L 5 KR 15/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 34 KR 214/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 15/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 2/02 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.01.2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klagen richten sich gegen Bescheide, mit denen jeweils getrennt für die Rechtskreise West und Ost im Rahmen des Risikostrukturausgleichs die Jahresausgleiche für die Kalenderjahre 1994 und 1995 sowie für das Jahr 1995 die Abrechnung der Beiträge der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) festgestellt worden sind.

Durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21.12.1992 (BGBl. I, 2266) ist ab 01.01.1994 ein kassenartübergreifender Risikostrukturausgleich (RSA) eingeführt worden. Mit dem Ausgleich der finanziellen Auswirkungen der unterschiedlichen Risikostrukturen der Krankenkassen sollen eine gerechtere Beitragsbelastung der Versicherten erreicht und Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Krankenkassen abgebaut werden (BT-Drucks. 12/3608, S. 117). Die Finanzsituation jeder Krankenkasse soll möglichst unabhängig von ihrer konkreten Risikostruktur gestaltet werden.

Das gesetzliche Konzept (§ 266 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 267 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)) sieht die Berücksichtigung der finanziellen Auswirkungen folgender risikobestimmender Faktoren vor: die beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder, die Anzahl der Familienversicherten, die Morbidität, die indirekt über die Faktoren Alter, Geschlecht und Invalidität (Bezug von EU-/BU-Rente und Rente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit) der Versicherten erfasst wird, sowie die Art der Anspruchsberechtigung auf Krankengeld. Einnahme- und Ausgabenunterschiede, die nicht auf diese Faktoren zurückzuführen sind, sind nicht ausgleichsfähig (§ 266 Abs. 1 Satz 3 SGB V).

Kern des RSA ist ein Vergleich von Beitragsbedarf und Finanzkraft einer Krankenkasse (§ 266 Abs. 2 Satz 1 SGB V). In dem Beitragsbedarf drückt sich die individuelle Risikobelastung einer Krankenkasse hinsichtlich der Leistungsausgaben aus, während ihre Finanzkraft die Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen ihrer Mitglieder im Vergleich zu den durchschnittlichen beitragspflichtigen Einnahmen aller Krankenkassen widerspiegelt.

Da nicht die tatsächlichen Ausgaben einer Krankenkasse, sondern nur die auf den genannten Faktoren beruhende Risikobelastung ausgeglichen werden soll, werden durchschnittliche Pro-Kopf-Ausgaben für jede der nach Alter (90 Altersgruppen) und Geschlecht differenzierten Versichertengruppen, die jeweils nochmals unterteilt werden nach Versicherten mit und ohne Bezug einer EU-/BU-Rente sowie nach Bestehen und Beginn eines Krankengeldanspruchs (vgl. im einzelnen § 2 Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV)), ermittelt (standardisierte Leistungsausgaben, § 266 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Dabei werden satzungsmäßige Mehr- und Erprobungsleistungen sowie Ermessensleistungen (mit Ausnahme der Anschlussheilbehandlung) nicht berücksichtigt (§§ 266 Abs. 4 SGB V, 4 RSAV); ebenso sind Verwaltungsausgaben grundsätzlich nicht ausgleichsfähig. Die auf die Versicherten in den einzelnen RSA-Versichertengruppen ("RSA-Zellen") entfallenden Leistungsausgaben werden in einer besonderen Datenerhebung ermittelt (§ 267 Abs. 3 SGB V). Die Pro-Kopf-Ausgaben werden in Verhältniswerte umgerechnet, die zeigen, in welcher Relation die Ausgaben aller Krankenkassen je Versicherten in den jeweiligen Versichertengruppen zu den Pro-Kopf-Ausgaben aller Krankenkassen je Versicherten in allen Versichertengruppen stehen (§ 5 Abs. 1 RSAV). Mit Hilfe der Verhältniswerte und des aus den Jahresrechnungen bzw. der Versichertenstatistik der Krankenkassen bekannten durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgabewertes aller Kassen und aller Versicherten wird dann die Höhe der standardisierten Pro-Kopf-Leistungsausgaben in jeder Versichertengruppe ermittelt (vgl. im einzelnen § 6 RSAV).

Der Beitragsbedarf einer Krankenkasse ergibt sich aus der Multiplikation der Zahl der für jeden Tag ihrer Kassenzugehörigkeit einer der Versichertengruppe zugeordneten Versicherten mit den entsprechenden standardisierten Leistungsausgaben und der Addition dieser Ausgaben für alle Versicherten. Zur Ermittlung der Finanzkraft werden die kassenspezifischen beitragspflichtigen Einnahmen mit dem bundeseinheitlichen Ausgleichsbedarfssatz multipliziert (§ 266 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Der Ausgleichsbedarfssatz entspricht dem Verhältnis der Beitragsbedarfssumme aller Krankenkassen zur Summe aller beitragspflichtigen Einnahmen (Satz 3 a.a.O.), gibt also an, wie hoch der Anteil der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sein muss, um die im RSA berücksichtigungsfähigen Leistungsausgaben finanzieren zu können.

Beitragsbedarf und Finanzkraft werden schließlich gegenübergestellt. Reicht die Finanzkraft einer Kasse zur Finanzierung der standardisierten Leistungsausgaben nicht aus, erhält sie eine Ausgleichszahlung aus dem RSA, während umgekehrt eine Kasse, deren Finanzkraft ihren Beitragsbedarf übersteigt, die Differenz in den RSA einzahlen muss (§ 266 Abs. 3 Satz 4 SGB V). Die Summe aller Zahlungsansprüche und -verpflichtungen ergibt Null.

In den den (endgültigen) Jahresausgleich 1994 betreffenden Bescheiden vom 04.12.1996 wurde für den Bereich West ein Beitragsbedarf von 13.055.681.106,08 DM festgestellt. Die Finanzkraft betrug 13.385.125.527,59 DM, so dass eine Ausgleichsverpflichtung von 329.444.421,51 DM bestand. Im Rechtskreis Ost betrug der Beitragsbedarf 3.484.748.488,33 DM, die Finanzkraft 3.564.172.035,45 DM, so dass sich die Ausgleichsverpflichtung auf 79.423.547,12 DM belief.

Der Jahresausgleich für 1995 wurde ebenfalls mit Bescheiden vom 04.12.1996 festgestellt. Der den Bereich West betreffende Bescheid weist einen Beitragsbedarf von 22.262.940.533,90 DM (einschließ lich einer Korrektur des KVdR-Finanzausgleichs aus den Vorjahren) aus und eine Finanzkraft von 24.242.772.228,97 DM, die Ausgleichsverpflichtung belief sich auf 1.979.831.695,07 DM. Im Rechtskreis Ost belief sich der Beitragsbedarf (unter Einschluss einer Korrektur aus dem KVdR-Finanzausgleich) auf 4.353.040.129,95 DM, die Finanzkraft betrug 5.760.963.174,38 DM, die Ausgleichsverpflichtung 1.407.923.044,43 DM.

Gegen die nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheide hat die Klägerin am 05.12.1997 Klage erhoben. Sie hat gefordert, die Ausgleichsansprüche müssten unter Zugrundelegung der tatsächlichen Leistungsausgaben im ambulanten ärztlichen Bereich ermittelt werden. Seit 1993 hätten alle Krankenkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Kopfpauschalen pro Mitglied ohne Differenzierung nach Alter und Geschlecht vereinbart. Die Vergütung mache somit keinen Unterschied zwischen einem 20-jährigen und einem 80-jährigen Versicherten. Demgegenüber würden beim Beitragsbedarf unterschiedliche Werte angerechnet, da im Rahmen des RSA die Leistungsausgaben über die Kassenärztlichen Vereinigungen ermittelt würden und im Verhältnis zwischen Ärzten und Kassenärztlichen Vereinigungen nach Einzelleistungen abgerechnet werde. Durch das im RSA gewählte Verfahren würden Krankenkassen mit vielen jungen Versicherten - wie sie, die Klägerin - benachteiligt, weil sie als Kopfpauschale für diese Mitglieder mehr zahlen müsse, als sie als Leistungsausgabe angerechnet bekomme.

Für die Berechnung der Verhältniswerte an Hand der im Verhältnis zwischen Ärzten und Kassenärztlichen Vereinigungen geltenden Abrechnungsmaßstäbe finde sich weder in §§ 266, 267 SGB V noch den Vorschriften der RSAV eine Grundlage. Vielmehr spreche der Wortsinn des § 266 Abs. 2 Satz 2 SGB V für die Berücksichtigung der tatsächlichen Leistungsausgaben der Krankenkasse, da der Beitrags bedarf einer Krankenkasse als Summe ihrer standardisierten Leistungsausgaben definiert werde. Wenn die Ausgaben berücksichtigt werden müssten, sei im ambulanten ärztlichen Bereich auf die vereinbarte Gesamtvergütung abzustellen. Soweit "standardisierte" Leistungsausgaben zu berücksichtigen seien, meine dies nur, dass eine Vereinheitlichung nach einem bestimmten Muster erfolgen solle. Für ihre Auffassung spreche auch die historische Entwicklung, da beim früheren KVdR-Finanzausgleich, der als Vorbild für den RSA gedient habe, ebenso auf die tatsächliche Vergütung abgestellt worden sei. Der von ihr vertretenen Auffassung könne nicht entgegengehalten werden, dass es sich bei der Mitgliederpauschale nur um die abrechnungstechnische Regelung zur Ermittlung der Gesamtvergütung handele, denn dies ändere nichts daran, dass ihre tatsächliche Belastung sich aus dieser vereinbarten Vergütung ergebe. Soweit die Spitzenverbände in der Vereinbarung nach § 267 Abs. 7 SGB V die Ermittlung der Leistungsausgaben auf der Grundlage der Einzelleistungsabrechnung der Kassenärztlichen Vereinigungen im Verhältnis zu den Ärzten vorgesehen hätten, widerspreche diese Regelung den gesetzlichen Vorgaben. Die Spitzenverbände seien sich auch bei ihrer Vereinbarung offensichtlich nicht im klaren gewesen, dass es zu einer Diskrepanz zwischen der tatsächlich gezahlten Gesamtvergütung und der Ermittlung der Leistungsausgaben unter Berücksichtigung des Honorarverteilungsmaßstabes komme.

Die Klägerin hat insoweit ferner geltend gemacht, es sei ihr in diesem Teilbereich nicht möglich, den im RSA berücksichtigten Ausgabenstandard zu erreichen. Das Konzept des RSA gehe davon aus, dass eine Differenz zwischen standardisierten und tatsächlichen Leistungsausgaben auf unwirtschaftliches Verhalten hindeute. Diese Annahme treffe aber bei der Vergütung der ambulanten ärztlichen Versorgung nicht zu, da in diesem Bereich ein historisch gewachsener höherer Vergütungssockel vorliege. Aufgrund der höheren Grundlöhne hätten die Ersatzkassen bei dem Übergang zur Berechnung der Gesamtvergütung nach Kopfpauschalen höhere Pauschalen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbart, die in der Vergangenheit entsprechend der Grundlohnentwicklung fortgeschrieben worden seien. Eine nachträgliche Anpassung der Höhe der Gesamtvergütung an die durch den RSA veränderte Situation hinsichtlich des Grundlohnes sei in der Praxis nicht zu realisieren. Die Schiedsämter gingen von der Angemessenheit der zunächst vereinbarten Vergütung aus, sie seien auch nicht bereit, die außerhalb der Parameter des § 72 Abs. 2 SGB V liegenden Folgerungen aus dem RSA zu berücksichtigen. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung sei immer davon ausgegangen, dass eine früher vereinbarte Vergütung die Vermutung der Angemessenheit für sich habe. Von daher sei sie nicht in der Lage, mit den Ärzten eine Vergütungsvereinbarung zu treffen, die im Bereich der angerechneten standardisierten Leistungsausgaben liege. Der Schaden, der ihr aus der Nichtberücksichtigung der tatsächlich vereinbarten Kopfpauschalen erwachse, belaufe sich auf ca. 0,25 Beitragssatzpunkte.

Weiter hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Versicherungszeiten von im Ausland lebenden Familienversicherten dürften nicht berücksichtigt werden. Nach § 266 Abs. 1 Satz 2 SGB V sollten u.a. Unterschiede in der Zahl der nach § 10 SGB V Versicherten ausgeglichen werden. Die Versicherung nach § 10 SGB V setze jedoch den Aufenthalt im Inland voraus. Im Ausland lebende Familienangehörige seien nur nach § 30 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) i.V.m. den entsprechenden Regelungen des überstaatlichen oder zwischenstaatlichen Rechts familienversichert. Selbst wenn man diese Personengruppe als nach § 10 SGB V Versicherte ansehe, geböten Sinn und Zweck des RSA ihre Nichtberücksichtigung. Im Ausland lebende Familienangehörige verursachten nämlich Kosten, die in einem auffälligen Mißverhältnis zum angerechneten Beitragsbedarf stünden. Im Rahmen der Abkommen seien zur Abgeltung der Sachleistungsaushilfe Pauschalbeträge pro Jahr und Familie vereinbart. Tatsächlich würde den betreffenden Kassen ein Beitragsbedarf wie bei "Inlandsversicherten" angerechnet. Dies sei nicht sachgerecht. Wegen der Pauschalen stellten die im Ausland lebenden Familienversicherten eine weit unterdurchschnittliche Risikobelastung dar, so dass tatsächlich kein auszugleichender Risikofaktor vorliege und § 266 Abs. 1 Satz 2 SGB V teleologisch zu reduzieren sei. Von der gegenwärtigen Praxis profitierten ganz überwiegend Orts- und Betriebskrankenkassen, die über viele Versicherte im Ausland verfügten und dadurch einen erheblichen Beitragsbedarfsvorteil erzielten.

Ferner hat die Klägerin gerügt, dass das Kranken- und Mutterschaftsgeld trotz der Eigenschaft als grundlohnabhängige Leistung wie Sachleistungsausgaben berücksichtigt werde. Insoweit werde sie erneut benachteiligt, da sie wegen der höheren Grundlöhne ihrer Mitglieder entsprechend höhere Krankengeldzahlungen zu leisten habe. Soweit die gegenwärtige Handhabung mit dem administrativen Aufwand für die Ein- und Durchführung eines eigenständigen Verfahrens zur Ermittlung standardisierter Leistungsausgaben für das Krankengeld begründet werde, sei dieser Aufwand angesichts ihrer Benachteiligung irrelevant.

Die Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, aus § 267 Abs. 5 SGB V ergebe sich unmittelbar, dass nicht die von den Krankenkassen an die Kassenärztlichen Vereinigungen geleisteten Zahlungen, sondern die von den Ärzten gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen abgerechneten Leistungen in die Datenerhebung einfließen sollten. Das in Abs. 5 bestimmte Datenübermittlungsverfahren wäre ansonsten überflüssig, da die Krankenkassen die von ihnen geleistete Gesamtvergütung ohne weitere Ermittlung melden könnten. Bei einer Berücksichtigung der Kopfpauschalen erhalte jede Krankenkasse unabhängig von der Struktur ihrer Versicherten und von der Zahl der mitversicherten Familienangehörigen dieselben standardisierten Leistungsausgaben für jedes Mitglied. Dies widerspreche den Vorgaben des § 266 Abs. 1 SGB V. Der Vergleich mit dem KVdR-Finanzausgleich sei nicht haltbar, da in diesem Ausgleichsverfahren die tatsächlich jeder Kasse entstandenen Leistungsausgaben ausgeglichen worden seien, während der RSA bewusst nicht auf im Einzelfall entstandene, sondern auf standardisierte Leistungsausgaben abstelle.

Soweit die Klägerin wegen des früheren Grundlohnvorteils, der jetzt durch den RSA abgeschöpft werde, in der Vergangenheit mit den Kassenärztlichen Vereinigungen eine entsprechend höhere Gesamtvergütung vereinbart habe, müsse sie ihr vor Einführung des RSA vereinbartes Niveau den jetzigen Verhältnissen anpassen. Nur mit dieser Strategie sei ihr Problem sachgerecht zu lösen. Dabei hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Schiedsämter seien nach geltendem Recht berechtigt und verpflichtet, bei der Festsetzung der Gesamtvergütung die durch den RSA veränderte Situation zu berücksichtigen. Soweit die Gesamtvergütung auf der Grundlage der Kopfpauschalen nicht der tatsächlich bestehenden Morbiditätsbelastung entsprächen, handele es sich um ein unwirtschaftliches Verhalten der betreffenden Kasse, das durch den RSA aufgedeckt, aber nicht verursacht worden sei.

Versicherungszeiten für die im Ausland lebenden Familienversicherten müssten nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung berücksichtigt werden. Die Klägerin überschätze bei ihren Berechnungen die sich für die anderen Kassenarten ergebenden Beitragsbedarfsvorteile. Eine Sonderregelung für diesen Personenkreis sei nicht erforderlich gewesen, da der Gesetzgeber von vornherein nicht alle ausgleichsbedürftigen Faktoren habe ausgleichen wollen. Wegen der ohnehin schon hohen Komplexität des RSA-Ausgleichsverfahrens habe sich der Gesetzgeber für die Berücksichtigung einer Reihe wesentlicher Risikofaktoren entschieden. Angesichts des komplexen Geflechts aus Begünstigung und Benachteiligung der verschiedenen Kassenarten könne die Entscheidung des Gesetzgebers, für alle anderen denkbaren Faktoren keine Ausnahmeregelung vorzusehen, nicht als willkürlich beanstandet werden.

Was die Berücksichtigung von Krankengeld und Mutterschaftsgeld anbelange, habe der Gesetzgeber auf die gesonderte Ermittlung standardisierter Leistungsausgaben für das Kranken- und Mutterschaftsgeld ohne Verstoß gegen das Willkürverbot verzichten können. Er sei insoweit zu einer typisierenden und pauschalierenden Regelung befugt gewesen. Um der Abhängigkeit der Kranken- und Mutterschaftsgeldausgaben von der Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder Rechnung zu tragen, wäre nämlich ein eigenständiges und kompliziertes Verfahren zur Ermittlung standardisierter Leistungsausgaben in diesem Bereich erforderlich gewesen. Umgekehrt habe die Regelung keine gravierenden Auswirkungen. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass durch den RSA nur rund 92 bis 93 % des Grundlohns ausgeglichen werde, so dass die Klägerin wegen der überdurchschnittlich hohen beitragspflichtigen Einnahmen ihrer Mitglieder begünstigt sei und insoweit die Mehrbelastung bei den grundlohnabhängigen Leistungen tragen könne.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 06.01.2000 die Klagen abgewiesen.

Im Berufungsverfahren wiederholt die Klägerin im wesentlichen ihren bisherigen Vortrag. Ergänzend trägt sie vor, bei der Vergütung der ambulanten ärztlichen Leistungen ergebe sich ihr konkretes Risiko aus den vereinbarten Kopfpauschalen, die typische Risikostruktur werde nicht durch die zwischen den Ärzten und Kassenärztlichen Vereinigungen abgerechneten Leistungen widergespiegelt. Die Kopfpauschalen seien seit 1991 entsprechend der Grundlohnentwicklung und ohne Berücksichtigung der Entwicklung der Mitgliederstruktur fortgeschrieben worden. Im übrigen verletze die Nichtberücksichtigung der Kopfpauschalen im RSA das objektiv-rechtliche Willkürverbot, weil sie keine Chance habe, bei der Vergütung der ambulanten ärztlichen Leistungen auch nur annähernd in den Bereich des Ausgabenstandards zu gelangen.

Hinsichtlich der im Ausland lebenden Familienversicherten meint die Klägerin, im EG-Recht fehle eine Regelung für die Berücksichtigung von Kosten für diesen Personenkreis, wie sie früher für den KVdR-Finanzausgleich bestanden habe. Eine solche Sonderregelung sei jedoch Voraussetzung für die Berücksichtigung von Belastungen im RSA. Ferner meint die Klägerin, Bestimmungen im Zusammenhang mit dem EG-Recht bzw. Sozialversicherungsabkommen, die vorsehen, dass die Verbindungsstelle ein Verfahren zum Ausgleich außergewöhnlicher Belastungen durchführen kann, seien abschließend und stünden einer Berücksichtigung der im Ausland lebenden Familienangehörigen entgegen.

Die Berücksichtigung der Grundlohnabhängigkeit des Krankengeldes sei schon nach geltendem Recht geboten. Die Erhebung der Krankengeldtage neben den Krankengeldausgaben zeige, dass neben dem Mengenbestandteil auch der Preisbestandteil dieser Ausgabe von Bedeutung sein solle.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.01.2000 zu ändern und die die Jahresausgleichsverfahren für die Kalenderjahre 1994 und 1995 betreffenden Bescheide vom 04.12.1996 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist unter Wiederholung ihres bisherigen Vortrags ergänzend darauf hin, hinsichtlich der Kopfpauschalen sei allenfalls eine Gesetzesanpassung bei der Regelung der Gesamtvergütung der Ärzte erforderlich, um eine Grundlage für die Anpassung der Vergütungsstrukturen zu schaffen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die die Jahresausgleiche 1994 und 1995 regelnden Bescheide vom 04.12.1996 sind rechtmäßig.

Der Senat hat bereits mit Urteilen vom 28.08.2001 (u.a. L 5 KR 167/00) entschieden, dass der RSA mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Ferner ist das von der Beklagten praktizierte Verfahren bei der Feststellung des Beitragsbedarfs nicht zu beanstanden, insbesondere durfte sie die Ausgleichsbeträge auf der Grundlage der übermittelten Daten berechnen.

Die von der Klägerin vorgebrachten Gründe können zu keiner anderen Beurteilung führen.

1. Die Berechnung des Beitragsbedarfs hat auch für den Bereich der ambulanten ärztlichen Versorgung unabhängig von dem von den Kassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbarten Vergütungssystem zu erfolgen. Die Vergütung der ambulanten ärztlichen Leistungen erfolgt nach einer für alle Mitglieder gleich hohen Kopfpauschale, die also alters- und geschlechtsstrukturunabhängig ist und zudem die Zahl der Familienversicherten nicht berücksichtigt. Die Forderung der Beklagten, dass auch im RSA dieses Kopfpauschalensystem berücksichtigt werden müsse, findet im Gesetz keine Grundlage. Nach § 266 Abs. 2 Satz 2 SGB V bestimmt sich der Beitragsbedarf einer Kasse nicht nach ihren tatsächlichen Ausgaben, sondern nach standardisierten Leistungsausgaben. Dies steht der Berücksichtigung der individuellen Vergütungsvereinbarung der betreffenden Kasse entgegen. Ferner sieht der RSA einen Ausgleich der auf Alter, Geschlecht und Zahl der Familienversicherten beruhenden Risikobelastung vor. Um die unterschiedlichen Belastungen auszugleichen, werden für die einzelnen Versichertengruppen mit tels des nach § 267 Abs. 7 Nr. 1 SGB V von den Spitzenverbänden vereinbarten Stichprobenverfahrens Risikoprofile erstellt, die den Umfang der Leistungsinanspruchnahme durch die Versicherten der jeweiligen Gruppen abbilden sollen. Folgerichtig werden somit im Hauptleistungsbereich der ambulanten ärztlichen Versorgung die nach Einzelleistungen abgerechneten ärztlichen Leistungen für die Versichertengruppen erfasst und der Profilbildung zugrundegelegt.

Diesem Vorgehen kann nicht entgegengehalten werden, aufgrund des Kopfpauschalensystems vergüte eine Krankenkasse nicht die reale Inanspruchnahme der Leistungen, sondern wende faktisch für jeden Versicherten unabhängig von Alter und Geschlecht den gleichen Betrag auf, so dass auch im RSA die Leistungsausgaben unter Berücksichtigung der Kopfpauschalen ermittelt werden müssten. Dagegen spricht schon, dass der Gesetzgeber ausweislich § 267 Abs. 5 Satz 3 SGB V davon ausgegangen ist, dass für die Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben die im Verhältnis zwischen Ärzten und Kassenärztlichen Vereinigungen praktizierte Einzelleistungsabrechnung maßgeblich ist. Zu Recht weist die Beklagte ferner darauf hin, dass bei der Berücksichtigung der Kopfpauschalen im RSA der von § 266 Abs. 1 Satz 2 SGB V geforderte Ausgleich verfehlt würde, weil für jedes Mitglied unabhängig von Alter und Geschlecht im ärztlichen Bereich die gleichen Leistungsausgaben angerechnet würden.

Im übrigen können die Kopfpauschalen nicht völlig losgelöst von der konkreten Risikostruktur einer Krankenkasse betrachtet werden. § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V stellt es den Kassen frei, die Gesamtvergütung nach Kopfpauschalen oder anderen geeigneten Maßstäben zu vereinbaren. Die Kopfpauschalen sind somit nur eine abrechnungstechnische Regelung zur Festlegung der Gesamtvergütung. Ein Kopfpauschalesystem, das nicht versucht, das Ausmaß der Leistungsinanspruchnahme der Versicherten einer Krankenkasse (also ihre Risikostruktur) zu erfassen, wäre mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 72 Abs. 2 SGB V nicht zu vereinbaren. Tatsächlich sollten auch bei dem Übergang zum Kopfpauschalesystem mit den Kopfpauschalen nur kalkulatorisch eine Begrenzung der zuvor weitgehend nach Einzelleistungen abgerechneten ärztlichen Vergütung umgesetzt werden. Die damals gebildeten Kopfpauschalen stellten sich somit logisch als Fortschreibung der Vergütungsvolumina dar, die sich zuvor aus den Einzelleistungsvergütungen und damit der alters- und geschlechtsstrukturdifferenzierten Inanspruchnahme ergeben hatten (vgl. Reichelt, DOK 1998, 214, 216). Soweit es allerdings aufgrund von Mitgliederwechseln zu Verschiebungen von Versichertengruppen zwischen den Kassen kommt, können bei einer bloß linearen Fortschreibung der Kopfpauschalen nach der Grundlohnentwicklung diese "neuen" Versichertenstrukturen u.U. nicht mehr ausreichend zur Geltung kommen. Dem müsste aber bei Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots durch eine entsprechende Vergütungsvereinbarung im Rahmen des § 85 Abs. 2 SGB V Rechnung getragen werden. Soweit das Vergütungssystem nicht mehr die tatsächliche Leistungsinanspruch nahme der Versicherten abbildet, kann dies nicht bedeuten, dass der RSA insofern anzupassen wäre.

Ebensowenig ist im Rahmen des RSA die Höhe der vereinbarten Kopfpauschalen beachtlich. Es trifft zwar zu, dass die Ersatzkassen aus historischen Gründen im Bereich der ambulanten ärztlichen Versorgung einen Vergütungssockel haben, der deutlich über dem der anderen Kassenarten liegt. Sie haben Kopfpauschalen vereinbart, deren Höhe sie früher aus den höheren beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder finanzieren konnten, während nunmehr die höhere Finanzkraft einer Krankenkasse weitgehend abgeschöpft wird. Die tatsächlichen Ausgaben der Ersatzkassen in diesem Bereich liegen über dem angerechneten Beitragsbedarf (vgl. Ballast, ErsK 2000, 139, 140). Der Vorwurf der Klägerin, der RSA verletze das objektiv-rechtliche Willkürverbot, weil er davon ausgehe, dass eine Krankenkasse durch wirtschaftliches Handeln die durchschnittlichen Leistungsausgaben erreichen könne, während es ihr tatsächlich gar nicht möglich sei, den im RSA zugrundegelegten Ausgabenstandard zu erreichen, geht jedoch fehl. Eine Anpassung an die durch den RSA geänderte Situation muss im Rahmen der Vergütungsvereinbarungen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen erfolgen. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des BSG (BSGE 20, 73; 51, 58) anführt, eine Absenkung der Vergütung sei rechtlich nicht möglich, weil die Rechtsprechung davon ausgehe, dass eine einmal vereinbarte Vergütung i.S.d. § 72 Abs. 2 SGB V "angemessen" gewesen sei, verkennt sie, dass diese Rechtsprechung die Rechtslage vor Einführung des RSA betrifft. Nach den genannten Entscheidungen kann zwar von der Angemessenheit der vereinbarten Vergütung ausgegangen werden. Gleichzeitig ist aber auch bei der Fortschreibung die wirtschaftliche Lage einer Krankenkasse zu berücksichtigen. Insofern scheint es nicht ausgeschlossen, dass auch die durch den RSA veränderte Situation Berücksichtigung finden kann. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, gibt es zu diesem Fragenkreis bislang nur erstinstanzliche Entscheidungen. Es steht somit keineswegs fest, dass rechtlich eine Anpassung der ärztlichen Vergütung an die durch den RSA veränderten Bedingungen nicht möglich ist.

2. Die Anrechnung bundesdurchschnittlicher Ausgaben auch für die grundlohnabhängigen Barleistungen (Krankengeld, Mutterschaftsgeld) ist rechtmäßig. Die Berücksichtigung von Krankengeld und Mutterschaftsgeld wie Sachleistungen im RSA mag zwar systematisch nicht zutreffend sein, weil diese Leistungen im Gegensatz zu den Sachleistungen einkommensabhängig sind, so dass grundlohnstarke Kassen pro Krankengeldbezugstag höhere Ausgaben haben. Gleichwohl sieht weder das geltende Recht für das Kranken- und Mutterschaftsgeld ein gesondertes Standardisierungsverfahren vor noch ist eine solche differenzierende Regelung verfassungsrechtlich geboten.

a) Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der von der Klägerin zitierten Vorschriften der §§ 266 Abs. 1 Satz 2, 3, 267 Abs. 2 SGB V legen nahe, dass auf überdurchschnittlich hohen Einnahmen beruhende Mehrausgaben auszugleichen sind. Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass im RSA auch Ausgabeunterschiede auszugleichen seien, übersieht sie, dass zum einen der RSA einnahmeorientiert ist, zum anderen, dass der Gesetzgeber bewusst keinen vollständigen Ausgleich aller maßgeblichen Faktoren angestrebt hat. Aus § 267 Abs. 2 SGB V ergibt sich nichts anderes, aus der bloßen Tatsache der Erhebung auch der Krankengeldbezugstage kann nicht geschlossen werden, dass insoweit bei der Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben zwischen dem Mengen- und Preisbestandteil der grundlohnabhängigen Barleistungen zu trennen sei. Somit verstößt die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 4 RSAV, wonach die Ausgaben für Kranken- und Mutterschaftsgeld undifferenziert bei der Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben zu berücksichtigen sind, nicht gegen höherrangiges Recht.

b) Der Gesetzgeber war auch nicht zu einer anderen Lösung verpflichtet. Zunächst stehen den höheren Leistungsverpflichtungen der betroffenen Kassen grundsätzlich auch höhere beitragspflichtige Einnahmen ihrer Mitglieder und damit höhere Beitragseinnahmen gegenüber. Da der Grundlohnausgleich im RSA nicht vollständig ist, sondern die Grundlohnvorteile nur zu ca. 92 % abgeschöpft werden, steht diesen Kassen immer noch ein gewisser Anteil ihres Grundlohnvorteils zur Finanzierung des (höheren) Krankengeldes zur Verfügung. Vor allem aber gibt es zahlreiche Einflussfaktoren, die speziell grundlohnstarke Krankenkassen in bezug auf die Krankengeldhäufigkeit entlasten und dem Effekt der systematisch falschen Berücksichtigung des Krankengeldes im RSA entgegenwirken. Nach den Feststellungen in dem vom BMG eingeholten Gutachten von IGES/ Cassel/Wasem "Zur Wirkungsweise des Risikostrukturausgleichs in der Gesetzlichen Krankenversicherung", Endbericht vom 15.02.2001 (im Folgenden: Endbericht) (S. 72) liegt es sogar nahe, dass diese Faktoren deutlich die Nachteile der grundlohnstarken Kassen überkompensieren. Die Beklagte hat unwidersprochen darauf hingewiesen, dass der Klägerin - wie auch anderen Ersatzkassen - insoweit ein höherer Beitragsbedarf angerechnet wird als sie tatsächlich Ausgaben hat. Die Berücksichtigung des Krankengeldes in der von der Klägerin gewünschten Weise würde somit nur ihre Vorteile im Bereich des Krankengeldes vergrößern und eher zu Beitragssatzverzerrungen führen. Die Gutachter gelangen in dem Endbericht (S. 174) zu folgendem Schluss: Wenn man den systematisch falschen Einkommensbezug durch eines der von ihnen diskutierten Modelle isoliert beseitige, die anderen Wirkungsfaktoren jedoch unberücksichtigt lassen würde, würden sich die bereits bestehenden Unterschiede in bezug auf die relative Krankengeld-Ausgabeposition und die daraus resultierenden Beitragssatzverzerrungen tendenziell noch vergrößern. Für die übrigen Einflussfaktoren fehle aber gegenwärtig hinreichend empirisches Wissen bzw. das vorliegende Wissen eigne sich nicht unmittelbar zur Berücksichtigung im RSA. Beider gegenwärtigen Ausgestaltung des RSA gibt es somit für die gewählte Lösung der Berücksichtigung der grundlohnabhängigen Barleistungen bei der Berechnung der standardisierten Leistungsausgaben vernünftige und einleuchtende Gründe.

3. Die Beklagte hat zutreffend bei der Berechnung des Beitragsbedarfs auch die Versicherungszeiten solcher Familienversicherten berücksichtigt, die nicht in der Bundesrepublik, sondern in einem der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) oder in einem Land leben, mit dem ein Sozialversicherungsabkommen (SVA) besteht. Auch diese Versicherten zählen zu den in §§ 266 Abs. 1 Satz 2, 267 Abs. 2 Satz 1 genannten "nach § 10 versicherten Familienangehörigen", auch wenn sie nicht wie von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V gefordert ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Nach § 30 Abs. 2 SGB I bleiben Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts für den Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs unberührt. Soweit aufgrund EG-Recht (Art. 19 Abs. 2 EG-VO 1408/71) oder zwischenstaatlicher SVA auch die im anderen Abkommensstaat lebenden Familienangehörigen des Mitglieds familienversichert sind, sind sie nach § 10 SGB V Versicherte und somit auch bei der Erhebung der Versicherungszeiten zu berücksichtigen.

Das Fehlen einer der in EG-VO 1408/71 Anhang VI Abschnitt C Ziff. 9 für den KVdR-Finanzausgleich getroffenen Sonderregelung vergleichbaren Bestimmung für den RSA ist irrelevant, weil diese Sonderregelung auf der Konzeption des KVdR-Finanzausgleichs als ausgabeorientiertem Ausgleichsverfahren beruhte. Daher musste bestimmt werden, welche Ausgaben insoweit ausgleichsfähig waren. Der RSA ist dagegen einnahmeorientiert, die tatsächlichen Leistungsausgaben sind wegen der Anrechnung standardisierter Leistungsausgaben irrelevant, so dass es einer entsprechenden Sonderregelung nicht bedurfte.

Die Annahme, die Bestimmungen in der EG-VO 1408/71 (Anhang VI Abschnitt C Ziff. 3) bzw. in den Gesetzen zu den SVA (s. etwa Art. 2 des Gesetzes zum deutsch-marokkanischen SVA vom 10.04.1986 (BGBl. II, S. 550), Art. 2 des Gesetzes zum deutsch-tunesischen SVA vom 10.04.1986 (BGBl. II, S. 582); Art. 2 des Gesetzes zum deutsch-türkischen SVA vom 13.09.1965 (BGBl. II, S. 1169)), wonach außergewöhnliche Belastungen eines Trägers der Krankenversicherung aus der Durchführung der Verordnung bzw. des SVA durch ein von der Verbindungsstelle im Einvernehmen mit den anderen Spitzenverbänden durchzuführendes Ausgleichsverfahren ausgeglichen werden können, seien abschließend und stünden einer Berücksichtigung der im Ausland lebenden Familienangehörigen im RSA entgegen, ist abwegig. Dagegen spricht schon, dass der Ausgleich nach der EG-Verordnung bzw. den SVA an die tatsächlichen Ausgaben einer Kasse anknüpft, die im RSA irrelevant sind. Ferner hatte der Gesetzgeber nicht die durch die Erbringung der Leistungen entstehenden Belastungen, sondern die nicht erstattungsfähigen Ausgaben wie die Verwaltungskosten im Auge (vgl. BR-Drucks. 527/84, S. 6; BR-Drucks. 528/84, S. 5). Die genannten Bestimmungen entsprechen im übrigen eher dem Finanzausgleich für aufwändige Leistungsfälle nach § 265 SGB V, der ebenfalls durch den RSA nicht berührt wird.

Die von der Klägerin geforderte teleologische Reduktion der §§ 266 Abs. 1 Satz 2, 267 Abs. 2 Satz 1 SGB V ist abzulehnen. Eine teleologische Reduktion kommt in Betracht, wenn das Gesetz eine "verdeckte Lücke" aufweist, d.h. wenn eine sprachlich eindeutige gesetzliche Regelung zwar nach ihrem Wortlaut einen bestimmten Sachverhalt regelt, nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes diese Rechtsfolge aber nicht passt, weil sie die für die Wertung des Falles relevante Besonderheit außer Acht lässt, so dass das Gesetz einer Einschränkung bedarf (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 391). Eine solche Lücke lässt sich jedoch nicht feststellen, denn die Berücksichtigung auch der im Ausland lebenden Familienangehörigen widerspricht nicht der immanenten Teleologie des RSA. Zwar trifft zu, dass bei einer mit einem Abkommensstaat vereinbarten pauschalen Abgeltung der Leistungen pro Mitversicherten-Familie Zahl, Alter und Geschlecht dieser im Ausland lebenden Familienangehörigen für die Risikobelastung der Krankenkasse nicht maßgeblich sind. Auch kann der für diese Personen angerechnete Beitragsbedarf ein Mehrfaches der tatsächlich angefallenen Ausgaben betragen (s. Endbericht, S. 181; allerdings können abhängig von der Höhe der mit dem jeweiligen Wohnortstaat vereinbarten Pauschale im Einzelfall die tatsächlichen Ausgaben auch höher sein als der angerechnete Beitragsbedarf). Jedoch stellen die im Ausland lebenden Familienangehörigen eine Kostenbelastung der jeweiligen Kasse dar, so dass ihre Nichtberücksichtigung im RSA mit dessen Sinn und Zweck ebenfalls nicht vereinbar wäre. Würde man nur die gezahlten Pauschalen für die Bestimmung des Beitragsbedarfs berücksichtigen, widerspräche dies dem Konzept des RSA, der nicht auf die konkreten Ausgaben abstellt. Vor allem hat der Gesetzgeber den RSA von vornherein nicht auf den vollständigen Ausgleich aller für die Risikobelastung einer Kasse maßgeblichen Faktoren angelegt, sondern bewusst typisierend den Ausgleich auf bestimmte Parameter beschränkt. Diese Konzeption steht einer Auslegung des Gesetzes entgegen, durch die beschränkt auf einzelne Elemente der Ausgleich verändert würde. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, der RSA stelle ein komplexes Geflecht aus Begünstigungen und Benachteiligungen der verschiedenen Kassenarten dar, bei dem ein Eingriff in einem Bereich notwendig zu einem Ausgleich in einem anderen Bereich führen müsse. Wenn etwa im vorliegenden Fall die sich für die AOK (angeblich) ergebenden Beitragssatzvorteile kritisiert werden, stünde umgekehrt in Frage, ob nicht bei Beseitigung dieser Vorteile dann ebenso zwingend deren Mehrausgaben ausgeglichen werden müssten, die sie durch den höheren Anteil von der Zuzahlung befreiter Versicherter zu tragen haben (vgl. dazu Endbericht, S. 181 f.).

Ob de lege ferenda die Herausnahme der im Ausland lebenden Familienversicherten aus dem RSA sinnvoll oder sogar gebeten ist (s. dazu Endbericht, S. 179 ff.), kann dahinstehen. Der Gesetzgeber musste jedenfalls nicht von Verfassungs wegen bei der Einführung des RSA diese Gruppe der Versicherten vom RSA ausschließen. Bei der Regelung einer so komplexen und vielschichtigen Materie, wie sie der RSA darstellt, ist dem Gesetzgeber zuzugestehen, dass er zunächst in einer angemessenen Zeit Erfahrungen sammelt und sich in diesem Anfangsstadium mit gröberen Typisierungen und Generalisierungen begnügt, die unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität deshalb gerechtfertigt sein können, weil eine Verfeinerung die Gefahr mangelnder Wirksamkeit mit sich bringen kann (vgl. BVerfGE 33, 171, 189 f.; 70, 1, 34; BSG SozR 2200 § 368 f. Nr. 14). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass in dem hier streitigen Zeitraum noch keine verlässlichen Daten zur Zahl der im Ausland lebenden Familienversicherten vorlagen; die amtliche Statistik KM 6 wurde erst zum 01.01.1998 erstellt. Selbst gegen wärtig erlauben die Statistiken noch nicht eine zuverlässige Beurteilung, welche Auswirkungen letztlich die jetzige Berücksichtigung der im Ausland lebenden Familienversicherten hat. Den Berechnungen der Klägerin zu den sich angeblich ergebenden Beitragsvorteilen der Orts- und Betriebskrankenkassen hat die Beklagte mit einleuchtenden Argumenten widersprochen. Soweit die Klägerin aufgrund der erstmals für 1998 erstellten Statistik KM 6 für dieses Jahr im Hinblick auf die von den Ortskrankenkassen gemeldete Zahl von Familienversicherten (rund 695000) einen Beitragsvorteil für die AOK von mehr als 1,6 Milliarden DM errechnet hat, dürfte diese Zahl ohnehin nicht zutreffen, weil in der Statistik für 1999 die AOK nur rund 176000 Versicherte gemeldet hat und die Zahl für 1998 nach den Erkundigungen der Beklagten auf einen Programmierfehler zurückzuführen war. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt, dass das vorliegende Datenmaterial keine sichere Aussage erlaubt. Angesichts dieser Situation kann jedenfalls nicht gesagt werden, dass der Gesetzgeber bei Einführung des RSA ohne sachlichen Grund eine differenzierende Lösung unterlassen hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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