, daß er früher oft im Akkord gearbeitet habe. Bei Arbeitslosen, die als Akkordarbeiter in Betracht kommen, könne jedoch die Höhe des tariflichen Arbeitsentgeltes nicht dem Tarifvertrag, sondern nur der Tarifwirklichkeit entnommen werden. Demnach sei der Akkordlohn zugrundezulegen, den tariflich entlohnte Akkordarbeiter der gleichen Lohngruppe in der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit auf dem örtlichen Arbeitsmarkt durchschnittlich zu erzielen pflegten. Dieser Gesichtspunkt sei bisher völlig außer acht gelassen worden.

Zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen. Der Senat hat den Kläger in einem vorbereitenden Schriftsatz dar auf hingewiesen, daß er den gestellten Klageantrag nicht für sachdienlich hält und beabsichtige, gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) darauf hinzuwirken, daß es sinnvoll sei zu beantragen, bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes ab dem 31.12.1993 ein höheres BE zugrundezulegen. Hierauf hat der Kläger nicht reagiert.

Schriftsätzlich hat der rechtskundig vertretene Kläger wörtlich beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 10.01.1997 abzuändern und entsprechend dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die erstmals im Berufungsverfahren verlangte Einbeziehung von Akkordsätzen in die fiktive Bemessung des Arbeitsentgeltes sei nicht möglich, da der Kläger niemals nach Akkord bezahlt worden sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten (4 Bände) Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte auch in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden. Der Kläger ist auf diese aus § 126 SGG folgende Möglichkeit in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung hin gewiesen worden. Die Mitteilung von Frau S. vom 23.07.1999 hinderte den Senat nicht, die mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Berufung ist zulässig. Zwar geht es nach dem Klageantrag nur um Alhi ab dem 03.06.1994. Ab dem 02.07.1994 hat der Kläger Krankengeld von einem anderen Leistungsträger bezogen. Da der Kläger in der Zeit vom 03.06.1994 bis 01.07.1994 tatsächlich Arbeitslosengeld bezogen hat, kann es nur um die Differenz zur früheren Höhe von Alhi gehen. Dies sind 499,50 DM. Der Senat nimmt Bezug auf den Hinweis des Berichterstatters vom 19.07.1999. Damit wäre die Berufungssumme von 1.000,-- DM des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht. Da jedoch das Sozialgericht sämtliche Folgebescheide - also wohl die Neubewilligungen nach dem Krankengeldbezug im Jahr 1995 -, wenn auch fälschlich in das Klageverfahren nach § 96 SGG einbezogen hat, wird sowohl die Berufungssumme als auch der Jahreszeitraum nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG überschritten.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger wird durch die von ihm angefochtenen Bescheide vom 23.06.1994 und 19.07.1994 in der Fassung des (gemeinsamen) Widerspruchsbescheides vom 31.10.1994 nicht beschwert. Dies folgt schon allein daraus, daß die genannten Bescheide die Bewilligung von Arbeitslosengeld betreffen. Wenn der Kläger über den 02.06.1994 hinaus Alhi nach der früheren Höhe hätte beziehen wollen, hätte er die Aufhebungsbescheide betreffend Alhi vom 17.06.1994 und 20.06.1994 anfechten müssen. Dies hat er - rechtskundig vertreten - nicht getan. Damit steht fest, daß die Bewilligung von Alhi rückwirkend vom 31.12.1993 und nochmals ab dem 03.06.1994 bestandskräftig aufgehoben worden ist. Damit steht dem Antrag, ihm ab 03.06.1994 weiterhin Alhi zu gewähren, gleich in welcher Höhe, schon die bestandskräftige Aufhebung der Bewilligung von Alhi entgegen.

Der Senat hat versucht, den Kläger zur Stellung eines sachgerechten Antrages zu bewegen. Er ist hierauf mit gerichtlicher Verfügung vom 19.07.1999 hingewiesen worden. Der Kläger hat aber hie rauf nicht reagiert. Der Senat kann nicht von einem durch einen rechtskundigen Vertreter formulierten Antrag ohne Zustimmung des Klägers abweichen. Sachgerecht wäre der Antrag gewesen, die Be klagte zu verurteilen, dem Arbeitslosengeld des Klägers ab dem 31.12.1993 ein höheres BE zugrundezulegen. Dies hätte im Erfolgs fall dazu geführt, daß dem Kläger für die Zeit vom 31.12.1993 bis zum 01.07.1994 noch ein Differenzbetrag auszuzahlen gewesen wäre. Der Senat weist den Kläger jedoch zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreites darauf hin, daß er die Ausführungen des Sozialgerichts zur Höhe des BE ab dem 31.12.1993 für zutreffend hält. Be zogen auf die Höhe des BE werden die Ausführungen des Sozialgerichtes geteilt, so daß hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird. Die Berufung hätte somit selbst dann keinen Erfolg haben können, wenn sie nicht schon aus den eingangs erwähnten formalen Gründen zurückzuweisen gewesen wäre.

Abschließend weist der Senat darauf hin, daß die Klage gegen die "Folgebescheide", so der Klageantrag, als unzulässig abzuweisen war. Streitgegenstand ist bei großzügigster Auslegung des Klagebegehrens die Zeit vom 31.12.1993 bis zum 01.07.1994. Ab dem 02.07.1994 hat der Kläger Krankengeld bezogen. Eine sich danach anschließende Bewilligung von Arbeitslosengeld oder Alhi im Jahre 1995 oder später kann einen vorherigen Bescheid über diese Leistungen weder ersetzen noch abändern im Sinne von § 96 SGG. Allein der Umstand, daß möglicherweise gleiche Berechnungsfaktoren heran gezogen werden, kann die Anwendung des § 96 SGG nicht begründen. Der Senat vertritt die Auffassung, daß nur - hinsichtlich der betroffenen Zeiträume - nahtlos aneinanderfolgende Bescheide des selben Leistungsträgers die Wirkung des § 96 SGG auslösen können. Wird der Leistungsbezug dagegen unterbrochen, sei es durch Krankengeldbezuges eines anderen Sozialleistungsträgers, sei es durch Arbeitsaufnahme, sei es durch Wegfall der Verfügbarkeit aus anderen Gründen, so wird ein für die Zeit danach ergehender Bescheid der Beklagten nicht nach § 96 SGG Gegenstand eines laufenden Verfahrens, dies selbst dann nicht, wenn der Bescheid aus den gleichen Gründen für unzutreffend gehalten wird, wie streitbefangene frühere Bescheide.

Die Berufung konnte somit im Ergebnis keinen Erfolg haben und war demgemäß zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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