L 5 KR 63/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 8/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 63/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 16/00 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 01.07.1998 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung von Behandlungskosten.

Die Klägerin ist freiwilliges Mitglied der Beklagten. Sie hielt sich vom 30.11. bis 06.12.1997 in der Klinik Z ..., B ...auf. Der Leitende Arzt Dr. Z ...ist nicht als Vertragsarzt zugelassen, die Einrichtung verfügt auch weder über einen Versorgungsvertrag als Krankenhaus noch als Rehabilitationseinrichtung. In der Klinik wird eine "Therapie nach Dr. F.X. Mayr" durchgeführt. Im Vordergrund dieser Therapie steht die Darmentgiftung und -entschlackung und -reinigung. Ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung ist die sogenannte Colon-Hydro-Therapie (im Folgenden: CHT). Dabei handelt es sich um eine Spülung des Dickdarms mit Wasser unterschiedlicher Temperatur, wobei Wassereinlauf wie -ablauf über ein spezielles Gerät gesteuert werden. Daneben wurde eine "Organbehandlung" (Massage im extramuskulären Bereich) sowie Massagen und Lymphdrainage durchgeführt. Nach Darstellung der Klinik ergänzen sich diese verschiedenen Maßnahmen gegenseitig.

Mit Schreiben vom 08.12.1997 beantragte die Klägerin die Erstattung der angefallenen Kosten (insgesamt rund 3.300,-- DM) und die Unterstützung der Beklagten bei weiteren Behandlungen. Sie führte aus, sie leide seit Jahren an Migräne und Allergie und versuche, ihr geschwächtes Immunsystem in den Griff zu bekommen. Im Sommer sei wieder ein malignes Melanom aufgetreten, das sich nach Behandlung zurückgebildet habe. Im Rahmen eines privaten Kururlaubes habe sie durch einen Vortrag von Dr. Z ... die Therapie nach Dr. Mayr kennengelernt. Dr. Z ... habe ihr eine Mindestbehandlung von vier Wochen empfohlen. Da sie aus persönlichen und familiären Gründen zur Zeit nicht so lange von zu Hause fort könne, sehe der Therapieplan nunmehr vor, daß nach der stationären Behandlung vom 30.11. bis 06.12.1997 eine weitere stationäre Behandlung vom 08.02. bis 21.02.1998 in der Klinik stattfinden solle. Sie bitte um Unterstützung der Beklagten bei ihrem Bemühen, eine Verschlimmerung ihrer Erkrankung zu verhindern.

Mit Bescheid vom 12.12.1997 und Widerspruchsbescheid vom 16.02.1998 lehnte die Beklagte eine Leistungsgewährung ab. Die gewünschte Behandlung stehe im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht zur Verfügung. Eine Kostenübernahme oder -beteiligung scheide auch aus, weil die Klinik nicht über einen Versorgungsvertrag verfüge und es sich bei Dr. Z ... nicht um einen Vertragsarzt handele.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin eine "Bezuschussung" der Behandlung ab Kenntniserlangung der Beklagten verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, zumindest für freiwillig Versicherte sei die Beschränkung auf Vertragsärzte willkürlich im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG. Ein "priviligiertes" freiwilliges Mitglied der Krankenkasse könne auch im Lichte des Art. 2 Abs. 1 GG nicht gehindert sein, eine umstrittene Behandlung in Anspruch zu nehmen. Es habe sich in ihrem Fall um einen Notfall gehandelt. Insoweit reiche es aus, wenn nur aus Sicht des Versicherten objektiv ein medizinischer Notfall gegeben sei und zugleich auf eine Behandlung durch Kassenärzte verzichtet werde. Da die Methode von Dr. Z ... von zugelassenen Ärzten nicht erbracht werde, könne sie die Leistung im System der GKV nicht erhalten.

Vom 10. bis 20.02.1998 hat sich die Klägerin erneut in der Klinik Z ... aufgehalten, hierfür sind (einschließlich der Kosten der Unterbringung) Kosten in Höhe von rund 6.300,-- DM angefallen. Mit Schreiben vom 21.05.1998 teilte die Klägerin der Beklagten ferner mit, daß eine Weiterbehandlung in der Klinik vom 15. bis 19.07.1998 beabsichtigt sei. Ihr Gesundheitszustand habe sich durch die bisherigen Behandlungen wesentlich gebessert.

Mit Gerichtsbescheid vom 01.07.1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Da der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen die CHT durch Beschluss vom 24.04.1998 in die Anlage B der "Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und über die Überprüfung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen" (Fassung ab 01.01.1998 - im Folgenden: Richtlinien) aufgenommen habe, sei die Ablehnung der Leistungsgewährung nicht rechtswidrig. Unabhängig von der Empfehlung des Bundesausschusses bestehe kein Leistungsanspruch, da die Wirksamkeit der Methode wissenschaftlich nicht nachgewiesen sei.

Im Berufungsverfahren rügt die Klägerin, ihr Vortrag sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Dem Bundesausschuß fehle die Fachkompetenz bezüglich der Beurteilung der CHT. Die Richtlinien hätten nicht die Qualität von Rechtsnormen. Außerdem sei der Beschluss erst am 24.04.1998 ergangen und könne daher für die Behandlung im Februar 1998 nicht verbindlich sein.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 01.07.1998 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 12.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.1998 zu verurteilen, die Kosten der stationären Behandlung vom 10. bis 20.02.1998 und vom 05. bis 19.07.1998 in der Klinik Z ... zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend, eine Kostenerstattung sei wegen der Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nicht möglich.

Der Senat hat im Berufungsverfahren von Dr. Z ... einen Befundbericht eingeholt; insoweit wird auf Bl. 107 bis 109 der Gerichtsakte Bezug genommen. Ferner ist vom Beigeladenen eine Auskunft zu seiner Entscheidung über die Aufnahme der CHT in die Anlage B der Richtlinien eingeholt worden; insoweit wird auf die Auskunft vom 21.12.1998 nebst Anlagen verwiesen. Ferner sind zur Stellung der CHT als Therapieverfahren Auskünfte der Bundesärztekammer sowie des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren eingeholt worden; insoweit wird auf die Auskünfte vom 12.04.1999 bzw. 28.05.1999 Bezug genommen. Außerdem hat der Senat Unterlagen des Beigeladenen von dessen Sitzung vom 20.05.1999 beigezogen, in der er sich mit den etablierten Methoden des medizinischen Erkenntnisgewinns unter Einschluß besonderer Gesichtspunkte der Komplementärmedizin befaßt hat. Insoweit wird auf Bl. 349 bis 404 GA verwiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Behandlungskosten.

Soweit das Sozialgericht auch über den Behandlungsabschnitt vom 30.11. bis 06.12.1997 entschieden hat, hat es nicht beachtet, daß die Klägerin nach der ausdrücklichen Formulierung ihres schriftsätzlichen Klageantrages zu 1) (Schriftsatz vom 03.03.1998) den Bescheid vom 12.12.1997 nur insoweit angefochten hat, als die "Bezuschussung" ab Kenntniserlangung von der Behandlungsmethode abgelehnt worden war. Da die Klägerin erst mit Schreiben vom 08.12.1997 die Kostenerstattung bzw. "Unterstützung" für die erwähnten weiteren Behandlungsabschnitte in der Klinik Z ... beantragt hat, bezog sich ihr erstinstanzlicher Antrag von vorn herein nicht auf den Behandlungsabschnitt vom 30.11. bis 06.12.1997. Dies hat der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung auch klargestellt.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Behandlung vom 05. bis 19.07.1998 in seine Entscheidung mit einbezogen. Mit dem Bescheid vom 12.12.1997 hat die Beklagte nicht nur die Kostenerstattung für die durchgeführte Behandlung in der Klinik, sondern grundsätzlich die Leistungsgewährung für die erwähnten weiteren Behandlungsabschnitte abgelehnt. Sie hat ausdrücklich ausgeführt, die fragliche Behandlung stehe im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht zur Verfügung. Ihre Ablehnung bezog sich somit nicht nur auf den im Schreiben vom 08.12.1997 ausdrücklich erwähnten Behandlungsabschnitt im Februar 1998, sondern auch auf weitere Behandlungen in der Klinik Z ..., zumal die Klägerin von einer Mindestbehandlungsdauer von 4 Wochen berichtete. Im übrigen hat die Beklagte im Schriftsatz vom 10.06.1998 hinsichtlich des von der Klägerin mit Schreiben vom 21.05.1998 beantragten weiteren Behandlungsabschnitts ausgeführt, hinsichtlich der geplanten Fortsetzungsbehandlung hätten sich keine neuen Aspekte ergeben, die eine positive Entscheidung ermöglichen würden; sie bitte das Gericht, den Klinikaufenthalt in dem angekündigten Gerichtsbescheid "mit abzuhandeln". Somit wäre jedenfalls in dem Schriftsatz vom 10.06.1998 ein ablehnender Bescheid hinsichtlich des Behandlungsabschnittes vom 05. bis 19.07.1998 zu sehen, der in entsprechender Anwendung des § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden wäre.

Die verlangte Kostenerstattung kann sich nur aus § 13 Abs. 3 SGB V ergeben, da mangels Zulassung als Vertragsarzt bzw. Versorgungsvertrag weder der Leitende Arzt Dr. Z ... noch die Klinik zu den Leistungserbringern im Sinne des 4. Kapitels zählen, die im Wege der Kostenerstattung in Anspruch genommen werden können, so daß § 13 Abs. 2 SGB V (in der vom 01.07.1997 bis 31.12.1998 geltenden Fassung des 2. GKV-NOG vom 23.06.1997 (BGBl. I, 1520) geltenden Fassung) nicht eingreift. Den Einwand der Klägerin, für freiwillige Mitglieder sei eine Beschränkung auf zugelassene Leistungserbringer verfassungswidrig, kann der Senat nicht nachvollziehen. Es gibt keinen sachlichen Grund, die freiwilligen Mitglieder in der GKV insoweit anders zu behandeln als Pflichtversicherte.

Die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 3 SGB V liegen nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob - wie die Klägerin meint - ein medizinischer Notfall im Sinne der 1. Alternative der Vorschrift vorgelegen hat oder ob das Eingreifen der 2. Alternative bereits daran scheitert, daß die streitigen Behandlungsabschnitte nach der eigenen Darstellung der Klägerin Teil einer Gesamtbehandlung waren, mit der sie bereits vor Beantragung der Leistung begonnen hatte, so daß es an der von § 13 Abs. 3 SGB V vorausgesetzten Kausalität zwischen der rechtswidrigen Ablehnung der Leistung und der Entstehung von Kosten fehlen könnte (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 15). Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V kommt nach beiden Alternativen nur in Betracht, wenn die selbstbeschaffte Leistung grundsätzlich ihrer Art nach zu den Leistungen zählt, die die Krankenkasse als Sachleistung zu erbringen hat (vgl. BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 11 S. 51f; SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 10f). Daran fehlt es hier, die in der Klinik Z ... durchgeführte Therapie zählt nicht zu den von der Beklagten geschuldeten Leistungen.

Bei dieser Prüfung ist von dem therapeutischen Gesamtkonzept der angewandten Behandlung auszugehen und nicht auf deren einzelnen Elemente abzustellen (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 11). Aus dem Bericht der Klinik Z ... vom 31.10.1998 ergibt sich, daß die gesamten durchgeführten medizinischen Maßnahmen als einheitliche, unteilbare Leistung zu sehen sind. In dem Bericht werden die therapeutischen Maßnahmen wie Darmreinigung, Diätetik, "Organbehandlungen" sowie Massagen genannt und betont, die Maßnahmen ergänzten sich gegenseitig. Schonung, Reinigung und Schulung des Verdauungssystems werden als "Pfeiler" der ganzheitlichen Behandlung bezeichnet. Dabei ist die Darmreinigung mittels CHT von wesentlicher Bedeutung innerhalb dieses Gesamtkonzeptes, wie nicht nur dem Bericht der Klinik, der ausdrücklich auf einen Gutachtenauszug zur Darmspülung verweist, sondern auch den zahlreichen von der Klägerin eingereichten Veröffentlichungen von Dr. Z ... zu entnehmen ist. Da Dr. Z ... offenkundig den gemeinsamen Einsatz aller Maßnahmen zur Erreichung des Behandlungszieles voraussetzt, kann die in der Klinik angewandte Methode insgesamt keine Leistung der GKV sein, wenn schon ein wesentliches Element wie die CHT als Kassenleistung ausgeschlossen ist.

Die CHT zählt nicht zu dem von der Beklagten geschuldeten Leistungsspektrum. Sie ist nicht Bestandteil des EBM-Ä und somit als neue Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V anzusehen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 7 S. 49f; SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 12f). Obwohl die Behandlung in einer sich als Klinik bezeichnenden Einrichtung durchgeführt worden ist, hat es sich um eine ambulante und nicht um eine stationäre Behandlung gehandelt. Die Klinik hat nicht nur einen isolierten Zimmerpreis neben den ärztlichen und nichtärztlichen Leistungen abgerechnet, vor allem enthält die Arztrechnung keinen Abschlag, den § 6 a GOÄ zwingend bei stationärer Behandlung - auch in Reha- oder Vorsorgeeinrichtungen (vgl. Brück, Komm. zur GOÄ, 3. Auflage (Stand: 01.07.1999), § 6 a Anm. 3) - vorschreibt. Es ist somit davon auszugehen, daß die Klinik vergleichbar einem Hotel Unterbringung anbietet und es letztlich den Gästen überlassen ist, in welchem Umfang sie die angebotenen nichtärztlichen und ärztlichen Leistungen in Anspruch nehmen, da in diesem Fall der Abschlag entfällt (vgl. Brück, a.a.O., Anm. 3.2).

Nach § 135 Abs. 1 SGB V darf eine neue Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen eine Empfehlung zum Nutzen und zur medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Methode abgegeben hat. Hinsichtlich der CHT fehlt es nicht nur an dieser Empfehlung, der Bundesausschuß hat sogar die CHT als Methode, deren Wirksamkeit nicht belegt ist, beurteilt und daher beschlossen, sie in die Anlage B der Richtlinien (in der seit 01.01.1998 geltenden Fassung vom 01.10.1997) aufzunehmen. Damit steht fest, daß die CHT keine Leistung der GKV ist. Bei den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V handelt es sich nach der neueren Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, um untergesetzliche Rechtsnormen, die in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V auch für die Versicherten verbindlich festlegen, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind. Ein Versicherter, der sich eine vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen nicht empfohlene Behandlung auf eigene Rechnung beschafft, kann im Kostenerstattungsverfahren nicht einwenden, die Methode sei gleichwohl zweckmäßig und in seinem konkreten Fall wirksam gewesen (BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 7 S. 60; SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 20). Die in der Literatur (vgl. insbesondere Ossenbühl NZS 1997, 497; Wimmer NZS 1999, 113; Schimmelpfeng-Schütte NZS 1999, 530) und auch von der Klägerin erhobenen Bedenken gegen die Annahme einer Verbindlichkeit der Richtlinien auch für das Leistungsrecht teilt der Senat nicht. Da § 135 Abs. 1 SGB V nach Art eines Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt die Abrechnungsfähigkeit einer neuen Methode davon abhängig macht, daß der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen die in Frage stehende Methode geprüft und positiv beurteilt hat, ist es im vorliegenden Fall auch unerheblich, daß die Entscheidung des Bundesausschusses erst nach dem Behandlungsabschnitt vom 10. bis 20.02.1998 getroffen worden ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 21).

Ein Kostenerstattungsanspruch kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen Verfahrensfehler vorzuwerfen wären. Die Entscheidung des Bundesausschusses ist nicht zu beanstanden.

Da es sich bei den Richtlinien um untergesetzliche Rechtsnormen handelt, besteht für den Bundesausschuß wie für jeden Normgeber ein eigener Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum. Die Gerichte sind auf die Überprüfung beschränkt, ob die Richtlinien in einem rechtsstaatlichen Verfahren formal ordnungsgemäß zustande gekommen sind und mit dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung in Einklang stehen. Eine darüber hinausgehende Inhaltskontrolle ist ihnen verwehrt (BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 7 S. 60).

Das Verfahren des Bundesausschusses begegnet keinen Bedenken. Entsprechend Ziffer 5 der Richtlinien ist die Überprüfung der CHT öffentlich bekannt gegeben worden, so daß alle interessierten Kreise, insbesondere ärztliche Organisationen sich zu dem Fragenkatalog äußern konnten. Die eingegangenen Stellungnahmen hat der innerhalb des Bundesausschusses zuständige Arbeitsausschuß "Ärztliche Behandlung" bei seinen Beratungen berücksichtigt. In keiner dieser Stellungnahmen wurden Unterlagen zum Nachweis des Nutzens und der medizinischen Notwendigkeit der Methode benannt. Prof. Dr. B ..., der an der FU Berlin im Universitätsklinikum B. F. eine Abteilung für Naturheilkunde leitet, gibt zwar in seiner Stellungnahme vom 10.03.1998 an, er habe wegen Zeitmangels nicht überprüfen können, ob Studien zur Wirksamkeit vorlägen; zugleich weist er darauf hin, daß Darmspülungen noch in den 50er Jahren ein anerkanntes Thema an den Hochschulen und in angesehenen Lehr- und Handbüchern gewesen seien. In der Äußerung der Gesellschaft für Rehabilitation bei Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten wird jedoch ausdrücklich angegeben, das generelle Wirkprinzip der CHT sei rein spekulativ und bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Nach der Stellungnahme von Dr. B ... (MDK Bayern), die sich auf internationale Datenbankrecherchen ab 1980 stützt, gibt es keine Ergebnisse kontrollierter klinischer Studien, die eine therapeutische Wirksamkeit des Verfahrens belegen. Sie weist zugleich darauf hin, daß die theoretische Grundlage der CHT und ihrer Vorgänger, nämlich eine Autointoxikation des Organismus durch eine gestörte Darmfunktion, längst widerlegt sei. Ferner ist die Methode auch in zahlreichen Werken zur Naturheilkunde nicht erwähnt, was ebenfalls auf einen fehlenden Wirksamkeitsnachweis hindeutet. Auf der Grundlage dieser Unterlagen konnte somit der Bundesausschuß fehlerfrei zu dem Ergebnis gelangen, daß die Wirksamkeit der CHT nicht nachgewiesen sei. Im übrigen wird die Richtigkeit dieser Beurteilung auch mittelbar durch die vom Senat eingeholte Auskunft des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren (der sich im Verfahren des Bundesausschusses nicht geäußert hat) bestätigt, der die CHT als aufgrund empirischer Erfahrung anerkannte Therapie bezeichnet hat. Offensichtlich verfügt also auch nicht der Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren über weitergehende Erkenntnisse zum Nachweis der Wirksamkeit der CHT. Ebenso gibt Juchheim in der "Dokumentation der besonderen Therapierichtungen und natürlichen Heilweisen in Europa" (hrsg, vom Zentrum zur Dokumentation für Naturheilverfahren e. V.) an, kontrollierte Studien zum Wirksamkeitsnachweis der CHT seien bislang noch nicht durchgeführt worden (Band V, 1. Halbband, S. 75).

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen der Überprüfung der CHT die Beurteilungskriterien der evidence based medicine entsprechend Ziffer 8, 9 der Richtlinien zugrundegelegt hat. Die CHT zählt zwar nach den Auskünften der Bundesärztekammer vom 12.04.1999 und des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren vom 28.05.1999 zu den Naturheilverfahren, und zwar zu den sogenannten ausleitenden Verfahren. Ob die Naturheilkunde neben den in § 34 Abs. 2 Satz 3 SGB V beispielhaft genannten Therapierichtungen als besondere Therapierichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V anzusehen ist (so ohne nähere Begründung der (frühere) 14a Senat des BSG (SozR 3-2500 § 2 Nr. 2 S. 8); offen gelassen vom 1. Senat des BSG (SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 28)), was angesichts des heterogenen Spektrums der sich zu den naturheilkundlichen Verfahren zählenden Behandlungsmethoden zweifelhaft erscheint (vgl. Schlenker BKK 1994, 284, 288; Zuck NZS 1999, 313, 314), kann dahinstehen. Selbst wenn die CHT einer besonderen Therapierichtung zuzuordnen sein sollte, sind für die Überprüfung ihrer Wirksamkeit die gleichen Beurteilungskriterien wie für sogenannte schulmedizinische Methoden anzuwenden. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V schreibt vor, dass die Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen haben. Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen weist in seiner Auskunft vom 21.12.1998 überzeugend darauf hin, es sei - auch international - grundsätzlich anerkannt, dass die Standards des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns nicht davon abhängen, ob schulmedizinische oder alternative Behandlungsmethoden untersucht werden. Im Rahmen des Förderschwerpunktes "Unkonventionelle medizinische Richtungen" ist festgestellt worden, dass sich viele Fragestellungen mit dem vorhandenen Methodenrepertoire bearbeiten lassen (s. Statusseminar "Unkonventionelle Medizinische Richtungen" vom 04. - 06.12.1997). Im Ergebnisprotokoll des dortigen Expertengespräches wird festgehalten, es sei gelungen, durch die Fördermaßnahmen modellhaft zu zeigen, daß auch Verfahren der unkonventionellen medizinischen Richtungen auf dem gleichen wissenschaftlichen Niveau beforschbar seien wie konventionelle Verfahren. Auf der Veranstaltung des Arbeitsausschusses "Ärztliche Behandlung" am 20.05.1999 , bei der u.a. Prof. Dr. Bührung sowie die vom Zentralverein homöopathischer Ärzte als Sachverständige benannte Frau Dr. Witt referiert haben, ist in dem Schlußprotokoll festgestellt worden, daß es prinzipiell keine unterschiedlichen Standards in der Evaluation schul- oder komplementärmedizinischer Verfahren gibt. Allerdings ist geltend gemacht worden, daß für die Komplementärmedizin sich eine andere, nämlich höhere, Bewertung von Plausibilitätsüberlegungen und persönlicher Erfahrung ergebe. Gleichzeitig wurde aber auch eingeräumt, daß Plausibilitätsüberlegungen als alleiniger Evidenznachweis wenig geeignet seien, eine Therapie zu begründen und eine weitere Evaluation in klinischen Vergleichsstudien abzulehnen. Dr. Witt hat als Resümee ausdrücklich eingeräumt, daß klassische epidemiologische Methoden auch zur Überprüfung unkonventioneller medizinischer Methoden angewandt werden können (s. auch Bühring, Zeitschrift für Allgemeinmedizin 1992, 1188, 1191, der dort fordert, eine bisher extrem spekulative und am historischen Modell orientierte Anthropologie und Nosologie müsse auch den objektivierenden Verfahren naturwissenschaftlicher Medizin zugänglich sein bzw. zugänglich gemacht werden). Allerdings muß das Studienkonzept gegebenenfalls den Therapieformen angepaßt werden, worauf Prof. Dr. Bühring und Dr. Witt in ihren Vorträgen auf der Veranstaltung des Arbeitsausschusses hingewiesen haben.

Die Auffassung von Zuck (NZS 1999, 313, 317), die Kriterien der evidence based medicine schieden für die Beurteilung der Methoden der besonderen Therapierichtungen aus, weil sich das diesen zugrunde liegende Therapiekonzept von dem der Schulmedizin unterscheide und daher der Wissenschaftsbegriff der Schulmedizin nicht brauchbar sei, ist unzutreffend. Es geht bei dem Wirksamkeitsnachweis nicht darum, das Konzept einer Therapierichtung wissenschaftlich zu erklären, sondern nachzuweisen, daß die angewandte Methode - aus welchen Gründen auch immer - wirksam ist. Zu Recht hat Privatdozent Dr. Windeler in seinem Vortrag vor dem Arbeitsausschuß am 20.05.1999 darauf hingewiesen, daß der Begriff "ursächlich" sich nur auf die Folgen einer Handlung/Entscheidung und weder darauf bezieht, daß der Wirkmechanismus einer Maßnahme geklärt ist, noch darauf, daß die Ursache der Erkrankung bekannt ist. Er hat ausdrücklich der Auffassung widersprochen, daß in bestimmten Bereichen der Medizin Studien mit dem Ziel eines Wirksamkeitsnachweises nach dem Goldstandard einer (doppelt) verblindeten Studie prinzipiell oder generell nicht möglich sei (s. auch Windeler MedR 1997, 265, 267). Zuck geht demgegenüber - unausgesprochen - von der Annahme aus, daß eine Evaluation der Behandlungsmethoden der besonderen Therapierichtungen nach etablierten Methoden nicht möglich sei. Dies trifft - wie oben ausgeführt - nicht zu, so daß nicht ersichtlich ist, inwiefern insoweit allein Akzeptanz und Resonanz der Methode in den Kreisen der Anhänger der besonderen Therapierichtungen über deren Anerkennung entscheiden sollen. Zuck beruft sich insoweit auch zu Unrecht auf die Rechtsprechung des BSG. In der von ihm angezogenen Entscheidung (SozR 3-2500 § 135 Nr. 4) hat das BSG zwar ausgeführt, daß es hinsichtlich des Vorliegens einer besonderen Therapierichtung (auch) auf deren Akzeptanz durch weite Kreise der Ärzteschaft und der Bevölkerung ankomme. Der Verzicht auf die Überprüfung der medizinisch-wissenschaftlichen Tragfähigkeit des Denkansatzes bedeutet aber nicht zugleich, daß damit auch für die Evaluation der Methoden dieser Richtung die etablierten Forschungsmethoden nicht angewendet werden dürften. Dies fordert auch § 135 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 aE SGB V nicht, wonach der Nutzen der Methode nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung zu beurteilen ist. Das Gesetz stellt ausdrücklich auf "wissenschaftliche" Erkenntnisse ab, es verlangt lediglich die Berücksichtigung des Erkenntnisstandes der jeweiligen Therapierichtung. Eine andere Frage ist, wie die Erkenntnisse gewonnen worden sind und wie der Erkenntnisstand zu bewerten ist. Dem Gesetzeswortlaut kann nicht entnommen werden, daß es nur auf eine Binnenanerkennung der streitigen Methode durch die Vertreter der jeweiligen Therapierichtung ankomme. Dies macht insbesondere der Vergleich mit § 92 Abs. 2 Sätze 4, 5 SGB V in der bis 31.12.1999 geltenden Fassung deutlich. Während im Rahmen des § 135 Abs. 1 SGB V noch nicht einmal die Anhörung von Vertretern der besonderen Therapierichtungen angeordnet wird, schrieb § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB V aF die Einholung von Stellungnahmen von Sachverständigen dieser Therapierichtungen vor. Wenn dabei nach Satz 5 a.a.O. deren Stellungnahmen lediglich in die Entscheidung einzubeziehen, also nicht im Sinne einer Binnenanerkennung ausschlaggebend waren, ist es ausgeschlossen, daß der Gesetzgeber in § 135 Abs. 1 SGB V das Konzept einer Binnenanerkennung der besonderen Therapierichtungen verfolgt hätte (s. auch Knittel-Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 135 SGB V Rdnr. 8; Hencke in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung - SGB V, § 135 Rdnr. 3a).

Der Senat kann daher dahinstehen lassen, ob sich die CHT überhaupt innerhalb der Naturheilkunde durchgesetzt hat und sie nicht ohnehin mangels Verbreitung als Leistung ausscheidet. Dies könnte im Hinblick auf die Aussage der Bundesärztekammer der Fall sein, daß ca. 500 bis 600 Ärztinnen und Ärzte die CHT praktizieren, während der Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren nach eigener Aussage 8500 Ärzte als Mitglieder zählt und der Zentralverband auch nur davon spricht, die CHT werde "in weiten Kreisen" angewandt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved