Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 27/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 204/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.12.1999 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Beklagte verurteilt wird, die ärztlichen Leistungen im Quartal III/1997 nach Punktwerten von 5,3845 Pfennigen im Primärkassenbereich und 6,0585 Pfennigen im Ersatzkassenbereich zu vergüten. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Vergütung für ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus im Quartal III/1997.
Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, die Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie die Verbände der Primär- und Ersatzkassen schlossen am 10.05.1994 einen Vertrag gemäß § 115 SGG V zur Regelung der ambulanten Notfallbehandlung im Krankenhaus. Dieser enthält u.a. folgende Bestimmungen:
§ 3
Vergütung
(1) Ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus sind Leistungen des Krankenhauses (Institutsleistungen). Sie werden aus der vertragsärztlichen Gesamtvergütung beglichen.
(2) Die zuständige Kassenärztliche Vereinigung rechnet die durch das Krankenhaus im Rahmen der ambulanten Notfallbehandlung erbrachten Leistungen nach den Bestimmungen des Bewertungsmaßstabes-Ärzte (EMÄ) bzw. der Ersatzkassen-Gebührenordnung (E-GO) ab. Bei der Honorierung sind 90 v.H. der für niedergelassene Vertragsärzte geltenden Vergütungssätze zugrunde zu legen.
§ 4
Rechnungslegung
(3) Die Rechnungslegung einschließlich Zahlung der Vergütung richtet sich nach den für Vertragsärzte geltenden Bestimmungen der jeweils zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung.
§ 4
Inkrafttreten, Kündigung
(1) Der Vertrag tritt am 01.01.1994 in Kraft; er kann mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres, frühestens zum 31.12.1995, gekündigt werden.
(2) Für den Fall der Kündigung erklären die Vertragspartner ihre Bereitschaft, an der Verabschiedung eines neuen Vertrages mitzuwirken.
Die Klägerin ist Trägerin des Kreiskrankenhauses G., in dem ambulante Notfallbehandlungen für Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen erbracht wurden. Im streitigen Quartal regelte § 6 Abs. 4 a des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der Beklagten die Verteilung der Gesamtvergütung nach Abzug von Vorwegzahlungen auf verschiedene Bereiche ("Honorartöpfe"), u.a. "Notfallärzte". Daraus wurden die von der Klägerin abgerechneten Leistungen nach Punktwerten von 3,3118 Pfennigen im Primärkassenbereich und 3,6997 Pfennigen im Ersatzkassenbereich vergütet. Mit ihrem Widerspruch gegen den Abrechnungsbescheid vom 22.01.1998 für das Quartal III/1997 führte die Klägerin aus, die von der Beklagten vorgenommene Abrechnung basiere nicht auf einem Punktwert von 90 v.H. des den niedergelassenen Vertragsärzten vergüteten Punktwertes. Insofern liege eine Abweichung von der vertraglichen Vereinbarung vor. Sie könne die vom Beklagten einseitig vorgenommene Änderung der Vergütung durch die Regelung im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) zum 01.07.1996 nicht akzeptieren.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 08.03.1999 zurück. Die Vergütung der ambulanten Notfallbehandlung erfolge nach dem ab dem Quartal III/1996 geltenden HVM. Danach sei auch für die Krankenhausleistungen ein sogenannter Honorartopf gebildet worden, der auf der Basis der Honorarverteilung des Jahres 1995 festgeschrieben und um die Grundlohnsummenentwicklung gesteigert worden sei. Somit befänden sich die eingeforderten und gesetzlich festgeschriebenen 90 % in diesem Honorartopf. Eine Erhöhung sei nicht erforderlich. Wenn gleichwohl ein Punktwertverfall eingetreten sei, so sei dieser auf die nicht nachvollziehbare Mengen- bzw. Fallzahlentwicklung zurückzuführen. Es erscheine aufgrund der nahezu gleichgebliebenen Anzahl an Leistungserbringern nicht plausibel, dass es zu einem enormen Mehr an Punktanforderungen gekommen sei. Auf Fehlentwicklungen habe die Beklagte nicht sofort zu reagieren, ihr sei eine Beobachtungsphase zuzubilligen.
Mit der Klage macht die Klägerin geltend, die Vereinbarung einer Gesamtvergütung im Sinne der §§ 83 und 85 SGB V gebe der Beklagten ihr gegenüber keine Handhabe, die Gesamtvergütung in Honorartöpfe aufzuteilen. Selbst wenn nach der Rechtsprechung des BSG auf die gesetzlich vorgegebene Budgetierung der Gesamtvergütung mit der Bildung fachgruppenbezogener Honorarkontingente habe reagiert werden dürfen, betreffe dies jedoch nicht die Beziehungen zu ihr. Ihre Ansprüche ergäben sich allein auf der Grundlage des Vertrages; Inhalt und Wirksamkeit dieses dreiseitigen Vertrages dürften durch den HVM der Beklagten nicht berührt werden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Abrechnungsbescheides für das Quartal 3/97 vom 22.01.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 1999 zu verurteilen, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Abrechnungsbescheid zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig.
Mit Urteil vom 01.12.1998 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei nicht berechtigt, in ihrem HVM eine Regelung zu treffen, durch die die Krankenhäuser für den ambulanten Notfalldienst Vergütungen erhielten, die unterhalb von 90 % der für niedergelassene Vertragsärzte geltenden Vergütungssätze lägen.
Mit Ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, der Wortteil "Vergütung" in § 4 des Vertrages beinhalte eine Inbezugnahme der in der Vergangenheit geleisteten Zahlungen; damit werde die Verbindung hergestellt zu jenen Beträgen, aus denen der für die betreffenden Leistungen gebildete Topf gespeist worden sei; im übrigen ergebe sich erst bei einer Punktwertabweichung von 15 v.H. nach der Rechtsprechung des BSG eine Korrekturverpflichtung. Zwar liege eine derartige Punktwertabweichung vor, jedoch sei ihr unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG eine ausreichende Beobachtungszeitspanne zuzugestehen, so daß sich frühestens ab dem Quartal III/1997 ein entsprechender Handlungsbedarf ergeben könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.12.1999 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, die Beklagte zu verurteilen, die streitigen ärztlichen Leistungen nach Punktwerten von 5,3845 Pfennigen im Primärkassenbereich und 6,0585 Pfennigen im Ersatzkassenbereich zu vergüten.
Die Klägerin hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und weist nochmals auf die Bindungswirkung des dreiseitigen Vertrages vom 05.10.1994 hin; diese ergebe sich insbesondere aus § 115 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Weiterhin sei fraglich, ob die Beklagte überhaupt befugt sei, gegenüber der Klägerin als "Nichtmitglied" eine Regelung durch Verwaltungsakt vorzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage auch mit dem geänderten Antrag abzuweisen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen nimmt der Senat Bezug auf die Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Vergütung der ambulanten Notfallbehandlungen im Quartal III/1997 nach Punktwerten von 5,3845 Pfennigen im Primärkassenbereich und 6,0585 Pfennigen im Ersatzkassenbereich.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren nunmehr statt der Verurteilung der Beklagten zur Erteilung eines neuen Abrechnungsbescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Zahlung eines bestimmten Vergütungsbetrages begehrt, kann es dahinstehen, ob insoweit lediglich eine Klarstellung ihres Begehrens oder eine Klageänderung im Sinne von § 99 SGG vorliegt. Eine Klageänderung ist zulässig, da die Beklagte sich, ohne der Änderung zu widersprechen, auf Anregung des Senates in der mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen hat (§ 99 Abs. 2 SGG) und der Senat die Klageänderung für sachdienlich hält.
1.
Die Beklagte war berechtigt, die Abrechnung der von der Klägerin beanspruchten Vergütung ambulanter Notfallbehandlungen durch Verwaltungsakt zu regeln. Zwar ist der Klägerin zuzustimmen, dass die Beklagte hier eine Regelung gegenüber einem "Nichtmitglied" per Verwaltungsakt vornimmt. Die vertraglich gebundenen Krankenhäuser haben sich jedoch hinsichtlich ihres Vergütungsanspruches durch den Vertragsabschluss in eine Position begeben, die vergleichbar ist mit "Nichtvertragsärzten", die auf ihren Antrag hin in den Notdienst miteinbezogen worden sind. Für diese Fallgestaltung hat das BSG bereits im Urteil vom 08.04.1992 - 6 RKa 24/90 - entschieden, dass die Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigung besteht, jedenfalls die Vergütung durch Verwaltungsakt zu regeln. Im übrigen ergibt sich eine derartige Regelungsbefugnis auch unmittelbar aus dem Vertrag. Denn nach § 4 Abs. 3 des Vertrages richtet sich die Rechnungslegung einschließlich Zahlung der Vergütung nach den für Vertragsärzte geltenden Bestimmungen, also nach dem HVM. Da die Beklagte - unstreitig - gegenüber den Vertragsärzten eine Vergütungsregelung per Verwaltungsakt vornehmen kann, ist sie auch aufgrund der Regelungen in § 4 des Vertrages berechtigt, gegenüber den Krankenhäusern die Vergütung durch Verwaltungsakt zu bestimmen.
2.
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Vergütung für die ärztlichen Leistungen im Rahmen der Notfallbehandlung im Quartal III/1997 nach Punktwerten von 5,3845 Pfennigen im Primärkassenbereich und 6,0585 Pfennigen im Ersatzkassenbereich folgt aus § 3 Abs. 2 des Vertrages vom 10.05.1994.
Soweit die Beklagte geltend macht, der Vertrag enthalte keine (unmittelbare) Bindungswirkung zu Gunsten der Klägerin, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Denn aus § 115 Abs. 2 Satz 2 SGB V ergibt sich eine unmittelbare Verbindlichkeit einer entsprechenden vertraglichen Regelung für zugelassene Krankenhäuser. Selbst wenn man die Auffassung vertritt, dass sich die in § 115 Absatz 2 Satz 2 SGB V kodifizierte Bindungswirkung nur auf die zugelassenen Krankenhäuser bezieht, die am Vertragsschluss beteiligt waren, so läßt sich ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen. Die Klägerin ist Mitglied der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen. Zwar war nicht sie, sondern lediglich ihr Dachverband im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Mitglied der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, jedoch ist dies allein darauf zurückzuführen, dass aufgrund der satzungsrechtlichen Bestimmungen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen damals lediglich die entsprechenden Dachverbände Mitglieder sein konnten. Unter Geltung dieser satzungsrechtlichen Bestimmung kann aber eine Bindungswirkung nach dem Sinn und Zweck von § 115 Abs. 2 Satz 2 SGB V nur für die mittelbar betroffenen Mitgliedskrankenhäuser bestehen.
Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages, sind bei der Honorierung 90 v.H. der für niedergelassene Vertragsärzte geltenden Vergütungssätze zugrundezulegen. Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren geltend macht, der Wortteil "Vergütung" beinhalte eine Bezugnahme der in der Vergangenheit geleisteten Zahlungen, sodass damit eine Verbindung hergestellt werde zu jenen Beträgen, aus denen der für die betreffenden Leistungen gebildeten Topf gespeist werde, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Denn aus der zitierten vertraglichen Bestimmung ergibt sich lediglich, dass die Vergütung der Krankenhäuser nach den Punktwerten zu erfolgen hat, die für die niedergelassenen Vertragsärzte gelten, wobei ein Abschlag von 10 v.H. vorzunehmen ist. Als entsprechender für Vertragsärzte geltender Punktwert ist der im HVM der Beklagten bestimmte ungestützte Punktwert zugrundezulegen, also der Punktwert im sogenannten "roten Bereich". Dieser betrug im Quartal III/1997 5,9828 Pfennige im Primärkassenbereich und 6,7317 Pfennige im Ersatzkassenbereich. Unter Berücksichtigung des vertraglich festgelegten Abschlages von 10 v.H. berechnen sich für Krankenhausleistungen 5,3845 Pfennige im Primärkassenbereich und 6,0585 Pfennigen im Ersatzkassenbereich.
Der Senat neigt dazu, der Beklagten dahingehend zuzustimmen, dass sie nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 07.02.1996 - 6 RKa 68/94 -), auf die gesetzlich vorgegebene Budgetierung der Gesamtvergütung mit der Bildung fachgruppenbezogener Honorarkontingente reagieren und auch für den Bereich der Krankenhausleistungen einschließlich ambulanter Notfallbehandlung einen sogenannten Honorartopf bilden kann. Damit kann sie aber nicht anderweitig vertraglich eingegangene Verpflichtungen einseitig verändern. Das BSG hat bereits in seiner Entscheidung vom 19.08.1992 (6 RKa 6/91) zur Höhe der Vergütung ambulanter Notfallbehandlungen durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte eines öffentlich rechtlichen Krankenhauses ausgeführt, dass gegenüber der Vergütung der freipraktizierenden Vertragsärzte ein entsprechender Abschlag vorzunehmen ist, jedoch nur, sofern vertragliche Vereinbarungen zwischen den Beteiligten über die Vergütung von Notfallbehandlungen in Krankenhäusern nicht bestehen. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass auch für den Bereich der Vergütung ambulanter Notfallbehandlungen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen vertragliche Vereinbarungen zwischen den Beteiligten Vorrang haben. Dies hat jedoch aufgrund der in § 3 des Vertrages getroffenen Vereinbarung zur Folge, dass die streitige Vergütung für Notfallbehandlungen allein nach dem Punktwert zu erfolgen hat, den Vertragsärzte in entsprechenden Abrechnungsquartalen erhalten haben.
Die aus § 3 des dreiseitigen Vertrages resultierende Verpflichtung der Beklagten ist auch nicht erloschen. Denn die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, dass keine Vertragspartei von dem in § 5 Abs. 1 des Vertrages kodifizierten Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hat. Auch unter Berücksichtigung des aus § 242 BGB resultierenden Rechtsgedankens des Wegfalles der Geschäftsgrundlage ergibt sich nicht, dass die vertragliche Verpflichtung der Beklagten erloschen oder modifiziert anzuwenden ist. Zwar ist nach Inkrafttreten des Vertrages eine Veränderung der Vergütungssituation insoweit eingetreten, als Budgetierungsbestimmungen eingeführt worden sind, jedoch legt § 5 Abs. 1 des Vertrages ein Kündigungsrecht mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres fest. Eine derartiges Kündigungsrecht reicht aus, die auf Veränderungen angemessenen zu reagieren.
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß §§ 183 und 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Vergütung für ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus im Quartal III/1997.
Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, die Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie die Verbände der Primär- und Ersatzkassen schlossen am 10.05.1994 einen Vertrag gemäß § 115 SGG V zur Regelung der ambulanten Notfallbehandlung im Krankenhaus. Dieser enthält u.a. folgende Bestimmungen:
§ 3
Vergütung
(1) Ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus sind Leistungen des Krankenhauses (Institutsleistungen). Sie werden aus der vertragsärztlichen Gesamtvergütung beglichen.
(2) Die zuständige Kassenärztliche Vereinigung rechnet die durch das Krankenhaus im Rahmen der ambulanten Notfallbehandlung erbrachten Leistungen nach den Bestimmungen des Bewertungsmaßstabes-Ärzte (EMÄ) bzw. der Ersatzkassen-Gebührenordnung (E-GO) ab. Bei der Honorierung sind 90 v.H. der für niedergelassene Vertragsärzte geltenden Vergütungssätze zugrunde zu legen.
§ 4
Rechnungslegung
(3) Die Rechnungslegung einschließlich Zahlung der Vergütung richtet sich nach den für Vertragsärzte geltenden Bestimmungen der jeweils zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung.
§ 4
Inkrafttreten, Kündigung
(1) Der Vertrag tritt am 01.01.1994 in Kraft; er kann mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres, frühestens zum 31.12.1995, gekündigt werden.
(2) Für den Fall der Kündigung erklären die Vertragspartner ihre Bereitschaft, an der Verabschiedung eines neuen Vertrages mitzuwirken.
Die Klägerin ist Trägerin des Kreiskrankenhauses G., in dem ambulante Notfallbehandlungen für Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen erbracht wurden. Im streitigen Quartal regelte § 6 Abs. 4 a des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der Beklagten die Verteilung der Gesamtvergütung nach Abzug von Vorwegzahlungen auf verschiedene Bereiche ("Honorartöpfe"), u.a. "Notfallärzte". Daraus wurden die von der Klägerin abgerechneten Leistungen nach Punktwerten von 3,3118 Pfennigen im Primärkassenbereich und 3,6997 Pfennigen im Ersatzkassenbereich vergütet. Mit ihrem Widerspruch gegen den Abrechnungsbescheid vom 22.01.1998 für das Quartal III/1997 führte die Klägerin aus, die von der Beklagten vorgenommene Abrechnung basiere nicht auf einem Punktwert von 90 v.H. des den niedergelassenen Vertragsärzten vergüteten Punktwertes. Insofern liege eine Abweichung von der vertraglichen Vereinbarung vor. Sie könne die vom Beklagten einseitig vorgenommene Änderung der Vergütung durch die Regelung im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) zum 01.07.1996 nicht akzeptieren.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 08.03.1999 zurück. Die Vergütung der ambulanten Notfallbehandlung erfolge nach dem ab dem Quartal III/1996 geltenden HVM. Danach sei auch für die Krankenhausleistungen ein sogenannter Honorartopf gebildet worden, der auf der Basis der Honorarverteilung des Jahres 1995 festgeschrieben und um die Grundlohnsummenentwicklung gesteigert worden sei. Somit befänden sich die eingeforderten und gesetzlich festgeschriebenen 90 % in diesem Honorartopf. Eine Erhöhung sei nicht erforderlich. Wenn gleichwohl ein Punktwertverfall eingetreten sei, so sei dieser auf die nicht nachvollziehbare Mengen- bzw. Fallzahlentwicklung zurückzuführen. Es erscheine aufgrund der nahezu gleichgebliebenen Anzahl an Leistungserbringern nicht plausibel, dass es zu einem enormen Mehr an Punktanforderungen gekommen sei. Auf Fehlentwicklungen habe die Beklagte nicht sofort zu reagieren, ihr sei eine Beobachtungsphase zuzubilligen.
Mit der Klage macht die Klägerin geltend, die Vereinbarung einer Gesamtvergütung im Sinne der §§ 83 und 85 SGB V gebe der Beklagten ihr gegenüber keine Handhabe, die Gesamtvergütung in Honorartöpfe aufzuteilen. Selbst wenn nach der Rechtsprechung des BSG auf die gesetzlich vorgegebene Budgetierung der Gesamtvergütung mit der Bildung fachgruppenbezogener Honorarkontingente habe reagiert werden dürfen, betreffe dies jedoch nicht die Beziehungen zu ihr. Ihre Ansprüche ergäben sich allein auf der Grundlage des Vertrages; Inhalt und Wirksamkeit dieses dreiseitigen Vertrages dürften durch den HVM der Beklagten nicht berührt werden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Abrechnungsbescheides für das Quartal 3/97 vom 22.01.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 1999 zu verurteilen, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Abrechnungsbescheid zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig.
Mit Urteil vom 01.12.1998 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei nicht berechtigt, in ihrem HVM eine Regelung zu treffen, durch die die Krankenhäuser für den ambulanten Notfalldienst Vergütungen erhielten, die unterhalb von 90 % der für niedergelassene Vertragsärzte geltenden Vergütungssätze lägen.
Mit Ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, der Wortteil "Vergütung" in § 4 des Vertrages beinhalte eine Inbezugnahme der in der Vergangenheit geleisteten Zahlungen; damit werde die Verbindung hergestellt zu jenen Beträgen, aus denen der für die betreffenden Leistungen gebildete Topf gespeist worden sei; im übrigen ergebe sich erst bei einer Punktwertabweichung von 15 v.H. nach der Rechtsprechung des BSG eine Korrekturverpflichtung. Zwar liege eine derartige Punktwertabweichung vor, jedoch sei ihr unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG eine ausreichende Beobachtungszeitspanne zuzugestehen, so daß sich frühestens ab dem Quartal III/1997 ein entsprechender Handlungsbedarf ergeben könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.12.1999 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, die Beklagte zu verurteilen, die streitigen ärztlichen Leistungen nach Punktwerten von 5,3845 Pfennigen im Primärkassenbereich und 6,0585 Pfennigen im Ersatzkassenbereich zu vergüten.
Die Klägerin hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und weist nochmals auf die Bindungswirkung des dreiseitigen Vertrages vom 05.10.1994 hin; diese ergebe sich insbesondere aus § 115 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Weiterhin sei fraglich, ob die Beklagte überhaupt befugt sei, gegenüber der Klägerin als "Nichtmitglied" eine Regelung durch Verwaltungsakt vorzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage auch mit dem geänderten Antrag abzuweisen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen nimmt der Senat Bezug auf die Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Vergütung der ambulanten Notfallbehandlungen im Quartal III/1997 nach Punktwerten von 5,3845 Pfennigen im Primärkassenbereich und 6,0585 Pfennigen im Ersatzkassenbereich.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren nunmehr statt der Verurteilung der Beklagten zur Erteilung eines neuen Abrechnungsbescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Zahlung eines bestimmten Vergütungsbetrages begehrt, kann es dahinstehen, ob insoweit lediglich eine Klarstellung ihres Begehrens oder eine Klageänderung im Sinne von § 99 SGG vorliegt. Eine Klageänderung ist zulässig, da die Beklagte sich, ohne der Änderung zu widersprechen, auf Anregung des Senates in der mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen hat (§ 99 Abs. 2 SGG) und der Senat die Klageänderung für sachdienlich hält.
1.
Die Beklagte war berechtigt, die Abrechnung der von der Klägerin beanspruchten Vergütung ambulanter Notfallbehandlungen durch Verwaltungsakt zu regeln. Zwar ist der Klägerin zuzustimmen, dass die Beklagte hier eine Regelung gegenüber einem "Nichtmitglied" per Verwaltungsakt vornimmt. Die vertraglich gebundenen Krankenhäuser haben sich jedoch hinsichtlich ihres Vergütungsanspruches durch den Vertragsabschluss in eine Position begeben, die vergleichbar ist mit "Nichtvertragsärzten", die auf ihren Antrag hin in den Notdienst miteinbezogen worden sind. Für diese Fallgestaltung hat das BSG bereits im Urteil vom 08.04.1992 - 6 RKa 24/90 - entschieden, dass die Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigung besteht, jedenfalls die Vergütung durch Verwaltungsakt zu regeln. Im übrigen ergibt sich eine derartige Regelungsbefugnis auch unmittelbar aus dem Vertrag. Denn nach § 4 Abs. 3 des Vertrages richtet sich die Rechnungslegung einschließlich Zahlung der Vergütung nach den für Vertragsärzte geltenden Bestimmungen, also nach dem HVM. Da die Beklagte - unstreitig - gegenüber den Vertragsärzten eine Vergütungsregelung per Verwaltungsakt vornehmen kann, ist sie auch aufgrund der Regelungen in § 4 des Vertrages berechtigt, gegenüber den Krankenhäusern die Vergütung durch Verwaltungsakt zu bestimmen.
2.
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Vergütung für die ärztlichen Leistungen im Rahmen der Notfallbehandlung im Quartal III/1997 nach Punktwerten von 5,3845 Pfennigen im Primärkassenbereich und 6,0585 Pfennigen im Ersatzkassenbereich folgt aus § 3 Abs. 2 des Vertrages vom 10.05.1994.
Soweit die Beklagte geltend macht, der Vertrag enthalte keine (unmittelbare) Bindungswirkung zu Gunsten der Klägerin, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Denn aus § 115 Abs. 2 Satz 2 SGB V ergibt sich eine unmittelbare Verbindlichkeit einer entsprechenden vertraglichen Regelung für zugelassene Krankenhäuser. Selbst wenn man die Auffassung vertritt, dass sich die in § 115 Absatz 2 Satz 2 SGB V kodifizierte Bindungswirkung nur auf die zugelassenen Krankenhäuser bezieht, die am Vertragsschluss beteiligt waren, so läßt sich ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen. Die Klägerin ist Mitglied der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen. Zwar war nicht sie, sondern lediglich ihr Dachverband im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Mitglied der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, jedoch ist dies allein darauf zurückzuführen, dass aufgrund der satzungsrechtlichen Bestimmungen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen damals lediglich die entsprechenden Dachverbände Mitglieder sein konnten. Unter Geltung dieser satzungsrechtlichen Bestimmung kann aber eine Bindungswirkung nach dem Sinn und Zweck von § 115 Abs. 2 Satz 2 SGB V nur für die mittelbar betroffenen Mitgliedskrankenhäuser bestehen.
Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages, sind bei der Honorierung 90 v.H. der für niedergelassene Vertragsärzte geltenden Vergütungssätze zugrundezulegen. Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren geltend macht, der Wortteil "Vergütung" beinhalte eine Bezugnahme der in der Vergangenheit geleisteten Zahlungen, sodass damit eine Verbindung hergestellt werde zu jenen Beträgen, aus denen der für die betreffenden Leistungen gebildeten Topf gespeist werde, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Denn aus der zitierten vertraglichen Bestimmung ergibt sich lediglich, dass die Vergütung der Krankenhäuser nach den Punktwerten zu erfolgen hat, die für die niedergelassenen Vertragsärzte gelten, wobei ein Abschlag von 10 v.H. vorzunehmen ist. Als entsprechender für Vertragsärzte geltender Punktwert ist der im HVM der Beklagten bestimmte ungestützte Punktwert zugrundezulegen, also der Punktwert im sogenannten "roten Bereich". Dieser betrug im Quartal III/1997 5,9828 Pfennige im Primärkassenbereich und 6,7317 Pfennige im Ersatzkassenbereich. Unter Berücksichtigung des vertraglich festgelegten Abschlages von 10 v.H. berechnen sich für Krankenhausleistungen 5,3845 Pfennige im Primärkassenbereich und 6,0585 Pfennigen im Ersatzkassenbereich.
Der Senat neigt dazu, der Beklagten dahingehend zuzustimmen, dass sie nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 07.02.1996 - 6 RKa 68/94 -), auf die gesetzlich vorgegebene Budgetierung der Gesamtvergütung mit der Bildung fachgruppenbezogener Honorarkontingente reagieren und auch für den Bereich der Krankenhausleistungen einschließlich ambulanter Notfallbehandlung einen sogenannten Honorartopf bilden kann. Damit kann sie aber nicht anderweitig vertraglich eingegangene Verpflichtungen einseitig verändern. Das BSG hat bereits in seiner Entscheidung vom 19.08.1992 (6 RKa 6/91) zur Höhe der Vergütung ambulanter Notfallbehandlungen durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte eines öffentlich rechtlichen Krankenhauses ausgeführt, dass gegenüber der Vergütung der freipraktizierenden Vertragsärzte ein entsprechender Abschlag vorzunehmen ist, jedoch nur, sofern vertragliche Vereinbarungen zwischen den Beteiligten über die Vergütung von Notfallbehandlungen in Krankenhäusern nicht bestehen. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass auch für den Bereich der Vergütung ambulanter Notfallbehandlungen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen vertragliche Vereinbarungen zwischen den Beteiligten Vorrang haben. Dies hat jedoch aufgrund der in § 3 des Vertrages getroffenen Vereinbarung zur Folge, dass die streitige Vergütung für Notfallbehandlungen allein nach dem Punktwert zu erfolgen hat, den Vertragsärzte in entsprechenden Abrechnungsquartalen erhalten haben.
Die aus § 3 des dreiseitigen Vertrages resultierende Verpflichtung der Beklagten ist auch nicht erloschen. Denn die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, dass keine Vertragspartei von dem in § 5 Abs. 1 des Vertrages kodifizierten Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hat. Auch unter Berücksichtigung des aus § 242 BGB resultierenden Rechtsgedankens des Wegfalles der Geschäftsgrundlage ergibt sich nicht, dass die vertragliche Verpflichtung der Beklagten erloschen oder modifiziert anzuwenden ist. Zwar ist nach Inkrafttreten des Vertrages eine Veränderung der Vergütungssituation insoweit eingetreten, als Budgetierungsbestimmungen eingeführt worden sind, jedoch legt § 5 Abs. 1 des Vertrages ein Kündigungsrecht mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres fest. Eine derartiges Kündigungsrecht reicht aus, die auf Veränderungen angemessenen zu reagieren.
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß §§ 183 und 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
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