L 5 KR 107/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 3 KR 37/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 107/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 03.11.1999 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig sind die Kosten einer stationären Behandlung des bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten versichert gewesenen Herrn P ... (im folgenden: Versicherter) in der W ... Klinik für Psychiatrie und Neurologie L ... (im folgenden: Klinik) vom 05.02. bis 20.05.1993 in Höhe von rund 30.000,-- DM.

Der 1963 geborene Versicherte, der am ... 1996 gestorben ist, war alkoholabhängig und zeigte massive Verhaltensstörungen. Er hatte sich seit 1992 mit kurzen Unterbrechungen in der Klinik aufgehalten, neben einer Alkoholkrankheit war eine psychische Erkrankung (Borderline-Persönlichkeitsstörung) diagnostiziert worden.

Nachdem der Versicherte nach einer Entlassung aus der Klinik am 01.01.1993 sich kurzfristig wieder vom 16. bis 19.01.1993 in der Klinik aufgehalten hatte, wurde er nach einem Sturz am 22.01.1993 nach einer ersten Behandlung im E ... Krankenhaus L ... wieder in die Klinik eingewiesen. Am 23.01.1993 wurde seine Unterbringung nach dem nordrhein-westfälischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG - in der damals geltenden Fassung des Gesetzes vom 02.12.1969, GV NRW S. 872 ) beantragt. Im ärztlichen Zeugnis vom 23.01.1993 wurde die Unterbringung mit dem Vorliegen einer Suchtkrankheit begründet, es lägen schwerste Verhaltensstörungen bei Alkoholismus und Borderline-Persönlichkeit vor. Der Versicherte sei zur Zeit erheblich selbst gefährdet und völlig krankheitsuneinsichtig. Mit Beschluss vom 24.01.1993 des Amtsgerichts Tecklenburg wurde die Unterbringung nach §§ 11, 18 PsychKG für sechs Wochen angeordnet.

Nach Auslaufen der Unterbringung hielt sich der Versicherte zunächst weiter freiwillig in der Klinik auf. Am 31.03.1993 wurde seine weitere Unterbringung beantragt und mit Beschluss des Amtsgerichts Tecklenburg vom 01.04.1993 erneut für sechs Wochen angeordnet. Nach Ende dieses Unterbringungszeitraumes blieb der Versicherte wiederum freiwillig in der Klinik, verließ sie jedoch dann am 20.05.1993 eigenmächtig und wurde "formal" entlassen. Ab dem 27.05.1993 befand er sich erneut in der Klinik.

Die Beklagte erteilte eine Kostenzusage für eine stationäre Behandlung bis zum 04.02.1993. Auf den Verlängerungsantrag der Klinik vom 28.04.1993 holte sie eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Dr. W ... vom MDK meinte in seiner auf der Grundlage eines Berichts der Klinik vom 14.06.1993 erstellten Stellungnahme vom 29.06.1993, aus den Ausführungen der Klinik ergäbe sich, dass die Behandlung nicht in der Lage sei, eine richtungsweisende Änderung der Krankheitszeichen herbeizuführen. Die Behandlung habe überwiegend begleitenden Charakter. Mit Schreiben vom 23.08.1993 lehnte die Beklagte die Übernahme der Behandlungskosten über den 04.02.1993 hinaus ab.

Der Kläger hat als überörtlicher Träger der Sozialhilfe die weiteren Kosten des Aufenthalts des Versicherten in der Klinik übernommen und am 13.10.1993 für die Zeit vom 05.02. bis 20.05.1993 bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch angemeldet, den diese unter Hinweis auf die Stellungnahme des MDK zurückgewiesen hat.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, der Versicherte habe in der Zeit vom 05.02. bis 20.05.1993 einer intensiven ärztlichen und medikamentösen Behandlung sowie ärztlich angeordneter und überwachter Therapiemaßnahmen (Psychotherapie, Soziotherapie, Belastungserprobung, engmaschige Betreuung, häufige Teamgespräche) bedurft und sei daher krankenhausbehandlungsbedürftig gewesen. Insoweit hat sie sich auf den Bericht der Klinik vom 14.06.1993 sowie eine "Checkliste" vom 21.09.1993 bezogen.

Das Sozialgericht hat nach Einholung eines Berichts der Klinik zu den Gründen für die stationäre Behandlung (Bericht Dr. L ... vom 13.02.1993), zu der die Beklagte eine Stellungnahme von Dr. W ... vom 17.03.1997 vorgelegt hat, Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. R ... Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 18.12.1998 zu dem Ergebnis, der Versicherte habe im fraglichen Zeitraum wegen der Krankheitsbilder Alkoholabhängigkeitssyndrom und Borderline-Persönlichkeitsstörung einer Krankenhausbehandlung bedurft. Der Schweregrad der Erkrankung habe durchgehend die Zusammenarbeit des Arztes mit dem Pflegepersonal erfordert, die häufigen Alkoholintoxikationen und aggressiven Verhaltensweisen hätten einen jederzeit rufbereiten Arzt erforderlich gemacht.

Die Beklagte ist dieser Beurteilung unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme von Dr. W ... vom 01.02.1999 entgegengetreten. Dr. W ... wies darauf hin, entgegen der Auffassung von Dr. R ... bedeute eine Unterbringung nach dem PsychKG nicht notwendigerweise, dass eine Krankenhausbehandlung im leistungsrechtlichen Sinne indiziert gewesen sei. Im Falle des Versicherten sei ab dem 05.02.1993 erkennbar gewesen, dass seine Erkrankung mit den Mitteln eines Krankenhauses nicht mehr beeinflussbar gewesen sei. Aufgrund seiner Therapieresistenz seien die Mittel eines Krankenhauses gar nicht in der Lage gewesen, ein medizinisches Behandlungsziel zu erreichen. Demgegenüber hat Dr. R ... in einer ergänzenden Stellungnahme vom 10.09.1999 an seiner Beurteilung festgehalten. Allein die Tatsache, dass es das primär vorrangige Ziel einer Behandlung nach dem PsychKG gewesen sei, die akute Eigengefährdung aufzufangen, rechtfertige eine Krankenhausbehandlung.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten von Dr. R ... vom 18.12.1998 und seine ergänzende Stellungnahme vom 10.09.1999 sowie die vorgenannten Stellungnahmen von Dr. W ... sowie den Bericht von Dr. L ... verwiesen.

Gestützt auf das Gutachten von Dr. R ... hat das Sozialgericht mit Urteil vom 03.11.1999 die Beklagte antragsgemäß zur Erstattung der Behandlungskosten vom 05.02. bis 20.05.1993 verurteilt.

Im Berufungsverfahren bezieht sich die Beklagte auf die Stellung nahmen des MDK und meint, das Sozialgericht habe angesichts dessen Aussagen nicht dem Gutachten von Dr. R ... folgen dürfen, sondern sei verpflichtet gewesen, ein Obergutachten einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 03.11.1999 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. P ... (emeritierter Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie und Psychiatrie der Universität K ...). In seinem Gutachten vom 04.10.2000 kommt er zu dem Ergebnis, eine Borderline-Persönlichkeitsstörung habe nicht vorgelegen, sie sei jeden falls nicht der Aufnahme- und Behandlungsgrund gewesen. Soweit der Alkoholismus behandelt worden sei, sei nach einer ersten Entgiftung eine Psychiatrische Klinik keine geeignete Institution. Auf die von der Beklagten vorgelegte Stellungnahme von Dr. L ... vom 10.01.2001 hat Prof. Dr. P ... in einer ergänzenden Stellungnahme vom 03.05.2001 ausgeführt, Dr. L ... bestätige selbst, dass eine Psychotherapie nicht durchgeführt worden sei. Auch eine Entwöhnungsbehandlung habe nicht stattgefunden. Soweit die Persönlichkeit des Versicherten der Behandlungsgrund gewesen sei, sei eine längerdauernde stationäre psychiatrische Behandlung deshalb nicht erforderlich gewesen, weil zumindest nach kurzer Beobachtungs- und Untersuchungszeit vorhersehbar gewesen sei, dass keinerlei medizinische Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um einen positiven

Einfluss auf die weitere Lebensentwicklung nehmen zu können. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten von Prof. Dr. P ..., seine ergänzende Stellungnahme sowie die Stellungnahme von Dr. L ... verwiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Versicherten betreffenden Krankenunterlagen der Klinik (Krankengeschichte 1 und 2) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, denn das Sozialgericht hat sie zu Unrecht zur Erstattung der Kosten des stationären Aufenthaltes des Versicherten in der Klinik vom 05.02.bis 20.05.1993 verurteilt.

Ein - allein in Betracht kommender - Erstattungsanspruch nach § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) besteht nicht, denn der Versicherte hatte im fraglichen Zeitraum keinen Anspruch auf vollstationäre Krankenhausbehandlung (§ 39 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)) gegen die Beklagte.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach Satz 2 Nr. 5 a.a.O. auch die Krankenhausbehandlung. Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V besteht Anspruch auf vollstationäre Behandlung, wenn die Aufnahme erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch ambulante oder teilstationäre Behandlung erreicht werden kann. Dies setzt voraus, dass nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses - operative Mindestausstattung, ständig rufbereiter Arzt, Möglichkeit intensiver therapeutischer Maßnahmen durch ärztliches und nichtärztliches Personal - die erforderliche Krankenbehandlung durchgeführt werden kann (vgl. BSGE 49, 216, 217; 59, 116, 117).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Aufgrund des Gutachtens von Prof. Dr. P ... steht zur Überzeugung des Senats fest, dass eine Krankenbehandlung in der Klinik nicht erforderlich war bzw. nicht durchgeführt worden ist. Dabei kann dahinstehen, ob die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung zutreffend war (was Prof. Dr. P ... mit nachvollziehbarer Begründung verneint und Dr. L ... letztlich in seiner Stellungnahme vom 10.01.2001 insofern eingeräumt hat, als er auf die angebliche Diagnose einer Borderline-Psychose hingewiesen hat, die aber im fraglichen Zeitraum weder im Kostenübernahme- oder Verlängerungsantrag, noch in den ärztlichen Zeugnissen zur Unterbringung nach dem PsychKG genannt wurde). Eine Borderline-Persönlichkeitsstörung ist jeden falls psychotherapeutisch nicht behandelt worden. Diese Feststellung von Prof. Dr. P ... hat Dr. L ... in seiner Stellungnahme bestätigt. Seiner Begründung für die angebliche Unmöglichkeit einer Psychotherapie hat Prof. Dr. P ... in der ergänzenden Stellungnahme vom 04.05.2001 überzeugend widersprochen und dargelegt, Besonderheiten der Ich-Struktur seien im Normalfall der alleinige Grund für eine Psychotherapie der Borderline-Persönlichkeitsstruktur, weil diese durch Psychotherapie veränderbar sei. Dafür stehe eine eigene psychoanalytische Technik zur Verfügung. Bestätigt wird die Tatsache, dass gerade keine Behandlung wegen einer Borderline-Störung stattgefunden hat, durch den Umstand, dass im Verlängerungsantrag der Klinik vom 28.04.1993 nur die Notwendigkeit von zwei ärztlichen Visiten pro Woche genannt wird, was selbst Dr. L ... als nicht ausreichend bezeichnet. Ausweislich des Verlängerungsantrages hat somit die Klinik jedenfalls kein Behandlungskonzept verfolgt, das für die Behandlung einer Borderline-Störung geeignet gewesen wäre. Soweit Dr. L ... in diesem Zusammenhang anführt, dass in den Pflege-/Behandlungsberichten häufigere ärztliche Kontakte mit dem Versicherten dokumentiert sind, ist darauf hinzuweisen, dass diese Eintragungen vielfach nicht Visiten oder Überprüfungen des Behandlungsverlaufs betreffen, sondern ein Tätigwerden der Ärzte i.S.v. "Kriseninterventionen", wenn der Versicherte wieder einmal von der Station entwichen oder intoxikiert von (ihm erstaunlich häufig genehmigten) Ausgängen zurückgekehrt war. Diese Eintragungen können somit nicht als Beleg für eine planvolle Behandlung gewertet werden.

Was den Alkoholismus des Versicherten anbelangt, ist in der Klinik jedenfalls keine Entwöhnungsbehandlung durchgeführt worden (so auch Dr. L ... in der Stellungnahme vom 10.01.2001). Zu Recht stellt daher Prof. Dr. P ... die Frage, weshalb der Versicherte in der Psychiatrischen Klinik blieb, wenn weder die Borderline-Störung noch der Alkoholismus behandelt wurden. Wenn Dr. L ... in seiner Stellungnahme ausführt, die "schwerste zu beobachtende Verhaltensstörung, die Beziehungsstörungen des Versicherten sowie sein massives Agieren" hätten im Vordergrund des Krankheitsbildes gestanden, das in dieser Ausprägung nicht typisch für einen Alkoholiker sei, überzeugt dies nicht. Prof. Dr. P ... hat das Verhalten des Versicherten als für einen Alkoholiker nicht untypisch bezeichnet, er hat darauf hingewiesen, dass der Alkoholismus immer etwas Selbstzerstörerisches an sich habe, wobei es zweifellos unbefriedigend sei, dem fatalen Verlauf zusehen zu müssen, ohne die rechtlichen und medizinischen Mittel zu haben, eingreifen zu können.

Prof. Dr. P ... hat auch sonst keine behandlungsbedürftige bzw. -fähige Krankheit erkennen können. Soweit die Persönlichkeit des Versicherten der Behandlungsgrund gewesen sein sollte, sehe er nicht, mit welchen Mitteln man habe hoffen können, diese zu ändern, wenn man - berechtigterweise - Psychotherapie von vornherein ausgeschlossen habe und medikamentöse oder chirurgische Behandlungsmethoden nicht bekannt seien. Zumindest nach kurzer Beobachtungs- und Untersuchungszeit sei vorhersehbar gewesen, dass keinerlei medizinische Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um einen positiven Einfluss auf die weitere Lebensentwicklung nehmen zu können. Auf diesen Aspekt hatte auch schon Dr. W ... in seinen Stellungnahmen vom 29.06.1993 und 17.03.1997 hingewiesen. Insbesondere in der Stellungnahme vom 17.03.1997 hat er ausgeführt, Dr. L ... räume in seinem Bericht vom 13.02.1997 selbst ein, dass die Behandlung nicht in der Lage gewesen sei, den Verlauf der Suchterkrankung zu ändern. Ein abgestuftes Behandlungsprogramm sei im Rahmen der streitigen Behandlung nicht realisisert worden. Der Gang der Entwicklung sei nicht von einem planmäßigen Ablauf der Behandlungsmittel bestimmt gewesen, sondern von dem nicht beherrschbaren Suchtverhalten des Versicherten. Diese Aussage ist vor dem Hintergrund, dass Dr. L ... in der Auskunft vom 13.02.1997 selbst ausgeführt hat, das Verhalten des Versicherten habe die Gestaltung einer geordneten Behandlung nur für ganz geringe Zeiträume möglich gemacht und man sei immer wieder in die Situation geraten, auf das Verhalten des Patienten reagieren zu müssen, nachvollziehbar.

Dem Gutachten von Dr. R ... kann nicht gefolgt werden. Wie insbesondere die ergänzende Stellungnahme vom 10.09.1999 deutlich macht, liegt seiner Beurteilung die unzutreffende Annahme zugrunde, allein die Unterbringung nach dem PsychKG bedeute die Notwendigkeit von Krankenhausbehandlung, wenn eine Heimunterbringung ausscheide. Das BSG hat in seinem Urteil vom 12.11.1985 (SozR 2200 § 184 Nr. 28) mit Recht darauf hingewiesen, die Unterbringungsgesetze der Länder bezweckten in erster Linie, eine Gefährdung zu beseitigen. Sie setzten jedoch nicht voraus, dass ein Behandlungsziel verfolgt oder erreicht werden könne. Auch wenn während der Unterbringung eine medizinische Behandlung stattfinden solle, setze ein Leistungsanspruch gegen die Krankenkasse jedoch voraus, dass es sich um eine medizinische Behandlung handele, die nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses erreicht werden könne. Dementsprechend verlangt § 26 PsychKG nur eine "gebotene" (d.h. erforderliche) Krankenbehandlung, setzt also nicht die Unterbringung mit einer stationären Behandlung gleich. Folgerichtig wird auch in §§ 38, 39 PsychKG bei der Kostentragung zwischen den Kosten der Unterbringung und der ärztlichen (stationären) Behandlung unterschieden. Die Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt mit dem Ziel der Verwahrung, beispielsweise weil der Kranke sich oder andere gefährdet, kann keine Leistungspflicht der Krankenkasse begründen (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 23.04.1997 - L 15 KR 50/94 -).

Darüber hinaus legt Dr. R ... seiner Beurteilung des Behandlungsgeschehens Annahmen zugrunde, die in der Krankenakte keine Stütze finden. Fortlaufende Behandlungspläne für den fraglichen Zeitraum finden sich in der Krankengeschichte nicht, auch Dr. R ... nennt in seinem Gutachten keine Behandlungspläne. Ein einziger undatierter Behandlungsplan trägt den handschriftlichen Zusatz "Stand 14.05.1993". Zur Soziotherapie wird dort vermerkt "Aufnahmestation kontraindiziert". Soweit es heisst, da der Patient nicht absprachefähig sei, könne keine Planung über den jeweiligen Tag hinaus erfolgen, bleibt offen, welches therapeutische Konzept die Klinik unabhängig von der Kooperationsbereitschaft des Versicherten, die unzweifelhaft fehlte, verfolgt hat. Die Behauptung von Dr. R ..., die Klinik habe für den Fachkundigen erkennbar zielgerichtet gearbeitet, ist nicht nachzuvollziehen. Als Beleg für diese Behauptung nennt er die Tatsache, dass die im Februar/März 1993 zuständige Stationsärztin V ...-H ... einen Wechsel von einer eher rigiden zu einer freizügigeren Behandlung vollzogen habe, wobei dieser Wechsel notwendig gewesen sei, um einen Affektstau zu verhindern. Tatsächlich hat Dr. L ... in seiner Stellungnahme vom 13.02.1997 aber ausgeführt, der Behandlungsstil der zunächst zuständigen Ärztin sei "grundsätzlich etwas anders" gewesen, sie habe versucht, etwas mehr Freizügigkeit zu gewähren. Dieser Behandlungsstil habe jedoch nicht zu einer Besserung, sondern zu einer weiteren massiven Ausweitung des extremen Verhaltens des Versicherten geführt. Die ab April 1993 zuständige Stationsärztin sei dann schrittweise wieder zu einer engeren Begrenzung des Versicherten übergegangen. Tatsächlich beruhte also der Wechsel im Behandlungsgeschehen nicht auf einem von der Klinik verfolgten Konzept, sondern auf unterschiedlichen Behandlungsstilen der jeweils zuständigen Stationsärztinnen, wobei die Nachfolgerin Dr. B ... auch vermerkte, der Versicherte sei überhaupt nicht in der Lage, ein Behandlungsvertrag einzuhalten. Die Verfolgung eines planmäßigen Behandlungskonzeptes bzw. ein zielgerichtetes Vorgehen der Klinik kann somit dem Wechsel des Behandlungsstiles nicht entnommen werden. Im Übrigen bieten weder die ärztlichen Verlaufsberichte noch die Pflegeberichte einen Hinweis auf einen zielstrebig verfolgten Heilplan und die dazu eingesetzten Behandlungsmittel. Auch Dr. R ... führt in seinem Gutachten für seine Behauptung keine dokumentierten Maßnahmen an.

Zwar kann davon ausgegangen werden, dass eine Unterbringung des Versicherten in einem pychiatrischen Krankenhaus aufgrund einer akuten Eigengefährdung erforderlich war. Diese Unterbringung hatte aber nur den Zweck, ihn in einem Krankenhaus unterzubringen und zu betreuen, so dass es unerheblich ist, ob im vorliegenden Fall die Präsenz eines Krankenhausarztes erforderlich war und das ärztliche Personal auch häufig eingreifen musste. Eine Krankenhausbehandlung kann nur angenommen werden, wenn die ärztliche Behandlung noch hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht nur um ihrer selbst willen, sondern im Rahmen eines zielstrebigen Heilplanes durchgeführt wird (BSG USK 9052). An letzterem fehlt es hier, der Versicherte war aufgrund seiner Uneinsichtigkeit, Unkoorperativität, Impulsheftigkeit und Rückfälligkeit nicht in der Lage, von einer Behandlung zu profitieren, medizinische Mittel standen nicht zur Verfügung, um einen positiven Einfluss auf die weitere Lebensentwicklung nehmen zu können. Letztlich hat dies die Klinik auch erkannt, denn der Versicherte ist schließlich am 14.10.1993 entlassen worden, ohne dass sich den Pflegeberichten entnehmen lässt, dass sich in irgendeiner Weise seine Verhaltensauffälligkeiten geändert hätten. In einem Vermerk in der Krankengeschichte wird festgehalten, da der Versicherte zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Behandlungsauftrag erteile, sei ein weiteres Behandlungsangebot nicht mehr möglich. Eine Aufnahme erfolge in nächster Zeit nur gemäß einer Unterbringung nach dem PsychKG. Dies macht deutlich, dass die Klinik nur noch die Aufnahme zur Abwehr einer akuten Gefährdung und nicht zur Durchführung einer Behandlung für sinnvoll gehalten hat. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht nachvollziehen, weshalb Dr. L ... in seiner Stellungnahme vom 10.01.2001 davon spricht, dass die Behandlung "durchaus nicht ohne Erfolg" gewesen sei. Die von ihm behauptete Stabilisierung des Beschwerde bildes lässt sich an Hand der Krankenunterlagen nicht nachvollziehen. Zum einen wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Tecklenburg vom 21.07.1993 wiederum die Unterbringung für sechs Wochen nach dem PsychKG angeordnet, zum anderen ergibt sich auch aus den ärztlichen Verlaufsberichten, dass es zu keinerlei Änderungen des Verhaltens des Versicherten kam und dieser immer wieder von der Station entwich und intoxikiert von Ausgängen zurückkehrte. Eine Besserung oder Stabilisierung der bestehenden Verhaltensstörungen lassen sich somit nicht feststellen. Da auch bereits vorausschauend feststand, dass Behandlungsmöglichkeiten nicht bestanden (so übereinstimmend Prof. Dr. P ... und Dr. W ...) kann die stationäre Behandlung auch nicht damit begründet werden, dass zumindest ein Behandlungsversuch habe gemacht werden müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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