L 11 KA 32/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 33 KA 181/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 32/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 55/00 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beigeladenen zu 8) gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.12.1999 wird zurückgewiesen. Die Beigeladene zu 8) hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychologische Psychotherapeutin.

Die am 07.11.1929 geborene Klägerin ist Diplompsychologin und nimmt seit 1971 im Delegationsverfahren an der Versorgung der Versicherten zur Durchführung tiefenpsychologisch und analytischer Psychotherapie in eigener Praxis teil.

Auf ihren Antrag vom 16.11.1998 auf bedarfsunabhängige Zulassung ließ der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 14.04.1999 die Klägerin, der am 01.01.1999 die Approbation als Psychologische Psychotherapeutin erteilt worden war, als Psychologische Psychotherapeutin zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung mit dem Sitz D., H.straße, zu.

Mit ihrem Widerspruch machte die Beigeladene zu 8) geltend, die Klägerin könne nicht mehr zugelassen werden, da sie am 31.12.1998 das 68. Lebensjahr vollendet und bereits mehr als 20 Jahre an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen habe. Einer Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sei die Mitwirkung im Delegationsverfahren gleichzusetzen.

Die Klägerin macht dagegen geltend, eine Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung könne begrifflich erst mit der Zulassung beginnen, so dass auch die 20-Jahresfrist erst ab dem Datum der Zulassung in Gang gesetzt werden könne.

Der Beklagte hob mit Bescheid vom 09.09.1999 den Beschluss des Zulassungsausschusses auf. Zur Begründung führte er aus, aus den Materialien zum Psychotherapeutengesetz ergebe sich, dass die Begünstigung, über das 68. Lebensjahr hinaus in der vertragsärztlichen Versorgung tätig sein zu dürfen, demjenigen Psychotherapeuten eingeräumt werde, der im Zeitpunkt der Vollendung des 68. Lebensjahres noch nicht zwanzig Jahre als zugelassener Psychotherapeut tätig gewesen sei und im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes an der ambulanten Versorgung der Versicherten mitgewirkt habe. Damit sollten die Psychotherapeuten den Ärzten gleichgestellt werden, die bei der Einführung der 68-Jahres-Regelung am 01.01.1993 bereits als Vertragsarzt zugelassen gewesen seien und damals - ebenso wie die Psychotherapeuten heute - darauf hätten vertrauen dürfen, ohne gesetzliche Begrenzung im Alter noch behandeln zu dürfen. Wenn der Vertrauenstatbestand durch die Mitwirkung im Delegationsverfahren begründet worden sei, würde es Sinn und Zweck des Gesetzes widerlaufen, in den 20-Jahre-Zeitraum nicht auch die Zeiten einzurechnen, in denen der Psychotherapeut seine Tätigkeit in freier Praxis ausgeübt habe.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Regelung in § 95 Abs. 7 Sätze 3 und 4 SGG V könne unter Berücksichtigung ihres Wortlautes, der Begründung des Gesetzgebers, sämtlicher vorhandener Kommentierungen und auch nach der ratio legis nur so verstanden werden, dass Zeiten einer Tätigkeit im Delegationsverfahren bei der Feststellung des 20-Jahres-Zeitraumes nicht mit berücksichtigt werden dürften.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 09.09.19999 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, sie als Psychologische Psychotherapeutin bedarfsunabhängig mit Sitz in D., H.straße, zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen.

Das Sozialgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 15.12.1999 den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Zulassung der Klägerin nicht bereits nach § 25 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) i.V.m. § 98 Abs. 2 Nr. 12 SGB V ausgeschlossen sei, weil die Klägerin das 55. Lebensjahr bereits vollendet habe, denn gemäß § 47 Abs. 2 Ärzte-ZV gelte § 25 Ärzte-ZV erst für Anträge von Psychotherapeuten, die nach dem 31.12.1998 gestellt werden, also für Anträge auf bedarf abhängige Zulassung. Der Anspruch der Klägerin auf bedarfsunabhängige Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin sei auch nicht nach § 95 Abs. 7 SGB V ausgeschlossen. Denn die mehr als zwanzigjährige Mitwirkung der Klägerin an der ambulanten Versorgung der Versicherten im Rahmen des Delegationsverfahrens sei einer Tätigkeit als Vertragsarzt nicht gleichzustellen. Der Interpretation und Argumentation des Beklagten stehe der Gesetzeswortlaut entgegen; wenn der Gesetzgeber die Altersgrenze für die Zulassung gemäß § 25 Ärzte-ZV bei bedarfsunabhängigen Zulassungen ausdrücklich ausgenommen habe und die Regelungen über das Ausscheiden von zugelassenen Vertragsärzten nach Vollendung des 68. Lebensjahres lediglich hinsichtlich der zweiten Voraussetzung der Verlängerungsmöglichkeit nach § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V für Psychotherapeuten modefiziert hat, müsse am Wortlaut festgehalten werden, wonach die Tätigkeit eines Psychotherapeuten im Rahmen des Delegationsverfahrens bei der Frage, ob er im maßgeblichen Zeitraum zwanzig Jahre als Vertragsarzt bzw. als Vertragspsychotherapeut tätig war, nicht zu berücksichtigen sei. Auch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen sowie das Gleichbehandlungsgebot erfordern nicht die Berücksichtigung der Tätigkeit im Delegationsverfahren. Während der Vertragsarzt im Rahmen eines freien und selbständigen Berufes mit den ihm innewohnenden Möglichkeiten tätig gewesen sei, hätten im Rahmen des Delegationsverfahrens tätige Psychologische Psychotherapeuten nicht die Möglichkeit gehabt, im Rahmen der Ausübung eines freien und selbständigen Berufes an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Sie hätten lediglich als "Gehilfe" von Vertragsärzten und gewissermaßen in Abhängigkeit von diesen an der ambulanten Versorgung teilnehmen können.

Dagegen hat die Beigeladene zu 8) Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, das Sozialgericht habe fälschlicherweise auf den Begriff der Zulassung abgestellt. Da es eine Zulassung für Psychologen zuvor nicht gegeben habe, müsse vielmehr richtigerweise auf die Tätigkeit im Delegationsverfahren abgestellt werden. Die Teilnahme im Delegationsverfahren habe nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 22.12.1999 - 1 BvR 1657/99) einen Statuscharakter, der mit dem Status der Zulassung als Vertragsarzt vergleichbar sei. Dieser den Psychologischen Psychotherapeuten gewährte Statusschutz müsse dann auch bei der Auslegung des § 95 Abs. 7 Satz 4 SGB V Beachtung finden. Die Klägerin sei auch in der Lage gewesen, während ihrer langjährigen Tätigkeit im Delegationsverfahren eine ausreichende Altersversorgung aufzubauen. Letztlich seien auch die vom Bundesverfassungsgericht herausgestellten Interessen des Gemeinwohls beachtlich, denn selbstverständlich gelte auch für Psychologische Psychotherapeuten, dass von älteren nicht mehr voll leistungsfähigen Berufstätigen Gefahren für die Versicherten ausgehen könnten.

Die Beigeladene zu 8) beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.12.1999 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzlich Urteil für zutreffend.

Der Beklagte und die Beigeladenen schliessen sich dem Antrag der Beigeladenen zu 8) an.

Die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Akten des Zulassungsausschusses haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Akten wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die Berufung gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. §§ 33 Satz 2, 40 Satz 1 SGG in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter als Vertreter der Krankenkassen und einem ehrenamtlichen Richter als Vertreter der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten. Für die Abgrenzung der in § 12 Abs. 3 Satz 1 SGG angesprochenen Angelegenheiten des Kassenarztrechts und der in Satz 2 genannten Angelegenheiten der Kassenärzte ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG-SozR 3-2500 § 95 SGB V Nr. 18) ausschlaggebend, wie nach den maßgeblichen rechtlichen Vorschriften die Verwaltungsstelle zusammengesetzt ist, die über den streitigen Anspruch zu entscheiden hat. Da über die Frage der Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin ein paritätisch (gemischt) zusammengesetztes Entscheidungsgremium zu entscheiden hat, ist in sogenannter paritätischer Besetzung der Richterbank zu entscheiden. Dabei ist es nicht erforderlich, dass bei einem Rechtsstreit über die Zulassung eines Psychologischen Psychotherapeuten als Vertreter der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten ein Psychologischer Psychotherapeut mitwirkt. Denn sowohl die Vertragsärzte als auch die Psychologischen Pychotherapeuten nehmen gemeinsam an der vertragsärztlichen Versorgung nach dem SGB V teil. Daraus ergibt sich, dass Vertreter beider Berufsgruppen auf einer gemeinsamen Liste der ehrenamtlichen Richter zusammengefaßt werden können und eine berufsspezifische Zuordnung nicht erforderlich ist.

Die Berufung der Beigeladenen zu 8) ist zulässig, aber unbegründet. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffende und ausführliche Begründung im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Aus dem Berufungsvorbringen der Beigeladenen zu 8) ergibt sich keine andere Beurteilung. Soweit die Beigeladene zu 8) darauf verweist, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 22.12.1999 (1 BvR 1657/99) der Teilnahme im Delegationsverfahren einen mit dem Status der Zulassung als Vertragsarzt vergleichbaren Statuscharakter beigemessen hat, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn das Bundesverfassungsgericht hat in dem o.g. Beschluss ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zwischen der Zulassung als Vertragsarzt und der Teilnahme im Delegationsverfahren Unterschiede insoweit bestehen, als die Teilnahme im Delegationsverfahren zwar einen gewissen Statusschutz begründet, der jedoch schwächer ausgeprägt ist als bei der vertragsärztlichen Zulassung. Gerade diese Differenzierung macht deutlich, dass auch bei der Auslegung von § 95 Abs. 7 Satz 4 SGB V eine Differenzierung - wie vom Sozialgericht vorgenommen - erfolgen muß.

Der Senat stimmt der Beigeladenen zu 8) zwar insoweit zu, als die vom Bundesverfassungsgericht (Beschlüsse vom 31.03.1998 - 1 BvR 2167/93 und 2198/93 -) herausgestellten Interessen des Allgemeinwohls beachtlich sind. Für eine Auslegung der streitigen Vorschrift im Lichte dieser vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze ist jedoch nur dann Raum, wenn der Wortlaut der Norm unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte auslegungsfähig und -bedürftig ist. Das ist jedoch nicht der Fall, da - wie das Sozialgericht ausgeführt hat - insbesondere den Materialien zum Psychotherapeutengesetz entnommen werden kann, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der in der Ärzte-ZV und in § 95 Abs. 7 enthaltenen Altersgrenzen keine anderweitige Regelung beschlossen hat.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 183 und 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
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