L 11 KA 29/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KA 15/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 29/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.12.1999 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt 1/5 der außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme, nämlich einer Geldbuße in Höhe von jetzt noch 1.000,-- DM.

Der Kläger ist als Gynäkologe zur vertragsärztlichen Versorgung in B ... zugelassen. Nachdem er sich im Notdienst am 31.08.1996 nicht in der Lage gesehen hatte, zu einer ihm unbekannten Verstorbenen zu kommen und einen Totenschein auszustellen, wurde er von der Kreisstelle B. der Beklagten mit Schreiben vom 06.09.1996 um eine schriftliche Stellungnahme gebeten. Weitere Erinnerungen, erfolgen mit Schreiben vom 19.09.1996 und 10.10.1996. Eine Antwort erhielt die Beklagte nicht.

Mit Schreiben vom 19.06.1997 wurde der Kläger zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens angehört. Die Beklagte wies darauf hin, dass nach § 4 Abs. 5 ihrer Satzung jedes Mitglied im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften verpflichtet sei, den zuständigen Organen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die zur Nachprüfung der vertragsärztlichen Tätigkeit erforderlich seien. Die Nichtbeantwortung mehrerer Anfragen stelle eine Verletzung vertragsärztlicher Pflichten dar, die disziplinarische Maßnahmen zur Folge haben könnte. Der Kläger wies mit Schreiben vom 10.07.1997 die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Zu der Verstorbenen sei er nicht gegangen, weil für ihn eine Angabe der Todesursache und Beurteilung des Todeseintritts bei einer ihm eine unbekannten Person aus forensischen Gründen nicht möglich sei und in derartigen Fällen die Kriminalpolizei verständigt werden müsse. Die Nichtbeantwortung der Eingabe vom 06.09.1996 bitte er zu entschuldigen, er habe den Vorgang übersehen.

Mit Schreiben vom 28.08.1997 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass der Vorstand der Beklagten die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn beschlossen habe. Dabei bezog sich die Beklagte erneut auf die Pflichtverletzung durch die Nichtbeantwortung der Anfragen der Kreisstelle.

Mit Bescheid vom 16.12.1997 wurde gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von 3.500,-- DM festgesetzt. Die Beklagte stellt klar, dass Gegenstand des Disziplinarverfahrens nicht die Weigerung des Klägers war, im Notfalldienst den Tod einer ihm unbekannten Person festzustellen, sondern die Nichtbeantwortung der Anfragen der Kreisstelle B ... Hierdurch habe der Kläger gegen seine Pflicht nach § 4 Abs. 5 der Satzung der KV NO verstoßen. Er habe auch schuldhaft gehandelt. Die Einlassung, er habe das Anschreiben übersehen, vermöge ihm nicht zu entlasten. Es sei wenig glaubhaft, dass der Kläger gleich dreimal vergessen habe, die Anfragen zu beantworten. Selbst wenn dies aber zutreffen sollte, würde sein Verhalten erhebliche Organisationsmängel in der Praxisführung offenbaren. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme habe die Hartnäckigkeit der Mißachtung, mit der er in dieser Angelegenheit der Beklagten begegnet sei, berücksichtigt werden müssen.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Klage hat der Kläger vorgetragen, einen Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten liege nicht vor. Der Kreisstelle B ... der Beklagten hätten alle erforderlichen Informationen zu Nachprüfung der vertragsärztlichen Tätigkeit vorgelegen durch die Aufzeichnungen der Arztnotrufzentrale. Er habe weder Auskünfte verweigert noch Informationen zurückgehalten, die die Beklagte zur Durchführung ihrer Aufgaben benötigt habe. Außerdem sei der Disziplinarausschuss bei seiner ersten Entscheidung von falschen Tatsachen ausgegangen. Die Anschuldigungsschrift enthalte die Ausführung, dass er bereits 1986 vertragsärztliche Pflichten verletzt habe. Der damalige Beschluss des Diszisplinarausschusses, mit dem eine Geldbuße von 1.000,-- DM auferlegt worden sei, sei jedoch mit Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf aufgehoben worden. Außerdem sei die Sanktion völlig unverhältnismäßig. Er sei seit vierzehn Jahren als Arzt zugelassen und habe sich in dieser Zeit nichts zuschulden kommen lassen. Es sei daher nicht ersichtlich, warum nicht eine Verwarnung oder ein Verweis als ausreichend angesehen werden konnten. Schließlich habe sein Verhalten auch keine negativen Folgen gehabt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16.12.1997 (beruhend auf den Beschluss des Disziplinarausschusses vom 04.12.1997) aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16.12.1998 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe durch sein Verhalten gegen § 4 Abs. 5 der Satzung der Beklagten verstoßen, wonach jedes Mitglied im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften verpflichtet sei, den zuständigen Organen der KV diejenigen Auskünfte zu erteilen und die Unterlagen vorzulegen, die zur Nachprüfung der vertragsärztlichen Tätigkeit erforderlich seien und derer die KV Nordrhein zur Durchführung ihrer Aufgaben bedürfe. Das Auskunftsbegehren der Beklagten sei sachlich begründet gewesen. Der Kläger hätte zumindest mitteilen können, das eine Stellungnahme nicht beabsichtigt sei. Auch die Auswahl der Disziplinarmaßnahme, nämlich eine Geldstrafe in Höhe von 3.500,-- DM, sei nicht zu beanstanden.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, er habe sich im Notdienst am 21.08.1996 korrekt verhalten. Bei einem ihm unbekannten Patienten habe er nicht mit der gebotenen Sicherheit eine Todesursache angeben können. Im Rahmen des Disziplinarverfahrens stehe ihm frei, sich zu äußern. Er habe auch das Recht zu schweigen. Aus § 4 der Satzung der Beklagten könne nur hergeleitet werden, dass solche Auskünfte zu erteilen sein, die zur Nachprüfung der vertragsärztlichen Tätigkeit erforderlich sein. Es habe aber kein Aufklärungsbedarf bestanden, weil der Sachverhalt durch das Protokoll der Notrufzentrale bereits ausreichend bekannt gewesen sei. Da die Vorgänge im Notfalldienst nicht zu einer disziplinarischen Ahndung tauglich gewesen seien, hätte die Beklagte den Sachverhalt schlicht auf sich beruhen lassen können.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 07.06.2000 hat die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 16.12.1997 die Geldbuße auf 1.000,-- DM herabgesetzt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.12.1999 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 17.12.1997 auch in der Fassung vom 07.06.2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht eine Disziplinarmaßnahme in Form einer Geldbuße von 1.000,-- DM festgesetzt.

Die gerichtliche Überprüfung von Disziplinarmaßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigungen beschränkt sich auf die Prüfung, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt, ob rechtlich zutreffend eine schuldhafte Nichterfüllung vertragsärztlicher Pflichten angenommen und ob die Maßnahme ermessensfehlerfrei ausgewählt wurde (vgl. BSG SozR 2200 § 368 m Nr. §). Danach ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden.

Gemäß § 4 Abs. 5 der Satzung der Beklagten ist jedes Mitglied im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften verpflichtet, den zuständigen Organen der KV Nordrhein oder ihren Beauftragen diejenigen Auskünfte zu erteilen und diejenigen Unterlagen vorzulegen, die zur Nachprüfung der vertragsärztlichen Tätigkeit erforderlich sind und derer die KN Nordrhein zur Durchführung ihrer Aufgaben bedarf. Gegen diese Vorschrift hat der Kläger verstoßen, indem er sich auf dreimalige Anfragen der KV nicht geäußert hat. Erkennbar wollte die Beklagte sein Verhalten im vertragsärztlichen Notdienst am 31.08.1996 nachprüfen. Dass sie zu dem Vorfall trotz Vorliegens eines Protokolls eine Stellungnahme des Arztes einholen wollte, ist sachgerecht. Soweit der Kläger vorträgt, es habe im freigestanden, sich im Disziplinarverfahren zu äußern, ist darauf hinzuweisen, dass zum einen zum Zeitpunkt der Anfragen von einem Diszipliniarverfahren noch nicht die Rede war. Zum anderen hätte zumindest von ihm erwartet werden können, dass er in irgendeiner Weise auf die sachlichen Anschreiben der KV reagiert. Er hätte, wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, zumindest mitteilen können, dass seinerseits keine Stellungnahme beabsichtigt sei. Durch das Ignorieren der Anfragen hat der Kläger die Überprüfungsfunktion der KV mißachtet und einen weiteren Verwaltungsaufwand verursacht.

Auch die Auswahl der Maßnahme ist nicht zu beanstanden. Die ausgesprochene Maßnahme hält sich nach Art und Höhe noch im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Nach § 19 der Disziplinarordnung der Beklagten kann der Disziplinarausschuss folgende Maßnahmen aussprechen: Verwarnung, Verweis, Geldbuße bis zu 20.000,-- DM und Anordnung des Ruhens der Zulassung bis zu zwei Jahren. Die Auswahl der Maßnahme steht grundsätzlich im Ermessen des Disziplinarausschusses. Angesichts der hartnäckigen Weigerungshaltung des Klägers bestand, auch wenn sein Verhalten keine weiteren nagativen Folgen hatte, keine Ermessensreduzierung soweit, dass lediglich eine Verwarnung oder ein Verweis ausgesprochen werden konnte. Es bedurfte vielmehr einer spürbaren Sanktion, um den Kläger zur Einhaltung seiner Pflichten zu veranlassen. Mit der Abänderung des Bescheides in der Sitzung vom 06.05.2000 hat die Beklagte den Bedenken des Senats hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Höhe der Geldbuße Rechnung getragen. Mit 1.000,-- DM bewegt sich die Maßnahme im untersten Bereich des von der Disziplinarordnung vorgegebenen Rahmens für eine Geldbuße und ist als angemessen anzusehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183 und 193 SGG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Disziplinarmaßnahme als solche Bestand hat und die Geldbuße lediglich der Höhe nach reduziert worden ist.

Es besteht keine Veranlassung, gemäß § 160 SGG die Revision zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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