Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 275/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 80/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 37/00 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen des Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.07.1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erstattung ihm entstandener Kosten für das Medikament Sandoglobulin sowie - für die Zukunft - die Verpflichtung der Beklagten, ihm dieses Arzneimittel zur Verfügung zu stellen.
Der am ...1957 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Er leidet an einer primär chronisch-progredienten multiplen Sklerose (MS).
Im Namen des Klägers beantragte Prof. Dr. P ... am 28.08.1997, die Beklagte möge die Kosten für einen Heilversuch mit intravenösen Immunglobulinen übernehmen. Es werde zunächst eine Dosis von 400 mg/kg x 30 g im Abstand von jeweils vier Wochen empfohlen. Für den primär chronisch-progredienten Verlauf der MS gebe es noch keine allgemein anerkannte Therapie. Da sich in auch von ihm beobachteten Fällen die Ataxie unter intravenösen Immunglobulinen gebessert habe und für die schubförmige Verlaufsform bewiesen sei, dass die Progredienz der Erkrankung und die Schubrate gemindert werden könnten, halte er diesen Heilversuch für gerechtfertigt.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Behandlung mit Immunglobuline durch den Bescheid vom 29.05.1998 nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) mit der Begründung ab, dass es sich bei der intravenösen Immunglobulinbehandlung um eine Therapie handele, die in der Schulmedizin noch nicht allgemein anerkannt sei. Nach den gültigen Heil- und Hilfsmittelrichtlinien dürfe diese Behandlung nicht zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden.
Der Kläger legte am 02.06.1998 Widerspruch ein, den die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 31.08.1998 als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte sie aus: Der Anspruch auf Krankenbehandlung gem. § 27 Abs. 1 SGB V umfasse u.a. auch die Versorgung mit Arzneimitteln. Nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (AMR) habe der Versicherte grundsätzlich einen Anspruch auf die Versorgung mit allen nach dem Arzneimittelgesetz verkehrsfähigen Arzneimitteln, soweit sie nicht aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen seien oder soweit sie nicht nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nur eingeschränkt verordnet werden dürften. Für die Verordnung von Arzneimitteln sei der therapeutische Nutzen von besonderer Bedeutung. Deshalb seien Erprobungen zu Lasten des Versicherungsträgers unzulässig, auch wenn sie nach der Zulassung erfolgten. Der therapeutische Nutzen setze eine Risikoabwägung zwischen Kosten und Nutzen mit günstigem Ergebnis voraus; er bestehe in einem nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse relevanten Ausmaß der Wirksamkeit bei einer definierten Indikation. Die Kosten für ein Arzneimittel dürften also nicht übernommen werden, wenn für das jeweilige Anwendungsgebiet der Wirksamkeitsnachweis nicht erbracht werde. Dies gelte auch dann, wenn ein für bestimmte Indikationen zugelassenes Arzneimittel für andere Anwendungsgebiete erprobt werden solle. Bei dem Arzneimittel Sandoglobulin handele es sich zwar um ein zugelassenes Arzneimittel. Jedoch bestehe für die Behandlung von MS keine Indikation. Insoweit fehle es an dem Nachweis der Wirksamkeit. Eine Kostenübernahme könne daher nicht erfolgen.
Der Kläger hat am 07.09.1998 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben.
Zur Begründung hat er vorgetragen: Die Behandlung der MS mit Immunglobulinen habe sich in der medizinischen Praxis inzwischen durchgesetzt. Es werde in medizinischen Fachkreisen ernsthaft über diese Therapie diskutiert. Es sei deshalb unerheblich, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen sich bislang nicht mit dieser Behandlungsmethode befasst habe und keine Empfehlung in den von ihm aufgrund von § 135 Abs. 1 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) erlassenen Richtlinien ausgesprochen habe. Auch sei ohne Bedeutung, dass das Medikament "Sandoglobulin" für die Behandlung der Multiplen Sklerose keine arzneimittelrechtliche Zulassung besitze.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.1998 zu verurteilen, ihm die Kosten der Behandlung mit dem Medikament Sandoglobulin zu erstatten und künftig entstehende Kosten zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen untergesetzliche Rechtsnormen. Nur dann, wenn eine neue Behandlungsmethode von den auf § 135 Abs. 1 SGB V gestützten Richtlinien empfohlen werde, dürften die gesetzlichen Krankenkassen die entsprechenden neuen Behandlungsmethoden als Sachleistung zur Verfügung stellen bzw. im Rahmen des § 13 SGB V eine Kostenerstattung vornehmen. Von einem Systemmangel könne ebenso wenig die Rede sein, denn nach einer Stellungnahme der antragstellenden Klinik lägen kontrollierte klinische Studien über die Therapie mit Immunglobulinen bei MS bisher nicht vor. Lediglich in einzelnen Fällen sei eine Verbesserung beobachtet worden.
Das Sozialgericht hat eine - unter dem 18.01.1999 erteilte - Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss Arzneimittel, Köln, eingeholt: Hiernach sind weder der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen noch seine vorbereitenden Arbeitsausschüsse "Arzneimittel" bzw. "ärztliche Behandlung" bisher mit der Beurteilung der fraglichen Behandlungsmethode betraut gewesen. Anträge zur Entscheidung über eine Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen seien bisher nicht gestellt worden. Den Arbeitsausschüssen lägen keine Informationen zum fraglichen Behandlungsansatz vor, die über Publikationen in verschiedenen Fachzeitschriften hinausgingen. Das Paul- Ehrlich-Institut, Bundesamt für Sera- und Impfstoffe, Langen, teilte unter dem 26.03.1999 auf Anfrage des Sozialgerichts folgendes mit: Die Indikation "chronische-progrediente Encephalomyelitis" sei für Immunglobuline nicht zugelassen. Es liege auch bisher kein Zulassungsantrag für ein Immunglobulin mit dem genannten Anwendungsgebiet vor.
Durch Urteil vom 20.07.1999 hat das Sozialgericht Dortmund die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 31.07.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.08.1999 Berufung eingelegt. Zur Begründung bringt er vor: Das Arzneimittel Sandoglobulin sei in einem mehr oder weniger unregelmäßigen Rhythmus durch den Neurologen von S, Hamm, in Absprache mit P (insbesondere für Multiple Sklerose) im Zeitraum Oktober 1997 bis März 2000 intravenös verabreicht worden. Anschließend sei eine Behandlung mit Kortisonpräparaten erfolgt. Im Zeitraum vom 16.10.1997 - 24.08.1998 seien für die Behandlung mit Sandoglobulin Kosten in Höhe von 28.832,06 DM angefallen. Das Fehlen einer arzneimittelrechtlichen Zulassung der Immunglobuline für eine Behandlung von MS stehe der Leistungspflicht der Beklagten nicht entgegen. §§ 2, 70, 72 SGB V beinhalteten vielmehr das maßgebliche Leistungsprinzip, wonach alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dem anerkannten Stand des medizinischen Wissens zu entsprechen hätten. Hinsichtlich der Behandlung der MS mit Immunglobulinen liege keineswegs ein nur geringer wissenschaftlicher Erkenntnisstand vor, wie sich aus den von ihm vorgelegten Unterlagen ergebe. Die Entscheidung, ob die Behandlung mit Immunglobulinen von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen erfaßt werde, sei von den Sozialgerichten eigenverantwortlich zu treffen; die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen könnten auch deshalb nicht maßgeblich sein, weil die Versicherten in diesem Gremium nicht ausreichend repräsentiert seien. Es könne nicht sein, dass er trotz einer schwerwiegenden Erkrankung nur deshalb nicht behandelt werde, weil das Arzneimittel, dessen Wirksamkeit durch Studien belegt sei, keine arzneimittelrechtliche Zulassung für diese Indikation besitze. Dies stelle jedenfalls einen Verstoß gegen das Grundgesetz, insbesondere Artikel 2, dar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.07.1999 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.05.1998 und des Widerspruchsbescheides vom 31.08.1998 zu verurteilen, ihm die Kosten der Behandlung mit dem Medikament Sandoglobulin in Höhe von 28.832,06 DM zu erstatten und das Arzneimittel Sandoglobulin nach jeweiliger ärztlicher Verordnung zu künftig als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert, das fragliche Medikament befinde sich, was die Therapie von multipler Sklerose betreffe, noch in der Erprobungsphase; bislang sei auch ein entsprechender Antrag durch die Herstellerfirma auf Erweiterung der Zulassung nicht gestellt worden. Ferner habe der 16. Senat des LSG NRW in einem gleichgelagerten Fall entschieden, dass ein Anspruch auf Behandlung MS-Kranker mit Immunglobulinen nicht bestehe.
Der Senat hat eine weitere Auskunft des Paul-Ehrlich-Instituts vom 30.11.1999 eingeholt: Ein Antrag auf Zulassung mit der Indikation der Multiplen Sklerose liege nach wie vor nicht vor. Anfragen der Krankenkassen, der Sozialgerichte und von Privatpersonen zeigten, dass Ärzte Immunglobuline intravenös bei der Indikation Multiple Sklerose anwenden würden bzw. dass Patienten diese Anwendung verlangten. Die derzeit vorliegenden Studien und Fallberichte erfüllten jedoch noch nicht die Anforderungen, die an Studien zum Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit der Immunglobulinbehandlung bei Multipler Sklerose gestellt würden. Eine Vielzahl von Fragen sei noch offen. Es sei bekannt, dass derzeit zumindest eine größere kontrollierte Studie zu diesem Thema durchgeführt werde.
Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat in der Auskunft vom 29.02.2000 an seiner Auffassung festgehalten, dass gegenwärtig kein Anlass für eine Befassung mit der intravenösen Immunglobulintherapie gesehen werde. Ferner hat er ausgeführt: Die intravenöse Immunglobulintherapie habe bisher weder eine wissen schaftliche Resonanz gefunden noch sei für den Ausschuss eine Verbreitung in der ärztlichen Praxis erkennbar.
Der Senat hat einen Artikel aus der Ärztezeitung vom 14.02.2000 beigezogen, dem u.a. zu entehmen ist, dass in einer multizentrischen Phase-IV-Studie zur Zeit geprüft werde, ob die Behandlung mit Immunglobulinen die Progredienz der MS verzögern und viel leicht sogar schon bestehende Behinderungen verbessern könne. Aus einer vom Senat beigezogenen Presseerklärung der Bayer AG, Leverkusen, vom 07.04.1999 ergibt sich, dass die Behandlung mit intravenösem Immunglobulin G (IVIG) ein vielversprechender neuer Therapieansatz bei der MS sei. Mit Unterstützung der Bayer AG werde eine Studie in Kanada und Europa durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29.05.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.08.1998 ist rechtmäßig. Weder kann der Kläger von der Beklagten die Erstattung der ihm entstandenen Kosten für die Behandlung mit dem Arzneimittel "Sandoglobulin" in Höhe von 28.832,06 DM verlangen noch die zukünftige Gewährung dieses Arzneimittels als Sachleistung beanspruchen.
Als Grundlage für den vom Kläger geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch kommt nur § 13 Absatz 3 SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind dem Versicherten von der Krankenkasse Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann (1. Alternative) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Alternative), und sich der Versicherte die Leistung deshalb selbst beschafft hat. Die Voraussetzungen der 1. Alternative liegen nicht vor, denn eine unaufschiebbare Leistung ist nur in den Fällen anzunehmen, in denen eine vorherige Einschaltung der Krankenkassen, insbesondere aus Zeitgründen nicht erwartet werden kann (vergl. BSG, Urteil vom 16.09.1997, SozR 3-2500 § 135 SGB V Nr.4). Hier ist die beklagte Krankenkasse jedoch bereits vor Beginn der Behandlung mit "Sandoglobulin" um Gewährung der Leistung ersucht worden. Auch die Voraussetzungen der 2. Alternative des § 13 Absatz 3 SGB V sind nicht erfüllt, weil die Beklagte die Gewährung der Leistung "Sandoglobulin" nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Der Kläger hatte nämlich keinen Anspruch auf Behandlung mit diesem Medikament.
Dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei der von der Beklagten verweigerten Leistung um Krankenhandlung in Form der ärztlichen Behandlung (§ 27 Absatz 1 Satz 2 Nr.1, 28 Absatz 1 Satz 1 SGB V) oder aber um die Versorgung mit einem Arzneimittel (§ 27 Absatz 1 Satz 2 Nr.3, 31 Absatz 1 Satz 1 SGB V) handelt. Für die letztgenannte Alternative spricht, dass es in der Hauptsache um die Frage geht, ob das Fertigarzneimittel "Sandoglobulin" dem Kläger auf Kosten der Beklagten zur Verfügung zu stellen gewesen wäre. Allerdings sind wegen der Schwere der Erkrankung des Klägers und der Art der Verabreichung (intravenös) auch ärztliche Dienstleistungen (Spritzen, ständige Kontrolle und Beobachtung des Krankheitsverlaufs), die unmittelbar mit der Verabreichung des Medikaments zu sammenhängen, in nicht unerheblichem Umfang erbracht werden. Dies spricht dafür, dass es hier um einen Anspruch auf ärztliche Behandlung unter Anwendung dieses Medikamentes geht. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf ärztliche Behandlung mittels "Sandoglobulin" noch kann er verlangen, von der Beklagten mit diesem Arzneimittel versorgt zu werden.
Beurteilt man das klägerische Begehren als Anspruch auf Krankenbehandlung in Form der ärztlichen Behandlung gemäß § 27 Absatz 1 Satz 2 Nr.1, 28 Absatz 1 Satz 1 SGB V, so scheitert dieser daran, dass die Behandlung der MS mittels Immunglobulinen, zu denen auch "Sandoglobulin" zählt, nicht eine von der Beklagten geschuldete Leistung darstellt. Sie gehört nicht zu den Methoden, die für eine ausreichende, zweckmäßige und wirschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standesder medizinischen Erkenntnisse (§§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 28 Abs. 1, 70 Abs. 1 und 72 Abs. 2 SGB V) erforderlich ist. Das ergibt sich aus § 135 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ("BUB- Richtlinien").
§ 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V schreibt vor, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur dann erbracht werden dürfen, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr.5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestimmt diese Vorschrift zugleich auch Umfang und
Inhalt der Leistungsansprüche der Versicherten: Nur Leistungen, die der Leistungserbringer gegenüber den Krankenkassen abrechnen kann, gehören gegenüber den Versicherten zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (vergl. BSG, Urteil vom 16.09.1997, aaO; BSG, Beschluss vom 08.02.2000, Az B 1 KR 18/99 B mwN). Alle anderen Behandlungsmethoden zählen dagegen zu denjenigen, die für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht erforderlich sind. Den BUB-Richtlinien kommt dabei die Bedeutung untergesetzlicher Rechtsnormen zu, die verbindlich festlegen, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen sind. Dies bedeutet, dass der artige Behandlungsmethoden grundsätzlich so lange nicht von den Krankenkassen erbracht werden dürfen, bis eine Anerkennung der betreffenden Methode durch den Bundesausschuss vorliegt (BSG, Urteil vom 16.09.1997, aaO; BSG, Urteil vom 28.03.2000, Az B 1 KR 18/98 R). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in vollem Umfang an. Er teilt auch nicht die gegen die Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf den Bundesausschuss vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken (vergl. hierzu BSG, Urteil vom 16.09.1997, aaO). Es ist insbesondere auch entgegen der Auffassung des Klägers nicht geboten, dass die Versicherten im Bundesausschuss vertreten sind.
Bei der Behandlung der MS mittels des Einsatzes von Immunglobulinen handelt es sich um eine derartige neue Behandlungsmethode, die bislang zu Lasten der Krankenkasse nicht erbracht werden kann. Denn der Bundesausschuss hat bisher eine Empfehlung hinsichtlich der Therapie der MS mittels Immunglobulinen nicht abgegeben.
Ein Anspruch des Klägers ist hier auch ausnahmsweise nicht etwa deshalb gegeben, weil der Bundesausschuss das Anerkennungsverfahren trotz Erfüllung der für eine Überprüfung erforderlichen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt hat (Urteil vom 16.09.1997, aaO). Die inhaltlichen Voraussetzungen einer Anerkennung liegen nicht vor. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Nachweis der Wirksamkeit der Anwendung von Immunglobulin bei MS noch nicht erbracht worden ist. Dies ergibt sich zum einen aus den vom Senat eingeholten Auskünften des Bundesausschusses und des Paul-Ehrlich-Instituts. Hierin ist nachvollziehbar und überzeugend dargelegt worden, dass den Wirksamkeitsnachweis führende Studien bisher nicht vorliegen. Auch die vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen belegen lediglich, dass in der medizinischen Wissenschaft über die Behandlung der MS mittels Immunglobulinen und deren Erfolgsausichten diskutiert wird. Die vom Senat beigezogenen Artikel aus der Ärztezeitung vom 14.02.2000 sowie die Presseerklärung der Bayer AG vom 07.04.1999 zeigen ebenfalls, dass dieser Behandlungsansatz das Stadium der Erprobung bislang nicht verlassen hat. Wird aber eine neue Methode erst erprobt, so kann dem Bundesausschuss ein Abwarten der Ergebnisse der verschiedenen Studien nicht als fehlerhaftes Verhalten angelastet werden. Bei dieser Sachlage kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Behandlung der MS mittels Immunglobulinen eine bereits weit verbreitete Behandlungsmethode darstellt, der der Bundesausschuss bisher nicht die erforderliche angemessene Beachtung gewidmet hätte.
Beurteilt man die von dem Kläger beantragte Behandlung mit Sandoglobulin nach den Vorschriften über die Versorgung mit einem Arzneimittel gemäß §§ 27 Absatz 1 Satz 2 Nr.3, 31 Absatz 1 Satz 1 SGB V, so scheitert dieser daran, dass das Arzneimittel Sandoglobulin keine arzneimittelrechtliche Zulassung für die Indikation MS besitzt; es kann deshalb nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.
Nach den genannten Vorschriften haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit diese in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähig sind. Diese Verpflichtung der Krankenkassen unterliegt den Einschränkungen aus § 2 Absatz 4 SGB V und aus § 12 Absatz 1 SGB V. Sie umfasst nur solche Leistungen, die für die Behandlung zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen. An der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Arzneimitteltherapie fehlt es, wenn das verwendete Medikament nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung bedarf und die Zulassung nicht erteilt worden ist (BSGE 82, 233ff). Zwar besitzt im vorliegenden Fall das Arzneimittel Sandoglobulin eine derartige Zulassung, jedoch erstreckt sich diese nicht auf das Anwendungsgebiet der MS. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist im Falle der Anwendung eines Arzneimittels außerhalb des zugelassenen Bereichs eine Leistungspflicht der Krankenkassen hinsichtlich eines Arzneimittels - wie bei dem gänzlichen Fehlen der arzneimittelrechtlichen Zulassung - nicht gegeben.
Nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts hat der Hersteller auf der Grundlage einer von ihm vorzulegenden vollständigen Dokumentation Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Medikaments nachzuweisen (vergl BSG, Urteil vom 30.09.1999, Az B 8 KN 9/98 KR R mwN). Diese Nachweispflicht bezieht sich nur auf die vom Hersteller im Zulassungsantrag genannten Anwendungsgebiete im Sinne des § 22 Absatz 1 Nr. 6 Arzneimittelgesetz (AMG). Eine darüber hinausgehende Prüfung durch die zulassende Behörde findet nicht statt (BSG, aaO). Ist aber im Rahmen der Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels die arzneimittelrechtliche Zulassung entscheidend, so kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich die arzneimittelrechtliche Zulassung immer nur auf bestimmte Anwendungsgebiete erstreckt. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Medikaments und damit auch seine krankenversicherungsrechtliche Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit können nur in Abhängigkeit von den jeweiligen Anwendungsgebieten beurteilt werden (vergl. BSG, aaO). Eine andere Beurteilung würde es zudem dem Hersteller ermöglichen, die Zulassungsvorschriften des Arzneimittelrechts zu umgehen, indem der Zulassungsantrag auf ein bestimmtes - unproblematisches - Anwendungsgebiet beschränkt und erst später gegenüber Ärzten die Anwendung des Arzneimittels auch für andere Indikationen propagiert würde (BSG, aaO). Bedenken gegen dieses Ergebnis lassen sich nach Auffassung des Senat aus dem Grundsatz der ärztlichen Therapiefreiheit nicht herleiten. Diese wird nicht berührt, weil es ausschließlich darum geht, die leistungsrechtlichen Grenzen des Anspruchs des Versicherten auf Versorgung mit Arzneimitteln zu bestimmen.
Eine Erweiterung der Leistungspflicht der Krankenkassen auf Therapien, die sich erst im Stadium der Forschung oder Erprobung befinden und noch nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, ist gesetzlich auch bei schweren und sogar vorhersehbar tödlich verlaufenden Krankheiten ausgeschlossen (so BSG, Urteil v. 28.03.2000, B 1 KR 18/98 R). Da das SGB V die Qualität und Wirksamkeit der Leistungen nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse fordert, kann ein individueller Heilversuch mit einer nicht anerkannten Methode nicht zu Lasten der Beklagten erbracht werden (so BSG, aaO).
Die Beschränkung der Leistungspflicht der Krankenkassen auf die Behandlungsmethoden, deren therapeutischer Nutzen ausreichend gesichert ist, verstößt entgegen der Ansicht des Klägers nicht gegen Artikel 2 des Grundgesetzes (GG). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass aus dieser Vorschrift des Grundgesetzes kein Anspruch auf Bereithaltung spezieller Gesundheitsleistungen hergeleitet werden kann (BVerfG NJW 1997, 3085; MedR 1997, 318; NJW 1998, 1775). Vielmehr erfüllt der Gesetzgeber seine aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz folgende objektiv rechtliche Pflicht, sich schützend und fördernd vor das Rechtsgut Leben bzw. körperliche Unversehrtheit zu stellen, durch die Bereitstellung von Leistungen, die dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft entsprechen. Soweit der Versicherte auch die Bereitstellung von nicht ausreichend erprobten Methoden begehrt, steht dem das öffentliche Interesse am Schutz des Versicherten vor unbekannten Nebenwirkungen sowie am Erhalt der finanziellen Stabilität der Krankenversicherung entgegen.
Aus den vorgenannten Gründen kann der Kläger auch für die Zukunft von der Beklagten nicht verlangen, ihm das Arzneimittel Sandoglobulin nach ärztlicher Verordnung als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Absatz 2 Nr.1 SGG). Ob die vorgenannten Grundsätze auch auf Fertigarzneimittel zu übertragen sind, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden worden.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erstattung ihm entstandener Kosten für das Medikament Sandoglobulin sowie - für die Zukunft - die Verpflichtung der Beklagten, ihm dieses Arzneimittel zur Verfügung zu stellen.
Der am ...1957 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Er leidet an einer primär chronisch-progredienten multiplen Sklerose (MS).
Im Namen des Klägers beantragte Prof. Dr. P ... am 28.08.1997, die Beklagte möge die Kosten für einen Heilversuch mit intravenösen Immunglobulinen übernehmen. Es werde zunächst eine Dosis von 400 mg/kg x 30 g im Abstand von jeweils vier Wochen empfohlen. Für den primär chronisch-progredienten Verlauf der MS gebe es noch keine allgemein anerkannte Therapie. Da sich in auch von ihm beobachteten Fällen die Ataxie unter intravenösen Immunglobulinen gebessert habe und für die schubförmige Verlaufsform bewiesen sei, dass die Progredienz der Erkrankung und die Schubrate gemindert werden könnten, halte er diesen Heilversuch für gerechtfertigt.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Behandlung mit Immunglobuline durch den Bescheid vom 29.05.1998 nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) mit der Begründung ab, dass es sich bei der intravenösen Immunglobulinbehandlung um eine Therapie handele, die in der Schulmedizin noch nicht allgemein anerkannt sei. Nach den gültigen Heil- und Hilfsmittelrichtlinien dürfe diese Behandlung nicht zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden.
Der Kläger legte am 02.06.1998 Widerspruch ein, den die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 31.08.1998 als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte sie aus: Der Anspruch auf Krankenbehandlung gem. § 27 Abs. 1 SGB V umfasse u.a. auch die Versorgung mit Arzneimitteln. Nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (AMR) habe der Versicherte grundsätzlich einen Anspruch auf die Versorgung mit allen nach dem Arzneimittelgesetz verkehrsfähigen Arzneimitteln, soweit sie nicht aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen seien oder soweit sie nicht nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nur eingeschränkt verordnet werden dürften. Für die Verordnung von Arzneimitteln sei der therapeutische Nutzen von besonderer Bedeutung. Deshalb seien Erprobungen zu Lasten des Versicherungsträgers unzulässig, auch wenn sie nach der Zulassung erfolgten. Der therapeutische Nutzen setze eine Risikoabwägung zwischen Kosten und Nutzen mit günstigem Ergebnis voraus; er bestehe in einem nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse relevanten Ausmaß der Wirksamkeit bei einer definierten Indikation. Die Kosten für ein Arzneimittel dürften also nicht übernommen werden, wenn für das jeweilige Anwendungsgebiet der Wirksamkeitsnachweis nicht erbracht werde. Dies gelte auch dann, wenn ein für bestimmte Indikationen zugelassenes Arzneimittel für andere Anwendungsgebiete erprobt werden solle. Bei dem Arzneimittel Sandoglobulin handele es sich zwar um ein zugelassenes Arzneimittel. Jedoch bestehe für die Behandlung von MS keine Indikation. Insoweit fehle es an dem Nachweis der Wirksamkeit. Eine Kostenübernahme könne daher nicht erfolgen.
Der Kläger hat am 07.09.1998 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben.
Zur Begründung hat er vorgetragen: Die Behandlung der MS mit Immunglobulinen habe sich in der medizinischen Praxis inzwischen durchgesetzt. Es werde in medizinischen Fachkreisen ernsthaft über diese Therapie diskutiert. Es sei deshalb unerheblich, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen sich bislang nicht mit dieser Behandlungsmethode befasst habe und keine Empfehlung in den von ihm aufgrund von § 135 Abs. 1 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) erlassenen Richtlinien ausgesprochen habe. Auch sei ohne Bedeutung, dass das Medikament "Sandoglobulin" für die Behandlung der Multiplen Sklerose keine arzneimittelrechtliche Zulassung besitze.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.1998 zu verurteilen, ihm die Kosten der Behandlung mit dem Medikament Sandoglobulin zu erstatten und künftig entstehende Kosten zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen untergesetzliche Rechtsnormen. Nur dann, wenn eine neue Behandlungsmethode von den auf § 135 Abs. 1 SGB V gestützten Richtlinien empfohlen werde, dürften die gesetzlichen Krankenkassen die entsprechenden neuen Behandlungsmethoden als Sachleistung zur Verfügung stellen bzw. im Rahmen des § 13 SGB V eine Kostenerstattung vornehmen. Von einem Systemmangel könne ebenso wenig die Rede sein, denn nach einer Stellungnahme der antragstellenden Klinik lägen kontrollierte klinische Studien über die Therapie mit Immunglobulinen bei MS bisher nicht vor. Lediglich in einzelnen Fällen sei eine Verbesserung beobachtet worden.
Das Sozialgericht hat eine - unter dem 18.01.1999 erteilte - Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss Arzneimittel, Köln, eingeholt: Hiernach sind weder der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen noch seine vorbereitenden Arbeitsausschüsse "Arzneimittel" bzw. "ärztliche Behandlung" bisher mit der Beurteilung der fraglichen Behandlungsmethode betraut gewesen. Anträge zur Entscheidung über eine Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen seien bisher nicht gestellt worden. Den Arbeitsausschüssen lägen keine Informationen zum fraglichen Behandlungsansatz vor, die über Publikationen in verschiedenen Fachzeitschriften hinausgingen. Das Paul- Ehrlich-Institut, Bundesamt für Sera- und Impfstoffe, Langen, teilte unter dem 26.03.1999 auf Anfrage des Sozialgerichts folgendes mit: Die Indikation "chronische-progrediente Encephalomyelitis" sei für Immunglobuline nicht zugelassen. Es liege auch bisher kein Zulassungsantrag für ein Immunglobulin mit dem genannten Anwendungsgebiet vor.
Durch Urteil vom 20.07.1999 hat das Sozialgericht Dortmund die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 31.07.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.08.1999 Berufung eingelegt. Zur Begründung bringt er vor: Das Arzneimittel Sandoglobulin sei in einem mehr oder weniger unregelmäßigen Rhythmus durch den Neurologen von S, Hamm, in Absprache mit P (insbesondere für Multiple Sklerose) im Zeitraum Oktober 1997 bis März 2000 intravenös verabreicht worden. Anschließend sei eine Behandlung mit Kortisonpräparaten erfolgt. Im Zeitraum vom 16.10.1997 - 24.08.1998 seien für die Behandlung mit Sandoglobulin Kosten in Höhe von 28.832,06 DM angefallen. Das Fehlen einer arzneimittelrechtlichen Zulassung der Immunglobuline für eine Behandlung von MS stehe der Leistungspflicht der Beklagten nicht entgegen. §§ 2, 70, 72 SGB V beinhalteten vielmehr das maßgebliche Leistungsprinzip, wonach alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dem anerkannten Stand des medizinischen Wissens zu entsprechen hätten. Hinsichtlich der Behandlung der MS mit Immunglobulinen liege keineswegs ein nur geringer wissenschaftlicher Erkenntnisstand vor, wie sich aus den von ihm vorgelegten Unterlagen ergebe. Die Entscheidung, ob die Behandlung mit Immunglobulinen von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen erfaßt werde, sei von den Sozialgerichten eigenverantwortlich zu treffen; die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen könnten auch deshalb nicht maßgeblich sein, weil die Versicherten in diesem Gremium nicht ausreichend repräsentiert seien. Es könne nicht sein, dass er trotz einer schwerwiegenden Erkrankung nur deshalb nicht behandelt werde, weil das Arzneimittel, dessen Wirksamkeit durch Studien belegt sei, keine arzneimittelrechtliche Zulassung für diese Indikation besitze. Dies stelle jedenfalls einen Verstoß gegen das Grundgesetz, insbesondere Artikel 2, dar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.07.1999 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.05.1998 und des Widerspruchsbescheides vom 31.08.1998 zu verurteilen, ihm die Kosten der Behandlung mit dem Medikament Sandoglobulin in Höhe von 28.832,06 DM zu erstatten und das Arzneimittel Sandoglobulin nach jeweiliger ärztlicher Verordnung zu künftig als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert, das fragliche Medikament befinde sich, was die Therapie von multipler Sklerose betreffe, noch in der Erprobungsphase; bislang sei auch ein entsprechender Antrag durch die Herstellerfirma auf Erweiterung der Zulassung nicht gestellt worden. Ferner habe der 16. Senat des LSG NRW in einem gleichgelagerten Fall entschieden, dass ein Anspruch auf Behandlung MS-Kranker mit Immunglobulinen nicht bestehe.
Der Senat hat eine weitere Auskunft des Paul-Ehrlich-Instituts vom 30.11.1999 eingeholt: Ein Antrag auf Zulassung mit der Indikation der Multiplen Sklerose liege nach wie vor nicht vor. Anfragen der Krankenkassen, der Sozialgerichte und von Privatpersonen zeigten, dass Ärzte Immunglobuline intravenös bei der Indikation Multiple Sklerose anwenden würden bzw. dass Patienten diese Anwendung verlangten. Die derzeit vorliegenden Studien und Fallberichte erfüllten jedoch noch nicht die Anforderungen, die an Studien zum Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit der Immunglobulinbehandlung bei Multipler Sklerose gestellt würden. Eine Vielzahl von Fragen sei noch offen. Es sei bekannt, dass derzeit zumindest eine größere kontrollierte Studie zu diesem Thema durchgeführt werde.
Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat in der Auskunft vom 29.02.2000 an seiner Auffassung festgehalten, dass gegenwärtig kein Anlass für eine Befassung mit der intravenösen Immunglobulintherapie gesehen werde. Ferner hat er ausgeführt: Die intravenöse Immunglobulintherapie habe bisher weder eine wissen schaftliche Resonanz gefunden noch sei für den Ausschuss eine Verbreitung in der ärztlichen Praxis erkennbar.
Der Senat hat einen Artikel aus der Ärztezeitung vom 14.02.2000 beigezogen, dem u.a. zu entehmen ist, dass in einer multizentrischen Phase-IV-Studie zur Zeit geprüft werde, ob die Behandlung mit Immunglobulinen die Progredienz der MS verzögern und viel leicht sogar schon bestehende Behinderungen verbessern könne. Aus einer vom Senat beigezogenen Presseerklärung der Bayer AG, Leverkusen, vom 07.04.1999 ergibt sich, dass die Behandlung mit intravenösem Immunglobulin G (IVIG) ein vielversprechender neuer Therapieansatz bei der MS sei. Mit Unterstützung der Bayer AG werde eine Studie in Kanada und Europa durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29.05.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.08.1998 ist rechtmäßig. Weder kann der Kläger von der Beklagten die Erstattung der ihm entstandenen Kosten für die Behandlung mit dem Arzneimittel "Sandoglobulin" in Höhe von 28.832,06 DM verlangen noch die zukünftige Gewährung dieses Arzneimittels als Sachleistung beanspruchen.
Als Grundlage für den vom Kläger geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch kommt nur § 13 Absatz 3 SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind dem Versicherten von der Krankenkasse Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann (1. Alternative) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Alternative), und sich der Versicherte die Leistung deshalb selbst beschafft hat. Die Voraussetzungen der 1. Alternative liegen nicht vor, denn eine unaufschiebbare Leistung ist nur in den Fällen anzunehmen, in denen eine vorherige Einschaltung der Krankenkassen, insbesondere aus Zeitgründen nicht erwartet werden kann (vergl. BSG, Urteil vom 16.09.1997, SozR 3-2500 § 135 SGB V Nr.4). Hier ist die beklagte Krankenkasse jedoch bereits vor Beginn der Behandlung mit "Sandoglobulin" um Gewährung der Leistung ersucht worden. Auch die Voraussetzungen der 2. Alternative des § 13 Absatz 3 SGB V sind nicht erfüllt, weil die Beklagte die Gewährung der Leistung "Sandoglobulin" nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Der Kläger hatte nämlich keinen Anspruch auf Behandlung mit diesem Medikament.
Dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei der von der Beklagten verweigerten Leistung um Krankenhandlung in Form der ärztlichen Behandlung (§ 27 Absatz 1 Satz 2 Nr.1, 28 Absatz 1 Satz 1 SGB V) oder aber um die Versorgung mit einem Arzneimittel (§ 27 Absatz 1 Satz 2 Nr.3, 31 Absatz 1 Satz 1 SGB V) handelt. Für die letztgenannte Alternative spricht, dass es in der Hauptsache um die Frage geht, ob das Fertigarzneimittel "Sandoglobulin" dem Kläger auf Kosten der Beklagten zur Verfügung zu stellen gewesen wäre. Allerdings sind wegen der Schwere der Erkrankung des Klägers und der Art der Verabreichung (intravenös) auch ärztliche Dienstleistungen (Spritzen, ständige Kontrolle und Beobachtung des Krankheitsverlaufs), die unmittelbar mit der Verabreichung des Medikaments zu sammenhängen, in nicht unerheblichem Umfang erbracht werden. Dies spricht dafür, dass es hier um einen Anspruch auf ärztliche Behandlung unter Anwendung dieses Medikamentes geht. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf ärztliche Behandlung mittels "Sandoglobulin" noch kann er verlangen, von der Beklagten mit diesem Arzneimittel versorgt zu werden.
Beurteilt man das klägerische Begehren als Anspruch auf Krankenbehandlung in Form der ärztlichen Behandlung gemäß § 27 Absatz 1 Satz 2 Nr.1, 28 Absatz 1 Satz 1 SGB V, so scheitert dieser daran, dass die Behandlung der MS mittels Immunglobulinen, zu denen auch "Sandoglobulin" zählt, nicht eine von der Beklagten geschuldete Leistung darstellt. Sie gehört nicht zu den Methoden, die für eine ausreichende, zweckmäßige und wirschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standesder medizinischen Erkenntnisse (§§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 28 Abs. 1, 70 Abs. 1 und 72 Abs. 2 SGB V) erforderlich ist. Das ergibt sich aus § 135 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ("BUB- Richtlinien").
§ 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V schreibt vor, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur dann erbracht werden dürfen, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr.5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestimmt diese Vorschrift zugleich auch Umfang und
Inhalt der Leistungsansprüche der Versicherten: Nur Leistungen, die der Leistungserbringer gegenüber den Krankenkassen abrechnen kann, gehören gegenüber den Versicherten zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (vergl. BSG, Urteil vom 16.09.1997, aaO; BSG, Beschluss vom 08.02.2000, Az B 1 KR 18/99 B mwN). Alle anderen Behandlungsmethoden zählen dagegen zu denjenigen, die für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht erforderlich sind. Den BUB-Richtlinien kommt dabei die Bedeutung untergesetzlicher Rechtsnormen zu, die verbindlich festlegen, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen sind. Dies bedeutet, dass der artige Behandlungsmethoden grundsätzlich so lange nicht von den Krankenkassen erbracht werden dürfen, bis eine Anerkennung der betreffenden Methode durch den Bundesausschuss vorliegt (BSG, Urteil vom 16.09.1997, aaO; BSG, Urteil vom 28.03.2000, Az B 1 KR 18/98 R). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in vollem Umfang an. Er teilt auch nicht die gegen die Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf den Bundesausschuss vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken (vergl. hierzu BSG, Urteil vom 16.09.1997, aaO). Es ist insbesondere auch entgegen der Auffassung des Klägers nicht geboten, dass die Versicherten im Bundesausschuss vertreten sind.
Bei der Behandlung der MS mittels des Einsatzes von Immunglobulinen handelt es sich um eine derartige neue Behandlungsmethode, die bislang zu Lasten der Krankenkasse nicht erbracht werden kann. Denn der Bundesausschuss hat bisher eine Empfehlung hinsichtlich der Therapie der MS mittels Immunglobulinen nicht abgegeben.
Ein Anspruch des Klägers ist hier auch ausnahmsweise nicht etwa deshalb gegeben, weil der Bundesausschuss das Anerkennungsverfahren trotz Erfüllung der für eine Überprüfung erforderlichen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt hat (Urteil vom 16.09.1997, aaO). Die inhaltlichen Voraussetzungen einer Anerkennung liegen nicht vor. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Nachweis der Wirksamkeit der Anwendung von Immunglobulin bei MS noch nicht erbracht worden ist. Dies ergibt sich zum einen aus den vom Senat eingeholten Auskünften des Bundesausschusses und des Paul-Ehrlich-Instituts. Hierin ist nachvollziehbar und überzeugend dargelegt worden, dass den Wirksamkeitsnachweis führende Studien bisher nicht vorliegen. Auch die vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen belegen lediglich, dass in der medizinischen Wissenschaft über die Behandlung der MS mittels Immunglobulinen und deren Erfolgsausichten diskutiert wird. Die vom Senat beigezogenen Artikel aus der Ärztezeitung vom 14.02.2000 sowie die Presseerklärung der Bayer AG vom 07.04.1999 zeigen ebenfalls, dass dieser Behandlungsansatz das Stadium der Erprobung bislang nicht verlassen hat. Wird aber eine neue Methode erst erprobt, so kann dem Bundesausschuss ein Abwarten der Ergebnisse der verschiedenen Studien nicht als fehlerhaftes Verhalten angelastet werden. Bei dieser Sachlage kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Behandlung der MS mittels Immunglobulinen eine bereits weit verbreitete Behandlungsmethode darstellt, der der Bundesausschuss bisher nicht die erforderliche angemessene Beachtung gewidmet hätte.
Beurteilt man die von dem Kläger beantragte Behandlung mit Sandoglobulin nach den Vorschriften über die Versorgung mit einem Arzneimittel gemäß §§ 27 Absatz 1 Satz 2 Nr.3, 31 Absatz 1 Satz 1 SGB V, so scheitert dieser daran, dass das Arzneimittel Sandoglobulin keine arzneimittelrechtliche Zulassung für die Indikation MS besitzt; es kann deshalb nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.
Nach den genannten Vorschriften haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit diese in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähig sind. Diese Verpflichtung der Krankenkassen unterliegt den Einschränkungen aus § 2 Absatz 4 SGB V und aus § 12 Absatz 1 SGB V. Sie umfasst nur solche Leistungen, die für die Behandlung zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen. An der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Arzneimitteltherapie fehlt es, wenn das verwendete Medikament nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung bedarf und die Zulassung nicht erteilt worden ist (BSGE 82, 233ff). Zwar besitzt im vorliegenden Fall das Arzneimittel Sandoglobulin eine derartige Zulassung, jedoch erstreckt sich diese nicht auf das Anwendungsgebiet der MS. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist im Falle der Anwendung eines Arzneimittels außerhalb des zugelassenen Bereichs eine Leistungspflicht der Krankenkassen hinsichtlich eines Arzneimittels - wie bei dem gänzlichen Fehlen der arzneimittelrechtlichen Zulassung - nicht gegeben.
Nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts hat der Hersteller auf der Grundlage einer von ihm vorzulegenden vollständigen Dokumentation Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Medikaments nachzuweisen (vergl BSG, Urteil vom 30.09.1999, Az B 8 KN 9/98 KR R mwN). Diese Nachweispflicht bezieht sich nur auf die vom Hersteller im Zulassungsantrag genannten Anwendungsgebiete im Sinne des § 22 Absatz 1 Nr. 6 Arzneimittelgesetz (AMG). Eine darüber hinausgehende Prüfung durch die zulassende Behörde findet nicht statt (BSG, aaO). Ist aber im Rahmen der Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels die arzneimittelrechtliche Zulassung entscheidend, so kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich die arzneimittelrechtliche Zulassung immer nur auf bestimmte Anwendungsgebiete erstreckt. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Medikaments und damit auch seine krankenversicherungsrechtliche Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit können nur in Abhängigkeit von den jeweiligen Anwendungsgebieten beurteilt werden (vergl. BSG, aaO). Eine andere Beurteilung würde es zudem dem Hersteller ermöglichen, die Zulassungsvorschriften des Arzneimittelrechts zu umgehen, indem der Zulassungsantrag auf ein bestimmtes - unproblematisches - Anwendungsgebiet beschränkt und erst später gegenüber Ärzten die Anwendung des Arzneimittels auch für andere Indikationen propagiert würde (BSG, aaO). Bedenken gegen dieses Ergebnis lassen sich nach Auffassung des Senat aus dem Grundsatz der ärztlichen Therapiefreiheit nicht herleiten. Diese wird nicht berührt, weil es ausschließlich darum geht, die leistungsrechtlichen Grenzen des Anspruchs des Versicherten auf Versorgung mit Arzneimitteln zu bestimmen.
Eine Erweiterung der Leistungspflicht der Krankenkassen auf Therapien, die sich erst im Stadium der Forschung oder Erprobung befinden und noch nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, ist gesetzlich auch bei schweren und sogar vorhersehbar tödlich verlaufenden Krankheiten ausgeschlossen (so BSG, Urteil v. 28.03.2000, B 1 KR 18/98 R). Da das SGB V die Qualität und Wirksamkeit der Leistungen nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse fordert, kann ein individueller Heilversuch mit einer nicht anerkannten Methode nicht zu Lasten der Beklagten erbracht werden (so BSG, aaO).
Die Beschränkung der Leistungspflicht der Krankenkassen auf die Behandlungsmethoden, deren therapeutischer Nutzen ausreichend gesichert ist, verstößt entgegen der Ansicht des Klägers nicht gegen Artikel 2 des Grundgesetzes (GG). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass aus dieser Vorschrift des Grundgesetzes kein Anspruch auf Bereithaltung spezieller Gesundheitsleistungen hergeleitet werden kann (BVerfG NJW 1997, 3085; MedR 1997, 318; NJW 1998, 1775). Vielmehr erfüllt der Gesetzgeber seine aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz folgende objektiv rechtliche Pflicht, sich schützend und fördernd vor das Rechtsgut Leben bzw. körperliche Unversehrtheit zu stellen, durch die Bereitstellung von Leistungen, die dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft entsprechen. Soweit der Versicherte auch die Bereitstellung von nicht ausreichend erprobten Methoden begehrt, steht dem das öffentliche Interesse am Schutz des Versicherten vor unbekannten Nebenwirkungen sowie am Erhalt der finanziellen Stabilität der Krankenversicherung entgegen.
Aus den vorgenannten Gründen kann der Kläger auch für die Zukunft von der Beklagten nicht verlangen, ihm das Arzneimittel Sandoglobulin nach ärztlicher Verordnung als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Absatz 2 Nr.1 SGG). Ob die vorgenannten Grundsätze auch auf Fertigarzneimittel zu übertragen sind, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden worden.
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