Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 27 (18) KR 85/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 79/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 07.03.2000 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist in diesem Verfahren die Höhe der Beiträge nur zur Krankenversicherung ab dem 01.01.1998, nachdem das Verfahren gegen die AOK Rheinland Pflegekasse (bisher Beklagte zu 2) wegen der Höhe der Pflegeversicherungsbeiträge im Berufungsverfahren mit Beschluss vom 07.06.2001 abgetrennt worden ist.
Die Klägerin ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Sie ist alleinerziehend und erhält mit ihren beiden minderjährigen (familienversicherten) Kindern von der Stadt Kleve laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Sie bezog für sich selbst ab dem 01.01.1998 Leistungen in Höhe von 1.198,36 DM monatlich. Hierin enthalten sind der Regelsatz, der Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung, eine Bekleidungspauschale, anteilige Weihnachtsbeihilfe, Unterkunftskosten, Heizbeihilfe sowie ein Mehrbedarf für Alleinerziehung. Wegen der einzelnen Beträge und Anpassungen wird auf die in der Gerichtsakte befindlichen Bescheinigungen der Stadt Kleve vom 15.09.1998 und 01.03.2000 Bezug genommen. Der Beigeladene übernimmt als Sozialhilfeträger die Beiträge der Klägerin zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Mit Bescheid vom 23.01.1998 (ohne Rechtsmittelbelehrung) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ab dem 01.01.1998 ihr Beitrag zur Krankenversicherung 232,06 DM und zur Pflegeversicherung 33,16 DM betrage. Nach einer Satzungsänderung sei Bemessungsgrundlage für die Berechnung der freiwilligen Beiträge das 3,7-fache des monatlichen Sozialhilferegelsatzes eines Haushaltsvorstandes.
Mit ihrem Widerspruch führte die Klägerin aus: Die pauschale Berechnung der Beiträge auf Basis des 3,7-fachen Regelsatzes entspreche nicht ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Im Rahmen des § 240 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) komme es nur auf die Sozialhilfeleistungen der versicherten Person an, nicht auf die für weitere Angehörige. Die ihr tatsächlich gewährte Hilfe liege nicht nur unterhalb der durch die Satzung festgelegten Bemessungsgrundlage von 1.994,30 DM, sondern sogar unterhalb der Mindestgröße nach § 240 Abs. 4 SGB V.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus: Die ab dem 01.01.1998 geltende Satzungsbestimmung stehe im Einklang mit dem Gesetz, weil die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der freiwilligen Mitglieder zu berücksichtigen habe. Nach dem Bruttoprinzip sei von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszugehen, die durch die Leistungen des Sozialhilfeträgers "ersatzweise" hergestellt werde. Damit seien auch Leistungen an Familienangehörige zu erfassen, die den Versicherten von eigenen Unterhaltsverpflichtungen entlasteten. Selbst Einnahmen mit Zweckbindung könnten zum Lebensunterhalt verbraucht werden und steigerten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Deshalb sei auch der Abzug des Kinder- und Wohngeldes nicht möglich, selbst wenn sie vom Sozialhilfeträger leistungsmindernd berücksichtigt würden. Eine pauschalierte Beitragsbemessung sei zur Vermeidung verwaltungsaufwendiger Einzelfallentscheidungen notwendig.
Am 23.09.1998 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
Der Beigeladene hat sich dem Vortrag der Klägerin angeschlossen und ergänzend ausgeführt: Die von der Beklagten als Grund für die Pauschalierung aufgezeigten Schwierigkeiten zur Bestimmung der Einnahmen seien nicht nachvollziehbar. Die Berechnung und Bestätigung des sozialhilferechtlichen Bedarfs durch die Sozialämter sei unproblematisch. Die Einbeziehung von Familienangehörigen auf der Grundlage einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 1,8 Personen sei nicht zulässig.
Die Klägerin und der Beigeladene haben beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23.01.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.1998 aufzuheben, soweit die Beklagte damit Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung ab 01.01.1998 auf der Grundlage über die Mindesteinnahmen aus § 240 Abs. 4 SGB V hinausgehender bei tragspflichtiger Einnahmen erhebt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, das Bundessozialgericht (BSG) sei in seinen Entscheidungen zur Zulässigkeit einer typisierenden und pauschalierenden Beitragsbemessung bei Sozialhilfeempfängern, die in Heimen untergebracht seien, allgemein zu der Feststellung gelangt, dass ein solches Recht der Verwaltung bestehe, wenn die Ausführung eines Gesetzes unverhältnismäßige Schwierigkeiten verursache. Dies sei auch bei Sozialhilfeempfängern, die nicht in Heimen oder Anstalten untergebracht seien, wegen häufiger beitragsrelevanter Veränderungen der Fall. Die in der Satzung aufgenommene Beitragsbemessungsgrundlage orientiere sich ausschließlich an den Berechnungen der Durchschnittseinkünfte durch die Sozialhilfeträger unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des betroffenen Personenkreises.
Mit Urteil vom 07.03.2000 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Die Satzungsregelung zur Beitragsfestsetzung verstoße gegen höherrangiges Recht des SGB V und sei deshalb unwirksam mit der Folge, dass sich die Beitragsfestsetzung aufgrund der tatsächlichen Einnahmen nach den Mindesteinnahmen des § 240 Abs. 4 SGB V richte.
Die Beklagte hat die von ihr eingelegte Berufung trotz zwischenzeitlicher - die Auffassung des Sozialgerichts bestätigender - Urteile des BSG vom 19.12.2000 nicht näher begründet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 07.03.2000 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin (nach ihrem erkennbaren Interesse)und der Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene verweist auf die Entscheidungen des BSG vom 19.12.2000.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der von ihr eingereichten Satzung (Stand:01.01.1998) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht der als Teilanfechtung zulässigen Klage stattgegeben und den Bescheid vom 23.01.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.1998 im angefochtenen Umfang aufgehoben. Denn der Bescheid ist rechtswidrig, soweit die Beklagte die Klägerin zu Beiträgen nach höheren Einnahmen als den Mindesteinnahmen gemäß § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V herangezogen hat.
Der Bescheid vom 23.01.1998 regelt unbefristet, dass sich die beitragspflichtigen Einnahmen der Klägerin ab dem 01.01.1998 nach dem zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen geänderten § 17 Abs. 2 der Satzung der Beklagten bestimmen. Er hat damit die Beitragsbemessung auf eine neue Grundlage gestellt und erfasst - weil keine weiteren Beitragsbescheide mehr ergangen sind - auch nachfolgende Beitragsanpassungen.
Nach § 17 Abs. 2 der Satzung der Beklagten ist bei freiwilligen Mitgliedern, die Sozialhilfeempfänger sind, als Beitragsbemessungsgrundlage das 3,7-fache des monatlichen Sozialhilferegelsatzes eines Haushaltsvorstandes maßgebend, sofern keine abweichenden Vereinbarungen mit Sozialhilfeträgern bestehen. Diese Satzungsregelung ist unwirksam, weil sie gegen höherrangiges Recht verstößt.
Zwar wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder nach § 240 Abs. 1 Satz 1 durch Satzung geregelt. Der Satzungsautonomie der Krankenkassen sind aber in § 240 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 bis 5 SGB V Grenzen gesetzt. Die Satzung hat sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt, mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds herangezogen werden, die bei vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten zugrunde zu legen sind und eine Mindesteinnahmegrenze beachtet wird.
Nach der erstinstanzlichen Entscheidung hat sich das BSG zwischen zeitlich mit der Frage der Einbeziehung von Sozialhilfeleistungen für Familienangehörige bei der Beitragsbemessung des Mitgliedes befasst und - wie es auch das SG zutreffend gesehen hat - in seinen Urteilen vom 19.12.2000 (B 12 KR 1/00 R, B 12 KR 36/00 R ) ausgeführt, dass es für die Einbeziehung dieser Sozialhilfeleistungen keine Rechtsgrundlage gibt. Es ist unzulässig, die einem Kind des Mitglieds gewährten Hilfen zum Lebensunterhalt den bei tragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds zuzurechnen. Fremde Einnahmen dürfen grundsätzlich nicht in die Beitragspflicht einbezogen werden. Sie können nur ausnahmsweise dann zugerechnet werden, wenn sie dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit bestimmen. Sozialhilfeleistungen für Familienangehörige sind aber weder rechtlich Einnahmen des Mitglieds, noch verbessern sie dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Jeder Hilfebedürftige hat einen eigenständigen Anspruch auf Sozialleistungen. Diese rechtliche Zuordnung des Sozialhilfeanspruchs ist auch im Beitragsrecht der Krankenversicherung zu beachten. Denn Sozialhilfeleistungen an Familienangehörige sind grundsätzlich nicht so bemessen, dass sie die Leistungsfähigkeit anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erhöhen könnten. Eine etwaige Unterhaltsfähigkeit wird im Wege des Nachrangs der Sozialhilfe berücksichtigt. Auch das Gebot der Beitragsgerechtigkeit erfordert keine Einbeziehung der Sozialhilfeleistungen an Familienangehörige.
Bei freiwillig versicherten Sozialhilfeempfängern außerhalb einer Einrichtung gehören zu den beitragspflichtigen Einnahmen die laufenden Leistungen der Sozialhilfe zum Lebensunterhalt. Welche dies sind, ergibt sich aus dem Sozialhilferecht. Beitragspflichtig sind neben den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in diesem Rahmen auch die vom Hilfeträger übernommenen Unterkunftskosten einschließlich Neben- und Heizkosten, allerdings nur die auf das Mitglied entfallenden Anteile dieser Kosten. Hingegen kann Wohngeld nur durch eine besondere Satzungsbestimmung in die Beitragspflicht einbezogen werden (BSG - B 12 KR 1/00 R -). Ob Kindergeld durch Satzungsregelungen einbezogen werden kann, hat das BSG offen gelassen, weil die dort beklagte Krankenkasse Kindergeld nicht herangezogen hatte.
Ist es sonach unzulässig, die einem Kind gewährte Sozialhilfe den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds zuzurechnen, ist den Krankenkassen erst recht eine Beitragsbemessung verwehrt, die beitragspflichtige Einnahmen freiwillig versicherter Sozialhilfe empfänger pauschal nach einer statistisch ermittelten durchschnittlichen Haushaltsgröße von Sozialhilfebeziehern bestimmt. Auch praktische Schwierigkeiten, die sich durch ein System von Beitragsstufen und typisierende sowie pauschalierende Regelungen innerhalb der Grenzen der Satzungsautonomie abmildern lassen, rechtfertigen keine Aufgabe der individuellen Beitragsbemessung. Dies hat das BSG in seinem weiteren Urteil vom 19.12.2000 (B 12 KR 20/00 R) entschieden und im einzelnen begründet. Der erkennende Senat schliesst sich der Rechtsprechung des BSG an und verweist ergänzend auf die jeweiligen Entscheidungsgründe, die er sich zu eigen macht.
Die Satzungsregelung der Beklagten in § 17 Abs. 2 , die für Sozialhilfeempfänger eine pauschalierende personenübergreifende Beitragsbemessung vorsieht und fiktive Einnahmen nach einer statistisch ermittelten durchschnittlichen Haushaltsgröße unterstellt, ist deshalb unwirksam.
Die Unwirksamkeit hat zur Folge, dass im Ergebnis nur die Mindesteinnahmen des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V zugrunde zu legen sind. Die Beklagte hat in § 17 ihrer Satzung weder Wohn- noch Kindergeld satzungsrechtlich einbezogen. Eine Heranziehung dieser Einnahmen zur Beitragsbemessung scheidet schon aus diesem Grund aus. Einer Entscheidung, ob diese Einnahmen berücksichtigungsfähig wären, bedarf es deshalb nicht. Als beitragspflichtige Mindesteinnahme gilt nach § 17 Abs. 2 der Satzung entsprechend der gesetzlichen Regelung gemäß § 240 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1, 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V ein Drittel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Die für die Klägerin selbst bestimmten Sozialhilfeleistungen erreichen nach den Bescheinigungen des Sozialamtes Kleve unstreitig nicht einmal die Mindestgröße nach § 240 Abs. 4 SGB V (1998: 1.446,60 DM und 1999: 1.470,00 DM).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht.
Tatbestand:
Streitig ist in diesem Verfahren die Höhe der Beiträge nur zur Krankenversicherung ab dem 01.01.1998, nachdem das Verfahren gegen die AOK Rheinland Pflegekasse (bisher Beklagte zu 2) wegen der Höhe der Pflegeversicherungsbeiträge im Berufungsverfahren mit Beschluss vom 07.06.2001 abgetrennt worden ist.
Die Klägerin ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Sie ist alleinerziehend und erhält mit ihren beiden minderjährigen (familienversicherten) Kindern von der Stadt Kleve laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Sie bezog für sich selbst ab dem 01.01.1998 Leistungen in Höhe von 1.198,36 DM monatlich. Hierin enthalten sind der Regelsatz, der Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung, eine Bekleidungspauschale, anteilige Weihnachtsbeihilfe, Unterkunftskosten, Heizbeihilfe sowie ein Mehrbedarf für Alleinerziehung. Wegen der einzelnen Beträge und Anpassungen wird auf die in der Gerichtsakte befindlichen Bescheinigungen der Stadt Kleve vom 15.09.1998 und 01.03.2000 Bezug genommen. Der Beigeladene übernimmt als Sozialhilfeträger die Beiträge der Klägerin zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Mit Bescheid vom 23.01.1998 (ohne Rechtsmittelbelehrung) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ab dem 01.01.1998 ihr Beitrag zur Krankenversicherung 232,06 DM und zur Pflegeversicherung 33,16 DM betrage. Nach einer Satzungsänderung sei Bemessungsgrundlage für die Berechnung der freiwilligen Beiträge das 3,7-fache des monatlichen Sozialhilferegelsatzes eines Haushaltsvorstandes.
Mit ihrem Widerspruch führte die Klägerin aus: Die pauschale Berechnung der Beiträge auf Basis des 3,7-fachen Regelsatzes entspreche nicht ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Im Rahmen des § 240 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) komme es nur auf die Sozialhilfeleistungen der versicherten Person an, nicht auf die für weitere Angehörige. Die ihr tatsächlich gewährte Hilfe liege nicht nur unterhalb der durch die Satzung festgelegten Bemessungsgrundlage von 1.994,30 DM, sondern sogar unterhalb der Mindestgröße nach § 240 Abs. 4 SGB V.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus: Die ab dem 01.01.1998 geltende Satzungsbestimmung stehe im Einklang mit dem Gesetz, weil die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der freiwilligen Mitglieder zu berücksichtigen habe. Nach dem Bruttoprinzip sei von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszugehen, die durch die Leistungen des Sozialhilfeträgers "ersatzweise" hergestellt werde. Damit seien auch Leistungen an Familienangehörige zu erfassen, die den Versicherten von eigenen Unterhaltsverpflichtungen entlasteten. Selbst Einnahmen mit Zweckbindung könnten zum Lebensunterhalt verbraucht werden und steigerten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Deshalb sei auch der Abzug des Kinder- und Wohngeldes nicht möglich, selbst wenn sie vom Sozialhilfeträger leistungsmindernd berücksichtigt würden. Eine pauschalierte Beitragsbemessung sei zur Vermeidung verwaltungsaufwendiger Einzelfallentscheidungen notwendig.
Am 23.09.1998 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
Der Beigeladene hat sich dem Vortrag der Klägerin angeschlossen und ergänzend ausgeführt: Die von der Beklagten als Grund für die Pauschalierung aufgezeigten Schwierigkeiten zur Bestimmung der Einnahmen seien nicht nachvollziehbar. Die Berechnung und Bestätigung des sozialhilferechtlichen Bedarfs durch die Sozialämter sei unproblematisch. Die Einbeziehung von Familienangehörigen auf der Grundlage einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 1,8 Personen sei nicht zulässig.
Die Klägerin und der Beigeladene haben beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23.01.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.1998 aufzuheben, soweit die Beklagte damit Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung ab 01.01.1998 auf der Grundlage über die Mindesteinnahmen aus § 240 Abs. 4 SGB V hinausgehender bei tragspflichtiger Einnahmen erhebt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, das Bundessozialgericht (BSG) sei in seinen Entscheidungen zur Zulässigkeit einer typisierenden und pauschalierenden Beitragsbemessung bei Sozialhilfeempfängern, die in Heimen untergebracht seien, allgemein zu der Feststellung gelangt, dass ein solches Recht der Verwaltung bestehe, wenn die Ausführung eines Gesetzes unverhältnismäßige Schwierigkeiten verursache. Dies sei auch bei Sozialhilfeempfängern, die nicht in Heimen oder Anstalten untergebracht seien, wegen häufiger beitragsrelevanter Veränderungen der Fall. Die in der Satzung aufgenommene Beitragsbemessungsgrundlage orientiere sich ausschließlich an den Berechnungen der Durchschnittseinkünfte durch die Sozialhilfeträger unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des betroffenen Personenkreises.
Mit Urteil vom 07.03.2000 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Die Satzungsregelung zur Beitragsfestsetzung verstoße gegen höherrangiges Recht des SGB V und sei deshalb unwirksam mit der Folge, dass sich die Beitragsfestsetzung aufgrund der tatsächlichen Einnahmen nach den Mindesteinnahmen des § 240 Abs. 4 SGB V richte.
Die Beklagte hat die von ihr eingelegte Berufung trotz zwischenzeitlicher - die Auffassung des Sozialgerichts bestätigender - Urteile des BSG vom 19.12.2000 nicht näher begründet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 07.03.2000 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin (nach ihrem erkennbaren Interesse)und der Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene verweist auf die Entscheidungen des BSG vom 19.12.2000.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der von ihr eingereichten Satzung (Stand:01.01.1998) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht der als Teilanfechtung zulässigen Klage stattgegeben und den Bescheid vom 23.01.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.1998 im angefochtenen Umfang aufgehoben. Denn der Bescheid ist rechtswidrig, soweit die Beklagte die Klägerin zu Beiträgen nach höheren Einnahmen als den Mindesteinnahmen gemäß § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V herangezogen hat.
Der Bescheid vom 23.01.1998 regelt unbefristet, dass sich die beitragspflichtigen Einnahmen der Klägerin ab dem 01.01.1998 nach dem zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen geänderten § 17 Abs. 2 der Satzung der Beklagten bestimmen. Er hat damit die Beitragsbemessung auf eine neue Grundlage gestellt und erfasst - weil keine weiteren Beitragsbescheide mehr ergangen sind - auch nachfolgende Beitragsanpassungen.
Nach § 17 Abs. 2 der Satzung der Beklagten ist bei freiwilligen Mitgliedern, die Sozialhilfeempfänger sind, als Beitragsbemessungsgrundlage das 3,7-fache des monatlichen Sozialhilferegelsatzes eines Haushaltsvorstandes maßgebend, sofern keine abweichenden Vereinbarungen mit Sozialhilfeträgern bestehen. Diese Satzungsregelung ist unwirksam, weil sie gegen höherrangiges Recht verstößt.
Zwar wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder nach § 240 Abs. 1 Satz 1 durch Satzung geregelt. Der Satzungsautonomie der Krankenkassen sind aber in § 240 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 bis 5 SGB V Grenzen gesetzt. Die Satzung hat sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt, mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds herangezogen werden, die bei vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten zugrunde zu legen sind und eine Mindesteinnahmegrenze beachtet wird.
Nach der erstinstanzlichen Entscheidung hat sich das BSG zwischen zeitlich mit der Frage der Einbeziehung von Sozialhilfeleistungen für Familienangehörige bei der Beitragsbemessung des Mitgliedes befasst und - wie es auch das SG zutreffend gesehen hat - in seinen Urteilen vom 19.12.2000 (B 12 KR 1/00 R, B 12 KR 36/00 R ) ausgeführt, dass es für die Einbeziehung dieser Sozialhilfeleistungen keine Rechtsgrundlage gibt. Es ist unzulässig, die einem Kind des Mitglieds gewährten Hilfen zum Lebensunterhalt den bei tragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds zuzurechnen. Fremde Einnahmen dürfen grundsätzlich nicht in die Beitragspflicht einbezogen werden. Sie können nur ausnahmsweise dann zugerechnet werden, wenn sie dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit bestimmen. Sozialhilfeleistungen für Familienangehörige sind aber weder rechtlich Einnahmen des Mitglieds, noch verbessern sie dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Jeder Hilfebedürftige hat einen eigenständigen Anspruch auf Sozialleistungen. Diese rechtliche Zuordnung des Sozialhilfeanspruchs ist auch im Beitragsrecht der Krankenversicherung zu beachten. Denn Sozialhilfeleistungen an Familienangehörige sind grundsätzlich nicht so bemessen, dass sie die Leistungsfähigkeit anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erhöhen könnten. Eine etwaige Unterhaltsfähigkeit wird im Wege des Nachrangs der Sozialhilfe berücksichtigt. Auch das Gebot der Beitragsgerechtigkeit erfordert keine Einbeziehung der Sozialhilfeleistungen an Familienangehörige.
Bei freiwillig versicherten Sozialhilfeempfängern außerhalb einer Einrichtung gehören zu den beitragspflichtigen Einnahmen die laufenden Leistungen der Sozialhilfe zum Lebensunterhalt. Welche dies sind, ergibt sich aus dem Sozialhilferecht. Beitragspflichtig sind neben den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in diesem Rahmen auch die vom Hilfeträger übernommenen Unterkunftskosten einschließlich Neben- und Heizkosten, allerdings nur die auf das Mitglied entfallenden Anteile dieser Kosten. Hingegen kann Wohngeld nur durch eine besondere Satzungsbestimmung in die Beitragspflicht einbezogen werden (BSG - B 12 KR 1/00 R -). Ob Kindergeld durch Satzungsregelungen einbezogen werden kann, hat das BSG offen gelassen, weil die dort beklagte Krankenkasse Kindergeld nicht herangezogen hatte.
Ist es sonach unzulässig, die einem Kind gewährte Sozialhilfe den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds zuzurechnen, ist den Krankenkassen erst recht eine Beitragsbemessung verwehrt, die beitragspflichtige Einnahmen freiwillig versicherter Sozialhilfe empfänger pauschal nach einer statistisch ermittelten durchschnittlichen Haushaltsgröße von Sozialhilfebeziehern bestimmt. Auch praktische Schwierigkeiten, die sich durch ein System von Beitragsstufen und typisierende sowie pauschalierende Regelungen innerhalb der Grenzen der Satzungsautonomie abmildern lassen, rechtfertigen keine Aufgabe der individuellen Beitragsbemessung. Dies hat das BSG in seinem weiteren Urteil vom 19.12.2000 (B 12 KR 20/00 R) entschieden und im einzelnen begründet. Der erkennende Senat schliesst sich der Rechtsprechung des BSG an und verweist ergänzend auf die jeweiligen Entscheidungsgründe, die er sich zu eigen macht.
Die Satzungsregelung der Beklagten in § 17 Abs. 2 , die für Sozialhilfeempfänger eine pauschalierende personenübergreifende Beitragsbemessung vorsieht und fiktive Einnahmen nach einer statistisch ermittelten durchschnittlichen Haushaltsgröße unterstellt, ist deshalb unwirksam.
Die Unwirksamkeit hat zur Folge, dass im Ergebnis nur die Mindesteinnahmen des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V zugrunde zu legen sind. Die Beklagte hat in § 17 ihrer Satzung weder Wohn- noch Kindergeld satzungsrechtlich einbezogen. Eine Heranziehung dieser Einnahmen zur Beitragsbemessung scheidet schon aus diesem Grund aus. Einer Entscheidung, ob diese Einnahmen berücksichtigungsfähig wären, bedarf es deshalb nicht. Als beitragspflichtige Mindesteinnahme gilt nach § 17 Abs. 2 der Satzung entsprechend der gesetzlichen Regelung gemäß § 240 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1, 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V ein Drittel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Die für die Klägerin selbst bestimmten Sozialhilfeleistungen erreichen nach den Bescheinigungen des Sozialamtes Kleve unstreitig nicht einmal die Mindestgröße nach § 240 Abs. 4 SGB V (1998: 1.446,60 DM und 1999: 1.470,00 DM).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht.
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