L 5 SKr 5/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 Kr 131/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 SKr 5/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.01.1997 geändert. Die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der Bescheide vom 04.12.1996 werden abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin (Ast) wendet sich gegen die Vollziehung von Bescheiden, die die Antragsgegnerin (Ag) im Rahmen des Risikostrukturausgleiches (RSA) erlassen hat.

Mit Bescheiden vom 04.12.1996 hat die Ag den Jahresausgleich für 1994 und für 1995 für die Ag und die B. AG Werk R. sowie die BKK C.N. festgestellt. Im Rahmen des RSA besteht bei dem Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1994 unter Berücksichtigung der geleisteten Abschlagszahlungen für die Ast ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 156.259,21 DM, für das Werk R. eine Ausgleichsverpflichtung von 36.788,85 DM und für das Werk N. eine Ausgleichsverpflichtung von 42.134,97 DM. Für den Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1995 belaufen sich die Ausgleichsverpflichtungen für die Ast auf 4.589.976,06 DM, für das Werk R. auf 274.697,25 DM und für das Werk N. auf 387.778,37 DM. Die Ast hat sich mit den oben genannten weiteren Betriebskrankenkassen vereinigt.

Die Ast hat am 17.12.1996 Klage gegen die Bescheide erhoben und zugleich die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide beantragt. Zur Begründung dieses Antrages trägt sie vor, zur Gewährleistung effektiven Rechtschutzes müsse über die im SGG geregelten Fällen hinaus vorläufiger Rechtschutz gewährt werden. Hier seien die angefochtenen Bescheide analog § 80 Abs. 5 VwGO auszusetzen, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden und ihre Vollziehung eine unbillige Härte bedeuten würde. Die Bescheide seien rechtswidrig, denn die Datenbasis für die Durchführung des Jahresausgleichs sei nicht ausreichend sicher. So seien bei der Datenerhebung Stichproben teilweise nicht ordnungsgemäß gebildet worden. Ferner sei bei der Berechnung der Verhältniswerte ein Glättungsverfahren zur Bereinigung der Stichprobenergebnisse auch bei Leistungsausgaben angewandt worden, die in vollen Umfang erhoben worden seien, so daß es zu Inplausibilitäten gekommen sei. Darüber hinaus seien die gemeldeten Versicherungszeiten für Familienversicherte von den Krankenkassen in unterschiedlicher Weise gemeldet worden. Familienversicherte würden von den Krankenkassen nicht einheitlich erfaßt. Die Ag habe die sie treffende Ermittlungspflicht verletzt, sie müsse sicherstellen, daß die Krankenkassen einheitlich verführen. Die Durchführung des Jahresausgleichs sei unzulässig und rechtswidrig, solange die Daten nicht die erforderliche Qualität besäßen. Ferner bedeutet die Vollziehung des Bescheides eine unbillige Härte, da sie nicht über eine ausreichende Liquidität verfüge. Die Zahlungsaufforderung sei völlig überraschend gekommen, aufgrund der vorläufigen Jahresausgleiche habe sich nicht damit rechnen können. Durch die Erhöhung des Beitragssatzes zur Begleichung der Ausgleichsverpflichtungen entstünde den Versicherten und dem Arbeitgeber ein irreparabler Schaden, der aufgrund der Rechtswidrigkeit der Bescheide nicht zu vertreten sei. Außerdem bedeute eine Beitragssatzerhöhung eine Verschlechterung ihrer Position im Wettbewerb, weil nach der Gesetzesnovelle zum 1.GKV-Neuordnungsgesetz (NOG) sich bei bei Beitragssatzerhöhungen die Zuzahlungen der Versicherten erhöhten und diesen ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt werde. Der RSA sei verfassungswidrig, insbesondere begründe er einen verfassungsrechtlich bedenklichen Finanzverbund der Krankenkassen, der an Art. 107 GG vorbei ein neues Finanzausgleichsverfahren begründe.

Die Ag hat vorgetragen, die Ast erleide durch die Vollziehung der Bescheide keine schweren und unzumutbaren Nachteile. Sie könne ihre Liquidität durch ein Darlehen aus der Gesamtrücklage des Landesverbandes, gegebenenfalls auch durch einen kurzfristigen Kassenverstärkungskredit sicherstellen. Mitgliederverlust drohten ihr ernsthaft nicht, weil der Beitragssatz deutlich unter dem bundesdurchschnittlichen Beitragssatz liege. Demgegenüber bedeutet die Aussetzung der Vollziehung eines Belastung für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), da diese die Ausgleichsanprüche der ausgleichsberechtigten Krankenkassen sicherstellen müsse. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Gesamtstichprobe sei ordnungsgemäß gebildet worden. Die Verantwortung für die Ermittlung korrekter Versicherungszeiten treffe in erster Linie die Krankenkassen und ihre Spitzenverbände. Demgegenüber sei es ihre Aufgabe, in erster Linie die übermittelten Daten auf Plausibilität zu überprüfen. Im übrigen habe sie Maßnahmen eingeleitet, um die Erhebung der Familienversicherungszeiten zu verbessern.

Mit Beschluss vom 14.01.1997 hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide vom 04.12.1996 angeordnet. Es hat gemeint, entsprechend § 80 Abs. 5 VwGO genügten bei der Anforderung öffentlicher Abgaben ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide. Die Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der Bescheide angeführt würden, wögen so schwer, daß die Ast eine Vollstreckung bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht hinnehmen müssen. Auch die Ag gehe davon aus, daß abschließend gesicherte Daten für die Durchführung des Jahresausgleichs nicht vorlägen.

Die Ag hat am 28.01.1997 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Sie ist der Auffassung, die Beschwerde sei bei einer analogen Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO nicht nach § 97 Abs. 2 Satz 4 SGG ausgeschlossen. Dies gelte jedenfalls in einem atypischen Fall wie dem vorliegenden, der keinem der in § 97 Abs. 1 SGG geregelten Fälle entspreche. Zur Begründung ihrer Beschwerde wiederholt die Ag im wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.01.1997 aufzuheben und die Anträge der Ast, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide der Ag vom 04.12.1996 anzuordnen, zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Sie meint, die Beschwerde sei nach § 97 Abs. 2 Satz 4 SGG ausgeschlossen. Im übrigen wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und trägt weiter vor, bei Erfüllung der Ausgleichsverpflichtung sei eine Beitragssatzerhöhung erforderlich, durch die ihr Beitragssatz über den bundesdurchschnittlichen Beitragssatz steige.

Das Bundesministerium für Gesundheit ist in einem Schriftsatz vom 03.02.1997 der Auffassung der Ag beigetreten und hat die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide verteidigt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Entgegen der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses und der Auffassung der Ast ist die Beschwerde nicht nach § 92 Abs. 2 Satz 4 SGG ausgeschlossen. § 97 Abs. 2 Satz 4 SGG findet nur in den Fällen Anwendung, in denen das SGG selbst vorläufigen Rechtschutz gegen die Vollziehung eines Verwaltungsakts einräumt. Die Auffassung des LSG für das Saarland (Breithaupt 1992, 696), § 97 Abs. 2 Satz 4 SGG sei ein allgemeines Prinzip zu entnehmen, wonach gerichtlich angeordnete Aussetzungen der Vollziehung für die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens Bestand haben sollten; dieses Prinzip sei auch bei analoger Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO zu beachten, überzeugt nicht. Ein solcher Grundsatz mag innerhalb des vom SGG geregelten Rechtschutzsystems gelten, das aber gerade bei der Heranziehung des § 80 Abs. 5 VwGO verlassen wird. § 172 SGG schließt die Beschwerde nur in den in diesem Gesetz (d. h. im SGG) geregelten Fällen aus. Folglich ist bei Heranziehung des § 80 Abs. 5 VwGO nach der Regel des § 172 SGG ein Beschwerderecht gegeben. Es ist auch widersprüchlich, zwar einerseits über § 97 SGG hinausgehend durch eine analoge Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO auch in anderen, nicht im SGG geregelten Fällen die Vollziehung auszusetzen, gleichzeitig aber in diesen Fällen abweichend von der VwGO ein Beschwerderecht auszuschließen.

Die Beschwerde ist auch begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die angefochtenen Bescheide angeordnet.

Vorläufiger Rechtsschutz kann zur Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auch im sozialgerichtlichen Verfahren über die im SGG enumerativ genannten Fälle hinaus gewährt werden, soweit dies zur Vermeidung schwerer und unzumutbarer Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, erforderlich ist (allgemeine Meinung seit BVerfGE 46, 166, 179). Dies gilt auch, wenn eine Krankenkasse vorläufigen Rechtsschutz verlangt, obwohl sie sich als öffentlich-rechtliche Körperschaft mangels Grundrechtsfähigkeit auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht stützen kann (so BSGE 48, 42, 45 in Fortführung von BVerfGE 39, 302, 312 ff.), soweit ihr im Zusammenhang mit der streitigen Materie eine Rechtsposition eingeräumt ist (vgl. BSGE 59, 122, 128).

Auch wenn man zur Schließung der Lücke im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes in Anfechtungsfällen auf § 80 Abs. 5 VwGO zurückgreift, kommt hier eine Aussetzung der Vollziehung nach den Maßstäben des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht in Betracht. Davon abgesehen, daß schon zweifelhaft ist, ob es sich bei den geforderten Ausgleichsbeträgen überhaupt um eine öffentlich-rechtliche Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO handelt, da der Ausgleichsbetrag nicht der Finanzierung der Aufgaben eines öffentlichen-rechtlichen Hoheitsträgers dient, sondern damit im Rahmen der GKV unter den Krankenkassen auf bestimmten Risikofaktoren beruhende Einnahme- und Ausgabeunterschiede ausgeglichen werden sollen (vgl. § 266 Abs. 1 Sätze 2, 3 SGB V), verbietet sich die Übernahme der zu § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO entwickelten Kriterien schon wegen der Besonderheit des Ausgleichsverfahrens und des mit dem Ausgleichsbetrag verfolgten Zwecks. Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet zu ausgewogenem Rechtsschutz, zu bestmöglicher Wirksamkeit aller in die Abwägung einbezogenen Verfassungsnormen (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnrn. 4 ff.). Gerade im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet dies zur Abwägung der Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Klage aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfG NJW 1992, 3288 zu § 32 BVerfGG). Da die Ast als öffentlich-rechtliche Körperschaft mangels Grundrechtsfähigkeit sich auf Grundrechte nicht berufen kann (BVerfGE 68, 193, 206; 39, 302, 360), kann bei dieser Abwägung nur von den vom Gesetzgeber eingeräumten Rechtspositionen ausgegangen werden, d. h. es ist auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung zu prüfen, welche Interessen der Gesetzgeber berücksichtigt wissen will und welchen er den Vorrang einräumt.

Die Abwägung ergibt, daß nach der gesetzlichen Regelung des RSA eindeutig das Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Bescheide überwiegt.

Mit dem RSA verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, die finanziellen Auswirkungen der unterschiedlichen Risikostrukturen der Krankenkassen auszugleichen und so eine gerechtere Beitragsbelastung der Versicherten zu erreichen und Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Krankenkassen abzubauen (BT-DS 12/36 08 S. 74 f., 117). Als Folge des gegliederten Systems der GKV mit den historisch bedingten Zuständigkeitsabgrenzungen und dem Nebeneinander von Mitgliederzuweisungen und (eng begrenzten) Wahlrechten war es zu erheblichen Beitragssatzunterschieden gekommen (zur Zeit der Beratung des GSG mit einer Spanne von 8 % bis 16,8 %, vgl. a.a.O.). Wenn auch gewisse Beitragssatzunterschiede innerhalb des gegliederten Systems hinzunehmen sind, begegnen hohe Differenzen unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) Bedenken, da die Leistungen der Krankenkassen im wesentlichen gleich sind und daher unangemessene Beitragssatzunterschiede sachlich nicht gerechtfertigt sind (so ausdrücklich BVerfGE 89, 365, 377 f.). Der Gesetzgeber ist daher verpflichtet, Beitragssatzunterschiede zu begrenzen (a.a.O., S. 379). Mit der Einräumung eines freien Kassenwahlrechts der Versicherten (§ 173 Abs. 1 SGB V i.d.F. des GSG) und der weitgehenden Aufhebung von Zuständigkeitsbeschränkungen (insbesondere durch Öffnung der Ersatzkassen, § 168 Abs. 2 SGB V) hat der Gesetzgeber auf die verfassungsrechtlich bedenklichen Beitragssatzunterschiede reagiert und den Versicherten die Möglichkeit gegeben, sich einer ungleichen Belastung durch Wahl einer anderen Krankenkasse zu entziehen. Vor dem Hintergrund der historisch gewachsenen Struktur der GKV, die vor allem bei den Ortskranken kassen aufgrund deren Funktion als Basisversicherung (§ 234 Abs. 1 RVO; § 173 Abs. 1 SGB V in der bis 31.12.1992 geltenden Fassung) zu einer Konzentration von Versicherten mit geringem Einkommen und ungünstiger Morbiditätsstruktur geführt hatte (vgl. etwa Gutschow/Reichelt/Schönhofen, DOK 1993, 73 f.), hat der Gesetzgeber aber gleichzeitig mit einem kassenartenübergreifenden Risikostrukturausgleich die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden in der Verteilung von Versicherungsrisiken ausgleichen wollen, wobei allerdings nur bestimmte Risikofaktoren berücksichtigt werden (vgl. § 266 Abs. 1 Sätze 2, 3 SGB V). Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich betont, ein Übergangszeitraum zwischen der Einführung des RSA und dem Beginn der Wahlfreiheit sei unabdingbar, um eine größtmögliche Chancengleichheit zwischen allen Krankenkassen herzustellen; erst nach Durchführung des RSA seien gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Krankenkassen vorhanden (BT-DS 12/36 08, S. 74).

Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung des RSA besteht ein überragendes Interesse an der zeitgerechten Durchführung des Ausgleichsverfahrens. Der RSA ist darauf angelegt, daß den ausgleichsberechtigten Krankenkassen rechtzeitig die Mittel zum Ausgleich der durch die Risikofaktoren bedingten Mehrausgaben zur Verfügung gestellt werden. § 266 Abs. 1 SGB V sieht vor, daß jährlich ein RSA durchgeführt wird. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist die Formulierung so zu verstehen, daß in jedem Kalenderjahr ein Ausgleichsverfahren durchzuführen ist. Das wird durch die weiteren gesetzlichen Regelungen bestätigt. Gemäß § 266 Abs. 6 SGB V sind auf der Basis der vorläufigen Werte monatliche Ausgleichszahlungen zu erbringen (Sätze 1, 2 a.a.O.), die als Abschlagszahlungen gelten (Satz 3 a.a.O.). Die Ag hat nach Ablauf eines Kalenderjahres Beitragsbedarf und Finanzkraft der Krankenkassen zu ermitteln und auf deren Grundlage die Abschlagszahlungen mit den endgültig zu leistenden Zahlungen auszugleichen (Sätze 4, 5 a.a.O.). Das Gesetz sieht also vor, daß nach jedem Kalenderjahr ein endgültiger Ausgleich erfolgt. Vollends eindeutig wird die Verpflichtung, das jeweils abgelaufene Kalenderjahr abzurechnen, in § 19 Abs. 1 Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) geregelt.

Da der Ausgleich sich ausschließlich zwischen den Krankenkassen vollzieht, muß zur Erfüllung der Ansprüche der ausgleichsberechtigten Krankenkassen sichergestellt werden, daß die ausgleichsverpflichteten Krankenkassen ihren Verpflichtungen zeitgerecht nachkommen. Die BfA fungiert nur als Zahlstelle, ihre Belastung durch eine Verzögerung von Zahlungen wären unzumutbar. § 19 Abs. 4 RSAV (i.d.F. der 1.Änderungsverordnung vom 17.06.1996, BGBl. I, 1024) sieht daher vor, daß bei Nichterfüllung von Verpflichtungen der Fehlbetrag bei den monatlichen Ausgleichszahlungen berücksichtigt werden kann. Eine Aussetzung der Vollziehung ginge also unmittelbar zu Lasten der anderen Krankenkassen, deren monatliche Belastung sich dadurch erhöhen würde. Der zügigen und zeitnahen Durchführung des RSA dienen auch die Regelungen in § 266 Abs. 6 Satz 7 SGB V und § 3 Abs. 5 RSAV, wonach Fehler in den Berechnungsgrundlagen oder Korrekturen der Versicherungszeiten, die nach der Ermittlung des Beitragsbedarfs und der Finanzkraft festgestellt werden, erst bei dem nächsten Jahresausgleich zu berücksichtigen sind. Das Gesetz verpflichtet also zur Durchführung des Ausgleichsverfahren, auch wenn die Möglichkeit besteht, daß später Korrekturen anzubringen sind. Aus der gesetzlichen Regelung wird deutlich, daß nach dem Willen des Gesetzgebers das Ausgleichsverfahren ohne Verzögerung abgewickelt werden soll.

Demgegenüber ist nicht zu erkennen, daß bei sofortiger Vollziehung der angefochtenen Bescheide Rechtspositionen der Ast beeinträchtigt würden oder ihr schwere und unzumutbare Nachteile drohten.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den RSA bestehen bei summarischer Prüfung nicht. Da durch den RSA nicht alle Risikofaktoren ausgeglichen werden, insbesondere die auf regionalen Besonderheiten beruhenden Belastungen außer Betracht bleiben sollen (vgl. BT-DS 12/36 08, S. 117), ist der Vorwurf der "Zielungenauigkeit" unbegründet, denn es ist nicht das Ziel des Gesetzgebers, alle ungleichen Belastungsfaktoren auszugleichen. Im übrigen könnte insoweit eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes allenfalls dann bejaht werden, wenn der RSA schlechthin ungeeignet wäre, die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele zu erreichen. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall. Der Ag bzw. das BMG haben vorgetragen, daß der RSA schon dazu geführt hat, daß sich die Zahl der Krankenkassenmitglieder, die von größeren Abweichungen vom durchschnittlichen Beitragssatz betroffen sind, erheblich reduziert hat und daß ohne die Ausgleichszahlungen einzelne Krankenkassen einen Beitragssatz von über 20 % erheben müßten. Im übrigen hat der Gesetzgeber zum Ausgleich regionaler Belastungsfaktoren in §§ 265, 265 a SGB V Instrumente für einen kassenartinternen Ausgleich vorgesehen. Vor allem erscheint vor dem Hintergrund, daß die Krankenkassen nicht grundrechtsfähig sind und die gegenwärtige Struktur des Krankenversicherungssystems keinen verfassungsrechtlichen Bestandsschutz genießt,so daß der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert wäre, sämtliche Träger der Krankenversicherung in einem Bundesamt für Krankenversicherung zusammenzufassen (BVerfGE 89, 365, 377; 39, 302, 315) zweifelhaft, inwieweit es verfassungsrechtliche Grenzen für den Gesetzgeber bei einer Lastenverteilung innerhalb des Krankenversicherungssystems gibt. Jedenfalls solange er nur systemimmanente Belastungen (neu) verteilt und sich innerhalb der Grundsätze des Systems bewegt, dürften für ihn keine aus dem Rechtsstaatsprinzip oder dem Sozialstaatsprinzip folgende Schranken bestehen. Daß der RSA in diesem Sinne Lasten innerhalb des gegliederten Systems umverteilen und zu mehr Wettbewerbsgerechtigkeit führen will, ergibt sich aus den obigen Ausführungen.

Die in der Literatur geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den RSA, weil er entgegen der abschließenden Regelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs in Art. 107 Abs. 2 GG neue Finanzausgleichsmaßnahmen zwischen dem Bund und den Ländern eröffne ( so Kirchhof, in Schulin, HS-KV, § 53 Rn. 48 ) teilt der Senat nicht. Art. 107 Abs.1 GG regelt im Zusammenhang mit der Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat den auf die einzelnen Länder entfallenden Anteil ("horizontale Verteilung", vgl. BVerfGE 72, 330, 384). Der Finanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 GG dient der Korrektur der Ergebnisse dieser primären Steuerverteilung (BVerfGE 86, 148, 214). Der sekundäre horizontale Finanzausgleich befaßt sich nur mit dem Ausgleich der Finanzkraft der Länder und Gemeinden, er soll die Ausgewogenheit der allgemeinen Haushalte dieser Gebietskörperschaften sicherstellen. Eine abschließende Regelung ist der Finanzausgleich nur für die Umverteilung der den Ländern nach Art. 107 Abs.1 GG zugewiesenen Finanzmassen ( vgl. Vogel/Kirchhof, in Bonner Komm. (Zweitbearb.), Art. 107 Rdnr. 145). Die Krankenkasen haben aber als Sozialversicherungsträger einen vom Bund oder dem Land völlig getrennten Haushalt (§§ 67 ff SGB IV ),die Deckung ihres Finanzbedarfs erfolgt grundsätzlich durch die Sozialversicherungsbeiträge ihrer Mitglieder nach Maßgabe der Sozialversicherungsgesetze (hier § 220 Abs. 1 SGB V ). Von daher ist angesichts dieser getrennten Haushalte und des auf die Umverteilung der Finanzmassen nach Art. 107 Abs.1 GG beschränkten Regelungsgehaltes des Art. 107 Abs.2 GG nicht ersichtlich, inwiefern der RSA nicht mit Art. 107 Abs. 2 GG vereinbar sein soll (vgl. a. S. Weber, Die Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung, 1995, S. 225 ff, 241).

Ebensowenig ist bei summarischer Prüfung ein Verstoß gegen EG-Recht, insbesondere gegen das Verbot staatlicher Beihilfen (Art. 92 Abs. 1 EG-Vertrag) erkennbar. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes liegt eine verbotene Beihilfe bei teilweiser Befreiung von den Soziallasten dann vor, wenn Unternehmen teilweise von den finanziellen Lasten freigestellt werden sollen, die sich aus der normalen Anwendung des allgemeinen Sozialversicherungssystems ergeben, ohne daß diese Befreiung durch die Natur oder den inneren Aufbau dieses Systems gerechtfertigt ist (EuGH, Urteil vom 02.07.1974, Rs. 173/73, Slg. 1974, 709, 719). Wieso in dem Ausgleich auf bestimmten Risikofaktoren beruhender Belastungen eine in diesem Sinne verbotene Beihilfe liegen soll, weil damit ein gewisser Kreis von Arbeitgebern (der überhaupt nicht feststeht oder bestimmbar ist) "entlastet" wird, ist nicht verständlich. Der RSA ist ein integraler Teil des deutschen Krankenversicherungssystems, Be- und Entlastungen von Unternehmen, die sich aus dem RSA ergeben, beruhen auf der normalen Anwendung des allgemeinen Sozialversicherungssystems. Eher würde sich die Frage stellen, ob nicht der frühere Rechtszustand in diesem Sinne gemeinschaftswidrig war, denn Unternehmen, die die Möglichkeit hatten, eine BKK mit günstiger Risikostruktur zu gründen, waren bevorteilt gegenüber den Unternehmen, die diese Möglichkeit nicht hatten und deren Arbeitnehmer in Ortskrankenkassen mit aufgrund der BKK-Gründung weiter verschlechterter Risikostruktur bleiben mußten.

Es kann dahinstehen, ob die Aussetzung der Vollziehung geboten wäre, wenn die angefochtenen Bescheide offensichtlich rechtswidrig wären, wie der 16. Senat des LSG NRW im Beschluss vom 24.02.1997 (L 16 SKr 6/97) im Anschluß an eine Entscheidung des 12. Senats des LSG NRW vom 12.10.1995 (L 12 SAr 82/95) gemeint hat. Denn bei summarischer Prüfung läßt sich eine offenkundige Rechtswidrigkeit der Bescheide nicht feststellen.

Daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheide, insbesondere für den Jahresausgleich 1994 vorliegen (§§ 19 Abs. 1, 25 Abs. 2 Satz 2 RSAV), wird auch von der Ast nicht bezweifelt. Soweit sie geltend macht, wegen der nach wie vor unsicheren und aus ihrer Sicht fragwürdigen Datengrundlage habe die Ag die Jahresausgleiche noch nicht durchführen dürfen, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß - wie oben dargelegt - der RSA jährlich durchzuführen ist. Damit wäre eine Verschiebung bis zum - nicht absehbaren - Erreichen einer optimalen Datengrundlage nicht zu vereinbaren. Der Gesetzgeber hat auch offenbar in Kauf genommen, daß der RSA auf einer verbesserungswürdigen Datengrundlage erfolgt. Bereits im Gesetzgebungsverfahren ist von den Sachverständigen auf die Datenlage hingewiesen worden (s. Protokoll der 39. Sitzung des 15. Ausschusses vom 24.09.1992). Der Gesetzgeber hat gleichwohl den RSA bereits ab 1994 angeordnet, freilich zugleich mit der Verpflichtung der Krankenkassen zur Erhebung der erforderlichen Daten (§ 267 Abs. 1 bis 3 SGB V). Es dürfte aber absehbar gewesen sein, daß innerhalb kurzer Zeit eine völlig geklärte Datenlage nicht zu erreichen war und daß insbesondere das Stichprobenverfahren (§ 267 Abs. 3 Satz 3 SGB V) sich erst in der Praxis bewähren und ggfs. verbessert werden mußte. Aus der Begründung der 1. Änderungs-VO ergibt sich zweifelsfrei, daß die Durchführung des Jahresausgleichs nicht vom Vorliegen einer abschließend geklärten Datengrundlage abhängig sein soll. In der Begründung zur Änderung des § 3 Abs. 4 RSAV wird zu dessen S. 5 der Neufassung ausgeführt, die Durchführung des Jahresausgleichs solle auch bei Störungen im Datenerhebungsbereich gewährleistet werden (BR-DS 403/96, S. 12). Und zur Neufassung des § 5 Abs. 3 RSAV wird festgestellt, daß angesichts der Vielzahl von beteiligten Krankenkassen und unterschiedlichen Leistungserbringern bei der Erhebung der Leistungsausgaben Unvollständigkeiten und Fehler nicht auszuschließen seien. Insoweit würden Instrumente zur Verbesserung der Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung der Verhältniswerte geschaffen. Mit der Vorschrift werde sichergestellt, daß der RSA auch bei Störungen im Datenerhebungsbereich durchgeführt werden könne und auf der Grundlage der jeweils bestmöglichen verfügbaren Datenquellen zu vertretbaren Ergebnissen führe ( a.a.O, S. 13 f). Daß die Rechtmäßigkeit des RSA nicht von der absoluten Richtigkeit aller zugrundeliegenden Daten abhängt, ergibt sich schließlich auch aus § 266 Abs. 6 Satz 7 SGB V bzw. § 3 Abs. 5 RSAV. Tatsächlich wäre der RSA auch nicht durchzuführen, wenn erst sicher feststehen müßte, daß bei der Datenerhebung keine Fehler unterlaufen sind.

Gleichzeitig spricht gegen die von der Ast geforderte Verschiebung des Jahresausgleiches, daß überhaupt nicht absehbar ist, in welchem Umfang unter Umständen Fehler bei der Datenerhebung unterlaufen sind bzw. inwieweit die Stichprobenergebnisse unplausibel sind. Es kann auch nicht ansatzweise konkretisiert werden, ob und inwieweit evtl. Fehler sich bei der Berechnung der Ausgleichsbeträge auswirken und welche Alternativen es für die "richtige" Berechnung der Jahresausgleiche gibt. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben - bei allen Bedenken gegen die Ergebnisse der Stichprobe - der Ermittlung des Jahresausgleichs auf dieser Grundlage wohl letztlich zugestimmt (s. Schreiben des Präsidenten der Ag vom 08.11.1996 an die Techniker Krankenkasse). Soweit insbesondere die Familienversicherten-Statistik angesprochen wird, ist festzustellen, daß sich aus der Tatsache, daß Krankenkassen entgegen den Vorgaben keine Grundbereinigung ihres Bestandes vorgenommen haben und für die Aufrechterhaltung der Familienversicherung nicht die geforderten Belege verlangen, nicht von vornherein ergibt, daß damit ihre Statistik unrichtig wäre. Für die Ast kann im übrigen allenfalls eine vorübergehende Belastung entstehen. Nachträglich erkannte Fehler werden bei der Ermittlung des nächsten Ausgleichsverfahrens berücksichtigt (§ 266 Abs. 6 Satz 7 SGB V, § 3 Abs. 5 RSAV), und speziell für die Jahresausgleiche 1994 und 1995 hat der Gesetzgeber in § 25 Abs. 3 RSAV ausdrücklich auch die Möglichkeit einer Korrektur im Jahresausgleichsverfahren für 1996 vorgesehen. Davon abgesehen, daß nicht abschätzbar ist, ob die Ast tatsächlich zu Unrecht belastet wird, ist aufgrund der genannten Regelung sichergestellt, daß sie unabhängig von Dauer und Ausgang des Hauptsacheverfahrens eine ungerechtfertigte Belastung allenfalls vorübergehend zu tragen hätte. Angesichts des gesetzgeberischen Willens, den RSA jährlich durchzuführen, muß sie diese Belastung hinnehmen. Der Ast drohen nämlich aufgrund einer vorübergehenden Zahlung der Ausgleichssumme keine gravierenden Nachteile. Dabei kann zunächst schon nicht die gesamte geforderte Summe, sondern nur der auf den RSA entfallende Teil von 91.190,67 DM (Ausgleichsbetrag 1995 124.172,63 DM - "Guthaben" für 1994 32.981,96 DM) berücksichtigt werden, denn gegen den KVdR-Ausgleich wendet sich die Ast nicht mehr. Eine evtl. notwendige Beitragssatzerhöhung ist insoweit unbeachtlich. Unabhängig davon, ob der Beitragssatz der Ast nach einer Erhöhung unter dem bundesdurchschnittlichen Beitragssatz liegt oder ihn übersteigt, kann angesichts der dargelegten gesetzlichen Reglung des RSA eine Beitragssatzerhöhung nicht als unzumutbarer Nachteil gewertet werden, der Gesetzgeber hat dies vielmehr im Interesse eines Ausgleichs innerhalb des Krankenversicherungssystems in Kauf genommen. Im übrigen sind insoweit allenfalls Spekulationen über Mitgliederverluste möglich, denn Kündigungen sind erst zum Ende eines Kalenderjahres möglich ( § 175 Abs.4 S.2 SGB V ), so daß kurzfristige Mitgliederverluste nicht zu besorgen sind, die weitere Beitragssatzentwicklung in der GKV ist ohnehin nicht absehbar. Eine aufgrund des RSA vorgenommene Beitragssatzerhöhung wird auch nach dem gegenwärtigen Stand der Beratung des 1. GKV-NOG weder zur Erhöhung der Zuzahlung der Versicherten führen, noch ein außerordentliches Kündigungsrecht begründen (vgl. die Anträge der Koaliationsfraktionen zu Art. 1 Nrn. 1, 2, BT-DS 13/5724). Was die Aufrechterhaltung der Liquidität anbelangt, kann dahinstehen, ob die Ast insoweit berechtigt wäre, einen Kredit aufzunehmen. Zwar mag nach § 220 Abs. 1 SGB V grundsätzlich eine Finanzierung von Leistungen auf Dauer unzulässig sein. Ob dies auch für einen kurzfristigen Kredit zur Überbrückung eines Liquiditätsengpasses gilt, erscheint zweifelhaft; die Ag hat darauf hingewiesen, daß in der Literatur sog. Kassenverstärkungskredite haushaltsrechtlich für unbedenklich gehalten werden. Darüber hinaus ist ein Darlehen aus der Gesamtrücklage des Landesverbandes in jedem Falle möglich (§ 220 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Ast hat nicht dargetan, daß keine Mittel des Landesverbandes vorhanden sind. Vor allem hätte die Ast Vorsorge für die Ausgleichszahlungen treffen können. Die für die Berechnung maßgeblichen Verhältniswerte waren bereits im Oktober 1996 bekanntgegeben worden, so daß die Ast - ebenso wie die anderen Krankenkassen - die sie treffende Belastung hätte absehen können (vgl. Glanz/Rogalski, BKK 1997, 65). Eine dringend notwendige Beitragssatzerhöhung hätte der Vorstand kurzfristig beschließen können (§ 220 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Der Einwand der Ast, sie habe die Stichhaltigkeit der Daten nicht überprüfen und sich daher nicht auf die Zahlung einrichten können, geht an der Sache vorbei, denn es geht hier nur darum, daß sie wußte, von welchen Werten die Ag ausgehen und in welcher Höhe sie danach einer Ausgleichsverpflichtung treffen werde. Wenn die Ag gleichwohl untätig geblieben ist - sei es, weil sie den RSA insgesamt ablehnt, sei es, weil sie die Datengrundlage nicht für tragfähig hält - kann sie jetzt nicht damit gehört werden, sie habe für die auf sie zukommende Belastung nicht Vorsorge treffen können.

Es ist auch nicht offenkundig, daß die Ag ihre Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts verletzt hätte, so daß die Bescheide deshalb offensichtlich rechtswidrig wären. Es spricht bei summarischer Prüfung mehr dafür, daß es vorrangige Aufgabe der Krankenkassen bzw. ihrer Spitzenverbände ist, die erforderlichen Daten zu erheben und in diesem Zusammenhang die notwendigen Einzelheiten festzulegen. Die Krankenkassen haben die in § 267 Abs. 1 bis 3 SGB V im einzelnen genannten Daten zu erheben und diese über ihre Spitzenverbände dem BMG vorzulegen (§ 267 Abs. 4 SGB V). Die Spitzenverbände sind nach § 267 Abs. 7 SGB V verpflichtet, Vereinbarungen über einzelne Fragen zur Datenerhebung abzuschließen, erst wenn sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, kann der BMG die erforderlichen Regelungen treffen. Der Vorrang der Krankenkassen wird auch im RSAV deutlich. So haben die Spitzenverbände die von den Krankenkassen ermittelten Daten auf Vollständigkeit und Plausibilität zu überpüfen (§ 3 Abs. 4 RSAV), wobei die Verlängerung der Überprüfungsfrist von zwei auf vier Wochen durch die 1. Änderungs-Verordnung zeigt, daß diese Prüfung gründlich sein soll und Fehler bereinigt werden sollen. Gemeinsame Vorschläge der Spitzenverbände zur Verbesserung der Stichprobenergebnisse (§ 5 Abs. 3 Satz 3 RSAV) oder zur Korrektur der Jahresausgleiche 1994 und 1995 (§ 25 Abs. 3 Satz 2 RSAV) sind von der Ag zu berücksichtigen. Aufgabe der Ag ist demgegenüber, auf der Grundlage der ermittelten Daten, die sie ebenfalls auf Plausibilität zu überprüfen hat (wobei nach § 3 Abs. 4 Satz 5 RSAV nur bei "erheblichen" Fehlern andere Werte zu berücksichtigen sind), die erforderlichen Berechnungen vorzunehmen (vgl. auch BT-DS 12/39 37, S. 9).

Ob aus § 266 Abs. 5 Satz 3 SGB V eine weitergehende Pflicht der Ag folgt, Daten von Amts wegen auf Validität zu überprüfen, erscheint zweifelhaft. Zum einen werden die Auskunftsrechte nur zum Zwecke der "Zuordnung und Erfassung" (also nicht zur Erhebung und Kontrolle) eingeräumt, zum anderen hätte es dieser Regelung nicht bedurft, wenn tatsächlich die Ag die umfassende Amtsermittlungspflicht nach § 20 SGB X treffen würde, da die Mittel zur Sachverhaltsaufklärung sich bereits aus § 21 SGB X ergeben. Wenn die Krankenkassen ihren Verpflichtungen, Daten vollständig und korrekt zu erheben nicht nachkommen oder Vereinbarungen der Spitzenverbände oder Vorgaben des BMG nicht beachten, ist es eher Aufgabe der Aufsichtsbehörden, auf die Einhaltung von Gesetz und "sonstigem Recht" zu dringen (§ 87 Abs. 2 Satz 2 SGB IV). Die Ag wäre überfordert, würde man von ihr verlangen, selbst alle Ermittlungen vorzunehmen. Wieweit die Ag im einzelnen zur Überprüfung und Sachverhaltsaufklärung verpflichtet ist, kann im Rahmen dieses Verfahrens dahinstehen, denn sie hat Maßnahmen in die Wege geleitet, um die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen und die Validität der Daten zu gewährleisten. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide wegen mangelnden Bemühens der Ag um Sachverhaltsaufklärung kann daher nicht festgestellt werden. Daß der Umstand, daß die Überprüfung noch nicht abgeschlossen ist, nicht zur Verschiebung des Ausgleichs zwingt, ist bereits oben dargelegt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Da sich die Entscheidung gegen eine Bundesoberbehörde richtet, ist § 193 Abs. 4 Satz 2 SGG nicht einschlägig, denn ein Fall des § 116 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BRAGO liegt nicht vor und in Nr. 4 a.a.O. werden lediglich oberste Bundesbehörden genannt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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