Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 12 (9) AL 263/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 224/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 88/00 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 23. September 1999 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob der Kläger für die Zeit des Bezuges von Übergangsgeld Anspruch auf Zuschüsse zu seinen Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung hat.
Der damals arbeitslose Kläger beantragte bei der Beklagten am 25.08.1997 Leistungen zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Bereich Bausanierung. Er erklärte, eine private oder gesetzliche Alters- oder Rentenversicherung zur Zeit nicht abschliessen zu wollen. Mit Bescheid vom 02.10.1997 bewilligte die Beklagte Überbrückungsgeld gemäss § 55a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für die Zeit vom 01.09.1997 bis 28.02.1998 in Höhe von insgesamt 7.909,20 DM. Eine Beteiligung an Versicherungsbeiträgen wurde zunächst abgelehnt, weil diese nicht nachgewiesen seien.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und wies monatliche Aufwendungen für die private Krankenversicherung in Höhe von 458,50 DM und für die Pflegeversicherung in Höhe von 59,50 DM, insgesamt also in Höhe von 518,00 DM im Monat, nach. Eine Versicherung zur Altersversorgung hatte der Kläger nicht abgeschlossen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.1997 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück: Zwar werde zusätzlich zum Überbrückungsgeld ein Zuschuss zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung und Altersversorgung pauschaliert in Höhe eines Drittels des Überbrückungsgeldes gewährt. Dieser Zuschuss werde aber nur zusammen für die Aufwendungen zur Kranken-/Pflegeversicherung und die Altersversorgung geleistet. Fehlten Aufwendungen für die Altersversorgung, könne ein Zuschuss allein für die Kranken- und/oder Pflegeversicherung nicht gezahlt werden. Eine Übernahme einzelner Teilbeträge sei ausgeschlossen.
Hiergegen hat der Kläger am 30.10.1997 Klage beim Sozialgericht Detmold erhoben. Er hat vorgetragen, er könne dem Gesetz nicht entnehmen, dass für die Zuschussgewährung die Abdeckung des gesamten Versicherungsspektrums Voraussetzung sei.
Vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02.10.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.1997 zu verurteilen, ihm zusätzlich zum Überbrückungsgeld Zuschüsse zu seinen Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung, der Höhe nach nach Maßgabe des § 55a Abs. 3 Satz 2 AFG, zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten, ein Zuschuss komme nur dann in Betracht, wenn Aufwendungen für alle drei Zweige der Sozialversicherung nachgewiesen würden. Die Gewährung von einzelnen Zuschüssen zu nachgewiesenen Versicherungen komme nicht in Betracht.
Mit Urteil vom 23.09.1999 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger zusätzlich zu dem Überbrückungsgeld Zuschüsse zu seinen Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung, der Höhe nach nach Maßgabe des § 55a Abs. 3 Satz 2 AFG, zu gewähren. Es hat ausgeführt: Die Ansicht der Beklagten finde im Gesetzeswortlaut des § 55a Abs. 3 AFG keine Grundlage. Das Gesetz spreche von Zuschüssen für die genannten Vorsorgeaufwendungen. Dies zeige, dass die jeweiligen Vorsorgebereiche gesondert mit einem Zuschuss bedacht werden könnten, dass also je ein Zuschuss für jeden der genannten Vorsorgebereiche möglich sei. Hätte der Gesetzgeber einen Zuschuss nur bei einer Gesamtabdeckung der im Gesetz genannten Vorsorgebereiche zulassen wollen, hätte er dies durch eine entsprechende Klarstellung deutlich machen müssen. Es sei auch kein vom Gesetz verfolgter Zweck erkennbar, der eine Auslegung im Sinne der Beklagten fordern würde. Der Höhe nach richte sich der Zuschuss nach § 55a Abs.3 Satz 2 AFG. Auf § 24 der Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten zur Förderung der Arbeitsaufnahme (A FdA) könne nicht zurückgegriffen werden, weil dort nur eine pauschale Regelung für den Fall getroffen werde, dass Aufwendungen zu allen drei Zweigen der Sozialvorsorge nachgewiesen worden seien.
Gegen dieses ihr am 28.10.1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.11.1999 eingegangene Berufung der Beklagten. Sie hält weiterhin an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und trägt vor: Gemäss § 55a Abs. 4 Satz 3 AFG könnten die Zuschüsse nach Absatz 3 des § 55a AFG pauschaliert werden. § 24 der A FdA regele in Absatz 1, dass hier aufgrund des § 55a AFG zusätzlich zum Überbrückungsgeld Zuschüsse zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung und Altersversorgung in Höhe von einem Drittel des Überbrückungsgeldes pauschaliert zu gewähren seien. Unter "pauschal" sei eine Gesamtabfindung zu verstehen. Pauschalieren bedeute, Teilbeträge zusammenzufassen. Die Anspruchskette sei somit in sich schlüssig aufgebaut und könne nicht in Einzelteilen aus dieser Logik herausgenommen werden.
Zur Höhe des Zuschusses weist die Beklagte darauf hin, dass der Zuschuss im Falle des Klägers bei Nachweisen zu allen drei Versorgungsbereichen ein Drittel von 7.909,20 DM, also 2.636,40 DM betragen hätte. Der Kläger selbst habe im streitigen Zeitraum 3.108,-- DM an Versicherungsbeiträgen aufgewendet. Verurteilt worden sei sie aber nach § 55a Abs. 3 Satz 2 AFG zur Zahlung von 3.265,59 DM. Auf die Rechnung im Schriftsatz vom 31.08.2000 wird Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, er begehre keine Zuschüsse, die höher seien als seine tatsächlichen Aufwendungen. Auch sehe er ein, dass bei Abschluss von nur zwei Versicherungsbereichen die Zuschüsse insgesamt geringer sein sollten, als wenn er alle drei Bereiche abgeschlossen hätte. Der Kläger hat nach ausführlicher Diskussion mit dem Senat erklärt, er nehme die Klage zurück, soweit das Sozialgericht Detmold ihm mehr als 1.149,73 DM an Zuschüssen zugesprochen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 23.09.1999 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil nach seiner teilweisen Klagerücknahme zur Höhe der Zuschüsse im übrigen für zutreffend und nimmt hierauf Bezug.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die angefochtenen Bescheide, soweit sie die Ablehnung von Zuschüssen betreffen, den Kläger belasten, weil sie rechtswidrig sind. Der Kläger hat Anspruch auf Zuschüsse zu seiner Kranken- und Pflegeversicherung. Das Fehlen einer Altersvorsorge schließt diesen Anspruch nicht aus.
Gemäss § 55a Abs. 3 S. 1 AFG gewährt die Bundesanstalt für Arbeit Beziehern von Überbrückungsgeld ab Antrag Zuschüsse zu ihren Aufwendungen für eine Versicherung für den Fall der Krankheit und Pflegebedürftigkeit sowie eine Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung (Altersversorgung). Als Zuschüsse werden nach S. 2 dieser Vorschrift die Beträge gewährt, die die Bundesanstalt für den Antragsteller zuletzt für die Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe als Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung entrichtet hat oder in den Fällen des Absatzes 1 a bei der Arbeitslosigkeit hätte entrichten müssen. Die Bundesanstalt kann das Nähere über Voraussetzungen und Verfahren der Gewährung von Überbrückungsgeld durch Anordnung bestimmen. Sie kann bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise das Überbrückungsgeld für eine kürzere Dauer als 26 Wochen bewilligt werden darf, sie kann die Zuschüsse nach Absatz 3 pauschalieren (§ 55a Abs. 4 AFG). In der A FdA ist das Nähere über Art und Umfang der Gewährung von Leistungen geregelt. Gemäss § 24 A FdA sind die Zuschüsse zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung und Altersversorgung in Höhe von einem Drittel des Überbrückungsgeldes pauschaliert zu gewähren.
Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass die Gewährung von Zuschüssen nach dem Gesetzeswortlaut nicht davon abhängig ist, dass Aufwendungen für alle drei Bereiche nachgewiesen werden. Vielmehr ist ein Zuschuss auch für Aufwendungen nur in einzelnen Bereichen zu gewähren, sofern beim Bezieher des Übergangsgeldes Aufwendungen nur für diese einzelnen Bereiche anfallen. Im Gesetzestext wird das Wort "Zuschüsse", also die Pluralform, für die genannten Aufwendungen verwendet. Dies bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, dass die einzelnen Versicherungs- und Vorsorgebereiche jeweils mit einem Zuschuss bedacht werden können, also je ein Zuschuss für jeden der aufgeführten Bereiche möglich ist. Ansonsten hätte der Gesetzgeber das Wort "Zuschuss", also die Singularform, verwenden können und zusätzlich darauf hinweisen müssen, dass ein solcher nur bei einer Gesamtabdeckung der im Gesetz genannten Bereiche zulässig sein soll.
Es ist auch kein vom Gesetz verfolgter Zweck erkennbar, der eine Auslegung im Sinne der Beklagten fordern würde. Die Regelung soll sinnvolle Vorsorgemaßnahmen in der wirtschaftlich zumeist schwierigen Situation einer gerade begonnenen selbständigen Tätigkeit unterstützen. Damit wird neben dem Überbrückungsgeld ein zusätzlicher Anreiz für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gesetzt; ein potentieller Existenzgründer soll nicht allein aus Furcht vor fehlenden Mitteln für die Kranken- und Pflegeversicherung und/oder für die Altersversorgung von der Existenzgründung abgehalten werden. Eine Kranken- und Pflegeversicherung verliert jedoch zum einen nicht ihren Sinn, wenn gleichzeitige Aufwendungen für die Altersversorgung fehlen; denn es handelt sich um zwei Risiko- bzw. Vorsorgebereiche, die miteinander nicht in einem notwendigen Zusammenhang stehen. Zum anderen kann sich das Risiko einer Erkrankung für einen Existenzgründer im allgemeinen häufiger und schneller verwirklichen als das Risiko, alsbald nach Existenzgründung eine Altersversorgung i.S.d. § 55a Abs. 3 Satz 1 AFG in Anspruch nehmen zu müssen. Insofern kann es bei der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit sogar sinnvoll sein, mit der Altersvorsorge zu warten, bis das Einkommen aus der Tätigkeit Aufwendungen hierfür gestattet, sich gleichzeitig aber gegen das näherliegende Krankheitsrisiko zu versichern. Vorsorgeaufwendungen nur dann zu fördern, wenn das gesamte Vorsorgespektrum abgedeckt wird, würde deshalb dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen; potentielle Existenzgründer könnten von der Gründung abgehalten werden, weil das Krankheitsrisiko nicht durch Versicherungszuschüsse abgemildert würde. Der Gesetzzweck legt vielmehr gerade die Auslegung nahe, dass Zuschüsse zu Vorsorgeaufwendungen auch dann zu zahlen sind, wenn diese Aufwendungen nur die Kranken- und Pflegeversicherung betreffen. Den diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts, die der Senat vorstehend wörtlich wiedergegeben hat, ist nichts hinzuzufügen. Der Senat teilt diese Auffassung des Sozialgerichts in allen Einzelheiten.
Ob die Ausführungen des Sozialgerichts zur Höhe der Zuschüsse ebenfalls zu bestätigen gewesen wären, bedarf nach der teilweisen Klagerücknahme keiner Entscheidung mehr. Jedenfalls in Höhe des noch streitigen Betrages von 1.149,73 DM sind Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung zu gewähren. Der Senat hält die Klagebegrenzung für sachgerecht. § 24 A FdA sieht eine pauschalierte Form der Zuschussgewährung vor. Die Begrenzung auf ein Drittel des Überbrückungsgeldes hält sich im Rahmen der Ermächtigung nach § 55a Abs. 4 Satz 3 AFG. Dies schließt entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts nicht aus, dass auch bei einer pauschalierten Bewilligung eine teilweise Bewilligung in Betracht kommen kann, die sich anteilig nach den vorgelegten Nachweisen richtet. Dies ist auch ohne grossen Verwaltungsaufwand möglich, denn unter Zugrundelegung der Möglichkeit pauschaliert vorzugehen, hält es der Senat für sachgerecht, dass die jeweils nachgewiesenen Versicherungs- und Vorsorgeaufwendungen anteilig ausgezahlt werden, und zwar so, daß die jeweiligen Aufwendungen in Anlehnung an die Beitragssätze der gesetzlichen Versicherungen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Auf der Grundlage der Berechnungskriterien, wie sie die Beklagte im Schriftsatz vom 31.08.2000 mitgeteilt hat, und unter zusätzlicher Beachtung eines Rentenversicherungsbeitrags von 20,3 % im Jahr 1997 war dem Kläger ein Zuschuss in Höhe von 43,61 % der pauschalierten Bewilligungssumme von 2.636,40 DM zuzusprechen. Dies ist ein Betrag von 1.149,73 DM. Genau diesen Betrag begehrt aber der Kläger nach seiner teilweisen Klagerücknahme. Die Berufung der Beklagten war nach dieser Erklärung des Klägers in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat der Rechtssache gemäss § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG grundsätzliche Bedeutung zugemessen und die Revision zugelassen. Zwar ist § 55a AFG ab dem 01.01.1998 in geänderter Form in das Dritte Buch des Sozialgesetzbuches aufgenommen worden. Nach Angaben der Beklagten stehen jedoch noch eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle bundesweit zur Entscheidung an, so dass die vorliegende Entscheidung über den Einzelfall hinaus auch weiterhin Bedeutung hat.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob der Kläger für die Zeit des Bezuges von Übergangsgeld Anspruch auf Zuschüsse zu seinen Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung hat.
Der damals arbeitslose Kläger beantragte bei der Beklagten am 25.08.1997 Leistungen zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Bereich Bausanierung. Er erklärte, eine private oder gesetzliche Alters- oder Rentenversicherung zur Zeit nicht abschliessen zu wollen. Mit Bescheid vom 02.10.1997 bewilligte die Beklagte Überbrückungsgeld gemäss § 55a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für die Zeit vom 01.09.1997 bis 28.02.1998 in Höhe von insgesamt 7.909,20 DM. Eine Beteiligung an Versicherungsbeiträgen wurde zunächst abgelehnt, weil diese nicht nachgewiesen seien.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und wies monatliche Aufwendungen für die private Krankenversicherung in Höhe von 458,50 DM und für die Pflegeversicherung in Höhe von 59,50 DM, insgesamt also in Höhe von 518,00 DM im Monat, nach. Eine Versicherung zur Altersversorgung hatte der Kläger nicht abgeschlossen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.1997 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück: Zwar werde zusätzlich zum Überbrückungsgeld ein Zuschuss zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung und Altersversorgung pauschaliert in Höhe eines Drittels des Überbrückungsgeldes gewährt. Dieser Zuschuss werde aber nur zusammen für die Aufwendungen zur Kranken-/Pflegeversicherung und die Altersversorgung geleistet. Fehlten Aufwendungen für die Altersversorgung, könne ein Zuschuss allein für die Kranken- und/oder Pflegeversicherung nicht gezahlt werden. Eine Übernahme einzelner Teilbeträge sei ausgeschlossen.
Hiergegen hat der Kläger am 30.10.1997 Klage beim Sozialgericht Detmold erhoben. Er hat vorgetragen, er könne dem Gesetz nicht entnehmen, dass für die Zuschussgewährung die Abdeckung des gesamten Versicherungsspektrums Voraussetzung sei.
Vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02.10.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.1997 zu verurteilen, ihm zusätzlich zum Überbrückungsgeld Zuschüsse zu seinen Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung, der Höhe nach nach Maßgabe des § 55a Abs. 3 Satz 2 AFG, zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten, ein Zuschuss komme nur dann in Betracht, wenn Aufwendungen für alle drei Zweige der Sozialversicherung nachgewiesen würden. Die Gewährung von einzelnen Zuschüssen zu nachgewiesenen Versicherungen komme nicht in Betracht.
Mit Urteil vom 23.09.1999 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger zusätzlich zu dem Überbrückungsgeld Zuschüsse zu seinen Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung, der Höhe nach nach Maßgabe des § 55a Abs. 3 Satz 2 AFG, zu gewähren. Es hat ausgeführt: Die Ansicht der Beklagten finde im Gesetzeswortlaut des § 55a Abs. 3 AFG keine Grundlage. Das Gesetz spreche von Zuschüssen für die genannten Vorsorgeaufwendungen. Dies zeige, dass die jeweiligen Vorsorgebereiche gesondert mit einem Zuschuss bedacht werden könnten, dass also je ein Zuschuss für jeden der genannten Vorsorgebereiche möglich sei. Hätte der Gesetzgeber einen Zuschuss nur bei einer Gesamtabdeckung der im Gesetz genannten Vorsorgebereiche zulassen wollen, hätte er dies durch eine entsprechende Klarstellung deutlich machen müssen. Es sei auch kein vom Gesetz verfolgter Zweck erkennbar, der eine Auslegung im Sinne der Beklagten fordern würde. Der Höhe nach richte sich der Zuschuss nach § 55a Abs.3 Satz 2 AFG. Auf § 24 der Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten zur Förderung der Arbeitsaufnahme (A FdA) könne nicht zurückgegriffen werden, weil dort nur eine pauschale Regelung für den Fall getroffen werde, dass Aufwendungen zu allen drei Zweigen der Sozialvorsorge nachgewiesen worden seien.
Gegen dieses ihr am 28.10.1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.11.1999 eingegangene Berufung der Beklagten. Sie hält weiterhin an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und trägt vor: Gemäss § 55a Abs. 4 Satz 3 AFG könnten die Zuschüsse nach Absatz 3 des § 55a AFG pauschaliert werden. § 24 der A FdA regele in Absatz 1, dass hier aufgrund des § 55a AFG zusätzlich zum Überbrückungsgeld Zuschüsse zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung und Altersversorgung in Höhe von einem Drittel des Überbrückungsgeldes pauschaliert zu gewähren seien. Unter "pauschal" sei eine Gesamtabfindung zu verstehen. Pauschalieren bedeute, Teilbeträge zusammenzufassen. Die Anspruchskette sei somit in sich schlüssig aufgebaut und könne nicht in Einzelteilen aus dieser Logik herausgenommen werden.
Zur Höhe des Zuschusses weist die Beklagte darauf hin, dass der Zuschuss im Falle des Klägers bei Nachweisen zu allen drei Versorgungsbereichen ein Drittel von 7.909,20 DM, also 2.636,40 DM betragen hätte. Der Kläger selbst habe im streitigen Zeitraum 3.108,-- DM an Versicherungsbeiträgen aufgewendet. Verurteilt worden sei sie aber nach § 55a Abs. 3 Satz 2 AFG zur Zahlung von 3.265,59 DM. Auf die Rechnung im Schriftsatz vom 31.08.2000 wird Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, er begehre keine Zuschüsse, die höher seien als seine tatsächlichen Aufwendungen. Auch sehe er ein, dass bei Abschluss von nur zwei Versicherungsbereichen die Zuschüsse insgesamt geringer sein sollten, als wenn er alle drei Bereiche abgeschlossen hätte. Der Kläger hat nach ausführlicher Diskussion mit dem Senat erklärt, er nehme die Klage zurück, soweit das Sozialgericht Detmold ihm mehr als 1.149,73 DM an Zuschüssen zugesprochen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 23.09.1999 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil nach seiner teilweisen Klagerücknahme zur Höhe der Zuschüsse im übrigen für zutreffend und nimmt hierauf Bezug.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die angefochtenen Bescheide, soweit sie die Ablehnung von Zuschüssen betreffen, den Kläger belasten, weil sie rechtswidrig sind. Der Kläger hat Anspruch auf Zuschüsse zu seiner Kranken- und Pflegeversicherung. Das Fehlen einer Altersvorsorge schließt diesen Anspruch nicht aus.
Gemäss § 55a Abs. 3 S. 1 AFG gewährt die Bundesanstalt für Arbeit Beziehern von Überbrückungsgeld ab Antrag Zuschüsse zu ihren Aufwendungen für eine Versicherung für den Fall der Krankheit und Pflegebedürftigkeit sowie eine Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung (Altersversorgung). Als Zuschüsse werden nach S. 2 dieser Vorschrift die Beträge gewährt, die die Bundesanstalt für den Antragsteller zuletzt für die Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe als Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung entrichtet hat oder in den Fällen des Absatzes 1 a bei der Arbeitslosigkeit hätte entrichten müssen. Die Bundesanstalt kann das Nähere über Voraussetzungen und Verfahren der Gewährung von Überbrückungsgeld durch Anordnung bestimmen. Sie kann bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise das Überbrückungsgeld für eine kürzere Dauer als 26 Wochen bewilligt werden darf, sie kann die Zuschüsse nach Absatz 3 pauschalieren (§ 55a Abs. 4 AFG). In der A FdA ist das Nähere über Art und Umfang der Gewährung von Leistungen geregelt. Gemäss § 24 A FdA sind die Zuschüsse zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung und Altersversorgung in Höhe von einem Drittel des Überbrückungsgeldes pauschaliert zu gewähren.
Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass die Gewährung von Zuschüssen nach dem Gesetzeswortlaut nicht davon abhängig ist, dass Aufwendungen für alle drei Bereiche nachgewiesen werden. Vielmehr ist ein Zuschuss auch für Aufwendungen nur in einzelnen Bereichen zu gewähren, sofern beim Bezieher des Übergangsgeldes Aufwendungen nur für diese einzelnen Bereiche anfallen. Im Gesetzestext wird das Wort "Zuschüsse", also die Pluralform, für die genannten Aufwendungen verwendet. Dies bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, dass die einzelnen Versicherungs- und Vorsorgebereiche jeweils mit einem Zuschuss bedacht werden können, also je ein Zuschuss für jeden der aufgeführten Bereiche möglich ist. Ansonsten hätte der Gesetzgeber das Wort "Zuschuss", also die Singularform, verwenden können und zusätzlich darauf hinweisen müssen, dass ein solcher nur bei einer Gesamtabdeckung der im Gesetz genannten Bereiche zulässig sein soll.
Es ist auch kein vom Gesetz verfolgter Zweck erkennbar, der eine Auslegung im Sinne der Beklagten fordern würde. Die Regelung soll sinnvolle Vorsorgemaßnahmen in der wirtschaftlich zumeist schwierigen Situation einer gerade begonnenen selbständigen Tätigkeit unterstützen. Damit wird neben dem Überbrückungsgeld ein zusätzlicher Anreiz für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gesetzt; ein potentieller Existenzgründer soll nicht allein aus Furcht vor fehlenden Mitteln für die Kranken- und Pflegeversicherung und/oder für die Altersversorgung von der Existenzgründung abgehalten werden. Eine Kranken- und Pflegeversicherung verliert jedoch zum einen nicht ihren Sinn, wenn gleichzeitige Aufwendungen für die Altersversorgung fehlen; denn es handelt sich um zwei Risiko- bzw. Vorsorgebereiche, die miteinander nicht in einem notwendigen Zusammenhang stehen. Zum anderen kann sich das Risiko einer Erkrankung für einen Existenzgründer im allgemeinen häufiger und schneller verwirklichen als das Risiko, alsbald nach Existenzgründung eine Altersversorgung i.S.d. § 55a Abs. 3 Satz 1 AFG in Anspruch nehmen zu müssen. Insofern kann es bei der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit sogar sinnvoll sein, mit der Altersvorsorge zu warten, bis das Einkommen aus der Tätigkeit Aufwendungen hierfür gestattet, sich gleichzeitig aber gegen das näherliegende Krankheitsrisiko zu versichern. Vorsorgeaufwendungen nur dann zu fördern, wenn das gesamte Vorsorgespektrum abgedeckt wird, würde deshalb dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen; potentielle Existenzgründer könnten von der Gründung abgehalten werden, weil das Krankheitsrisiko nicht durch Versicherungszuschüsse abgemildert würde. Der Gesetzzweck legt vielmehr gerade die Auslegung nahe, dass Zuschüsse zu Vorsorgeaufwendungen auch dann zu zahlen sind, wenn diese Aufwendungen nur die Kranken- und Pflegeversicherung betreffen. Den diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts, die der Senat vorstehend wörtlich wiedergegeben hat, ist nichts hinzuzufügen. Der Senat teilt diese Auffassung des Sozialgerichts in allen Einzelheiten.
Ob die Ausführungen des Sozialgerichts zur Höhe der Zuschüsse ebenfalls zu bestätigen gewesen wären, bedarf nach der teilweisen Klagerücknahme keiner Entscheidung mehr. Jedenfalls in Höhe des noch streitigen Betrages von 1.149,73 DM sind Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung zu gewähren. Der Senat hält die Klagebegrenzung für sachgerecht. § 24 A FdA sieht eine pauschalierte Form der Zuschussgewährung vor. Die Begrenzung auf ein Drittel des Überbrückungsgeldes hält sich im Rahmen der Ermächtigung nach § 55a Abs. 4 Satz 3 AFG. Dies schließt entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts nicht aus, dass auch bei einer pauschalierten Bewilligung eine teilweise Bewilligung in Betracht kommen kann, die sich anteilig nach den vorgelegten Nachweisen richtet. Dies ist auch ohne grossen Verwaltungsaufwand möglich, denn unter Zugrundelegung der Möglichkeit pauschaliert vorzugehen, hält es der Senat für sachgerecht, dass die jeweils nachgewiesenen Versicherungs- und Vorsorgeaufwendungen anteilig ausgezahlt werden, und zwar so, daß die jeweiligen Aufwendungen in Anlehnung an die Beitragssätze der gesetzlichen Versicherungen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Auf der Grundlage der Berechnungskriterien, wie sie die Beklagte im Schriftsatz vom 31.08.2000 mitgeteilt hat, und unter zusätzlicher Beachtung eines Rentenversicherungsbeitrags von 20,3 % im Jahr 1997 war dem Kläger ein Zuschuss in Höhe von 43,61 % der pauschalierten Bewilligungssumme von 2.636,40 DM zuzusprechen. Dies ist ein Betrag von 1.149,73 DM. Genau diesen Betrag begehrt aber der Kläger nach seiner teilweisen Klagerücknahme. Die Berufung der Beklagten war nach dieser Erklärung des Klägers in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat der Rechtssache gemäss § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG grundsätzliche Bedeutung zugemessen und die Revision zugelassen. Zwar ist § 55a AFG ab dem 01.01.1998 in geänderter Form in das Dritte Buch des Sozialgesetzbuches aufgenommen worden. Nach Angaben der Beklagten stehen jedoch noch eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle bundesweit zur Entscheidung an, so dass die vorliegende Entscheidung über den Einzelfall hinaus auch weiterhin Bedeutung hat.
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